Der gute alte „Hirsch“ – zweiter Teil
Am 11. Febru­ar 1922 wurde im „Hirsch“ der wohl erste Famili­en­abend abgehal­ten. Die musika­li­schen Kräfte der Ortsgrup­pe boten ein hübsch zusam­men­ge­stell­tes Programm mit reicher Abwechs­lung. Vierhän­di­ge Klavier­stü­cke von Frau Forst­meis­ter Martin, den Oberleh­rern Wörner und Mager, Violi­nen­stück von Herrn Haupt­leh­rer Rohle­der aus Baldern und Herrn Fleury, Gesangs­so­lo von Frau Forst­meis­ter, Lieder zur Laute von Fräulein Weinberg, Buchhal­te­rin bei Herrn Emil Leitz, glänzend vorge­tra­gen; ferner Couplet von H. Wilhelm Bäuerle und Paul Wingert, Glaser­meis­ter. Umrahmt war die Unter­hal­tung durch die schwung­voll vorge­tra­ge­nen Männer­quar­tetts: »Schwa­ben­land« von Waller und »Wohlauf in Gottes weite Welt« von Arnold. Riesi­gen Spaß machte die Vorfüh­rung der Scene: »Ein Blick ins Jenseits«, gegeben zuguns­ten des Turmfonds für den Volkmars­berg. Mit einem Tänzchen fand die schöne Feier ihren Abschluss. Auch der Oppolds-Doktor Karl Ruckgra­ber verkehr­te häufig im „Hirsch“, um mit ein paar anderen alten Männern wie z.B. dem Holza­gärt­ner und dem Marxa­gärt­ner dem Karten­spiel zur Mittags­zeit zu frönen, dem „Dappa“ (Dappen). Heute nennen wir das Spiel Binokel.
Im Jahr 1927 gründen im Gasthof „Zum Hirsch“ in Oberko­chen Karl Betzler, Hans Elmer, Franz Ganter, Hermann Spranz, Josef Wingert, Paul Bauer, Josef Kopp, Josef Maier, Karl Hägele jun., Karl Gold (Marx), Karl Hägele sen., Franz Wunder­le, Josef Tritt­ler und Josef Elmer den „Musik­ver­ein Oberkochen“.

Der 1927 erbau­te Saal (Archiv Müller überlas­sen von Fam. Baumann)

Nach 45 Jahren stand im Jahr 1927 wieder ein großes Festban­kett an. »Der neuerbau­te Hirsch­saal konnte trotz seiner bedeu­ten­den Ausma­ße die Gäste zum Festban­kett am Samstag­abend kaum fassen. Chorlei­ter Lehrer Mayer hatte ein umfang­rei­ches Programm zusam­men­ge­stellt, das »mit seiner Töne Macht gewal­ti­ge Wogen der Begeis­te­rung entfach­te und die unein­ge­schränk­te Bewun­de­rung aller Anwesen­der erfuhr«. Höhepunkt des musika­li­schen Programms bilde­te Richard Wagners »Einzug der Gäste auf der Wartburg« aus dem »Tannhäu­ser«, ein Stück, das »mit tosen­dem Beifall bedacht wurde«. Als Lehrer Mayer mit »Weihe des Lieds« unter Ehren­di­ri­gent Chormeis­ter Spranz gar noch als Bariton-Solist auftrat, kannte die Begeis­te­rung keine Grenzen mehr.
1934 wurde im „Hirsch“ ein beson­de­rer Lehrer verab­schie­det:
Für Haupt­leh­rer Karl Alfred Günter, Lehrer an der Evange­li­schen Schule Oberko­chen 1911 – 1934 fand am 26. Januar 1934 fand im »Hirsch« zu Oberko­chen eine bemer­kens­wer­te Abschieds­fei­er statt. In Reden und Gedich­ten, durch­würzt von Humor, kamen Vereh­rung und Wertschät­zung für den Schei­den­den zum Ausdruck. Pfarrer, Bürger­meis­ter, Schulen, Kirchen­chor, Turnver­ein, kurz die gesam­te Gemein­de nahm Abschied von Haupt­leh­rer Karl Alfred Günter der Oberko­chen nach 23 Jahren erfolg­rei­cher Lehrer­tä­tig­keit verließ, um in Waiblin­gen eine neue Stelle anzutre­ten.
1932. Am 16. Juli wurde für Sonntag, den 24. Juli vormit­tags um 11 Uhr im „Hirsch“ von der NSDAP Unter­ko­chen (Alois Bieg) eine öffent­li­che politi­sche Veran­stal­tung und ein Aufzug (heute würden wir Aufmarsch sagen) durch die Haupt­stra­ße beantragt. Am 18. Juli wurde der Aufzug von BM Frank unter­sagt, die Versamm­lung fand dann aber statt. Ferner gab der Bürger­meis­ter u.a. schrift­lich an, dass die Grußfor­mel „Heil Hitler“ als Provo­ka­ti­on einzu­stu­fen sei, da das keiner gängi­gen Höflich­keits­be­zei­gung oder Grußfor­mel entsprä­che (Kein Wunder, dass er nach der Macht­er­grei­fung 1933 abgesetzt wurde. Der Mann hatte eine Haltung).
Ab 1936 wird die Wirtschaft verpach­tet und viele Pächter, beson­ders ab den 50er Jahren, kamen und gingen. Beson­ders hervor­zu­he­ben ist Emmy Vogel, die das Wirts­haus 12 Jahre lang, bis 1949, führte. Fräulein Vogel soll das Lokal beson­ders während des Krieges mit Fleiß und Geschick geführt haben. Danach eröff­ne­te sie mit ihrem aus der Kriegs­ge­fan­gen­schaft heimge­kehr­ten Bruder eine Metzge­rei in Königs­bronn.
Nach dem Atten­tat auf Adolf Hitler, das von Georg Elser aus Königs­bronn, im Bürger­bräu-Keller in München erfolg­los ausge­führt wurde, spiel­te auch unser „Hirsch“ eine Rolle in der Aufar­bei­tung durch die SS. Hatte Hitler einen Schutz­en­gel (kaum zu glauben) oder einfach nur Glück wie bei anderen Gelegen­hei­ten auch? Jeden­falls wurde Elser, beim Versuch in die Schweiz zu fliehen, festge­nom­men, verhört, gefol­tert, in Sachsen­hau­sen und Dachau jahre­lang gefan­gen gehal­ten und kurz vor Kriegs­en­de am 9. April 1945 auf persön­li­chen Befehl von Hitler hinge­rich­tet. Die Verhö­re der Königs­bron­ner Bevöl­ke­rung wurden, mangels entspre­chen­der Räume im Nachbar­ort, auch in Oberko­chen im „Hirsch“ vorge­nom­men. Nach dem Krieg wurden dann passen­der­wei­se auch die Entna­zi­fi­zie­rungs­pro­ze­du­ren dort vorge­nom­men. Nicht alle wurden freige­spro­chen, einige wurden auch verur­teilt.
Dieses Lokal war auch etwas Beson­de­res. Es gehör­te mit Sicher­heit zum ältes­ten Teil Oberko­chens. Zuhau­se waren hier die Haute Vollee, die VIP’s oder die Großkopf­e­ten. Es wurden Hochzei­ten und Jubilä­en gefei­ert. Theater­spie­le wurden aufge­führt, politi­sche Veran­stal­tun­gen organi­siert, die Kirch­weih war hier zuhau­se und Bildungs­the­men kamen ebenfalls nicht zu kurz.
Auch die Liebe nahm hier ihren Ursprung. Eine Zeitlang bedien­te Ottilie „Tilly“ Huber ihren späte­ren Ehemann Hermann, der dort sein Feier­abend­bier trank, bevor er mit dem Fahrrad (!!!) wieder aufs Härts­feld nach Auern­heim fuhr – und das jeden Tag. 10 Pfenni­ge Trink­geld (das war ein ordent­li­cher Teil vom Stunden­lohn) – das machte wohl Eindruck auf „Tilly“ und so haben sie 1950 gehei­ra­tet. Sie bauten am Sonnen­berg ein Haus und es stell­ten sich im Laufe der Jahre drei Mädchen ein — die Bärbel (die es genoss mit ihrer Mama ab und zu in den „Hirsch“ gehen zu dürfen), die Renate und die Roswi­tha. In diesem Zusam­men­hang fallen mir auch noch die späte­ren Bedie­nun­gen Ida Fetzer und Heiner Kolb als Ober ein.

Gaststu­be im „Hirsch“ (Archiv Müller überlas­sen von Fam. Baumann)

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Gaststu­be im „Hirsch“ (Archiv Müller überlas­sen von Fam. Baumann)

Am 9. März 1947 fand die Gründungs­ver­samm­lung der „Garten­freun­de“ statt und der Verein „firmier­te“ damals unter dem Namen „Ortsver­ein der Siedler und Klein­gärt­ner“. Erschie­nen sind etwa 85 Perso­nen, von denen bereits vorher 23 Perso­nen ihre Mitglied­schaft bekun­det hatten, und in kurzer Zeit weite­re 43 Aufnah­men gemel­det werden konnten auch der damali­ge Bürger­meis­ter Eber, war anwesend und sagte seine tatkräf­ti­ge Unter­stüt­zung bei der Beschaf­fung von Land zu. Er empfahl jedem Inter­es­sier­ten, doch Mitglied in dem neuen Verein zu werden. Am 13. August 1947 hatte die Militär­ver­wal­tung der US-Army in Aalen ihr Einver­ständ­nis zur Gründung einer lokalen Gruppe für Siedler und Klein­gärt­ner erteilt.
1949 finden wir den Aufruf des von Josef Krok und Dr. med. Ludwig Borst gegrün­de­ten Schach­ver­eins an die Jugend­li­chen sich im „Hirsch“ an die Schach­bret­ter zu setzen.
1950 wurden von der Kleider­ab­la­ge zwei Herren- und ein Damen­man­tel sowie ein Kostüm­stock entwen­det. Der Täter stamm­te aus München und wurde der Polizei zugeführt. Da fällt mir grad das Lied von Peter Alexan­der ein: „Schau ich weg von dem Fleck, ist der Überzie­her weg“.
1951 hielt die Firma Oppold einen Kamerad­schafts­abend der Werkzeug­ma­cher ab und der TVO eine von vielen Monats­ver­samm­lun­gen. Als neue Diszi­plin kam in diesem Jahr, die von Eugen Honold gelei­te­te Fecht­ab­tei­lung dazu.
1953 wurden hier die Natur­freun­de und am 8. Juni 1956 der 1. FCO gegrün­det. Es versam­mel­ten sich die Mitglie­der des TVO, die Fotofreun­de und der Krieger- und Militär­ver­ein. Der Sänger­bund traf sich zu den Singstun­den. Das Forst­amt verkauf­te Reisig, Licht­bil­der­vor­trä­ge im Saal, Kunst­aus­stel­lun­gen und Theater­auf­füh­run­gen, Tanz in den Mai, Hausbäl­le zur Faschings­zeit und im Herbst die Kirch­weih. Für die Haushal­te gab es Propan­gas-Kochvor­trä­ge sowie Strick- und Nähkur­se und die Firma „Krok“ zeigte dort ihre Kollek­tio­nen in den ersten Modeschau­en im Dorf. Die „AOK“ zahlte ihre Barleis­tun­gen aus, politi­sche Veran­stal­tun­gen fanden statt und Gustav Bosch lud ein zum Thema „Bürger­schaft fragt – Verwal­tung antwor­tet“. 1954 veran­stal­te­te die KONSUM-Genos­sen­schaft Aalen zu ihrem 60jährigen Jubilä­um einen großen „Bunten Abend“ und eine „Große Moden­schau“, von Josef Krok organi­siert, zeigte, was Frau so trägt. 1955 gastier­te die 1. Münch­ner Bauern­büh­ne mit Ludwig „Wiggerl“ Huber und zeigt vom 14. bis 16. April drei unter­schied­li­che Theater­stü­cke bei einem Eintritts­preis von 1,50 DM bis 2 DM.

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Saal im „Hirsch“ (Archiv Müller)

Am 12., 13. März 1955 gab es eine Kunst­aus­stel­lung des Neres­heim Künst­lers Heinz Kibler. Am 2. April 1955 veran­stal­te­ten die hiesi­gen „Bielit­zer“ zum Geden­ken an den schwe­ren Verlust der Heimat vor 10 Jahren einen Famili­en­abend, an dem 100 Perso­nen anwesend waren. Es nahmen u. a. auch Heimat­freun­de aus Ulm, München und Stutt­gart daran teil. Sie waren eine lose Heimat- und Schick­sals­ge­mein­schaft. Eröff­net wurde das Festpro­gramm durch einen Musik­vor­trag des Kammer­tri­os »Neuber« im Gasthaus »Hirsch«. Die Begrü­ßungs­an­spra­che hielt Heimat­freund Johann Urban­ke, die Festan­spra­che hielt Ing. Pudelek aus München, der u. a. die besten Grüße der Münch­ner Zweig­grup­pe überbrach­te. Auch Herr Bürger­meis­ter Bosch war anwesend und überbrach­te die herzli­chen Grüße und guten Wünsche der Gemein­de. Die besinn­li­che Feier­stun­de wurde durch ein reich­hal­ti­ges Festpro­gramm von Musik‑, Gesang- und Gedicht­vor­trä­gen umrahmt.
Inter­es­sant auch eine Veran­stal­tung aus dem Jahr 1956. Der „Bund der Kinder­rei­chen“ (was es so alles gab) lud zu einer ersten öffent­li­chen Info-Versamm­lung ein. Im gleichen Jahr, man glaubt es kaum, hielt die neu gegrün­de­te Schüt­zen­gil­de ein Übungs­schie­ßen statt. Mit Unter­stüt­zung der befreun­de­ten Königs­bron­ner wurden vier Schieß­stän­de mit Zugschei­ben aufge­baut und dann hieß es „ran an die Geweh­re“. Ebenso fand ein Nähma­schi­nen­kurs der Fa. Pfaff-Nähma­schi­nen­haus H. Eisele statt, an dem 65 Frauen und Mädchen an 65 Maschi­nen (!!!) begeis­tert teilnah­men. 1957 verließ Karl Lang Oberko­chen und zog ins Rhein­land. Er war beliebt, fleißig und immer bestrebt, die Wünsche seiner Gäste zu erfül­len. 1954 wurde sein Sohn Franz­har­ry geboren, dessen Wohnsitz wir heute in Kiefersfelden/Österreich finden.
Seine Existenz verdankt der Boxclub Oberko­chen nicht zuletzt der Firma Zeiss. Als das Unter­neh­men Anfang der 1950er Jahre sein Zweig­werk Opton in Coburg auflös­te, kamen aus der oberfrän­ki­schen Boxhoch­burg zahlrei­che Mitar­bei­ter nach Oberko­chen und mit ihnen die Begeis­te­rung für den Faust­kampf, der damals in Deutsch­land enorm populär war. Die Geburts­stun­de geht ins Jahr 1952 zurück – als Boxab­tei­lung des TV Oberko­chen. 1957 wurde der BCO ein eigen­stän­di­ger Verein. Die ersten Trainings­aben­de fanden im „Hirsch-Saal“ statt. Die Begeis­te­rung war riesig, zwischen 20 und 25 Aktive sollen in dem Saal trainiert haben.
Am 12. Mai 1958 fand die Hochzeit von Karl Unfried und Rosl Sapper im Saal statt. Auch der erste Blutspen­de-Termin am 28. Novem­ber 1960 fand im großen Saal statt. 1961 gab es einen ersten Kamerad­schafts­abend für die „Blaulich­ter“ (wie man heute vielleicht sagen würde). Die Freiwil­li­ge Feuer­wehr, die CZ-Werkfeu­er­wehr, das Rote Kreuz und die Polizei luden dazu ein, um die Kamerad­schaft zu vertie­fen. Fabri­kant Leonhard Stützel von Leitz nahm aus einem beson­de­ren Anlass teil. Durch den kompe­ten­ten und engagier­ten Einsatz beider Feuer­weh­ren wurde bei einem Brand im Dezember1960 in den Werks­an­la­gen der Fa. Gebr. Leitz Schlim­me­res verhin­dert. Am 28. Mai 1961 lud der 1.FCO zur Meister­schafts­fei­er der A‑Klasse ein. Am 13. März 1962 übergab Heinz Bergner das Lokal an den neuen Pächter Baumann. Dieser führte sich dann im Herbst gleich mit der „Kirch­weih“ und einem zünfti­gen Essen ein: Neuer Wein mit Zwiebel­ku­chen und Schlacht­plat­ten, Rehbra­ten und Geflü­gel. Am 11. Januar 1964 heira­te­ten Helmut Wenzel (u.a. Chef-Fahrer bei Leitz) und Rosema­rie Kolb (Tochter vom roten Kolb). Am 17. Januar 1964 gab es einen Kompa­nie­abend der Panzer­gre­na­die­re Ellwan­gen 5/302 mit Einla­dung an die Bevöl­ke­rung. Als altem Mariner fällt mir natür­lich auf, dass es heute den Anschein hat, dass die Bundes­wehr in der Öffent­lich­keit überhaupt nicht mehr vorkommt. Am 30. März 1968 veran­stal­te­te der hiesi­ge Skatclub „SC Pik Sieben“ eine offene Kreis­meis­ter­schaft. Gespielt wurde an 4‑er-Tischen in 2×48 Runden gemäß den Vorschrif­ten des DSKV. Im gleichen Jahr hielt der Schach­club seine JHV ab. Zu erwäh­nen ist, dass mein, inzwi­schen verstor­be­ner, Schul­ka­me­rad Norbert Nikels die Jugend­meis­ter­schaft gegen Aalen gewann. Zweiter wurde Frank Richter, dritter Karl-Heinz Stamm­witz. Am 2. Januar 1969 machte „Trexlers Puppen­thea­ter“ in Oberko­chen Stati­on und gab das Stück „Hänsel und Gretel“. Wenn es am Ort um das „Hohen­lo­her Kasch­per­le“ ging, dann war das immer Rolf Trexler mit Puppen. Rolf Trexler (* 6. Mai 1907 in Zwickau; † 15. Juni 1985 in Rothen­burg ob der Tauber) war ein deutscher Puppen­spie­ler, der eher zum Puppen­ka­ba­rett für Erwach­se­ne neigte als zum Kasperl­thea­ter. Er beschrieb sich als Lustig­ma­cher. Er galt als recht eigen­wil­lig, außer­halb der Norm. Mit solchem Zeugnis verei­tel­te 1982 der Bürger­meis­ter die Ehrung mit dem Bundes­ver­dienst­kreuz. Solche Charak­te­ren gab’s früher mehr als heutzu­ta­ge.
In meiner Jugend­zeit besuch­te ich dort die ersten Rockkon­zer­te und Beat-Tanzver­an­stal­tun­gen im Saal. Mittags gingen wird dort mitun­ter essen, es gab einen guten Braten mit Spätz­le und Soß‘ zu räson­ablen Preisen, beglei­tet von der angesag­ten Musik aus einer Wurlit­zer-Musik­box. Bei uns im Sonnen­berg fanden wir eines morgens einen niedli­chen ausge­setz­ten Hund. Aber da wir schon einen Schäfer­hund hatten und der neue für zwei fraß und zu erken­nen war, dass der mal ein größe­res Exemplar werden würde, gab ihn mein Vater an Hans Nagel ab. Der Hund, mit Namen Cäsar, blieb Hans ein treuer Beglei­ter und als ich mal schau­en wollte, wie groß er gewor­den war, erschrak ich zutiefst. Den hätten wir nicht halten können. Auch ein „Stöpsel-Club“, dessen Vorsit­zen­der wohl Willi Krenz­ke war, fand sich öfters im „Hirsch“ ein, so auch zur General­ver­samm­lung im Jahr 1973. 1975 wurde für das Billard­spiel gewor­ben.
1985 wurde nach fast 2‑jähriger Schlie­ßung die „Wohnstub im Hirsch“ eröff­net. Elisa­beth und Hans Nagel sorgten dafür, dass die Sanie­rung gelun­gen ist. Es wurde Wert darauf gelegt die alten Eichen­de­cken­bal­ken zu erhal­ten und das alte Mauer­werk freizu­le­gen. Die neuen Pächter, Oscar und Barba­ra Zündel, führten dann eine gepfleg­te Steak-Pils-Bar.
Nachste­hend einige Pächter, die beim Recher­chie­ren der Amtsblatt­aus­ga­ben ab 1953 gefun­den wurden. Die Jahres­zah­len sind nicht verbind­lich, da sie zum Teil auf Anzei­gen zurück­ge­hen und nicht unbedingt den Beginn der Pacht anzei­gen:
1936/37 Paul Gold – die Erlaub­nis­ur­kun­de wurde aber umgehend wieder für ungül­tig erklärt
1937/38 Emmy Emilie Vogel
1949/50 Karl Lang
1957 Heinz und Agnes Bergner
1962 Familie Baumann
1969 Herbert Saur
1972 Brigit­te Kohlhu­ber
1975 A. Kalmbach
1979 „Old Joe“ mit Chatziv­ass­li­la­dis
1981 Im „Hirsch“ eröff­net die Tanzbar „Old Joe“
1985 Im „Hirsch“ wird die „Wohnstub‘“ von Oskar und Barba­ra Zündel eröff­net
1986 Im „Hirsch“ von Eugen Sauer wird die „Scheu­ne im Hirsch“ eröff­net
1988 Am 5. August eröff­net das „Billard-Sport­ca­fe“ mit der Familie Gold
1988 Marian­ne Gold und Franz Legat überneh­men das „Billard-Sport­ca­fe“ und die Pizze­ria „Scheu­ne“
1988 Im EG macht die „Grill­stu­be Hirsch“ von Irmgard Zinnbau­er auf, die wir schon von der „Sonne“ kennen
1989 Jetzt betrei­ben Rober­ta und Beate die „Scheu­ne im Hirsch“
1991 In der Pilsbar „Holzwurm“ unter H.D. Strauch und H. Bochin­sky werden die Bierhäh­ne geöff­net
1995 „Fieber“ im „Holzwurm“
?? Petra Stopar im „Holzwurm“
?? „Asia“

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Der „Hirsch“ mit Volks­bank, Konsum und Krok direkt nach dem II. Weltkrieg (Archiv Müller)

Rechts vom Eingang befan­den sich der altehr­wür­di­ge „Krok“, der 1945 sein Geschäft starte­te, es später an seine Tochter übergab und sie an eine Nachfol­ge­rin. Auf der anderen Seite hielt schon früh die „Volks­bank“ Einzug. Das Gesicht der „Volks­bank in Oberko­chen“ war in meiner Erinne­rung immer die Rosma­rie Grupp, auch wenn sie nicht immer „Chef“, aber doch „unsere“ Chefin war. Es gab dort den „Konsum“, die „Rhein­elek­tra“, Obst und Gemüse, die Fahrschu­len Holzbau­er-Michal­ski, sowie später den ersten Video-Laden.
Am Samstag. 5.April 2014 um 16:30 Uhr wurde im Rahmen der Feier­lich­kei­ten zum 175jährigen Jubilä­um des Sänger­bun­des Oberko­chen das histo­ri­sche Chorbild „Männer­chor 1929 – Schwä­bi­sches Lieder­fest Ulm“ an den Heimat­ver­ein Oberko­chen als Dauer­leih­ga­be überge­ben. Dieses Bild hing jahrzehn­te­lang im Eingangs­be­reich des „Hirsch“, weil in diesem Lokal der Verein schon immer seine Gesangs­pro­ben abhielt.
Zum Abschluss dieses Abschnit­tes passen bestens einige Erinne­run­gen meiner lieben Freun­din Edeltraud Meroth geb. Schüler:
Als Kind war ich oft im „Hirsch“ bei den Weihnachts­fei­ern der Heimat­ver­trie­be­nen. Das war für mich ganz wunder­bar, weil Gaststät­ten­be­su­che ansons­ten für meine Eltern unbezahl­bar waren. Ich kann also nichts berich­ten über Besuche in den Gasthäu­sern, aber über das drum herum, das da so herrsch­te – darüber kann ich sehr wohl einiges Inter­es­san­tes erzäh­len. In der „Grube“ kegel­te meinem Opa Karl Langer mit seinen Krieger­ka­me­ra­den (u.a. dem Postler Klenk). Da durfte ich manch­mal Kegel aufstel­len. Als Lohn bekam ich 50 Pfenni­ge und ein Glas süßen Sprudel – das war für mich super. Und dann hatte ich als Schul­kind einige Zeit lang einen „Job“, für den mich Frau Anna Edinger vom „Ochsen“ bezahl­te. Jeden Morgen um 6 Uhr hat mich meine Mutter dafür geweckt. Um 6:30 Uhr habe ich schlaf­trun­ken einem Kübel mit Essens­res­te aus dem „Ochsen“ auf einem Handkar­ren die Katzen­bach­stra­ße hinter bis zur Oma gebracht, vielleicht der Mutter der Ochsen­wir­tin, der Oma vom Jakob Edinger. Die Oma wohnte im Parterre in dem großen Haus gegen­über vom Schrei­ner­gäss­le. Wenn ich am Haus ankam, hat sie immer schon auf mich gewar­tet und dann haben wir den Kübel zusam­men abgela­den und in die Hütte hinter dem Haus gebracht, wo das Schwein unter­ge­bracht war. Danach musste ich den Handkar­ren zurück­zie­hen, im „Ochsen“ abgege­ben und dann bin ich zum Frühstück in die Katzen­bach­sta­ße 3 gegan­gen, wo wir damals gewohnt haben. Dafür gab es dann einmal in der Woche etwas Taschen­geld – leider weiß ich nicht mehr wieviel. Für die Metzge­rei Reber im „Lamm“ haben wir das benötig­te Brenn­holz gesta­pelt, dass sie zum Schlach­ten gebraucht haben. Meine ganze Familie war dann samstags damit beschäf­tigt, die riesi­gen Holzhau­fen mit gespal­te­tem Brenn­holz längs der Wand aufzu­sta­peln (entlang der Hauswand von Nagels Pferde­sta­del am kleinen Hügel, der zum Schlacht­häus­le hinter dem „Lamm“ führte). Das hat sogar Spaß gemacht, denn es war ein wenig wie bei Huckle­ber­ry Finn — Freun­de kamen vorbei und haben mitma­chen dürfen. Dafür gab es dann Natura­li­en für meine Familie. Erst später, in den 70 er Jahren hatten meine Eltern genügend Geld, um in Gaststät­ten zu feiern — z.B. die Silber­ne Hochzeit im“ Ochsen“. Später wurden dann die „runden“ Geburts­ta­ge von Peters Mutter immer im Neben­zim­mer vom „Ochsen“ gefei­ert.
Abschlie­ßend noch ein paar Erinne­run­gen von Luitgard Hügle geb. Grupp: Es muss wohl Ende der 40iger gewesen sein, als ich zum Kinder­tur­nen in den „Hirsch“ ging. Meine Cousi­ne Irmgard hat uns im Turnen unter­rich­tet, Gymnas­tik und Spiele mit uns gemacht. Sie war noch sehr jung, der „Schrei­ber­le“ vom Turmweg hat sie bewogen, Kinder im Turnen und in Gymnas­tik zu unter­rich­ten. Die Turnhal­le bei der Dreißen­tal­schu­le ist ja erst 1950 gebaut worden. Natür­lich gab es im „Hirsch“ keine Umklei­de-Kabinen und keine Dusche, die Turnsa­chen hatten wir schon unter der Kleidung an und so gingen wir auch wieder heim. Manch­mal kamen wir in den Saal und da standen noch die Stühle und Tische vom Abend zuvor und wir mussten erst alles wegräu­men. Meistens hatte es jedoch schon der Betrei­ber, Herr Lang besorgt. Irmgard erzähl­te mir einmal, dass die Kinder schon hochge­stürmt waren und oben auf dem Fußbo­den einen „Toten“ fanden. Die Aufklä­rung war einfach: Herr Lang war wohl beim Aufräu­men gestürzt und dann aus Müdig­keit liegen geblie­ben und war einge­schla­fen. Außer dem Turnen sangen wir auch und berei­te­ten uns auf die Vorfüh­run­gen vor,bei denen wir sangen und tanzten. Ich ging da sehr gerne hin. Dann gab es noch Filmvor­füh­run­gen am Abend, denn auch das Kino wurde erst Anfang der 50iger eröff­net. Die Filme zeigten mein Onkel Anton Grupp und Hans Hilmer. Sie hatten sich ein Auto so umgebaut, dass sie damit die Geräte trans­por­tie­ren konnten und so die Filme auch in den Nachbar­dör­fern zeigen konnten. Wir Kinder durften natür­lich nur wenige Filme besuchen – ich erinne­re mich an „Der Tiger von Eschna­pur“ und dabei beson­ders an eine Szene, als über eine breite Treppe die Lepra­kran­ken nach oben kamen, ihnen aber die Ausgän­ge verschlos­sen wurden. Ein anderer Film war „Scott’s letzte Fahrt“ zum Südpol, den er auch erreich­te, aber enttäuscht war, dass Roald Amund­sen schon vor ihm da war. Auf dem Rückweg ist er dann mit der ganzen Mannschaft im Schnee­sturm umgekom­men. Vor dem Hirsch habe ich auf der nassen Straße einen kleinen blauen Geldschein gefun­den: 10 Pfennig – und habe mich sehr darüber gefreut. Da staunt der Laie! Es handel­te sich um einen „Geldschein der Bank Deutscher Länder“, also um ein ganz norma­les Zahlungs­mit­tel. Der Geldschein wurde am 20.8.1948 ausge­ge­ben und zählte zu den ersten Zahlungs­mit­teln der jungen BRD. Der 10-Pfennig-Schein ist im Rosen­berg­ka­ta­log unter Nr. 251 gelistet.

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10-Pfennig-Geldschein aus dem Jahr 1948 (Archiv Hügle)

Randbe­mer­kung: Unser Ort verän­dert sich rasant – Gebäu­de verän­dern sich oder werden entsorgt. Das ist an sich nichts Verwerf­li­ches, aber dass an einigen wichti­gen Orten darüber einfach hinweg­ge­gan­gen wird, ist aus meiner Sicht nicht so toll. Andere Gemein­den gönnen sich Info-Tafeln oder Schil­der mit und ohne QR-Code, um zu sagen: „Hier war mal etwas anderes, das uns so wichtig ist, dass wir mit Text und Bild daran erinnern wollen.“ Verein­zelt haben wir ein paar Schil­der an ein paar Gebäu­den angebracht wie z.B. an der kath. Kirche, am Edith-Stein-Haus, an der Stadt­bi­blio­thek, am Heimat­mu­se­um und relativ neu am Platz „Neue Mitte“. Darüber zu schrei­ben und dann abzule­gen ist das eine; ständig daran zu erinnern ist das andere. Das sollten wir uns wirklich überle­gen, was uns Erinne­run­gen wert sind. Da ist es nicht damit getan, wenn gesagt wird: „Braucha mr et“ oder „Es war eh a alts Glomp“ oder „Warum sollen wir das machen und nicht die Stadt“ oder „Das ist nicht mehr modern – des het mr heit nemme“. Aus meiner Sicht brauchen wir diese Art der Erinne­rung, daher kann es nur darum gehen „wer macht’s und wer bezahlt’s.“
Und wenn das halt doch nichts wird, dann ist es die Aufga­be des Heimat­ver­eins, die Vergan­gen­heit von Gebäu­den und Menschen, die darin gewohnt und gearbei­tet haben in Text und Bild auf der neuen Website darzu­stel­len.
Der nächs­te Teil: „Iiiiiebr d‘ Schell“.

Es grüßt (nie mehr) aus dem Saal des „Hirsch“ der „Billie vom Sonnenberg“

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