Das uralte Gewerbe der Töpfer (wir sagen Hafner), das die Chinesen schon vor 3000 und mehr Jahren betrieben haben, hatte einmal durch fast 200 Jahre Heilsstätte in unserem Heimatdorf Oberkochen. Es war damals das Hauptgewerbe im Dorf. Der erste Weltkrieg aber war für sie das Grabgeläute. 1830 sollen es 30 Meister und ebensoviele Gesellen gewesen sein, die diesem Gewerbe oblegen haben. In den 90iger Jahren wissen wir noch 20 Meister und einige Gesellen. Heute ist es noch ein einziger und dieser ist modern geworden, weil er es mußte. Nur im Reiche der Erinnerung und im Raume der Erzählung lebt noch etwas von der einstigen Häfnersherzlichkeit mit ihren fleißigen Menschen und ihrer eigenen Welt unter uns fort. Wer heute noch lebt in Oberkochen von denen, die diese Häfnerswerkstätten vor 50 und 60 Jahren gekannt haben (in ältester Zeit können sie nicht anders ausgesehen haben), der wird immer noch gerne an sie denken und dabei etwas spüren von dieser besonderen Atmosphäre der Heimeligkeit, die den Menschen damals in so einer Werkstätte umfing. Am meisten konnte sie empfunden werden zur Winterszeit, wenn draußen der Nordwind eisig durch die Straßen und Gassen fegte. Alles roch hier nach Erde und Feuer, und alles werkte und schaffte. Auf einem Holzblock wurde die rohe Tonerde bearbeitet, um sie in Scheiben durch zwei Walzen treiben zu können. Dieser Arbeit folgte das Kneten der Erde auf einem Tisch, um sie fein und formbar zu machen. Dann wurden die Ballen, die sogenannten Klease, abgeteilt und in die Nähe der Drehscheiben gesetzt. Hier war der Platz des Meisters und der Gesellen, die unablässig mit den Füßen ihre Scheibe im Schwung hielten und aus dem formlosen Kleas das Stück Geschirr formten. Neben jedem stand die sogenannte Gschetzschüssel, in die er immer wieder die Hände tauchen mußte, um das sich vor ihm auf der Scheibe drehende Stück formen zu können. U. a. wurde noch eine kleine Spachtel dazu gebraucht. Alles an dieser Scheibe hatte Schwung, fast möchte man sagen »Rhythmus«, in den Meister und Gesellen bei ihrer Arbeit an der Scheibe hineingenommen waren und sie als eine Art Künstler erscheinen ließ. In einer Ecke wurde glasiert und gespritzt und überall stand auf Brettern gereiht Geschirr zum Trocknen. Alle Werkstattarbeit aber drängte zur letzten Fertigungsstelle, dem Brennofen. Die Arbeit an ihm brauchte seinen ganzen Meister, wenn das Werk gelingen sollte, denn im Ofen konnte noch manches zu Schaden kommen, wenn nicht aufgepaßt wurde. Das Ausnehmen aus dem Ofen nach tagelangem Brand war ein wichtiger Akt, an dem oft die ganze Häfnersfamilie teilnehmen mußte. Stück für Stück klopfte dabei der Meister mit dem Fingerknöchel ab, um am Ton die Brauchbarkeit festzustellen. In sogenannten Harrasen, gut mit Strohverpackt, nahm das Geschirr dann seinen Weg nach vielen Gegenden des Landes. Es kamen auch Händler mit Planewagen und holten ihren Bedarf ab. Um die Weihnachtszeit gab es für die Kinder kleines Miniaturgeschirr und die irdenen Kuckucks.
Ein gut Stück handwerklichen Gepräges haben die Hafner zu ihrer Zeit dem Dorfe Oberkochen gegeben. Die meisten hatten ihren Hausnamen. So kannte man noch vor 50 Jahren den Herrgottshäfner Josef Fischer, diesen großen aufrechtgehenden Mann; den Napoleonhäfner, die Bismarckgestalt mit seinem kernigen Humor; den Wingertshäfner Johannes Wingert im Kies mit seinem weitausholenden Schritt; den kleinen Hannes mit Namen Müller; den Mindershäfner, den munteren Erzähler alter Großvatergeschichten; den Dreherhäfner Wingert, den Beiswanger und den Veil. Im Jägergäßle die Brüder Gold, den Zieglers Anton und Zieglers Franz mit ihrer behäbigen und leise redenden Art, auch den Fischers Michel. Im Katzenbach den Woidleshäfner Josef Fischer, den vorderen Augustshäfner Hug und die beiden hinteren Auguste am Bach, die Fischer. Den Holzwartshäfner Johs. Gold und auch den Konrad Sapper, den breitschultrigen Mann im hinteren Katzenbach; ihm gegenüber den Hugenseffenhäfner Hug. In der Kirchgasse kannten wir den unteren Hug, im Rosch den Schauppenhäfner Josef Schaupp, den kleinen, immer gefälligen Meister, und den kleinen dicken Stritzershäfner Fischer. Im »Brunnquell« war es der Elmershans, dessen Betrieb heute als einziger noch besteht.
Längst deckt alle jene Meister und wohl auch die meisten ihrer Gesellen die Heimaterde; aber wer sie gekannt hat, spürt heute noch beim Gang durchs Dorf einen Hauch der fleißigen Geschäftigkeit und ihrer handwerklichen Tatkraft. Ein gutes Stück alter Heimat ist mit ihnen dahingegangen.
Franz Balle