Oberkochens Bauern arbeitete noch bis nach dem Zweiten Weltkrieg nach dem bekannten Prinzip der Dreifelderwirtschaft. In Oberkochen gab es das Essinger Feld (Wolfertstal) und das Königsbronner Feld (Rodhalde und Äcker in Richtung Königsbronn). Das dritte Feld lag in Richtung Unterkochen und trug offiziell den Namen “Unterkochener Feld”. Im Volksmund wurde es meist mit “nawärts” bezeichnet. Um den Boden zu schonen und zu erhalten, wurden in einem jährlich wechselnden System im ersten Feld der mit “Korn” bezeichnete Dinkel (Winterfrucht) und später der Weizen, im nächsten Feld die Gerste (Sommerfrucht) und im dritten Feld (Brache) Klee, Kartoffeln, Rüben und weitere Hackfrüchte angebaut.
Die Kartoffelernte war besonders anstrengend und mühsam. Das Kartoffellegen, das heute im landwirtschaftlichen Betrieb maschinell geschieht, wurde damals noch von Hand durchgeführt. Man hackte und häufelte und legte mit dem Pflug die Erde um. Trotzdem mußten die Äcker noch systematisch nach all den Kartoffeln durchgewühlt werden, die nicht zum Vorschein gekommen waren. Beim “Krummbiera grubla” arbeitete die ganze Familie mit, insbesondere die Kinder. Da die Äcker z.T. weit außerhalb des Ortes und meist sehr verstreut lagen, waren mit den Hacken, Rechen und Sensen vor und nach der eigentlichen Arbeit oft lange Wege zurückzulegen. Deshalb nahm man das Mittagessen nicht zu Hause, sondern auf den Feldern ein. Die Frauen transportierten es in großen Schüsseln, die in kleinen Waschkörben untergebracht waren, auf die Äcker. Die Älteren beherrschten noch die Kunst, diese Körbe auf dem Kopf zu tragen, ohne sie mit den Händen festhalten zu müssen. Bei der Arbeit auf dem Feld trank die Familie meistens Wasser, das sie in 10-Liter-Holzfäßchen oder in “Kutterkrügen”, (drei oder fünf Liter) mitgenommen hatte.
Auch das Einbringen des Getreides war keine leichte Arbeit. Bis in die Zeit des Ersten Weltkrieges war die Sense das einzige Hilfsmittel. Die. Mähmaschinen, die etwa ab 1917/20 in Oberkochen aufkamen, waren einfach konstruiert. Sie bestanden im wesentlichen aus einer Deichsel für zwei Zugtiere, einem Sitz und einem Messerbalken. Die Mähmesser wurden über ein Zahnrad und eine Übersetzung durch die Bewegung der Mähmaschine angetrieben. Blieb die Maschine stehen, so standen auch die Messer still. Nach dem Mähen wurden die Halme mit Hilfe von Strohbändern zu Garben gebündelt. Die Bauernfamilie stellte den Winter über viele Schober (60 Bänder = ein Schober) dieser Bänder aus Roggenstroh her. Dazu mußte “ein Weberknoten an den nächsten” gesetzt werden. Wenn die Getreidegarben nach einiger Zeit trocken und dürr waren, brachte man sie mit hochbeladenen Wagen heim in die Scheuer. Dabei passierte es immer wieder, daß der vollgepackte Wagen an den Hängen umfiel. Zuhause mußte die Ernte auf die Tenne, den Garbenstock, hinauf-gestapelt und “schö nabeigt”, werden.
Nach Beendigung der Ernte auf dem Feld wurde der letzte Getreide- oder Fruchtwagen mit einem Bäumchen geschmückt, das mit Bändern oder Taschentüchern verziert war. Dann wußte jeder im Ort: “Die sind jetzt fertig”. Alle Erntehelfer erhielten danach eine Einladung zu einem “Vesper”. Diesen Brauch bezeichnete man als ‚“Sichelhängen”.
Nach abgeschlossener Ernte wurde das Getreide gedroschen. Dies geschah mit Hilfe des “Dresch-okomobils” das lange Zeit die einzige Dreschmaschine am Ort war und Kronenbesitzer Elmer gehörte. Im Herbst, nachdem die Ernte eingebracht war, bestellten die Oberkochener Bauern beim Kronenwirt das “Dreschlokomobil” für einen oder mehrere Tage, und dieser zog dann mit seiner Maschine von Haus zu Haus. Pro Tag konnte etwa die Frucht von zehn bis zwölf Morgen (drei Morgen sind etwa ein Hektar) gedroschen werden.
Das “Dreschlokomobil” bestand aus zwei Teilen; der Dreschmaschine und dem Antrieb, Lokomobil genannt. Letzteres war eine fahrbare Dampfmaschine mit einem großen Dampfkessel, der hinten geschürt werden mußte. Das Auffälligste an der Dreschmaschine selbst waren vier große Schaufeln.
Beim Dreschen arbeiteten viele Personen als Hilfskräfte mit. Jemand hatte die Aufgabe, die Garben von der Tenne herunterzutransportieren, eine weitere Person trug die Garben zur Dreschmaschine, eine dritte löste auf der Maschine (in der man in einer kleinen Kabine wie in einem Panzer sitzen konnte) die Strohbänder. Danach gab man die Garben einzeln und langsam in die Maschine hinein. Das herausgedroschene Getreide fiel in große Säcke, die ein Träger auf den Fruchtboden hinauftragen und dort ausschütten mußte. Es war wichtig, das Getreide “luftig” zu lagern.
An einer zweiten Stelle der Dreschmaschine kamen der “kurze Müll” und der Dreschstaub zum Vorschein. Hier unterscheidet man zwischen “Kees” und “Gsied”, also zwischen grobem und feinem “Kruscht”. Kees wurde gebündelt und als Büschelchen dem Viehfutter beigemischt. Die mit dem “kurzen Müll” beschäftigten Frauen hatten die schlechteste und “dreckigse” Arbeit. Vor der Maschine standen mehrere Frauen, die das anfallende Stroh abnahmen. Diese Helferinnen banden “immer zwei große Arme voll” mit vorbereiteten Bändern zu sauberen Ballen zusammen, indem sie sich auf das Stroh knieten und es zusammenpreßten. Die Strohballen legte man in große “Häufen” vor den Häusern auf die Straße und trug sie abends zum Lagern unter das Dach hinauf.
Die Roggengarben durften nicht mit der Maschine, sondern mußten von Hand gedroschen werden. Das Roggenstroh für die Garbenbänder mußte glatt und lang sein, und das war nur durch Handarbeit zu erreichen. Zum Dreschen breitete man die Roggengarben “in zwei Reihen der Länge nach” in der Scheuer aus und zwar so, daß die Ähren in der Mitte zusammenstießen Danach mußten vier kräftige Leute mit dem Dreschflegel “genau im Takt draufneidrechen”.
Mehrmals im Jahr wurden einige Zentner Getreide auf dem Fruchtboden in Säcke eingefaßt und zu einer der beiden Oberkochener Mühlen, Scheerer oder Elser (Kreuzmühle), transportiert
Neben den größeren Bauernhöfen gab es auch einige kleinere “Nebenerwerbslandwirtschaften”. Diese wurden von Familien betrieben, die nur ein kleines “Bauernsächle” besaßen. Genauer gesagt waren es die Frauen, die für die Landwirtschaft verantwortlich waren, weil die Männer vormittags von sechs bis zwölf Uhr und nachmittags von 13 bis 18 Uhr (und länger) in den Fabriken arbeiteten. Nur für einige Wochen während der Erntezeit standen diese Männer (statt Urlaub) völlig der Landwirtschaft zur Verfügung. Das ganze Jahr über hatten die Frauen schon am frühen Morgen das Vieh zu melken und im Stall zu arbeiten. Das war keine Kleinigkeit, da sie oft Mütter von vielen Kindern waren. Natürlich wurden auch die Kinder bei der Feldarbeit eingespannt. Schon die Zehnjährigen mußten hart mitarbeiten.