Der „Pflug“.

Wirtschaft zum „Pflug“ von Paul Veil (Archiv Müller)
Das Gebäude stammt vermutlich aus dem Jahr 1822. Im Jahr 1878 ging auf dem Rathaus ein Baugesuch mit folgendem Inhalt ein: Einbau eines »heitzbaren Wirthschaftszimmers mit Abtritt« in das bestehende Scheuer-Ökonomie- und Wohngebäude. Am 25. Juni 1879 wurde die Konzessionsurkunde ausgegeben. Mit ihr wurde die Erlaubnis zum Führen einer „Schankwirtschaft mit Wein, Obstmost, Bier und Branntwein“ erteilt. Der Bauer Xaver Veil (1839−1903) ließ die Wirtschaftsräume, so wie wir sie heute kennen (mit Ausnahme des Nebenzimmers) im Jahr 1878 einbauen.
Die spätere Kegelbahn (damals die einzige im Ort, sie verlief hinter dem Hauptgebäude quer zur Straße) wurde nach dem II. Weltkrieg wieder abgerissen. Damit war kein Geschäft zu machen, denn die Männer kauften einen Kasten Bier für 4 Mark, kegelten den ganzen Abend lang und gingen danach in ein anderes Lokal. Also entschied der Chef auf Abriss und Bau eines Lagers für die Spedition.
Vor einiger Zeit erreichte mich eine E‑Mail aus Königsbronn: „Hallo Nachbarn, heute wende ich mich mit einem besonderen Anliegen an Euch. Am 23. Juli 1924 wurde von 8 Königsbronner Bürger (u.a. Wilhelm Heusel Direktor SHW, Eugen Köpf Gastwirt vom „Weißen Rössle, Karl Vogl Metzgermeister, Fritz Weischedel Brauereibesitzer) sowie einem aus Aalen und einem aus Heidenheim in Oberkochen ein Kegelclub gegründet. Dieser Club GUT HOLZ existiert heute noch und kegelt wöchentlich.“ Das kann aufgrund der Faktenlage nur im „Pflug“ gewesen sein. So meine ursprüngliche Meinung, aber weitere Recherchen ergaben, dass auch die „Schell“ einst eine Kegelbahn hatte.

Paul Veil – der letzte Veil auf dem „Pflug“ (Archiv Müller)

1959 Gasthaus zum „Pflug“ von Adolf Fischer (Archiv Müller)
1915 geht der „Pflug“ auf Adolf Fischer (1893−1968) über, der im gleichen Jahr die Witwe Veil heiratete. Das Glück hielt nur ein halbes Jahr und Maria verstarb. Adolf verheiratete sich wieder im Jahr 1917 mit Anna Beer (1894 – 1954) und hatte mit ihr 8 Kinder. Adolf stammte aus Edelstetten (Neuburg an der Kammel Kreis Günzburg). Nicht nur, dass er viele Schafe mitbrachte, nein, auch dem technischen Fortschritt konnte er viel abgewinnen. Nicht von ungefähr hatte der „Pflug“ lange Zeit die örtliche Telefonnummer „12“. Zudem ist er 1953 auch eingetragen mit einem Fuhrunternehmen, mit Holzhandel und mit Groß- und Einzelhandel von Bimssteinen!

1963 Der alte Pflugwirt Adolf Fischer mit Heinrich und Karin Hügle (Archiv Hügle)
Adolf Fischer hat den „Pflug“ vorangebracht – von einer Bauernwirtschaft zu einem der beliebtesten Gasthäuser am Ort. Eine dynamische Persönlichkeit, die Schafzucht betrieb, als Gastwirt und Holzhändler tätig war und schließlich Fuhrunternehmer wurde.
Zum 65ten lesen wir dazu im Amtsblatt: „Obwohl am Heiligen Abend geboren, ist er durchaus kein Chrischtkindle geworden, wie man hierzulande die schwächlichen und ängstlichen Menschen nennt. Das Leben hat ihn zu einer kraftvollen und eigenwilligen Persönlichkeit geformt. Wer da glaubt, dass es keine Originale im alten Wortsinn mehr gibt, der möge ihn in seiner Gastwirtschaft in seiner urwüchsigen Art, die Schnupfdose in der Hand, die Menschen und Dinge auf seine Art mit malerischen Ausdrücken kommentierend, erleben ….. Nach seiner Dienstzeit im „alten Krieg“ (wie er zu sagen pflegte, beschäftigte er sich eine Zeit lang mit der Schäferei und pachtete Weiden in Oberkochen und Ochsenberg. Dann begann er den Holzhandel – seine Lieblingsbeschäftigung. Die mühselige Holzabfuhr mit Kuhgespannen zum Bahnhof, wo er Tausende von Raummeter Holz verladen hat, war der Keim zum späteren Fuhrgeschäft und seit 1945, unter tatkräftiger Mithilfe seines Sohnes August, zum heutigen Speditionsunternehmen.“
Als er im Jahr 1968 im Alter von 75 Jahren starb lesen wir dazu im Amtsblatt: „…..er war ein Oberkochner Original, der seine Meinung immer offen und ehrlich jedermann gegenüber zum Ausdruck gebracht hat, mit dem ein großes Stück, ein Herzstück der alten Zeit, ins Grab sinkt.“ (Typischer Text von Gustav Bosch).

1959 Gasthaus zum „Pflug“ von Adolf Fischer (Archiv Müller)
Der „Pflug“ hat sich im Laufe dieser langen Zeit also immer wieder verändert. Beispielsweise waren früher die Spedition (Büro) links vom Eingang und rechts die einfache Gaststube, wo sich heute die Weinstube befindet. Hier kamen am Sonntagabend die Katzenbachler zum Biertrinken zusammen. Hinter dem Haus befanden sich noch Stallungen für Pferde und Kühe sowie eine Backstube. 1962 wurden in die ehemalige Scheuer und den ehemaligen Stall die neuen großen Räume eingebaut. Im gleichen Jahr erfolgte ein weiterer großer Umbau zum „Gasthof und Hotel“ unter Pflugwirt Rudolf Fischer (1929 — 1985), der das Ruder 1968, als gelernter Konditor, übernahm. Seit dessen Tod führt seine Witwe, Frau Erika Fischer geb. Kapfer, den Pflug als 5. Pflugwirtin. Rudi jun. (geb. 1970) begann nach einer Lehre im „Falken“ in Aalen (vermutlich 1987 bis 1990) und Arbeit als Pendler in Stuttgart und irgendwann im elterlichen Lokal angefangen.
Das Lokal konnte sich nur weiterentwickeln, weil die anderen Betriebsteile ausgesiedelt wurden: 1956/57 wurde im hinteren Katzenbach ein Speditionsgebäude errichtet, in dem Sohn August arbeitete. Im Winter 1961 startete der Bauernhof im Wolferstal mit Alfons Fischer und 1963 errichtete August Fischer das Autohaus.
Weitere Umbauten erfolgten 1971, 1988 (Gaststätte und Zimmer), 1996 (Zimmer) und 2015 (Weinstube). Die Übernachtungskapazität wurde durch den Erwerb eines Hauses deutlich gesteigert.
Aber egal wie die Veränderungen im Laufe der Zeit ausfielen – eines war fast immer eine Konstante: Vor dem Haus stand meistens eine Bank! Aber seit die Erika gestorben ist und Covid 19 das soziale Leben in unserem Land bestimmte, ist auch im „Pflug“ vieles anders geworden. Mit Covid 19 kam „Essen-to-go, das war nun mittwochs und sonntags die Devise. Rudi versicherte zwar immer wieder, dass er das Lokal wieder aufmachen würde, sobald es keine Einschränkungen mehr gäbe, aber – frei nach Beckenbauer – „da schau‘ mr mal.“ Allein mir fehlt der Glaube.

Der „Pflug“ am Sonntagmorgen in Corona-Zeiten 2020 (Archiv Müller)
In meine Jugendzeit fiel natürlich die Zeit des unvergessenen Rudolf Fischers sen., der uns allen mit seinen unglaublichen Sprüchen beeindruckte. Mir selbst sind zwei in Erinnerung geblieben: Zum einen die höfliche Frage „Was trinkt die Dame und was saufsch Du?“ sowie der Hinweis „Sie können um 7 Uhr geweckt werden, Sie können aber au stracken bleiben“. Und wenn es dann mal zu wild wurde (Fasching), konnte er durchaus mal sagen: „Ihr send doch Säu“. Da gibt es sicher noch mehr und einige, die ich auch noch kenne, sind zur Veröffentlichung nicht frei gegeben. Einen Spruch können wir noch freigeben (ganz dem konservativen Frauenbild der damaligen Zeit entsprechend): „Ich bin der Wirt und meine Frau schafft in der Küche.“
Wenn wir an den „Pflug“ denken, denken wir auch sofort an Ida Fetzer, die dort lange bediente. Eine resolute freundliche Frau, die mit den Gästen gut konnte und sehr beliebt war und sozusagen „den Laden vor der Theke nahezu allein schmiss“.
Was war los im „Pflug“? In alten Unterlagen lesen wir, dass hier die Bauernversammlungen abgehalten wurden, der Ortsviehversicherungsverein seine Sitzungen abhielt, die Jagdgenossen zusammenhockten und auch die Kirchweih gefeiert wurde. In meiner Familie erinnere ich mich an Hochzeiten wie z.B. an die von Inge Müller und Fred Weinhold, bei der mein Bruder sein Hochzeitsgedicht mehrfach vortragen musste und dafür jedes Mal 50 Pfennige bekam sowie an verschiedene Trauerfeiern und runde Geburtstage. Nach den Proben kamen der Musikverein, der Kirchenchor und der Gesangverein. Der Leitz lud 1972 meinen Lehrlingsjahrgang zum Abschlussessen ein. Am 14. September 1963 heiratete Luitgard Grupp den Fritz Hügle und feierte ein großes Fest. In der Faschingszeit fanden auch hier (wie überall) Hausbälle statt. Fasching wurde ausgiebig gefeiert, auch der Tennisclub verlebte hier intensive Zeiten.

1963 Der Vater von Luitgard Hügle geb. Grupp und der Vater von Fritz Hügle (Archiv Hügle)

Am 14.09.1963 war der Einmarsch der Hochzeitsgesellschaft (Archiv Hügle)
Warum ist man in den „Pflug“ gegangen? Das Essen war gut, reichlich und bezahlbar. Da hat sich sogar vor einigen Jahren das Finanzamt interessiert. Vermutlich hat sich da jemand den Umsatz und den Wareneinsatz näher angeschaut und war der Meinung, das könne wohl nicht sein. Dem ernsthaften Vorschlag des Fiskus, die Preise zu erhöhen oder die Portionen zu verkleinern, hat sich Rudi mit dem Hinweis verweigert, das sei schließlich das Markenzeichen vom „Pflug“.
In der Speisekarte stand immer der Text: „Im „Pfluag“ dao koasch halt no ässa ond trenka“ gefolgt von „Das Essen ist für Sie gemacht, das Trinken ist für Sie gedacht, für Sie wird Küch‘ und Keller bestellt – zum Essen und Trinken kamen wir zu Welt“.
Ruuuuuudiiiii ***– mir fehlen die Bratwürscht mit Kartoffelsalat und viiiiel Soß!!!
***Korrektur: Darf man nicht sagen, er heißt Rudolf!

Geburtstagsfeier des Anton Gutheiß am 2. April 2021 (Archiv Burghard)
Einen Stammtisch gab es natürlich auch, der immer am Sonntagabend tagte: „Immer sonntags laufen sie ein, gegen 19.30 Uhr im Gasthof Pflug in der Katzenbachstraße. Wirt Rudolf Fischer begrüßt seinen Stammtisch, der zum „Pflug“ gehört wie das Salz in die Suppe. Kaum haben sie Platz genommen und das frische Pils ist serviert, geht es schon los. Wer Neues erfahren will, kommt zum Stammtisch”, sagte “Done” Gutheiß, mit 92 Lenzen der Senior in der flotten Runde. Gleich nach dem Krieg sei er Initiator des Sonntag-Stammtisches gewesen. Zehn Stammtischler prägen die überschaubare Runde mit prallem “Oberkochen Insider-Wissen.” Neben Anton Gutheiß gehör(t)en Peter Calabek, Anton Feil, Paul Hug, Karl Kehrle, Edwin Franz, Rudolf Trittler, Georg Fischer, Ludwig Burghard und Karl Fischer als Jüngster mit knapp 60 Jahren zur Runde. “Die Themen gehen nie aus”, sagt Georg Fischer und auch “alles, was der Schwäpo-Berichterstatter täglich von sich gibt”, werde unter die Lupe genommen. “Wenn’s a Scheiß isch, kriagt au der sei Fett weg”, lacht der “Done.” Sport, Kommunalpolitik, alte Zeiten, Blick in die Zukunft. Ja sogar, wer mit wem fremd geht, auch darüber scheinen die Stammtischler Bescheid zu wissen. “Es ist eine tolle Kameradschaft, mir würde etwas fehlen”, sagt Peter Calabek und wenn es einmal so richtig zur Sache geht und die Phon-Stärke übers Aquarium hinterm Stammtisch hinaus schwappt, nennt dies Karl Kehrle ein “gegenseitiges und liebenswertes Frotzeln”. Gewettet wird auch. Wirt Rudolf Fischer ist eingeschworener VfB-Fan, da tippt man die nächsten Spiele, und das Kässle ist schon gut gefüllt für ein “Sonderessen”, das man dann gemeinsam im Pflug einnimmt. Wenn der Done” zu seinem obligaten “Ich sag’ Dir was, dass au was woisch” ansetzt, herrscht Aufmerksamkeit. Die Freunde vom Pflug-Stammtisch mögen ihren unverwüstlichen Kollegen, der mit seinen 92 Lenzen so viele herrliche Geschichtchen aus der Historie zu berichten weiß. Rudolf Fischer und seine Mutter Erika, die zusammen mit ihrem verstorbenen Gatten Rudolf sen. den Pflug 1961 übernommen hatten, wissen die tolle Runde zu schätzen: “Das ist Leben pur”, sagt Rudolf Fischer. Natürlich gibt er zum runden Geburtstag ein Schnäpsle aus. Das Schlusswort an diesem Abend gebührt “Done” Gutheiß und seiner Lebensphilosophie: “Ich lebe am längsten am Stammtisch.“
Dieser Bericht von Lothar Schell erschien im Mai 2019. Ein paar Wochen später, am 29. Juni, starb der Done urplötzlich am Samstag des Stadtfest-Wochenendes infolge eines Unfalls in seinem Garten. Auch Peter Calabek verstarb inzwischen am 22. Juni 2022 und Anton Feil folgte, leider auch viel zu früh, am 25. Juli 2024.
Natürlich ist der Stammtisch in der Grub nicht erst 75 Jahre alt gewesen (zum Zeitpunkt des Berichtes) wie uns die Headline vermitteln will. Erstens wäre er dann 1944 gegründet worden und zweitens gab es früher schon Stammtische. Aus alter Zeit seien noch einige Namen erwähnt, die den Stammtisch bereicherten: Karl Brandstetter, Metterle-Sepp (Baierle), Leonhard „Harde“ Burghard, Walter Pfitzenmaier, Holza Hans, Rudolf Kristen u.v.a.m. Ebenfalls am Sonntagabend traf sich längere Zeit der Freundeskreis von Dr. Dieter Brucklacher in der Weinstube.
Reinhold Bahmann weiß hierzu auch etwas: Am Rosenmontag war der „Pflug“. Die legendären Rosenmontagsbälle waren stets ausverkauft und es herrschte eine Stimmung, die nicht zu überbieten war. Dass der „Pflug“, bis Corona ausbrach ein kulinarischer Hotspot war, braucht nicht extra erwähnt werden. Die Besucher aus nah und fern (sogar die oft angereisten Amerikaner von Leitz) schwärmten von dem Zwiebelrostbraten. Großvater und Vater des heutigen Besitzers Rudi waren Oberkochener Originale und stets für einen lockeren Spruch zu haben. Der Sonntagsstammtisch hat sich bis heute gehalten – auch wenn das Lokal für die Öffentlichkeit nicht mehr zugänglich ist.

Ein moderner Prospekt in Deutsch und Englisch im Verbund mit einem traditionellen Spruch des Chefs (Archiv Müller)
Die Wirte auf dem „Pflug“ waren:
• 1879 Xaver Veil
• 1897 Anton Fischer
• 1903 Maria Veil
• 1908 Paul Veil
• 1915 Adolf Fischer
• 1968 Rudolf sen. Fischer
• 1985 Erika Fischer und Sohn Rudi
• 2020 Rudolf Fischer mit Ute Dei
Weiter geht’s in einer Woche.
Es grüßt (vermutlich nie mehr) aus dem „Pflug“ der „Billie vom Sonnenberg“