Strei­tig­kei­ten gibt es immer und überall, so auch in Oberko­chen. Einige dieser Diffe­ren­zen wurden schnell wieder beigelegt, andere mußten von einer offizi­el­len Stelle geschlich­tet werden. Bei solchen schwie­ri­gen Fällen wurde ein Schrift­satz angefer­tigt, der die amtlich erziel­te Einigung festhielt.

Als Beispiel eines Strei­tes zwischen zwei Oberko­che­ner Bürgern sei eine Wegestreit­sa­che angefuhrt, die vor dem Oberamt in Aalen behan­delt wurde.

Streit­ob­jekt war ein kleiner Weg zwischen zwei Häusern. Die Nachbarn, A und B konnten sich nicht einigen, wer diesen Weg zu welcher Tages­zeit zum Viehtrieb benüt­zen und wer den Dung auf diesem Weg aufsam­meln dürfe. Da keine gütli­che Einigung erzielt werden konnte, wurde am 2. Mai 1871 ein Termin vor dem Aalener Oberamt, anberaumt. Die Kontra­hen­ten fuhren an diesem Tag mit dem Ochsen­kar­ren nach Aalen. Dort kam folgen­de Einigung zustande:

König­li­ches Oberamt Aalen, den 2. Mai 1871
In der Wegestreit­sa­che zwischen .A und B von Oberko­chen kommt heute folgen­der Vergleich zustan­de:
1. B darf den von A … benütz­ten Weg .… ferner­hin in keiner­lei Weise verän­dern…
2. B darf den Weg nur Tags über (und) nur zum Begehen benüt­zen, ausge­schlos­sen ist aber Tags über der Viehtrieb, die Besei­ti­gung des Düngers, sowie alle und jede Handlung, wodurch auch nur vorüber­ge­hend das Begehen des Weges einge­schränkt wird.
3. Dagegen hat B das Recht, … Vieh auf dem Weg zu treiben, den Dung auf demsel­ben zu besei­ti­gen und zwar: In den Monaten Oktober bis Febru­ar vormit­tags vor ½ 7 Uhr und abends nach ½ 6 Uhr, in den anderen Monaten morgens vor 6 Uhr abends nach 8 Uhr. Nur in einem absolu­ten Nothfal­le .… ist es gestat­tet, ohne Aufent­halt dassel­be (Vieh) über den Weg zu führen.
4. Belegen des Weges mit Holz, Stroh, Laub und derglei­chen Gegen­stän­de, überhaupt Beläs­ti­gung des Verkehrs auf dem Weg, (Verle­gen des Eingangs zum Weg) sind dem B unter­sagt.
5. Jede Zuwider­hand­lung gegen die Punkte 2 bis 4 wird gegen B mit einer an A fallen­den
Conven­tio­nal­stra­fe von 3 Gulden für den einzel­nen Fall geahn­det.
6. Die Conven­ti­on schlie­ßen die Partei­en für sich und ihre Besitz­nach­fol­ger ab, auch soll der Inhalt dieser im Güter­buch einge­tra­gen werden.
7. A behält sich das Recht vor, von dem Vertrag (inner­halb) der nächs­ten 24 Stunden zurück­zu­tre­ten. Abends 5 Uhr.

Aufschluß­reich ist, welche Punkte angespro­chen werden. Da ist zunächst der Streit der Nachbarn über die Frage zu nennen, wer den gemein­sa­men Weg zu welcher Uhrzeit und zu welchem Zweck betre­ten durfte. Hierbei handelt es sich wohl um “gewöhn­li­che” nachbar­schaft­li­che Mißgunst. Von einer gewis­sen wirtschaft­li­chen Bedeu­tung war jedoch die Besei­ti­gung bzw. das Einsam­meln des Dungs, da man vor 100 Jahren immer noch auf den Kuhmist als natür­li­chen Dünger angewie­sen und die Landwirt­schaft die Haupter­näh­rungs­quel­le der Bewoh­ner Oberko­chens war. 

Das Proto­koll über die Wegst­reit­sa­che ist damit in der heuti­gen Zeit eine Erinne­rung an die ehema­li­ge Bedeu­tung der Landwirt­schaft als Erwerbs­mög­lich­keit für große Bevöl­ke­rungs­tei­le, gleich­zei­tig werden die Grenzen deutlich, die der Dünger­man­gel in der landwirt­schaft­li­chen Produk­ti­on setzte. 

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