Ein Schreiber, der vor hundert Jahren die landschaftliche Lage unseres Heimatdorfes geschildert hätte, müßte etwa so begonnen haben: »Hingeschmiegt an das Flüßchen Kocher liegt es da, das Dörflein Oberkochen, so recht das Bild eines schwäbischen Bauerndorfes unserer stillen Albtäler.« Der Schreiber von heute kann diese Formulierung nicht mehr treffen. Wohl liegt Oberkochen noch im Tal am Schwarzen Kocher, aber in Dörflein und Tal ist viel Neues gekommen: die Eisenbahn, die Fabriken mit ihren Maschinen, Motoren und Lastwagen und ihren vielen Menschen. Nicht bei allen Bewohnern herrschte über diese Wandlung in den früheren Jahren eitel Freude, denn sie liebten ihre bäuerliche Heimat in ihrer Stille und wünschten sie für immer so, wie sie zu den Zeiten der Väter gewesen war. Aber die in unserer Gegend in den Jahren 1880 bis 1890 begonnene Entwicklung der Industrie hatte auf ihrem Weg auch nach Oberkochen gefunden. Näheres darüber wird auf späteren Blättern dieses Büchleins ausgeführt. Jedenfalls können wir feststellen, daß der Zug dieser Entwicklung im Laufe der letzten 50 Jahre neben dem inneren auch dem äußeren Bild des alten Bauerndorfes Oberkochen den Stempel eines Industrieplatzes aufgedrückt hat. Dies zeigt sich insbesondere im Anwachsen der Zahl der Einwohner und der Gebäude. Trotzdem aber konnten diese Veränderungen bis heute das äußere Gesamtbild des Dorfes in seiner landschaftlichen Schönheit nicht mindern. Noch dürfen wir dies feststellen, Insbesonders bei einer Schau vom »Rodstein« her: Wie schön liegt das Dorf im Sonnenglanz, umrahmt von seinen wechselvollen Fluren und dem satten Grün der lieblichen Wiesentaler, durch die sich Kocher und Gutenbach schlängeln. In der Weite verlieren sich die prächtigen Wälder des Aalbuchs und der Härtsfeldberge. Nicht weniger schön ist der Blick von den anderen Bergen und Höhen aus, zum Beispiel vom Weingarten oder vom Tierstein. Nicht aufgezählt seien die vielen anderen Plätze an den Hängen und auf den Höhen, zu denen Dorf und Tal immer wieder in anderer Gestalt heraufgrüßen. Ja, schön ist dieses Heimatbild von Oberkochen, und was der evangelische Pfarrverweser Pfister zu Anfang der 70iger Jahre in einer sinnigen Versreihe als Abschiedsgruß geschrieben hat, spricht uns auch heute noch an:
Wie könnt ich dein vergessen,
mein schönes Kochertal.
Wie sollt ich euch nicht lieben,
ihr Berge allzumal.
Ein grüner Blättermantel
ist euer Sommerkleid.
Daran von Ährenfeldern
ein goldner Kranz sich reiht.
Im Wiesengrunde rauscht
durch blumenreiche Auen,
ein Bächlein hell und munter,
gar lieblich anzuschauen.
Wie oft hab ich vernommen,
vom Turm den Glockenschall,
die Bergeshalde sandte
zurück den Widerhall!
Franz Balle