Ein Danke­schön

geht an Bruno Brand­stet­ter, der einiges beigesteu­ert hat, sowie an Lothar Schell, der sein Okay für die Verwen­dung seiner bishe­ri­gen Berich­te dazu gegeben hat.

Bagage?

Da schau­en wir doch erst mal in den Duden. Da finden wir zwei Bedeu­tun­gen. Zum einen geht es um das Reise­ge­päck. Das Wort kommt aus dem Franzö­si­schen und bedeu­te­te „Tross“. Der Gebrauch dieses Begriffs ist aber gänzlich veral­tet. Zum anderen meint man damit eine Gruppe von Menschen, nach dem übel beleum­de­ten Tross der frühe­ren Heere. Der Gebrauch hat einen abwer­ten­den Charakter.

Und jetzt noch die schwä­bi­sche Erklä­rung. Zuerst schrei­ben wir das ganz anders – Bagaaasch: 

Ein belieb­ter und aus dem Franzö­si­schen entlehn­ter Begriff. „Man meint also das, was man so mitschleppt.“ Da die Schwa­ben gerne im Rudel auftau­chen, haben sie dann eben ihre „Bagasch“ dabei. Soll heißen: Familie, Anhang, Kind und Kegel.

Wie kam unsere Bagage zu ihrem Namen?

Es handelt sich dabei um einen Freun­des­kreis alter Oberko­che­ner aus alten Zeiten, als sie noch Jungge­sel­len waren. Es waren also nicht die 7 Schwa­ben, die ein Ungeheu­er zur Strecke bringen wollten, sondern 6 Schwa­ben aus Oberko­chen, die etwas zusam­men machen wollten.

Nament­lich: Bruno Balle, Bruno Brand­stet­ter, Albert Holz †, Rudolf Hug, Max Tritt­ler † und Franz Weber. Die Bezeich­nung „Bagage“ führte der Club nicht von Beginn an, wie Franz Weber in einer Jubilä­ums­re­de einst vermerk­te. Der Name entstand, als man während eines gemein­sa­men Ausflugs einigen Mittou­ris­ten wohl etwas unange­nehm aufge­fal­len war. „Da soll dann“, wie Franz Weber beton­te, „der unrühm­li­che Begriff Bagage gefal­len sein“.

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Die Bagage (damals noch vollstän­dig) in Festtags­klei­dung (Archiv Brandstetter)

Sinn und Aufgabe.

Zuerst stand sicher die Gesel­lig­keit und Ausflü­ge im Vorder­grund, später zusam­men mit den „besse­ren“ Hälften. Seit dem Kinder­gar­ten kennen sich die sechs einge­schwo­re­nen Kolping-Brüder, die sich nie aus den Augen verlo­ren haben. Seit 1966 treffen sie sich jährlich – ohne Unter­bre­chung mit einer Ausnah­me: Im Corona-Jahr 2020. Im Jahr 1986, auf einem gemein­sa­men Ausflug nach Beuron, kam spontan die Idee auf, „lass uns doch in Oberko­chen eine neue Kapel­le bauen“. „Wir sind arbeits­freu­dig, kamerad­schaft­lich, fröhlich und trink­fest“, sagte einst Bruno Brand­stet­ter und so nahmen die Dinge ihren Lauf.

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Es gibt immer was zu tun – packen wir’s an (Archiv Brandstetter)

Wir bauen eine Kapelle.

„Einfach so“, der Bürger­meis­ter wusste nichts davon, auch nicht der damali­ge Pfarrer Jan Snoeren, der über den „Coup“ ganz schön sauer war. Und die Bagage ließ nicht mehr locker. So richtig kontro­vers habe man den poten­zi­el­len Stand­ort disku­tiert, beton­ten die Männer. Auf der Rodhal­de wurde man dann fündig, auf dem noch vorhan­de­nen Funda­ment des ehema­li­gen Böllerhäusle.

Mit Max Tritt­ler und Rudolf Hug hatte man in den eigenen Reihen zwei Handwerks­spe­zia­lis­ten. Der Bau der Kapel­le aber war eine richti­ge Gemein­schafts­auf­ga­be aller. Die Öffent­lich­keit bemerk­te den Bau erst, als der Rohbau schon stand. Ein wenig Ärger habe es dann schon gegeben. Die Bauge­neh­mi­gung habe man nachträg­lich einge­reicht, erinnert sich Bruno Balle. „Die 70 Mark Strafe haben wir geschluckt.“ „Zur Ehre Gottes und als Dank an den Schöp­fer für ein geglück­tes Leben sei die Kapel­le gebaut worden“, sagt Bruno Brandstetter.

Die „Sechs Aufrech­ten“, unter­stützt von ihren Frauen, machten sich ans Werk, schlepp­ten Bauma­te­ri­al auf den Berg, misch­ten Mörtel, mauer­ten die Wände hoch und zimmer­ten das Dach. Schrei­ner­meis­ter Rudolf Hug und Max Tritt­ler haben zusam­men den Dachstuhl, Altar und Säulen reali­siert. Bereits nach einem halben Jahr war das Bauwerk vollendet.

Dann begann wieder eine heiße Diskus­si­on. Diesmal ging es um den Namen für die Kapel­le. Angesichts der vielen Werktä­ti­gen in Oberko­chen fiel die Wahl schließ­lich auf Sankt Josef, den Schutz­pa­tron der Arbei­ten­den und der Familien.

„Beim Bau waren wir uns überhaupt nicht im Klaren darüber, was an Pflege und Betreu­ung auf uns zukommt“, betont Bruno Brand­stet­ter. Aber es wurde eine Lösung gefun­den. Jeweils für ein Jahr übernimmt ein Mitglied der Bagage die Tätig­keit des Mesners, sorgt für Kerzen, putzt, pflegt, mäht und räumt Schnee.

Jeweils für ein Jahr übernimmt ein Mitglied der Bagage die Tätig­keit des Mesners, sorgt für Kerzen, für die Reini­gung, pflegt, mäht, räumt Schnee. An Fronleich­nam wird die Fahne gehisst und an Weihnach­ten grüßt ein Christ­baum ins Tal.

„Die Akzep­tanz ist großar­tig, viele Wande­rer aus nah und fern kommen hier vorbei“, so Albert Holz. Einmal im Jahr ist Großein­satz bei der Kapel­le, da helfen alle mit. Und immer am 1. Mai ist Messe. „Wir sind halt hagebü­chi­ge Männer und gehen allesamt fürein­an­der durch dick und dünn“, so der Tenor der Alten, die alles in Eigen­leis­tung umset­zen. Inzwi­schen ist auch die Kirchen­ge­mein­de stolz auf die Sankt Josef-Kapelle.

Bei der Einweihung

am 14. Novem­ber 1987 dankten die Erbau­er all jenen, die das Werk finan­zi­ell unter­stützt und selbst Hand angelegt hatten. Der damali­ge Pfarrer Jan Snoeren brach­te seine Hoffnung zum Ausdruck, dass „sich immer wieder Gläubi­ge an diesem herrli­chen Ort zum gemein­sa­men Gebet oder stillen Einkehr einfin­den mögen“.

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Die Josefs-Kapel­le in ihrer ganzen Pracht (Archiv Brandstetter)

Aufwer­tung.

Der Feldweg an der Sankt Josefs­ka­pel­le unterm Rodstein ist in die Pilger­rou­te des Jakobus­wegs aufge­nom­men worden. „Wir freuen uns natür­lich sehr, dass unsere Josefs­ka­pel­le damit auch eine enorme Aufwer­tung erfah­ren hat“. Eine Gruppe von Jakobus­weg­pil­gern aus der Diöze­se hatte einen Teilab­schnitt dieses Jakobus­wegs von Neres­heim bis Rottenburg/Neckar ausge­dacht, erwan­dert und ausge­steckt. Ein Abschnitt führt auch durch Oberko­chen und sieht eine Anlauf­stel­le bei der Josefs­ka­pel­le unterm Rodstein vor. Dazu veröf­fent­licht wurde eine 150 Seiten umfas­sen­de Broschü­re, die die diver­sen Strecken, Anlauf­stel­len und Sehens­wür­dig­kei­ten detail­liert beschreibt.

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Programm zum großen Doppel-Jubilä­um im Jahre 2016 (Archiv Brandstetter)

Jubilä­en.

Es gab im Laufe der Jahre so einige zu feiern. Ein beson­de­res war das Doppel­ju­bi­lä­um im Jahr 2016. Der Freun­des­kreis „Bagage“ wurde fünfzig und die Josefs-Kapel­le unterm Rodstein wurde dreißig Jahre alt.

Man feier­te, wie es sich für Kolping-Brüder gehört, in der Kolping-Hütte auf der Heide. Weil man aber fest einge­schwo­ren ist mit Kirche und Kolping, gab es zunächst einen Dankgot­tes­dienst in der St. Peter-und-Paul Kirche zu Ehren des beson­de­ren Jubiläums.

Mit dabei waren Kind und Kegel (also die groß‘ Bagaasch), die diesen Tag zum Ehren­tag gemacht hatte. Pfarrer Martin Weber aus Opfen­bach im Allgäu, Franz Webers Sohn, hielt die Messe. Einge­hend auf den Bibel­text würdig­te Pfarrer Weber die enge Freund­schaft, die ungebro­chen bis zum heuti­gen Tag Bestand habe. „Freund­schaft ist wertvol­ler als ein großer Schatz, aber sie ist auch Aufga­be, immer wieder aufs Neue Zusam­men­halt zu üben und Verge­bung zu schen­ken.“ Die Josefs­ka­pel­le sei zu einer Berei­che­rung für Oberko­chen und die Kirchen­ge­mein­de geworden.

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Die komplet­te Bagage zum Jubilä­um – ob die Jungen das weiter machen? (Archiv Brandstetter)

Vanda­len­tum.

Die Vanda­len waren ein germa­ni­sches Volk, das während der Völker­wan­de­rung die Schwä­che des Weströ­mi­schen Reiches ausnutz­te und im Jahr 455 unter König Geiserich Rom einnahm und gründ­lich plünder­te. Schon in den voran­ge­gan­ge­nen Jahrzehn­ten hatten die Vanda­len andere Landstri­che des Reiches geplün­dert, verwüs­tet oder gleich ganz erobert (z.B. die Provinz Africa und Teile Galli­ens). Nun waren diese nicht gewalt­tä­ti­ger als andere Stämme, die im Rahmen der Völker­wan­de­rung (klingt so harmlos, war aber mit Mord und Totschlag eng verbun­den), neuen Lebens­raum suchten (ist immer ein heikles Unter­fan­gen). Der Vorwurf aber, die Vanda­len und ihre Verbün­de­ten hätten in Rom geplün­dert, gemor­det, gebrand­schatzt und zerstört wie sonst niemand vorher und hinter­her, ist zum Teil ungerecht­fer­tigt. Wer hat nun den Vanda­len den zweifel­haf­ten Ruf verpasst, blind­wü­ti­ge Zerstö­rer zu sein, zu zerstö­ren, um des Spaßes am Klein­hau­en willen? Es war der Bischof von Blois, Henri Baptis­te Grego­i­re. In seinen schrift­li­chen Berich­ten an den Konvent von Paris pranger­te er 1794 mit dem Begriff Vanda­lis­mus das blind­wü­ti­ge Zerstö­ren und Morden der radika­len Jakobi­ner während der Franzö­si­schen Revolu­ti­on an. Diese in hoher Aufla­ge gedruck­ten Berich­te gaben dem schon einige Zeit mit schwan­ken­der Bedeu­tung verwen­de­ten Begriff Vanda­lis­mus seine endgül­ti­ge inhalt­li­che Gestalt. Und ein Volk, das ausge­stor­ben und im Dunkel der Geschich­te verschwun­den ist, kann sich auch nicht dagegen wehren, dass sie nun im Sprach­ge­brauch für „Sinnlo­ses Zerstö­ren“ herhal­ten müssen.

Uns so können wir heute feststel­len, dass das Volk der Vanda­len zwar ausge­stor­ben ist, der Vanda­lis­mus aber fröhli­che Urständ feiert und mit den Zerstö­run­gen einher­ge­hend, ein Blick auf die gesell­schaft­li­chen Zustän­de freilegt, der uns nicht gefal­len kann.

Wir sehen das auch in unserer Gemein­de. Es fängt am Bahnhof an, geht über Kinder­spiel­plät­ze zur Bilz, weiters zu der im Wald versteck­ten Leitz-Hütte, dem Gänse-Brünne­le bis eben zur Josefs-Kapel­le. Das sind keine „Dumme-Jungs-Strei­che“ wie sie in jeder Genera­ti­on vorka­men, sondern einfach willkür­li­che Zerstö­run­gen, an denen sich einfach gestrick­te Geister wohl zutiefst ergöt­zen können. Das ist nicht zu dulden und daher polizei­lich immer zu verfolgen.

Im Jahr 2019,

und das nicht zum ersten Mal, haben wieder einmal Unbekann­te Stein­plat­ten an der Kapel­le St. Josef unter­halb des Rodsteins heraus­ge­ris­sen. Immer wieder gab es dort Fälle von Vanda­lis­mus. Dazu in Auszü­gen der Bericht von Lothar Schell:

….. „Es ist leider nicht das erste Mal, dass unser Klein­od von Leuten in Mitlei­den­schaft gezogen wurde, die jeden Anstand vermis­sen lassen“, sagt Bruno Brand­stet­ter ….. Rudolf Hug, Bruno Balle und Bruno Brand­stet­ter haben sich hoch zur Kapel­le aufge­macht, um das Umfeld vor der Kapel­le wieder instand zu setzen. Mit dabei sind auch Hilde Hug und Maria Brand­stet­ter. Fast jedes Jahr wird an der Kapel­le gewütet, demoliert und Abfäl­le nach Gelagen in die Gegend gewor­fen. Die Männer von der „Bagage“ sind inzwi­schen alle über achtzig und leicht fallen ihnen die Repara­tu­ren gewiss nicht. Bänke wurden schon des Öfteren beschmiert und Blumen­schmuck zerstört …..

Es ist ja nicht nur der finan­zi­el­le Schaden, der behoben werden muss. Es ist auch fehlen­der Respekt der Gesell­schaft gegen­über, der sich in solchen Zerstö­rungs­an­fäl­len zeigt. Vermut­lich ist es auch genau der Respekt, den sie an anderer Stelle für sich einfor­dern, aber nicht bereit sind, ihn selbst Dingen und Perso­nen gegen­über zu zeigen.

Um dem Bericht ein positi­ves Ende zu schen­ken, lassen wir noch

Bruno Brand­stet­ter

zu Wort kommen: „Der wichtigs­te Tag für uns war immer der Tag vor „Buß- und Bettag“. Da fand das jährli­che „Bagagen-Fest“ statt. Dieser Tag wurde mit Bedacht ausge­wählt, weil das ein ev. Feier­tag ist und für uns Katho­li­ken kein Kirch­gang mit Hl. Messe anstand. Einmal im Jahr wurde, abwech­selnd bei jeder Familie, gefei­ert. Für die Gastge­ber schon eine ordent­li­che Heraus­for­de­rung ein schönes Fest-Menü auf den festlich gedeck­ten Tisch zu zaubern, um den sich die „Bagage“ im feinen Sonntags­staat versam­melt. Es wurde gespeist, getrun­ken, gschwätzt ond reich­lich gsonga.

Zum 25. Jahres­tag wurde von Marese und Franz ein chronis­ti­scher Rückblick, teils in Versform, zum Besten gegeben aus dem hervor­geht, dass sich auch die Verkos­tung vom einfa­chen Essen (1966) bis zum gedie­ge­nen Schlem­men (1991) weiter­ent­wi­ckelt hatte.

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Die Bagage mit ihren besse­ren Hälften unter der Leitung des „Msr. Präse­dà“ (Archiv Brandstetter)

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Die Menü-Pläne im Laufe der Jahre (Archiv Brandstetter)

Bei diesem Jubilä­ums­es­sen wurden denn auch ehren­wer­te Titel verge­ben wie den der „Bagagen-Mutter“, der „Bagagen-Mama“, den Bagagen-Vater“ und last but not least, den „Msr. Präse­dà“ – natür­lich mit Schär­pe und Amtsket­te. Nachdem der Buß- und Bettag 1994 abgeschafft wurde, wechsel­ten wir nun direkt auf den 17- Novem­ber und damit entfiel der Erholungs-Feier­tag. Seit 2012 feier­ten wir immer in „dr Grub“, weil die Bagage halt auch älter wird und das Kochen für 12 Perso­nen zu aufwen­dig und anstren­gend wurde. An diesem Fest findet auch der jährli­che Messner-Wechsel statt. 2020 hat Corona auch hier zugeschla­gen und der jährli­chen Feste­rei eine Unter­bre­chung verordnet.

Das Bagagen-Lied.

Und so schlie­ßen wir diesen Bericht mit dem Lied „Habt Dank Ihr Freun­de“, dessen Text nach den Noten von „Amazing Grace“ gesun­gen wird:

„Der Tag war schön, so schön mit euch.

Wir danken euch dafür.

Auch dieser Tag geht zu Ende.

Uns bleibt die Erinnerung.

Ein Jahr vergeht, die Zeit enteilt,

wir denken gern zurück.

Das Lied der Treue in uns klingt

Ein ganzes Leben lang.

Wir sagen Dank für diese Zeit,

die wir mit euch verbracht.

Uns bleibt der Freund­schaft festes Band

Über alle Zeiten hin.

Ihr Freun­de all, auf Wiedersehn,

denkt oft an uns zurück.

Das Lied der Treue in uns klingt

Ein ganzes Leben lang.

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Die Insigni­en der Bagage und ihre Kapel­le (Archiv Brandstetter)

Es gibt mehr solcher alten Freun­des­krei­se in Oberko­chen, sei es beispiels­wei­se „dr Buaba-Stamm­tisch“ aus dem Kinder­gar­ten Wiesen­weg oder der „1. Allge­mei­ner Dachplat­ten­ver­ein“. Vielleicht raffen sich ja des Burghards Ludwig und der Huga-Paule auf, mal darüber zu berich­ten. Das fände ich sehr schön und wäre mal was anderes.

Wilfried „Billie Wichai“ Müller

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