Die „Krone“ – in der Aalener Straße 34
Hier hätte mehr und besonders Insider-Wissen stehen können, aber…..s gibt halt Leit, dia hent oifach koi Zeit. Damit standen nicht allzu viele Infos zur Verfügung:
Die Geschichte des Hauses begann um 1860 und war wohl anfangs eine Straßenschänke. Eine Frau Braun soll bis 1887 dort eine Posthalterei betrieben haben. Im rückwärtigen Bereich war ein Pferdestall, in dem auch eine Kutsche stand.
Im Jahr 1887 übernahm Johannes Elmer (1862−1935), als 25jähriger, frisch nach Oberkochen gekommen, die Oberkochener Wirtschaft „Zur Krone“. Als gelernter Schlosser baute er nebenbei 1906 am Kocher (bei der früheren Wäscherei Lebzelter) das erste Elektrizitätswerk in Oberkochen, mit dem er die hiesigen Bohrermacher-Betriebe, die sich mit einem rasanten Wachstum konfrontiert sahen, versorgte.

Die „Krone“ in alten Zeiten mit ungeteerter Straße und Blick auf das „Geißinger-Haus“ (Archiv Müller)
1892 / 93 kaufte der Schwiegervater von Ida Elmer das Haus. Es gehörte damals einem Geschirrhändler. Das Haus hatte damals noch einen kleinen Stall für ein Pferd und Kleinvieh. 1893 wurde es zu einer Wirtschaft umgebaut.
Am 15.10.1921 wurde die Wirtschaft von seinem Sohn Josef Elmer übernommen, der bis 1969 Kronenwirt war. Josef arbeitete zunächst als Schlosser in der Kettenschmiede am Kocherkanal. Das Leben als „Kronawirt“ (bis 1921) war ihm, als technisch versierten und interessierten Menschen, nicht genug. Das E‑Werk war zwar 1916 von der UJAG übernommen worden, aber er schuf weiterhin technische Maschinen, die zur damaligen Zeit etwas Besonderes waren wie z.B. Dampfmaschinen, die von Ochsen und Kühen gezogen wurden, dieselgetriebene Holzsägen und das Highlight – ein Dreschmobil, das bis aufs Härtsfeld hinauf im Einsatz war. Was nur wenige wissen; es wurden zarte Versuche unternommen eine Fahrradfabrikation auf die Beine zu stellen. Leider wurden es nur 5 Exemplare, wovon 4 auf der „Ulmer Mess“ verkauft wurden. Hilde Wanner erhielt 1925 eines davon als Geburtstagsgeschenk (Hilde war die Cousine von Emil Elmer).
Nach dessen Tod führte seine Frau Ida (1892 — 1987) die Wirtschaft bis ins Jahr 1970. Danach wurde sie verpachtet. Diedrich Bantel fragte einst den Sohn Emil (Fahrradgeschäft), warum das Haus mit seltenen und teuren geblasenen Fenstern ausgestattet war. Darauf Emil: „Ha, mei Großvaddr het ebbes iebrig ghet fir sodde Sacha, ond a Gääld hat’r scho au ghet.“

Das Haus in den letzten Tagen – aufgenommen im Dezember 2008 (Archiv Müller)
Die Eigentümer bzw. Pächter der „Krone“ waren:
- Bis 1970 Familie Elmer
- 1970 Franz Balasko
- 1977 Jasminka Mandic
- 1987 Mirko Sipka
- 1990 Mirko Sipka
- 1991 Bajra
- 1992 Cangis Redzepi
- 1992 Familie Zlatko Holjevac
- 1998 Waltraud Issler
- ?? Ljuba
- ?? ??
Irgendwann, im neuen Jahrtausend (so ab 2009) wurde sie abgerissen und damit verschwand ein Teil von Alt-Oberkochen in den Nebelschaden der Erinnerungen. Die Stammkunden der Gastwirtschaft kamen aus der näheren Umgebung (dem Krona-Gässle, vom Grambohl, vom Mühlbergele und aus em Brunkel). Das DRK traf sich dort zeitweise. Ich erinnere mich auch an eine jugoslawische Küche mit Rasnici und Cevapcici. Kurz vor den Abriss des Hauses gab sich noch das „Asia“ die Ehre, aber die Zeit für das Haus war endgültig abgelaufen. In diesem Zusammenhang verweise ich auf die Berichte 8 und 625.
Der „Grüne Baum“ – einst eine Institution im „Kies“ – in der Heidenheimer Straße 31
Hier fand der berühmte „Kies-Rummel“ in der Faschingszeit statt. Es gab im Haus im oberen Stock einen kleinen Saal, der wenig benutzt wurde, aber dennoch von Bedeutung war. Hier trainierten die Geräteturner anno 1903. Auch der berühmte „Luagebeitl-Verein“ hatte hier seine Heimat. Dessen selbst gestellte Aufgabe war es Nachrichten zu erfinden, um sie unters Volk zu streuen mit dem Eingangssatz: „Hennt ihr au scho gheehrt?.……“ Nicht immer zu Freude der Betroffenen. Heute nennt man das „Fake News“. Das Bild dieses verbal-kreativen Vereins hing lange im Gastraum.

Gasthaus „Grüner Baum“ nach dem II. Weltkrieg – links daneben „Foto Kristen“ (Archiv Müller)
Im Jahr 1882 kaufte das Ehepaar Hug, Großeltern der Kronenwirtin Ida Elmer, dieses Gebäude in dem früher eine Hafnerei angesiedelt war und richteten den „Grünen Baum“ ein – lange Zeit eine der wichtigsten Gasthäuser am Ort. Später ging das das Haus an Ida’s Eltern über. Ida’s Vater, Franz Weber, war auch Bäcker und versorgte das Lokal somit mit Backwaren. Große Feste fanden statt (mitunter 18 im Jahr) und für jedes wurde ein Schwein geschlachtet. 1905 verkauft Franz Weber für 35.000 Mark an die Schlumberger-Brauerei Schnaitheim und erwarb stattdessen für 34.500 Mark ein anderes Oberkochener Lokal – die „Grube“ einschließlich der Landwirtschaft. 1908 kam die spätere „Rössles“-Wirtin unter dem damaligen Wirt Karl Fischer „Woidle-Woidle“ als Haushaltshilfe in den „Grünen Baum“. Aber wie das so ist, dieses Gewerbe ist immer in Bewegung und so ging das Lokal an die Neff-Brauerei, der Pächter wurde abgezogen und Hans Betzler kaufte das Anwesen mit der damaligen Anschrift „Langestraße 172“ mit der Telefonnummer „81“ (EW-Meldebuch von 1937). Jahre später wurde eine Metzgerei eingerichtet, die sich über mehrere Wechsel, bis heute gehalten hat.
Am 12. Juni 1903 wurde der TVO in dieser Wirtschaft gegründet. In den 20er Jahren kam die Fußballabteilung dazu und damit war der TVO, der erste Verein, dessen Männer dem runden Leder hinterherliefen. Während des Krieges übernachteten dort Frauen, die beim Wigo und Leitz gearbeitet haben. Die ersten Flüchtlinge aus Bielitz, noch vor Ende des Krieges, wurden hier im Februar 1945 einquartiert. Im Saal waren Stockbetten als Notlager eingerichtet und man war fürs erste untergebracht.

Ein herrliches Bild aus dem „Grünen Baum“ in einer Zeit als „Menue“ noch „Menage“ hieß (Archiv Müller)
Die Gaststube war etwas größer und hat im Laufe der Jahre viel erlebt. Auch die erste Besprechung wegen der Gründung des FCO fand hier statt. Die Freiwillige Feuerwehr hielt hier auch ihre Korpsversammlungen ab. Kein Wunder, stammten doch viele Kommandanten aus dem „Kies“. Am 3. Oktober 1959 wurde die Vesperstube vom Metzger Zimmermann wieder eröffnet.
Hans Betzler starb 1938 und weitere Pächter / Eigentümer waren und sind bis heute:
Irgendoiner aus Unterkochen, Alois Betz (bis 1955), Karl Friedle (ab 1955), Alfred Zimmermann (ab1958) sowie die beiden Lerchs (ab 1977) und so wurde aus dem Gasthaus wieder eine Metzgerei.
Reinhold Bahmann erinnert: Hier betrieb die Familie Friedle die Metzgerei. Wir bekamen dort einen Wurstzipfel von der stets freundlichen Chefin. Später übernahm Alfred Zimmermann, ein nicht minder stets wohlgesonnener und freundlicher Mann.
Nicht zu vergessen: Thüringer Rostbratwürste kamen früher vom Zimmermann und heute vom Lerch und wenn der Bratwurststand am Samstagvormittag mal nicht mehr steht und die ganze „Hauptstraße“ nicht nach Bratwurst riecht, dann ist Oberkochen nicht mehr Oberkochen.

Auf diesem Foto ist die Familie Betzler abgebildet. Das am Tisch sitzende alte Ehepaar sind die Großeltern des HVO-Mäzens Hans Betzler, der die Hans-Betzler-Stiftung ins Leben gerufen hat. Um die Großeltern herum sind 1916 anlässlich eines Heimatbesuches von Sohn Paul Betzler (links außen mit Pickelhaube) alle 8 Kinder der Familie versammelt. Ganz rechts im Bild: Johann Paulo, genannt Hans. Nach ihm ist die Stiftung benannt. Beide Soldaten haben den I. Weltkrieg überlebt. (Archiv Müller)
Das „Rössle“ – in der Heidenheimer Straße 18
gehörte zu den sehr alten Wirtshäusern unserer Gemeinde. Ganz früher war in diesem Haus wohl auch eine Bäckerei heimisch. Aus dem Jahr 1866 im April liegt folgende Geschichte vor: „Ein Aalener Metzgermeister beklagte sich im „Amts- und Intelligenzblatt“, dass sich Michael G. aus Oberkochen im „Rössle“ als Sohn des Metzgermeisters ausgegeben habe, um einen Bürger um ein Glas Bier anzupumpen. Als dieser sich vom angeblichen Vater das Geld zurückholen wollte, flog der Schwindel auf“.

Das „Rössle“ – einmal nett gezeichnet aus alten Tagen (Archiv Müller)
Das Gebäude ging am 15. April des Jahres 1909 an den Bierführer vom „Hirsch“ Max Maier, der ein Bruder vom Kirchenschmied Karl Maier war. Der Kaufpreis betrug 17.500 Mark samt Gütern und Inventar.
Anna Gentner (geb. 1886 gest. 1959) heiratete am 1. Juli 1910 den „Rössles“-Wirt Max Maier und war ab dem Zeitpunkt die „Rössles-Wirtin“. Aus der Ehe gingen sieben Kinder hervor, wovon drei „vor der Zeit“ starben. Das Motto lautete „Schaffen und sparen“. Im gleichen Jahr wurde die Wirtschaft vom 1. OG ins EG verlegt und 1929 erweitert. Bis 1922 bezog man das Bier von der hiesigen Brauerei Nagel. Der damalige Bierumsatz betrug 3.000 bis 4.000 Liter jährlich und Gustav Bosch erwähnte einst, dass der Gemeinderat früher gerne hier einkehrte.
Anna war wohl eine resolute kernige Wirtin, die mit einer kräftigen Stimme ausgestattet war und ein offenes Wort pflegte. (über die Maier’schen Verwandtschaftsverhältnisse gibt der Bericht 686 ausgiebig Auskunft). Vom 9. bis 25. Lebensjahr diente sie auf dem Härtsfeld „fremden Leuten“ (wie man damals so sagte). 1908 kam sie als Haushaltshilfe in den „Grünen Baum“ unter dem damaligen Wirt Karl Fischer („Woidle Woidle“). Nach ihrem 70ten Geburtstag im Jahr 1956 übergab sie das Lokal an den Sohn Josef mit seiner Frau Maria geb. Fischer („Bebel“). Viel Gutes zum gegenseitigen Verstehen zwischen den neuen „Zeissianern“ und den „Einheimischen“ hat sie beigesteuert; rau herzlich und schimpfend wie ein Rohrspatz, — aber Herz hat sie gehabt und immer was zum Essen. Das Fendrich’sche Lied „Weil d a Herz jost wia a Bergwerk…“ passt voll auf sie.

Das „Rössle“ ist Vergangenheit – Die Kreissparkasse ist eingezogen (Archiv Müller)
In den 60ern wurde das Haus umgebaut und es zog die Kreissparkasse ein. In den 70ern wurde das Haus jedoch mitsamt dem Nachbarhaus abgerissen und es entstand im Jahr 1974 Mögel’s Kochertal-Apotheke. (Wir verdanken Werner Mögel auch viele alte Bilder aus Oberkochen, die über seine jährlichen Kalender Einzug in viele Haushalte hielten.)
Die Stammkunden der Wirtschaft kamen in der Regel aus der näheren Umgebung. 1958 zogen die frisch Gemusterten (der Nachwuchs der Bundeswehr), nachdem sie aus Aalen zurück waren und in der Regel für tauglich befunden wurden, mit „Papierhüten und Bändern“ erst durch den Ort und dann in einer langen Reihe ins „Rössle“ ein und bestachen dort vermutlich durch ihre Sangeskunst – denn bald gab es ja wohl nichts mehr zum Lachen. In den Unterlagen finden wir, dass die „DAV Sektion Jena“ sowie die „Thüringer Landsmannschaft“ und auch der Gemeinderat gerne dort tagten.

Das „Rössle“ von innen (Archiv Müller)
Während der Zeit, als die US-Army noch unseren Hausberg „besetzte“, fand ein jovialer Hausball während der Faschingszeit statt, bei der auch ein Faschingswütiger als „Adolf Hitler“ auftrat. Als ein paar „GI‘s“ auftauchten herrschte plötzlich eine Stille, bei der man eine Stecknagel hätte hören konnte, wenn sie denn auf den Boden gefallen war. Ob der Gast plötzlich alle Utensilien fallenließ, die ihn eindeutig als den „GröFaZ“ kenntlich machten oder ob er gar fluchtartig die Szene verließ, ist nicht bekannt, da der Zeitzeuge inzwischen verstorben ist.
Reinhold Bahmann hat auch hier etwas beizusteuern:
Das „Rössle“ ist stark mit meinen ersten Kindheitserinnerungen verbunden. Musste ich doch abends für meinen Goldenbauer-Opa eine Maß Bier holen. Dazu gab es ein kleines Fenster durch den man mitgebrachten Krug hineinreichte und aus dem der volle Krug wieder herausgereicht wurde.

Gasthaus „Rössle“ mit Friseur Alois Michel (Archiv Müller)
Das Gasthaus „Zur Sonne“ – in der Sperberstraße 19
Alois Betz aus Berswang bei Bargau (geb. 26.02.1908, gest. 27.05.1969), und seine Frau Anna Betz geb. Laub (aus Landshausen in Baden) (geb. 28.11.1909, gest. 02.08.1983) haben zuerst in Waldstetten den Gasthof „Hirsch“ gepachtet und sind 1938 nach Oberkochen gezogen, wo sie den „Grünen Baum“ in der Langaß (heute Heidenheimer Straße) pachteten.
Nebenbei sei angemerkt, dass die Vorfahren von Anna Laub zu den „Astors“ gehörten, die vor 1912 auf der „TITANIC“ ums Leben gekommen sind. Die ganze Familie hat in der Wohnung über der Wirtschaft gewohnt und wurde mit der Zeit immer grösser. Franz wurde bereits 1936 in Waldstetten geboren, Rosa Maria (Rosemarie) wurde 1943 geboren und Anne Theresa (Anneresie) kam 1949 zur Welt. Jetzt da die Familie groß war, wurde es Zeit für eine Veränderung – ein eigenes Haus und eine eigene Metzgerei.

Das Betz’sche Gasthaus „Sonne“ Innenansicht (Archiv Müller)
Der Bau des Gasthauses „Zur Sonne“ begann im Herbst 1949. Der Aushub wurde, wie das damals üblich war und wie ich es auch noch kenne, mit Pickel, Schaufel und Manneskraft durchgeführt. Die Männer, die das vollbrachten, waren der Sohn Franz Betz und ein Herr Burr. Der Bau selbst wurde von der Fa. Apprich aus Aalen ab Frühjahr 1950 begonnen und 1951 fertiggestellt. Das OKAY vom Rathaus kam am 22. Januar 1951 – sprich die Lizenz für die Gastwirtschaft. Durch diesen Schritt von Alois Betz begannen auch harte Jahre für die Kinder, denn alle mussten mit anpacken. Alle Kinder konnten im elterlichen Betrieb eine Lehre machen, da der Vater den Meisterbrief hatte. Franz hatte seine Lehre als Metzger bereits im „Grünen Baum“ begonnen und vollendete diese in der „Sonne“. Die Mädchen Annerose und Rosemarie mussten sich die Lehrstelle als Verkäuferin gegen den Vater erkämpfen. Denn für Mädchen war seinerzeit noch die Heirat vorgesehen und dafür brauchte es ja wohl keine Lehre. Franz erinnert sich daran, dass ihn Herr Gillmeier sen. mit seinem schweren alten schwarzen Motorrad (das auch mich als Kind noch sehr beeindruckt hat) zur Gesellenprüfung nach Aalen gefahren hat.
All die Jahre in der „Sonne“ waren für alle von viel und harter Arbeit geprägt. Urlaub, Freizeit, Feierabend waren für Alois Betz Fremdworte und fanden damit für die Kinder auch nicht statt. Alois war ein harter Mann, der eiserne Prinzipien hatte, diese vorlebte und von seiner Familie einforderte.
Für Franz war es besonders schwer. Er musste so früh aufstehen wie ein Bäcker (3 Uhr morgens). Aber es gab keinen Feierabend gemäß dem Motto seines Vaters: „Ein Handwerker hat keinen Feierabend“. Es gab im Jahr 2 freie Tage, an denen die Familie ausschlafen konnte: Am 1. Weihnachtsfeiertag und am Karfreitag. Sonst standen immer das frühe Aufstehen und die Arbeit im Vordergrund. Alois Betz hätte auch gerne am Karfreitag gearbeitet, aber es durfte an diesem Tag in der Wirtschaft kein Fleisch gekocht oder verkauft werden. Viele Thüringer Mitbürger/innen (Protestanten) hatten dafür kein Verständnis und so schloss Alois kurzerhand das Geschäft an diesem Tag und auf diese Weise kam die Familie zu einer Freizeitsteigerung um 100 % (von einem auf zwei Tage!).
Schlachtvieh (Rinder, Kälber und Schweine) kamen vom Viehhändler Hoffmann aus Adelsmannfelden. Zu Zeiten des „Grünen Baums“ war es noch üblich, dass Franz mit Bargeld zu Fuß unterwegs war, um in Rotensohl, am Zahnberg oder in Ochsenberg Bullen zu kaufen und diese dann zum Schlachten nach Oberkochen zu treiben. Geschlachtet wurde immer montags, und dienstags gab es immer Schlachtplatte mit allem, was dazugehörte. Ich erinnere mich auch, dass wir als Kinder beim Schlachten zuschauen konnten. Wir sahen die Sauen im Trog liegen und die Bullen am Gestänge hängen. Franz hat uns hin und wieder etwas erklärt. Das waren für uns schon aufregende und beeindruckende Erlebnisse.
Die „Sonne“, wie wir alle sagten, hatte also mehrere Standbeine und war erfolgreich. Die Metzgerei mit dem Verkauf von Fleisch und Wurst, die Wirtschaft und die Fremdenzimmer. Ein einträgliches Geschäft mit viel harter Arbeit und wenig Freizeit.
Es gab 9 Zimmer mit fließend Wasser und einem Bad und einer Toilette je Etage. Der Zimmerpreis lag bei ca. 10–12 DM incl. Frühstück. Da das Zimmerangebot für die Geschäftsleute und Monteure in Oberkochen damals noch recht überschaubar war (Sonne, Pflug und Grube), war es selbstverständlich, die Gäste zum Konkurrenten zu schicken, wenn man selbst belegt war. Häufig war man auch überbucht, d.h. Rosemarie musste dann ihr Zimmer räumen und bei Papa und Mama schlafen.

Die Besatzung der „Sonne“ (Archiv Müller)
Seinerzeit hatte Wurst in Oberkochen einen Namen – Alois Betz. Die Alten schwärmten noch lange von Alois’ Künsten des Wurst-Machens. Jedoch wurde das Geschäft mit der Wurst zunehmend härter, denn es gab Konkurrenz in der Umgebung: Reber, Sogas, Engel und Meroth boten ebenso Wurst an, die auch gut war und wir Kinder bekamen die Anweisung, z.B. die Schwarzwurst in der „Sonne“ und den Bierschinken beim „Sogas“ zu kaufen. Vielleicht wissen es manche noch, Anton Schlecker hat damals Wurst über „Sogas“ verkauft. Zudem kam, dass die Wartezeiten an normalen Wochentagen einfach zu lang waren, bis Frau Betz jedes Mal aus der Wirtschaft in den Laden herüberkam. An Wochenenden, wenn alle Frauen hinter der Theke standen, gab es Schlangen bis auf die Straße hinaus. Der absolute Renner war Tellersülze von Anna Betz, die wurde sogar sonntags in unvorstellbaren Mengen verkauft. Auch die Wirtschaft war sonntags immer brechend voll. Es gab einfache und gute bürgerliche schwäbische Küche: Schweinebraten, Schnitzel mit Spätzlen, Bratkartoffel oder Kartoffelsalat. Wir Jungen gaben uns meist mit einem Teller „Spätzle mit Soß“ zufrieden. Auch zur jährlichen Kirchweih gab es immer reichlich Zulauf. Der Stammtisch, gleich am Eingang rechts, war bekannt und immer gut besetzt. Die Hauptdarsteller waren u.a. die Herren Kolb, Dobschik, Geis, Sauer und Bestle.

Stammgäste bei ihrem Tun – Dobschik und Meschenmoser (Archiv Kieweg)
Als Alois Betz 1969 verstarb, hat Franz mit seiner Mutter das Geschäft noch ca. 1,5 Jahre weitergeführt, aber irgendwann ging es einfach nicht mehr und die Zeit der Verpachtungen begann. Franz wechselte dann 1968 zu Hees & Eberhard, 1969 zu Rehm Esslingen, 1974 zu Ramme & Betz Stuttgart und 1979 zu Barth & Seibold Aalen, wo er bis zu seiner Pensionierung im Jahre 1999 blieb. Das ganze Ensemble wurde vor ein paar Jahren verkauft und heute befindet sich das „Hexastable“ im Haus und damit ging die Geschichte der Familie Betz auf der „Sonne“ definitiv zu Ende. Inzwischen wurde es nochmals verkauft und ab 2017 nach energietechnischem neuem Standard grundlegend saniert.
Der Verkaufsraum wurde verpachtet an:
- 1972 Karl Brenner
- 1984 Italienisches Lebensmittelgeschäft
- 1986 Metzgerei Riek Inhaberin Irmgard Zinnbauer
- ?? Schmidle Charlottenburg
- ?? Springer
Die Wirtschaft wurde verpachtet an:
- 1971 Karl „Cheetah“ Theilacker
- 1974 Maria Schober
- 1976 Isolde Bischoff
- 1979 Marlene Kett
- 1979 Herbert Herdeg
- 1983 Gerhard Pohl
- 1985 Isolde Bischoff
- 1991 Gerhard Pohl
- 1998 Petra Schupke (bis 2002)
- Leerstand
- 2009 Dimitrios Manikas
- 2017 Marion Vallant
- 2023 Silvia Cecek
- 2024 Anita Ulbricht

Das “Hexastiable” Innenansicht (Archiv Müller)
Auf ein Wort. Das „Hexastiable“ und der Dart Sport ist eine besondere Verbindung, denn ohne diesen immer populärer werdenden Sport würde es die Gaststätte heute wohl nicht mehr geben. Dimitrios war eine Dartgröße im Bereich Ostalb und hat dem Sport in seiner Wirtschaft ein Zuhause gegeben. Leider verstarb er während eines Spiels an einem Herzinfarkt. Daraufhin verkaufte seine Frau Christina das Haus und ging zurück nach Brasilien.

Dimitrios Manikas (1964 – 2017) – der Ostalb-Darter (Archiv Mülelr
Im digitalen Archiv der SchwäPo finden sich im Laufe der Jahre folgende Headlines:
02.09.2010:
„Die Dartmannschaft „Isch Mir Egal” aus Aalen / Oberkochen vom “Hexastiable” hat im E‑Dart bei der 21. Deutschen Liga-Meisterschaft der Mannschaften in der C‑Liga in Geiselwind den 4. Platz belegt. Im Team standen: Dimitrios Manikas , Kapitän Detlef Haug, Günther Mainzer, Gerald Daißler , Uwe Reihnbold, Jürg Rothe.“
11.07.2011:
„Wir sind eine eingeschworene Truppe”, sagt Kapitän Dimitrios Manikas vom frisch gebackenen Deutschen Meister im E‑Dart. Nach dem Titelgewinn sind die Oberkochener Dart-Spieler vom Team „Isch mir egal” in die B‑Klasse aufgestiegen und dürfen bei den Weltmeisterschaften 2012 in Las Vegas teilnehmen.“
02.12.2011:
„Oberkochens Dartspieler werden immer besser. Nach Rang eins in der deutschen Mannschaftsmeisterschaft und dem damit verbundenen Aufstieg in die B‑Klasse krönte jetzt das Duo Heike Karl-Hillmann und Dimitrios Manikas das Vereinsjahr mit dem Gewinn des DM-Titels im E‑Dart mixed.“
12.04.2012:
„Der Traum vom großen Abenteuer in den USA wird Wirklichkeit: Am heutigen Donnerstag fliegen sechs Oberkochener Dartspieler (Dimitrios Manikas, Günter Mainzer, Jörg Rothe, Detlef Haug, Gerald Deißler und Uwe Reinbold) von München aus via London direkt ins Spielerparadies Las Vegas zur Weltmeisterschaft im Elektronik-Dart mit tausenden Akteuren.
01.05.2012:
„Mit dem Flugzeug waren sechs Oberkochener “Kneipensportler” über den “Großen Teich” geflogen, zum großen Abenteuer Dart-Weltmeisterschaft in den USA. Im Spielerparadies Las Vegas erreichten sie auch ihr sportliches Ziel, mindestens einmal eine Platzierung unter den ersten 30, mit Rang 17 klar. Doch ganz zufrieden war Kapitän Dimitrios Manikas nicht „Ein Pünktchen fehlte zum Finale der besten 16. „Gigantisch, phantastisch” – so klingen die Kommentare der Mitglieder des Dart-Clubs “Isch mir egal” nach dem einmaligen, zehntägigen Erlebnis in den USA.“
16.07.2012:
„Die Oberkochener Dartspieler haben erneut einen beachtlichen Erfolg erreicht. Bei den deutschen Meisterschaften im Elektronik-Dart in Geiselwind erreichte die Mannschaft “Isch Mir Egal” den fünften Platz in der B‑Liga.“
20.12.2016:
„Dimitrios Manikas berichtet unter anderem, wie sich Darts auf der Ostalb in den letzten Jahren entwickelt hat und wie es zu dem außergewöhnlichen Teamnamen kam. Dimitrios Manikas ist ein leidenschaftlicher Darts-Spieler. Doch nur durch Zufall hat er überhaupt damit begonnen: Als er Anfang der 90er-Pächter des „Journals“ in Aalen war, kam er mit Darts in Kontakt. 1994 gründete er zusammen mit seinen Kumpels das Team „Isch mir egal.” Dimitrios Manikas erzählt, wie sie auf den recht ungewöhnlichen Teamnamen gekommen sind: „Wir saßen zu sechst zusammen und wollten eigentlich einen richtig guten Namen. Der Erste sagte dann: Isch mir egal, auch der Zweite und Dritte antwortete so. Wir fanden den Namen witzig und einigten uns letztlich darauf.”
01.07.2017: Viel zu früh, aber bei seiner Lieblingsbeschäftigung, verstarb er während des Spiels. Danach wurde es ruhiger mit dem Sport rund ums „Hexastiable“. Heute spielt man wieder mit 2 Mannschaften im DSAB und sehnt sich nach den alten Zeiten zurück. Da helfen nur viele 180er und 9‑Darter.

Die Dart-Spielgeräte im ehemaligen Verkaufsraum der Metzgerei Betz (Archiv Müller)
Schlussbemerkung: Bei der Geschichte einiger Wirtshäuser fällt auf, dass es äußerst interessante Verwandtschaftsverhältnisse gibt. Einst war wohl das halbe Dorf durch gegenseitiges Einheiraten miteinander verwandt. Es soll junge Männer gegeben haben, die aus diesem Grund weggezogen sind.
Einen 180er werde ich in meinem ganzen Leben wohl nicht schaffen – „Billie vom Sonnenberg“