Zeit vor der Reformation

Von jeher war Oberko­chen ein herrschaft­lich geteil­tes Dorf. Ab etwa 1350 gehör­ten zwei Drittel zum damali­gen Benedik­ti­ner­klos­ter und späte­ren Chorher­ren­stift Ellwan­gen, ein Drittel war im Besitz des Zister­zi­en­ser­klos­ters Königs­bronn, das im Jahre 1534 nach wechsel­vol­lem Schick­sal an das Haus Württem­berg fiel. Sofort unter­nahm Herzog Ulrich von Württem­berg den Versuch, in seinem neuen Herrschafts­ge­biet die Refor­ma­ti­on durch­zu­set­zen. Während Ellwan­gen bis auf einen kleinen Zeitab­schnitt im Dreißig­jäh­ri­gen Krieg immer katho­lisch blieb, wurde 1536 die Gegend um Heiden­heim evange­lisch. Damit ist schon das frühes­te Datum genannt, das als Zeitpunkt der Refor­ma­ti­on in Oberko­chen in Frage kommt. Was in Heiden­heim schnell gelang, führte in Königs­bronn jedoch zu Schwie­rig­kei­ten. Die dorti­gen Zister­zi­en­ser­mön­che wehrten sich einige Jahre erfolg­reich gegen die Refor­ma­ti­on; so daß deren Kloster erst im Jahre 1553 durch Herzog Chris­toph von Württem­berg evange­lisch wurde.

Wahrschein­lich zu diesem Zeitpunkt kam dann auch der Königs­bron­ner Teil Oberko­chens zum luthe­ri­schen Glauben. Leider ist es nicht möglich, das Datum der Refor­ma­ti­on in Oberko­chen exakt anzuge­ben, denn die Quellen liefern in diesem Punkt wider­sprüch­li­che Infor­ma­tio­nen. In jedem Fall war Oberko­chen ab 1553 nicht nur politisch, sondern auch religi­ös ein geteil­tes Dorf, in dem etwa 500 Perso­nen wohnten; davon waren zwei Drittel katho­lisch, ein Drittel gehör­te der evange­li­schen Konfes­si­on an. Der Fortgang der Geschich­te zeigt, daß weniger aus der politi­schen, als vielmehr aus der religiö­sen Trennung verschie­de­ne Proble­me erwuch­sen. Schon die damali­gen Zeitge­nos­sen hatten erkannt, daß die Existenz solch kleiner kirch­li­cher Simul­tan­ver­hält­nis­se schnell zu Schwie­rig­kei­ten führen könnte. Deshalb wurde im Augsbur­ger Religi­ons­frie­den von 1555 (knapp 40 Jahre nach Luthers »Thesen­an­schlag«) neben vielen anderen Dingen die Proble­ma­tik kirch­li­cher Simul­tan­ver­hält­nis­se (»paritä­ti­sche Gemein­den«) behan­delt. Das Vorhan­den­sein verschie­de­ner Konfes­sio­nen in ein- und demsel­ben Ort war nach diesem Vertrag nur in Frei- und Reichs­städ­ten erlaubt. Dabei wurden nur Konfes­sio­nen zugelas­sen, die in der entspre­chen­den Stadt schon zum Stich­da­tum 1552 (Passau­er Vertrag) existiert hatten. Das bekann­tes­te Schlag­wort des Augsbur­ger Religi­ons­frie­dens lautet: »cuius regio, eius religio«. Frei übersetzt: »Wer regiert, bestimmt die Religi­on der Unter­ta­nen«. Aller­dings wurde nicht genau definiert, was »regio« bedeu­tet, oder anders gesagt, wer in einem Terri­to­ri­um »regiert«, in welchem die Herrschafts­rech­te gespal­ten sind. Für die Klärung dieser Frage wurde Oberko­chen zu einem Präze­denz­fall. Die hohe Gerichts­bar­keit über das gesam­te Dorf hatte Ellwan­gen inne, die niede­re Gerichts­bar­keit dagegen lag im jewei­li­gen Ortsteil bei Ellwan­gen bzw. bei Königsbronn.

Kurz nach 1580 wurde die Absicht bekannt, Königs­bronns evange­li­sche Filial­ge­mein­de in Oberko­chen zu einer eigen­stän­di­gen Pfarrei zu erheben, eine Kirche zu bauen und gleich­zei­tig eine evange­li­sche Schule zu errich­ten. Dem Inhalt des Augsbur­ger Religi­ons­frie­dens zufol­ge hätte der Propst von Ellwan­gen seine Zustim­mung zu diesem Vorha­ben geben müssen, was jedoch nicht geschah; mögli­cher­wei­se wurde er überhaupt nicht gefragt. So kam es zum Rechts­streit vor dem Reichs­kam­mer­ge­richt, dem damals höchs­ten deutschen Gericht, das sich zu dieser Zeit in Speyer befand.

In diesem Reichs­kam­mer­ge­richts­pro­zeß stand zunächst ein spezi­el­les Oberko­che­ner Problem zur Klärung an. Es ging um die Frage des Stand­or­tes der Kirche. Der katho­li­sche Propst von Ellwan­gen behaup­te­te, daß ein Teil des Kirch­bau­grund­stücks zum katho­li­schen Ortsteil gehöre. Damit hätte er sehr einfach die Unrecht­mä­ßig­keit des Kirch­baus bewei­sen können. Der Königs­bron­ner Abt versi­cher­te dagegen, daß das Bauland rein evange­lisch sei. Es stand Aussa­ge gegen Aussa­ge, und es fand sich kein rechts­kräf­ti­ger schrift­li­cher Beweis, der Licht in diese Angele­gen­heit hätte bringen können. Erst nach 18 Verhand­lungs­jah­ren mit verschie­de­nen Lokal­ter­mi­nen und Zeugen­be­fra­gun­gen in Oberko­chen gelang­te das Gericht zu der Überzeu­gung, daß das Bauland doch ganz evange­lisch gewesen sei. Danach verla­ger­te sich der Rechts­streit auf eine wesent­lich abstrak­te­re Ebene: Nun wurden Grund­satz­fra­gen des Augsbur­ger Religi­ons­frie­dens diskutiert.

Der katho­li­sche Propst von Ellwan­gen vertrat dabei vor Gericht folgen­den Standpunkt:

  1. Verschie­de­ne Konfes­sio­nen dürfen, wenn überhaupt, nur in Frei- oder Reichs­städ­ten vorhan­den sein. Man müsse sich deshalb im kleinen Oberko­chen für eine der beiden Konfes­sio­nen entscheiden.
  2. Da er als Propst die hohe Gerichts­bar­keit über den ganzen Ort inneha­be, stehe ihm auch das Recht zu, die katho­li­sche Konfes­si­on im gesam­ten Dorf durchzusetzen.

Der Abt von Königs­bronn argumen­tier­te entgegengesetzt:

  • Durch den Augsbur­ger Religi­ons­frie­den sei es möglich, daß es beide Konfes­sio­nen in einem Ort gäbe, wenn damit zunächst auch nur Frei- und Reichs­städ­te gemeint seien.
  • Er als Abt von Königs­bronn habe die niede­re Gerichts­bar­keit über seinen Ortsteil, und daran hänge nach seiner Ansicht auch das »ius refor­man­di«, also das Recht, die Refor­ma­ti­on durchzuführen.

Auffäl­lig ist, daß die Existenz verschie­de­ner Konfes­sio­nen in Oberko­chen nicht schon direkt nach der Refor­ma­ti­on (also spätes­tens im Jahre 1553) zu Ausein­an­der­set­zun­gen geführt hat, sondern erst einige Jahrzehn­te später im Zusam­men­hang mit der Selbstän­dig­keit der evange­li­schen Filial­ge­mein­de und dem damit verbun­de­nen Kirchen­bau. Das Reichs­kam­mer­ge­richt mußte sich zwischen den eben skizzier­ten Positio­nen des katho­li­schen Props­tes und des evange­li­schen Abtes entschei­den. In der Frage der Existenz verschie­de­ner Konfes­sio­nen in einem Ort neigte es eher der Argumen­ta­ti­on Ellwan­gens zu, also der Auffas­sung, daß es in Oberko­chen nur eine Konfes­si­on geben dürfe. Das Problem, ob das »ius refor­man­di« an der hohen oder an der niede­ren Gerichts­bar­keit hänge, wurde im Verlauf des Rechts­strei­tes jedoch nicht geklärt, und damit blieb auch die Frage offen, ob die evange­li­sche Konfes­si­on in Oberko­chen rechts­mä­ßig sei. Nach über vierzig­jäh­ri­ger Dauer verlief sich der Prozeß im Sande, ohne entschie­den worden zu sein. Beide Seiten hatten jegli­ches Inter­es­se an der Sache verlo­ren, weil die Existenz einer eigen­stän­di­gen evange­li­schen Pfarrei in Oberko­chen, in der bereits der neunte Geist­li­che wirkte, schon jahrzehn­te­lang Reali­tät gewor­den war.

Trotz des schwe­ben­den Gerichts­ver­fah­rens wurde ab 1580/81 der Bau der ersten evange­li­schen Kirche in Oberko­chen voran­ge­trei­ben und abgeschlos­sen; auf diese Weise stell­te man das Gericht vor vollende­te Tatsa­chen. Es ist in den Quellen überlie­fert, daß zu Ostern 1583 Oberko­chens erster Pfarrer, der aus Stutt­gart stammen­de Ulrich Nicolai, in der neuen Kirche predig­te. Der Pfarrer war zugleich Mesner und Lehrer. Bis 1936 lassen sich in Oberko­chen Kirchen­ge­schich­te und Schul­ge­schich­te kaum vonein­an­der trennen, weil der Unter­richt in Pfarr- bzw. Bekennt­nis­schu­len statt­fand. Darüber wird in der »Geschich­te der Oberko­che­ner Schulen« (V. SCHRENK) näher berich­tet. Wie sah das neue Gottes­haus aus, um das im 16. und 17. Jahrhun­dert so lange gestrit­ten wurde? Es ist eine Zeich­nung aus dem Jahre 1857 erhal­ten, das die zu diesem Zeitpunkt 275 Jahre alte Kirche zeigt. Sie stand genau auf dem Platz, auf welchem sich heute die alte evange­li­sche Kirche von 1875 befindet.

Sie war ziemlich klein, und der Kirchen­raum lag etwa einen Meter unter dem Straßen­ni­veau. Das hatte zur Folge, daß Wasser in das Gottes­haus eindrang. Deshalb befand sich die Kirche von Anfang an in baulich schlech­tem Zustand. Es ist ein Grund­ele­ment der vierhun­dert­jäh­ri­gen Geschich­te der evange­li­schen Kirchen­ge­mein­de Oberko­chens, daß das Gottes­haus renoviert, ausge­bes­sert oder umgebaut werden mußte.

Die erste Kirche war ein »Mehrzweck­bau«. Der niede­re Kirchen­raum bilde­te das Erdge­schoß. Im ersten Stock des Gebäu­des befand sich die Pfarr­woh­nung, die aus zwei beheiz­ba­ren Stuben, drei nicht beheiz­ba­ren Kammern und einer Küche bestand. Als Abschluß nach oben folgte ein Stattel­dach mit einem kleinen Dachrei­ter für die Glocken. Die Glochen­sei­le führten vom Dachrei­ter mitten durch das Schlaf­zim­mer des Pfarrers hindurch nach unten. Auf eine Kirch­turm­uhr wurde verzich­tet. Im Hof hinter der Kirche standen eine Scheu­ne, ein Schwei­ne­stall und ein Backhäus­chen. Das Trink- und Brauch­was­ser mußte die jewei­li­ge Pfarr­fa­mi­lie aus dem nahen Kocher holen. Ihre Wohnräu­me dienten zugleich als Schulzimmer.

Oberkochen

Das 17. und 18. Jahrhundert

Um das Jahr 1634, also etwa 50 Jahre nach der Inves­ti­tur des ersten evange­li­schen Pfarrers in Oberko­chen, erreich­te die Front der Kampf­hand­lun­gen des Dreißig­jäh­ri­gen Krieges (1618−1648) unser Gebiet. Das hatte für den gesam­ten Ort verhee­ren­de Folgen: die Einwoh­ner­zahl sank durch die Kriegs­wir­ren von 500 auf weniger als ein Viertel. Erst 100 Jahre später hatte Oberko­chen den alten Bevöl­ke­rungs­stand wieder erreicht. Ab 1635 gab es keinen evange­li­schen Pfarrer mehr im Dorf, und für einige Jahre wurde die evange­li­sche Gemein­de mit Königs­bronn zusam­men sehr wahrschein­lich wieder katho­lisch. Erst 1659 zog erneut ein evange­li­scher Theolo­ge auf. Bis zum Ende des Jahrhun­derts wechsel­ten dann die Geist­li­chen in rascher Folge. Sie blieben im Durch­schnitt nur drei Jahre, bis sich ihnen eine lukra­ti­ve­re Stelle bot. Sie waren in dieser Zeit fast alle kaum mehr als 20 Jahre alt, weil damals besten­falls ein ganz junger Pfarrer ohne Familie und ohne große Ansprü­che von dieser Pfarr­stel­le existie­ren konnte.

In den Quellen finden sich immer wieder Klagen über die schlech­te Bezah­lung der evange­li­schen Geist­li­chen in Oberko­chen. Auch das ist durch mehre­re Jahrhun­der­te ein konstan­tes Element in der Geschich­te der hiesi­gen Pfarrei. Vergli­chen mit etwa gleich großen Gemein­den, gehör­te diese Pfarr­stel­le zu den am schlech­tes­ten bezahl­ten im weiten Umkreis denn die Höhe der Bezah­lung hing vom Reich­tum der Gemein­de ab, und Oberko­chen war sehr arm. Es kam sogar vor, daß ein Pfarrer seine neue Stelle in Oberko­chen wegen Armut der Gemein­de nicht antre­ten konnte. Die Pfarr­be­sol­dung bestand zum größten Teil aus Natura­li­en: Der Geist­li­che bekam verschie­de­ne Getrei­de­sor­ten, Wein, Holz und nur wenig Bargeld. Diese Art der Bezah­lung war allge­mein verbrei­tert und wurde bis ins 19. Jahrhun­dert hinein fast unver­än­dert beibehalten.

Während der Vakatur nach dem Dreißig­jäh­ri­gen Krieg hatte man die Kirche unter großen finan­zi­el­len Anstren­gun­gen renovie­ren lassen. Doch schon bald wurden neue bauli­che Maßnah­men notwen­dig. Immer wieder ist von Wasser­schä­den die Rede.

In den letzten Jahren des 17. Jahrhun­derts erhielt Oberko­chen eine eigene evange­li­sche Schul­meis­ter­stel­le. Der Lehrer hatte zusätz­lich des Mesner­amt zu verse­hen. Bis zu diesem Zeitpunkt war der Pfarrer zugleich Mesner und Lehrer gewesen.

Aufgrund der konfes­sio­nel­len Teilung kam es verschie­dent­lich zu Reibe­rei­en zwischen dem katho­li­schen und dem evange­li­schen Bevöl­ke­rungs­teil. Um die kompli­zier­te Situa­ti­on zu klären und die Rechte und Pflich­ten aller Betei­lig­ten im Dorf schrift­lich nieder­zu­le­gen, handel­ten im Jahre 1749 Vertre­ter Ellwan­gens und Württem­bergs (als Besit­zer Königs­bronns) in Aalen einen umfas­sen­den Vertrag aus, der den Namen »Aalener Proto­koll« trägt. Neben verschie­de­nen Dingen des tägli­chen Lebens nahmen dort kirch­li­che Fragen einen breiten Raum ein. Einige Passa­gen seien zur Illus­tra­ti­on wörtlich zitiert. So heißt es etwa im 2. Abschnitt (5.) des Aalener Proto­kolls: »Was die Einseg­nung der Ehen, auch Begräb­nis­se der Toten anbelangt, da will man … gesche­hen lassen, daß jeder Geist­li­che zu Oberko­chen seiner Religi­on anver­wand­ten Ehen in seiner Kirche einseg­nen… möge, da ferner aber Eheleu­te diver­ser Religi­on sein sollten, könnte es mit solchem, was die Taufe … betrifft, wie bisher dabei gelas­sen werden, daß (dies) in derje­ni­gen Kirche verrich­tet werden möge, unter deren Herrschaft die Leute wohnen.«

Dieser Passus bedeu­tet, daß Eheschlie­ßun­gen und Begräb­nis­se entspre­chend der Konfes­si­on der Perso­nen vom katho­li­schen bzw. evange­li­schen Geist­li­chen durch­ge­führt werden sollten. Im Falle gemischt-konfes­sio­nel­ler Ehen war die Religi­ons­zu­ge­hö­rig­keit der Kinder festge­legt durch den Wohnsitz der Eltern. Wenn die Familie im ellwan­gi­schen Teil Oberko­chens wohnte, sollten die Kinder katho­lisch sein, im anderen Falle waren sie evange­lisch zu taufen. Ein anderer Passus lautet (12.):

»Das Mitta­gläu­ten der Evange­li­schen zu Oberko­chen soll in Zukunft eine Viertel Stunde vor Zwölf Uhr gesche­hen, mithin von den Evange­li­schen daselbst zu derje­ni­gen Zeit wo von den Catho­li­cis zum Mittag­ge­bet um 12 Uhr die Glocken angezo­gen werden, nicht mehr zu gleicher Zeit geläu­tet werden.« Die Evange­li­schen mußten also ihr Mitta­gläu­ten eine Viertel­stun­de vorver­le­gen, damit es nicht das Mitta­gläu­ten und Gebet der Katho­li­schen störe.

Solche und ähnli­che Einzel­be­stim­mun­gen des Vertra­ges wurden zusam­men­ge­faßt zu folgen­der Regel (14.):
»Bei öffent­li­chen Andachts­übun­gen soll alle Ungebühr auf beiden Seiten sorgsamst abgewen­det werden.«

Jeder soll also die Konfes­si­on und die Religi­ons­aus­übung des anderen respek­tie­ren und nicht stören.

Beson­de­ren Schutz genos­sen die beiden Pfarrer, deren Dienst in einem religi­ös geteil­ten Ort nicht immer einfach war. Die Geist­li­chen sollten auf diese Weise vor Übergrif­fen geschützt werden. Der Vertrag legte auch fest, unter welchen Bedin­gun­gen z.B. der evange­li­sche Pfarrer ein katho­li­sches Haus betre­ten durfte (und umgekehrt) und ob er dabei in voller Amtstracht zu erschei­nen hatte oder nicht.

Entwick­lung nach 1803

Eine einschnei­den­de Änderung ergab sich zu Beginn des 19. Jahrhun­derts. Die Bestim­mun­gen des Reichs­de­pu­ta­ti­ons­haupt­schlus­ses brach­ten letzt­lich das Ende des Stifts Ellwan­gen. Seine Besit­zun­gen und damit auch der katho­li­sche Teil Oberko­chens fielen an das Haus Württem­berg. Diese »Verwal­tungs­re­form« entschä­dig­te Württem­berg für den Verlust verschie­de­ner Landstri­che und ließ viele kleine und kleins­te »Staaten« von der deutschen Landkar­te verschwin­den. Die bürger­li­che Gemein­de Oberko­chen gehör­te danach verwal­tungs­mä­ßig zum Oberamt Aalen, die evange­li­sche Kirchen­ge­mein­de dagegen war, wegen ihrer engen Verbin­dung zu Königs­bronn, Teil des Dekanats Heiden­heim. Erst im Jahre 1813 korri­gier­te ein könig­li­cher Erlaß diese Situa­ti­on. Zu jenem Zeitpunkt wurde die evange­li­sche Kirchen­ge­mein­de in das 1807 gegrün­de­te Dekanat Aalen integriert, das heute 40 000 Perso­nen in 25 Gemein­den umfaßt. In der Zeit nach 1583 war die Kirche äußer­lich nicht wesent­lich verän­dert worden. Nur im Hof hinter dem Gottes­haus hatte man zusätz­lich kleine Stallun­gen und eine Wasch­kü­che errich­tet. 1825 ersetz­te die Gemein­de den alten Dachrei­ter durch einen kleinen Holzturm, in welchem drei Glocken aufge­hängt wurden. Für die Musik im Gottes­dienst stand eine kleine, repara­tur­be­dürf­ti­ge Orgel zur Verfü­gung. Der Pfarrer bekam, nachdem er seit einigen Jahren vom Schul- und Mesner­dienst befreit war, neue Betäti­gungs­fel­der zugewie­sen. Er hatte den Hof Niesitz, ab 1846 auch den evange­li­schen Bevöl­ke­rungs­teil in Ebnat und ab 1848 denje­ni­gen in Waldhau­sen kirch­lich mitzu­ver­sor­gen. Ab der Mitte des 19. Jahrhun­derts häufen sich in den Quellen die Klagen über den extrem schlech­ten bauli­chen Zustand von Kirche und Pfarr­woh­nung. Unter großen finan­zi­el­len Anstren­gun­gen ließ die Gemein­de 1858 das Gottes­haus renovie­ren und innen mit verschie­de­nen Bildern ausma­len. Ende des Jahres 1858 wurde eine größe­re Orgel gekauft. Um Platz für das neue Instru­ment zu schaf­fen, mußte das Kirchen­in­ne­re teilwei­se umgebaut werden. Im Sommer 1859 gab die Gemein­de weite­re Bilder zum Schmuck des Gottes­hau­ses in Auftrag. Aller­dings senkten sich nun Teile der Decke. Der tragen­de Balken war angefault, weil es in der Kirche stets stickig und feucht war. Außer­dem war es ungüns­tig, daß sich die Pfarr­woh­nung direkt über dem Kirchen­raum befand. Beson­ders die ständi­ge Feuch­tig­keit in der Küche im ersten Stock hatte der Kirchen­de­cke schwe­ren Schaden zugefügt. So war es unumgäng­lich gewor­den, große Teile der Kirchen­de­cke herun­ter­zu­bre­chen und neu zu bauen. Danach mußte das Gottes­haus im Inneren nochmals renoviert werden. Doch weil der Kirchen­raum nach wie vor einen Meter unter dem Straßen­ni­veau lag und ständig feucht war, riß die Serie der Repara­tu­ren nicht ab. Deshalb reifte nach 1870 der Entschluß, das alte Gottes­haus abzubre­chen, völlig neu zu erbau­en und gleich­zei­tig ein separa­tes Pfarr­haus zu errich­ten. Die Grund­mau­ern der alten Kirche blieben als Funda­ment für die neue erhal­ten, man hob aber den Kirchen­raum auf die Höhe der Straße an. Schon bald traten auch bei dem neuen Gottes­haus die ersten größe­ren Schäden auf: Wieder spiel­te eindrin­gen­des Wasser eine unheil­vol­le Rolle. Ins Jahr 1900, in welchem die katho­li­sche Schwes­ter­ge­mein­de ihre neue Kirche einweih­te, fiel die nächs­te gründ­li­che Renovierung.

Die evange­li­sche Kirchen­ge­mein­de im 20. Jahrhundert

Kurz vor dem Ersten Weltkrieg umfaß­te die evange­li­sche Kirchen­ge­mein­de Oberko­chens 265 Perso­nen, davon nahmen durch­schnitt­lich 60 an den Gottes­diens­ten teil. Der Erste Weltkrieg hatte auf das Leben der Kirchen­ge­mein­de keine tiefe­ren Auswir­kun­gen. Der Gottes­dienst­be­such steiger­te sich in den ersten Kriegs­wo­chen zwar stark, doch bald ging das Leben wieder seinen gewohn­ten Gang. Nach dem Krieg mußte die Gemein­de ihr Geläu­te wieder vervoll­stän­di­gen, weil die beiden kleine­ren Glocken des Metalls wegen beschlag­nahmt worden waren. Im Jahre 1921 konnten zwei durch Spenden finan­zier­te Glocken gekauft und im kleinen Holzturm aufge­hängt werden.

Oberkochen

1926/27 mußte das undich­te Kirchen­dach gedeckt werden, weil erneut Feuch­tig­keit in das Kirchen­in­ne­re eindrang. Auch durch das Funda­ment sicker­te Wasser in das Gottes­haus ein. Um diesen Mißstand zu beheben, ließ man 1930 das gesam­te Funda­ment der Kirche aufgra­ben und verstär­ken. Der schon vor dem Ersten Weltkrieg geplan­te Bau eines Gemein­de­saa­les konnte erst 1938/39 verwirk­licht werden. Der neue Saal faßte 70 Sitzplät­ze und wurde an der Stelle errich­tet, an der sich zuvor die alte Sakris­tei befun­den hatte. Ins Jahr 1938 fiel auch die Zurück­stu­fung der evange­li­schen Pfarrei Oberko­chens in eine ständi­ge Pfarr­ver­we­se­rei. 1954 konnte sie ihre alten Rechte als vollgül­ti­ge Pfarrei wieder­erlan­gen. Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs war Oberko­chen mehre­re Male Ziel ameri­ka­ni­scher Artil­le­rie­an­grif­fe, das evange­li­sche Gottes­haus wurde dabei verschie­dent­lich in Mitlei­den­schaft gezogen, und auch die Orgel erlitt Schaden. Wie im Ersten Weltkrieg mußte die Gemein­de wieder zwei ihrer drei Glocken dem Staat ablie­fern. Fünf Jahre nach Kriegs­en­de beschloß die Kirchen­ge­mein­de, den hölzer­nen Kirch­turm auf dem Dach des Gottes­hau­ses durch einen größe­ren Turm aus Stein direkt neben der Kirche zu erset­zen. Darin sollte das nach dem Krieg auf vier Glocken erwei­ter­te Geläu­te aufge­hängt werden. Nach dem Krieg setzte durch die Ansied­lung der Carl-Zeiss Werke aus Jena eine überaus stürmi­sche Entwick­lung ein. Oberko­chen vergrö­ßer­te sich durch den Zuzug vieler Neubür­ger insbe­son­de­re aus Thürin­gen explo­si­ons­ar­tig. Diese Wachs­tums­pha­se hielt bis zum Bau der Berli­ner Mauer im Jahre 1961 an. Sehr viele Neubür­ger Oberko­chens gehör­ten der evange­li­schen Kirche an. Es war eine der schwie­rigs­ten Aufga­ben der damali­gen Pfarrer, die auf mehr als das Fünffa­che anwach­sen­de Kirchen­ge­mein­de neu zu ordnen und zusam­men­zu­schlie­ßen. Zusätz­lich hatten die evange­li­schen Geist­li­chen auch außer­halb Oberko­chens Pflich­ten zu erfül­len: Sie mußten in Ebnat und Waldhau­sen Gottes­diens­te und Religi­ons­un­ter­richt halten. Das sollte sich erst Mitte der 50er Jahre ändern. Infol­ge des starken Wachs­tums der Gemein­de wurde es im Laufe der 50er Jahre notwen­dig, die Kirche durch einen Anbau zu vergrö­ßern. Spezi­ell an den Festsonn­ta­gen war das Gottes­haus zu klein, und es fehlten Räume für die Jugend­ar­beit und andere Aktivi­tä­ten inner­halb der Kirchen­ge­mein­de. Verschie­de­ne baurecht­li­che Vorschrif­ten verhin­der­ten aber die Umset­zung dieses Wunsches in die Tat; die Raumpro­ble­me blieben weiter­hin bestehen. Zu Beginn der 60er Jahre schenk­te die bürger­li­che Gemein­de beiden Kirchen­ge­mein­den je ein Grund­stück. Die katho­li­sche Seite errich­te­te darauf das Rupert-Meyer-Haus, und direkt gegen­über stand nun auch das Bauland für eine neue evange­li­sche Kirche zur Verfü­gung. Nach einer mehrjäh­ri­gen Planungs- und Baupha­se konnte 1968 das neue evange­li­sche Gottes­haus, die Versöh­nungs­kir­che, mit dem angeglie­der­ten Gemein­de­zen­trum einge­weiht werden. Außer dem Kirchen­bau ergaben sich im Laufe der 60er Jahre an drei wichti­gen Punkten des Gemein­de­le­bens Erwei­te­run­gen. Unter­stützt durch die Gemein­de Oberko­chen entstand 1960 in Verbin­dung mit der Firma Carl Zeiss eine evange­li­sche Kinder­ta­ges­stät­te. Zum 1. Januar 1965 erhielt die evange­li­sche Kirchen­ge­mein­de eine Vikars­stel­le, und am 1. Juni dessel­ben Jahres wurde die evange­li­sche Schwes­tern­sta­ti­on eingerichtet.

Vor einigen Jahren kaufte die Stadt Oberko­chen die alte evange­li­sche Kirche und wandel­te sie in ihre Stadt­bi­blio­thek um. Diese wohlge­lun­ge­ne Biblio­thek hat sich inzwi­schen zu einem Kultur­zen­trum mit Kammer­mu­sik­aben­den und Dichter­le­sun­gen entwi­ckelt. Trotz der Umbau­ten im Innern blieb das Gottes­haus nach außen nahezu unver­än­dert. So stehen im alten Ortskern nach wie vor die katho­li­sche und die alte evange­li­sche Kirche eng neben­ein­an­der und geben Zeugnis davon, daß seit dem 16. Jahrhun­dert beide Konfes­sio­nen in Oberko­chen zu Hause sind.

Oberkochen

Quellen­hin­wei­se

1. Quellen im evange­li­schen Pfarr­ar­chiv Oberko­chen
a) Pfarr­be­schrei­bun­gen und ‑berich­te von 1818 bis 1965
b) Rescrip­ten­buch
c) Kirchen­kon­vents­pro­to­kol­le

2. Quellen im katho­li­schen Pfarr­ar­chiv Oberko­chen
»Kleine Chronik des Pfarr­or­tes Oberko­chen 1820 bis 1915«. Archiv-Nr. 31

3. Quellen im Haupt­staats­ar­chiv Stutt­gart
a) Visita­ti­ons­ak­ten; Bestand A 281 Büschel 531 bis 569
b) Reichs­kam­mer­ge­richts­ak­ten: Bestand A 41 L Büschel 305 bis 308
c) Ortsbe­stän­de und Kloster Königs­bronn (Bestand A 495 und A 495 L)
d) Aalener Proto­koll von 1749: Bestand A 249 Büschel 3297

4. Quellen im Landes­kirch­li­chen Archiv Stutt­gart
Bestand A 29, Bände 3314 bis 3318

Litera­tur­hin­weis

Schrenk, Christ­hard: 400 Jahre evange­li­sche Kirchen­ge­mein­de Oberko­chen. 1583–1983. Aalen 1983.

Evange­li­sche Pfarrer in Oberkochen

1 Ulrich Nicolai 1583–1598
2 Reinh. Heerbrand 1598–1602
3 Andre­as Scheff­ler 1602–1606
4 Baltha­sar Monnin­ger 1606–1608
5 Johann Georg Genth 1608–1613
6 Lucas Beurlin 1613–1616
7 Chris­ti­an Butsch 1616–1619
8 Isr. Kauser 1619–1624
9 Johan­nes Bach 1624–1627
10 Georg Schleif­fer 1627–1629
11 Isaak Ogian­der 1629–1631
12 Johann Georg Anati­us 1631–1635
Stelle nicht besetzt 1635–1649
Johann Bernhard Brengen­ter,
Diakon in Königs­bronn 1649–1659
13 Johann Jacob Beck 1659–1662
14 Johann Jacob Voche­zer 1662–1667
15 Johann Heinrich Schnir­ring 1667–1670
16 Johann Andre­as Sprin­ger 1670–1674
17 Wölfgang Heinrich Alter­mann 1674–1676
18 Micha­el Schaff­häu­ser (?) 1676–1677
Stelle nicht besetzt 1677–1682
19 Georg Altham­mer 1682–1684
20 Georg Conrad Hochstet­ter 1684–1697
21 Johann Ferdi­nand Müller 1697–1703
22 Johann Erhard d’Attrin 1703–1704
23 Stephan Erbe 1704–1712
24 Johann Sigler 1712–1720
25 Johann Eberhard Fried­rich Roth 1720–1726
26 Johann Ulrich Hellwag 1726–1735
27 Johann Fried­rich Gentncr 1735–1738
28 Wilhelm Albrecht Alber 1738–1744
29 Johann Fried­rich Enslin 1744–1761
30 Johann Eberhard Keller 1761–1773
31 Johan­nes Hardte 1773–1782
32 Eberhard Joseph Eiden­benz 1782–1793
33 Chris­toph Fried­rich Baier 1793–1805
34 Johann Micha­el Riecker 1805–1819
35 Johann Chris­toph Stett­ner 1819–1826
36 Johann Chris­ti­an Hornber­ger 1827–1834
37 Gottlieb Fried­rich Kraus 1834–1840
38 Carl Wilhelm Valet 1840–1848
39 Fried­rich Römer 1848–1850
40 Wilhelm Fried­rich Dürr 1851–1870
Stelle nicht besetzt 1870–1875
41 Otto Reinhold Lechler 1875–1882
42 Theodor Brecht 1882–1894
43 Eugen Wider 1894–1921
44 Karl Stöck­le 1922–1926
45 Ferdi­nand Huber 1926–1935
47 Theodor Dornfeld 1936–1938
47 Eberhard Goes 1939–1947
48 Georg Fiedler 1947–1954
49 Hans Heinrich Gottfroh 1955–1961
50 Peter Geiger 1961–1969
51 Bernhard Kurtz 1970–1983
52 Klaus Thier­fel­der seit 1984

Christ­hard Schrenk