Das innere Dorfbild Oberko­chens wird noch bestimmt aus frühen Zeiten der Dorfwer­dung. Einst waren die Häuser fast ohne Ausnah­me einsto­ckig, Sie waren auch alle mit Stroh­dä­chern bedeckt, deren letzte erst Ende des 19. Jahrhun­derts durch Ziegel­dä­cher ersetzt wurden. Von dem Hofraum der Kirchen­schmie­de, gegen­über der katho­li­schen Kirche bietet sich dem Auge ein freier Blick über die ganze Länge der Haupt­stra­ße, die den Haupt­teil des Dorfes darstellt. Dieser übersicht­li­che Straßen­zug mit seinen durch­weg statt­li­chen Häusern und den beiden Kirchen vermit­telt dem Beschau­er das Bild eines großzü­gig angeleg­ten Dorfes. Die Seiten­stra­ßen, der Katzen­bach und der Ortsteil im Brunn­quell, wettei­fern mit der Sauber­keit und Statt­lich­keit der Häuser an der Haupt­stra­ße. Auch die kleinen Gassen verra­ten den Ordnungs- und Schön­heits­sinn ihrer Bewohner.

Wenn heute eine weitschau­en­de und ordnungs­lie­ben­de Gemein­de­ver­wal­tung die alten Bekann­ten der Dorfstra­ßen: die Dunghau­fen, die Holzbei­gen und Leiter­wa­gen, zu verdrän­gen sucht, dann wollen wir darüber nicht böse sein. Gewiß, die Buben aus der Zeit vor 50 und mehr Jahren können diese lieben alten Dorfbe­kann­ten nicht aus ihren Buben­au­gen wegstrei­chen; waren sie ihnen doch zu ihren Spielen gar manch­mal die Burg, die Schau­kel oder das Turnreck. Doch diese Zeiten sind vorbei und die Buben von heute haben ihren Tummel­platz längst auf den Sport­platz verlegt. In der Erinne­rung der einsti­gen Buben werden sie aber zeitle­bens ein freund­li­ches Plätz­chen behal­ten. Mit ihnen werden nicht verges­sen sein die lieben alten Dorfbrun­nen. Viele Dorfge­nos­sen von heute haben sie noch gekannt. Schade, daß sie nicht mehr da sind. Sie wären heute eine feine Berei­che­rung des Straßen­bil­des. Ihr Plätschern bei Tag und Nacht war ihr ständi­ger Gruß an Mensch und Tier. Wie mancher Dürsten­de eilte auf sie zu, um sich zu laben an heißen Sommer­ta­gen und wie oft waren sie der Ort für ein Geplau­der wasser­ho­len­der Frauen und Mädchen. Wer erinnert sich nicht mehr an das beleb­te Bild der Dorfstra­ße zur Zeit der Fütte­rung am Morgen und am Abend, wenn das Vieh eilends aus den Ställen zur Tränke lief. Da gab es manch­mal ein Drängen und ein Schie­ben um den gedul­di­gen Brunnen und nicht selten tobte ein Platz­kampf, der damit endete, daß einer der Kämpfen­den in den Brunnen­trog plumps­te. An den Plätzen wo sie standen, sieht man zum Teil noch ihre Spuren. Nur einer ist geblie­ben, der alte liebe Linden­brun­nen. Ihm ist die hohe Ehre zuteil gewor­den, Mahnmal zu sein für die gefal­le­nen Söhne der Heimat.

Die Brunnen wurden in den 30er Jahren des vorigen Jahrhun­derts erstellt. Vorher mußte das Wasser aus dem Kocher und den Bächen geholt werden. Auch das Vieh mußte man dorthin zur Tränke treiben. Die Brunnen wurden meistens von sogenann­ten Nachbar­ge­mein­schaf­ten gebaut. Es waren laufen­de Brunnen, die in den alten Proto­kol­len als Spring­brun­nen bezeich­net sind. Die ganze Anlage bestand aus einer in die Erde einge­las­se­nen hölzer­nen Röhre, deren oberer Teil etwa 2½ m über den Boden heraus­rag­te. In diesem »Deichel« war ein kleines abwärts­ge­rich­te­tes Rohr einge­setzt, durch welches das Wasser in einen eiser­nen Behäl­ter, den Brunnen­trog, gelei­tet wurde.

Das Dorf besaß neun Brunnen. Ihre Stand­or­te waren:
in der Kirch­gas­se: beim Hause Schlipf und beim Hause Winter (Ecke Pfarrgäßle),
in der Langgas­se: bei der Linde, vor dem »Rößle«, bei Fischer (Napole­on) und beim Hause Kopp im Kies,
im Katzen­bach: zwischen den Häusern Anton Gentner und Aloisi­us Balle
im Feigen­gäß­le, beim Hause Karl Gold (früher Weber, Kohlbeck) und vor dem Hause des Micha­el Gold (Marksen­mi­chel).

Entspre­chend seiner Lage und Größe ist Oberko­chen schon in frühe­ren Zeiten zum Markt­fle­cken erhoben worden mit der Berech­ti­gung, zwei Krämer- und zwei Viehmärk­te abzuhal­ten. Die Entwick­lung des Verkehrs und der Wirtschaft hat es mit sich gebracht, daß dieses Recht mehr und mehr verküm­mert. Nur der Krämer­markt am Pfingst­mon­tag hat sich erhal­ten. Ein eigent­li­cher Markt­platz befin­det sich nicht in der Dorfmit­te. Die beiden Kirchen, die Gastwirt­schaf­ten zum Hirsch, zum Ochsen, zum Lamm bilden mit dem Rathaus und dem Linden­brun­nen eine imponie­ren­de Dorfmit­te mit eigener Note.

Als neuer Ortsteil präsen­tiert sich das »Dreißen­tal« mit seinen Hängen und Höhen. Noch vor 50 Jahren führten aus diesem heime­li­gen Tal die Bauern ihren schöns­ten Klee und gutes Korn heim und am Waldrand ästen fried­lich Rehe. Nun sind sie nicht mehr, die alten, lieben Raine, die Hecken und die Büsche. Auch das Juxen­bä­um­le, auf dem die Unter­kläss­ler johlten und juxten, ist verschwunden.

Über seinem Stand­platz hat sich vor dem zweiten Weltkrieg ein schmu­ckes Jugend­heim erhoben. Nicht mehr ist auch das Fußweg­le durch die oberen Gärten dem Kessel zu, auf dem die Jäger an stillen Sommer­aben­den ihren Pirsch­gang machten und auf dem der alte Ölurle so manches­mal mit seiner Ölbut­te bedäch­tig dahin­schritt nach Bartho­lo­mä, seinem Hauptabnehmerort.

Franz Balle

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