Es ist vor einiger Zeit die Frage aufgetaucht, ob der Seegartenhof in früheren Zeiten einmal zur Markung Oberkochen gehört habe, oder schon immer zu der Gemeindemarkung Königsbronn gezählt worden ist. Ich habe mich bemüht, dieser Frage nachzugehen und eine klärende Antwort zu finden. Vorweg möchte ich bemerken, daß Oberkochen bis zum Jahre 1806 besitzmäßig ein geteiltes Dorf war und daher von einer einheitlichen Markung nicht gesprochen werden konnte.
Den Lagerbüchern der Staatsarchive in Stuttgart und Ludwigsburg, ebenso den dort vorliegenden anderen Akten, ferner den Oberamtsbeschreibungen der Oberämter Heidenheim und Aalen und den Gemeindearchiven der Gemeinden Oberkochen und Königsbronn konnte folgendes entnommen werden:
Erstmals ist der Seegartenhof genannt um das Jahr 1363. Allerdings ist dabei noch nicht die Rede von einem Hof, sondern nur von Ackern, die in den Seegärten gelegen sind. Der Eintrag berichtet daß bei einem Verkauf an das Kloster Königsbronn durch den Ritter Fritz von Scharenstetten, mit anderen Äckern auch »die ze Seengarten gelegen sind und in dem Gaintal, die Hans von Söhnstetten zuvor besessen hatte«, gekauft worden sind. Wenn auch dabei von einem Hof nicht gesprochen ist, so muß doch angenommen werden, daß dort auch schon landwirtschaftliche Gebäude da waren. Es mag eine kleinere Siedlung gewesen sein, denn später um das Jahr 1525 etwa heißt es, daß der Hof von dem Abt Melchior Ruoff neu »erpauet« worden sei. Unter dieser Erbauung darf aber keine erstmalige Erstellung von Hofgebäuden verstanden werden, sondern es war eine Erneuerung und Vergrößerung alter Gebäude. Abt Melchior dürfte den zum Hof gehörenden Besitz so vergrößert haben, daß von da ab erst von einem Hof gesprochen werden kann, denn ein Hof mußte eine bestimmte Anzahl von Tagwerken haben, andernfalls zählte er nicht zu den Höfen; er war allenfalls eine »Hufe«.
Soweit überhaupt eine Vermutung darüber aufgestellt werden kann, daß es sich bei dem Seegartenhof um einen Ausbau von Oberkochen oder von Königsbronn her handle, möchte ich Oberkochen den Vorzug geben, und zwar aus folgendem Grunde:
Oberkochen war von Anfang an (vermutlich seit der Zeit der Landnahme durch die Alemannen) ein Bauerndorf mit weitauslaufender Markung, auf der, begünstigt durch die Lage, streng die Dreifelderwirtschaft betrieben wurde. Die Felder um den Seegarten lagen weit ab, und es könnte dies mit anderem ein Grund gewesen sein, diesen Teil einem Einzelsiedler zu überlassen. Aus dieser Überlegung heraus wäre es nicht abwegig, wenn wir sagten, der Seegartenhof sei so alt wie das Dorf Oberkochen.
Wäre dem so gewesen, dann könnte allerdings nicht von einem Ausbau gesprochenen werden, denn ein Ausbau war eine Sache, die sich erst im Laufe einer gewissen Zeit vollzogen hat. Aber bleiben wir bei der Annahme, daß es sich um einen Ausbau handelt, weil diese Annahme die größere Wahrscheinlichkeit für sich hat. Oberkochen war ein bedeutendes Bauerndorf mit großen Höfen und besaß ab 1368 sogar einen Maierhof mit einem gewissen Maß von Gerichtsbarkeit. Dem gegenüber war das Dorf Springen, wie das heutige Königsbronn damals hieß, landwirtschaftlich unbedeutend. Die wirtschaftliche Struktur dieses Dorfes war schon in frühen Zeiten durch die Burg Herwartstein irgendwie anders bestimmt als die Oberkochens. Springens gesamte Markung war sehr klein, und es dürfte außer dem Stürzel keinen großen Hof gehabt haben.
Wir haben damit über das Anfangsbestehen des Seegartenhofes zwei Gesichtspunkte betrachtet, einerseits die Besiedlung in frühester Zeit und andererseits den Ausbau im Laufe späterer Zeit. In beiden Fällen könnten wir sagen, daß der Seegartenhof einst zu Oberkochen gezählt hat, jedoch nicht länger als bis zu dem Zeitpunkt, zu dem das Kloster Königsbronn wirtschaftlich in die Geschichte der beiden Dörfer eingetreten ist. Es war dies die Zeit um 1325. Das Kloster hatte Hof und Felder um den Seegarten durch Kauf und Schenkungen an sich gezogen. Unter dem Stiftungsgut des Königs Albrecht ist der Seegarten nicht aufgeführt. Aus den Aufzeichnungen in den Archiven läßt sich aber deutlich erkennen, daß der Seegartenhof in den letzten 600 Jahren nicht mehr zu Oberkochen gezählt hat. Als Beweis hierfür möchte ich folgendes anführen: Als das Kloster um 1358 große Erwerbungen von dem Ritter zu Kaltenburg gemacht hatte, darunter auch den größten Teil der heutigen Seegartenfelder, da konnten die Mönche überlegen, ob sie nicht das ganze Dorf Springen nach diesen Seegärten verlegen sollten, damit sie ungestört an der Brenzquelle leben könnten. Warum sie diesen Plan nicht ausgeführt haben, ist nirgends vermerkt. Aber sie hätten eine solche Überlegung nicht ohne weiteres anstellen können, wenn ihnen der Platz um den Seegarten nicht gehört hätte. Was ihnen evtl. noch fehlte, das kauften sie um 1363 von Fritz von Scharenstetten dazu.
Aus dem Jahre 1471 wird berichtet, daß die Mähder zu Seegarten, etwa 100 Tagwerk, in das Kloster Königsbronn geheut worden seien. 1554 ist die Rede von einem stattlichen Hofe, der vom Kloster verliehen worden war. Nebenbei sei vermerkt, daß zu diesem Zeitpunkt schon der große Streit zwischen dem württembergischen Herzog und dem Abt des Klosters Königsbronn wegen der Reformierung des Klosters im Gange war, gegen die sich der Abt viele Jahre zur Wehr gesetzt hatte. 1578 überließ der evangelische Abt bzw. Klosterverwalter von Königsbronn an den Seegartenhof 40 Jauchert Sicker aus dem Feldbau des Klosters. Bevor der Hof durch die katholischen Äbte in früherer Zeit erblich verliehen wurde, war er im Eigenbau des Klosters. 1583 heißt es im Saalbuch: »Alle Inwohner zu Seegarten gehören tot und lebendig zur Pfarrei Königsbronn. Sie haben auch schon zu Zeiten des Papsttums das verordnete Seelgerät und anderes damaligen Brauchs nach dahin ins Kloster gegeben. Dem ist zuzufügen, daß dieser Hof kein besonderes alt Herkommen nit hat, sondern ist ungefährlich innerhalb 50 Jahren von Abt Melchior Ruoff Zeiten von neuem erbaut und zu einem Hof gemacht worden.« (Vorher dürfte er keiner gewesen sein und als »Hufe« gegolten haben). Im gleichen Saalbuch heißt es weiter: »Der Insitzer zu Seegarten hat ein Bürgerrecht zu Königsbronn. Fronpflichtig ist er nach dort mit 4 Tagen. Handlohn und Weglösin hat er ebenfalls nach Königsbronn zu entrichten. Große und kleine Frevel, die genannt werden auf dem Hof und den dazu gehörenden Gütern, auch im Birkach, gehören alle zum Gerichtsstab zusammen mit Springen nach Steinheim.« Aus dem Jahre 1730 ist berichtet, daß der Klosterverwalter Klein durch den Birkach einen Graben habe ziehen lassen zum Zwecke der Trockenlegung des Seegartensees. Darüber war ein großer Papierkrieg zwischen der Fürstpröpstlichen Verwaltung Ellwangen, dem Herzog von Württemberg und dem Klosterverwalter von Königsbronn entstanden. Es heißt in den Schreiben, der Klosterverwalter habe über den Graben 20 Morgen hinwegziehen lassen und das Wasser habe den Acker des Thomas Grupp zu Oberkochen zerstört. Außerdem habe das Wasser weitere 20 Morgen Oberkochener Feldes überschwemmt. Die Klageschrift war vom Oberamtmann in Unterkochen gefertigt worden. Wir sehen hier deutlich Oberkochen gegen Königsbronn mit seinem Seegartenhof stehen, nicht umgekehrt. 1750 sind in den Akten des Staatsarchivs Ludwigsburg in einem Vergleich über die Zuständigkeit der Weideplätze zwischen der »Comun Oberkochen und dem Kloster Königsbronn« alle Flecken (Dörfer, Weiler und Höfe) aufgeführt, die zur Klosterherrschaft Königsbronn gehörten und hiebei erscheint auch der Seegartenhof bei Königsbronn.
Über die dem Kloster Königsbronn gehörenden Güter zu Seengarten ist u. a. folgendes berichtet bzw. verzeichnet: »Das bürgerlich zu Seegarten gehört, ist zwischen den Seegartenhof Bauernfeldern und der Oberkochener Gemeind, der Wollenberger Hald gelegen, stoßt oben neben dem Seegarten, dem Seegartenhofgarten und weiter hinauf durch des Klosters Weyer und des Seegartenbrunnen und unten hinab über die Leimgruben an das Oberkochener Bauernfeld«.
Der Lehensbrief war vom Kloster Königsbronn ausgestellt und alle Verpflichtungen galten nach dorthin. An einer anderen Stelle ist vermerkt, daß zum Seegartenhof gehören »ein Steinhaus mit Scheuer mit einem hinteren Hof samt 2 Jauchert Baumgarten. Alles an einander zwischen dem Seegartensee und sein selbige Acker an dem Birkich gelegen. Dazu alles zum Hof gehörig. Vierzig vier Jauchert Zocker zwischen dem Hof und dem Birkich gelegen und zur anderen Seite der gemeinen Landstraße zu dem Gaintal Oberkochen zu gelegen. Stoßt oben an die Hohewart und unten auf das Oberkochener Bauernfeld und dem Graben bis zum Markstein. Darnach der Untere Ösch gegen den Oberkochener Wald zu 14 Jauchert, der Mittelösch mit 4½ Jauchert und der Oberösch gegen Königsbronn zu 16 Jauchert. Die sonstigen Mähder an dem See gelegen an der Seite unterhalb des Ziegelstadels Vom Ziegelstadel hinauf bis an den Zaune«. Von Wiesmähdern sind verzeichnet: »Fünf Jauchert unter den Aekern an der Hohewart hinauf bis an den Weyer und das bis an den See hinauf zwischen dem Birkach und dem See an die Ziegelgruben gelegene.«
Einem Auszug aus dem Lagerbuch des 16. Jahrhunderts entnehmen wir folgendes: »Das Birkach zu Seegarten ist zwischen den Seegartenhofbauernfeldern und der Oberkochener Gemeind. An der Wollenberger Hald gelegen stößt es oben neben dem Seegartenhofgarten und Wiesen hinauf auf das Klosterfischwasser und dem Seegartenbrunnen und unten hinab über die Leimgruben an das Oberkochener Bauernfeld«. Darauf, heißt es weiter, seien vor diesem alte abgegangene Eichen gestanden, »welche aber diese Zeit hero mehrteils umgefallen. Ist jetzt ein gemeiner Weydgang und Viehtrieb, so für Königsbronn, Springen, des Klosters Schäferei zum Stürzel, Zahnberg und Seegartenhof den Zutrieb haben«.
Durch die Landesvisitation 1572 wurde von der Herzoglichen Regierung angeordnet, daß die Bewohner von Ochsenberg, Zang, Zahnberg, Seegarten, Stürzel und Baumgarten mit Springen (Königsbronn) eine Gemeinde bilden sollen. Das war nichts anderes als eine Eingemeindung des Seegartenhofes nach Springen. In allen Lagerbüchern erscheint der Seegartenhof nach dem Dorf Springen aufgezählt als des Klosters Eigentum, bestehend aus den Gütern, einem Haus, zwei Scheuern, ein Wasserhaus samt einem Bachbad, und alles in einem umzäunten Hof, dabei 2 Jauchert Baum- und Grasgerten, gelegen zwischen dem Seegartensee und dem Birkach.
1739 heißt es: »Den Nutzen des Holzes auf dem Birkach haben das Kloster Königsbronn und die Oberkochener Gemeind miteinander gleichermaßen und gehört die Obrigkeit daselbsten dem Kloster Königsbronn eigen und allein zu«. An einer anderen Stelle ist verzeichnet: »Dieses Birkich gehört allein dem Kloster Königsbronn und der Gemeind Oberkochen zu und hat die Propstei Ellwangen daselbsten gar nichts.« Mit der Gemeind Oberkochen war wohl gemeint der königsbronnische Teil Oberkochens. »Niemand«, so heißt es einmal, »hat die Gerechtigkeit im Seegartenweiher zu fischen als allein das Kloster«. In der Oberamtsbeschreibung des Oberamts Aalen aus dem Jahre 1854 sind alle Teilgemeinden von Oberkochen aufgeführt. Hätte der Seegartenhof früher zu Oberkochen gezählt, würde dies bestimmt in diesem Buch verzeichnet sein.
Abschließend möchte ich sagen, daß meines Erachtens der Seegartenhof von 1361 bis 1806 weder politisch noch kirchlich zu Oberkochen gehört hat. Er war in dieser Zeit auch ein selbständiger Wirtschaftsteil unter dem Klostergut Königsbronn, ähnlich wie die Weiler Ochsenberg, Zang und andere, auch wie der königsbronnische Dorfteil Oberkochens es durch 600 Jahre gewesen ist Daher kam der Seegartenhof auch nach Aufhebung des Klosteramtes Königsbronn 1806 in den Besitz der Gemeinde Königsbronn, so wie die Ziegelhütte, Stürzel und Zahnberg von da in Privathand, während die Weiler wie Ochsenberg, Zang usw. selbständige Gemeinden im Oberamt Heidenheim wurden. Der Dorfteil Oberkochen konnte nur verschmolzen werden mit dem ellwängischen zu einer neuen Oberamtsgemeinde. Diese Meinung wird außerdem bestätigt durch den Inhalt der Ortschronik von Königsbronn.
Franz Balle