1835 fuhr in Deutschland die erste Eisenbahn: Sie verband die beiden Städte Nürnberg und Fürth. Bereits 30 Jahre später war auch Oberkochen als Bahnstation auf der Strecke Aalen-Heidenheim-Ulm an das Eisenbahnnetz angeschlossen.
Im Juli 1863 begann der Eisenbahnbau in Oberkochen mit dem Abstecken der Trasse durch staatliche Landvermesser. Danach kaufte das königliche Cameralamt (Finanzbehörde) die für den Bau benötigten Grundstücke zu einem guten Preis auf. Viele Felder und Wiesen mußten der Eisenbahn weichen, und der sagenumwobene Engelstein wurde in einer spektakulären Aktion gesprengt. Im Ortskern fiel ein Haus (zumindest indirekt) dem Eisenbahnbau zum Opfer. Da der neue Bahnhof außerhalb des damaligen Dorfes lag, mußte er durch eine neue Straße an den Ort angebunden werden. Die “Bahnhofstraße” wurde 1863 im rechten Winkel auf die damalige Langgasse (Heidenheimer Straße) zugeführt. An der geplanten Einmündung stand das Haus der Witwe Viktoria Staud und des Krämers und Gassenwirtes Franz Staud. Die köngliche Eisenbahnkommission kaufte am 30. Oktober 1863 dieses Anwesen zum Preis von 3700 Gulde. Familie Staud durfte das Material aus dem Abbruch ihres alten Hauses für den Bau eines neuen verwenden. So entstand in den Jahren 1864/65 das Anwesen (Haus, Scheuer und Stall), in dem später die “Bahnhofrestauration” eingerichtet wurde.
Der 15. 9. 1864 war ein großer Tag für die gesamte Gemeinde: Der Oberkochener Eisenbahnabschnitt konnte festlich eingeweiht werden. Für die wirtschaftliche Entwicklung des Ortes war der Anschluß an das Eisenbahnnetz von größter Bedeutung. Durch den Güterzugverkehr wurde z.B. die Holzausfuhr sehr vereinfacht. Das Holz mußte nun mit dem Kuhwagen »nur« noch bis zum Oberkochener Bahnhof transportiert werden. Beim Bahnhof befand sich ein riesiges Holzlager, das sich bis zum Gelände der heutigen Firma Günther und Schramm erstreckt hatte. Teile des Holzes wurden auch auf den Königsbronner Bahnhof geführt, etwa vom Wollenberg aus.
Neben der in dieser Zeit aufkommenden Bohrermacherindustrie profitierten besonders die Oberkochener Hafner von den neu erschlossenen Transportmöglichkeiten. Die Hafner konnten ihre Produkte nun auch direkt versenden. Zuvor waren sie ausschließlich auf die Händler angewiesen, die mit Pferde- oder Ochsenkarren die Tonerzeugnisse abholten. Der Bahntransport war billiger, bruchsicherer und schneller. Außerdem konnte er in größeren Mengen erfolgen. Um das Versenden der Töpferwaren per Eisenbahn zu vereinfachen, wurden die sogenannten “Harassenkisten” entwickelt.

Abbildung 1: Oberkochen im Jahre 1847