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Pfarrer Forster (Archiv Rathaus)

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Pfarrer Gottfroh (Archiv Rathaus)

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Rektor Hagmann (Archiv Rathaus)

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Bürger­meis­ter Bosch mit dem Bischof Leiprecht 1953 im Weingar­ten / Panora­ma­stra­ße (Archiv Rathaus)

Es gab eine Zeit vor unserer Zeit.

Die Zeit unserer Kindheit und Jugend in den 50er und 60er Jahren, die nicht so liberal-freizü­gig war wie sie heutzu­ta­ge ist. Eine Zeit in welcher der Bürger­meis­ter, der Pfarrer, der Lehrer, der Arbeit­ge­ber und die Polizei die Marsch­rich­tung im Ort vorga­ben. Auch dem Wort, dem gespro­che­nen und dem geschrie­be­nen, hafte­te manch­mal noch das unter­ge­gan­ge­ne III. Reich an, das 1.000 Jahre dauern sollte, aber Gott sei Dank nach 12 Jahren am Ende war.

Kurzer Einschub.

Das I. Reich war das Heili­ge Römische Reich Deutscher Nation, das nun wirklich fast 1.000 Jahre dauer­te (vom 10. Jhrhdt. bis Anfang des 19. Jhrhdrt; das II. Reich war das Deutsche Kaiser­reich von 1871 bis 1918 – nun schon deutlich kürzer; das III. Reich von Adolf, dem größten Feldherrn aller Zeiten (GröFaZ), dauer­te dann nur noch 12 Jahre und da hoffen wir doch, dass wir vor einem IV. Reich verschont bleiben.

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Der unbeschol­te­ne gewis­sens­rei­ne Herr Johan­nes Hermann Thümm­ler (Archiv Rathaus)

Und weiter geht’s.

Kein Wunder, denn außer ein paar „großen Nummern“ durften alle nach dem großen Reset 1945 weiter­ma­chen, als ob nichts gewesen wäre. Sogar Johan­nes Hermann Thümm­ler durfte in Oberko­chen als Geschäfts­füh­rer der Wohnungs­bau GmbH (Carl Zeiss) ungestört sein Leben neu aufbau­en. Er war ausge­bil­de­ter Jurist und bei dieser Berufs­grup­pe hat man mehr als beide Augen zugedrückt. Er war nicht irgend­ein Mitläu­fer, sondern saß an entschei­den­den Stellen der Gesta­po und half fleißig mit, Adolfs Ziele effizi­ent umzuset­zen. Leider wurde er im Frank­fur­ter Ausschwitz-Prozess nur als Zeuge gehört und konnte jedem Versuch, ihm gericht­lich ans Leder zu wollen, erfolg­reich Paroli bieten. 2002 starb er hochbe­tagt, unbeschol­ten und nach eigener Ansicht, mit reinem Gewis­sen, 96jährig in Eriskirch am Boden­see. Wer sich für dessen Biogra­fie inter­es­siert, dem seien zwei Bücher empfoh­len: 1) Gesta­po­chef Thümm­ler. Berich­te – Dokumen­te – Kommen­ta­re. Verbre­chen in Chemnitz, Katto­witz und Ausch­witz. Die steile Karrie­re eines Handlang­ers sowie 2) Täter – Helfer – Tritt­brett­fah­rer. NS-Belas­te­te von der Ostalb. Mancher­orts erkann­te man sie noch am Ton, wie und was sie sagten und am Haarschnitt. Anderen­orts saßen sie sofort wieder in oberen Positio­nen (vor allem Juris­ten und Verwal­tungs­kräf­te) und waren natür­lich schon immer gegen die Nazis und im Wider­stand gewesen. Nun mag „der“ Ameri­ka­ner * einen neuen Lebens­stil sowie eine neue Musik und eine gewis­se kaugum­mi-kauen­de Lässig­keit in den Alltag gebracht haben, das hat aber noch lange nicht jedem gepasst und schon gar nicht auf dem Land. Dort, in die allge­mei­ne Adenau­er-Miefig­keit einge­packt, gab es immer noch eine konser­va­tiv-katho­lisch-ländli­che Prägung, die von allen – also auch von den Jungen – ein angepass­tes Verhal­ten verlang­te. Das ließ sich natür­lich auf Dauer nicht aufrecht­erhal­ten (auch nicht in Oberko­chen), denn die Musik von Bill Haley, Elvis Presley, den Beatles und den Stones brach sich nicht nur in Berlin und Hamburg ihre Bahn – auch auf dem Land hatte das letzt­end­lich Auswir­kun­gen (*inter­es­san­ter­wei­se sprach meine Mutti auch immer von „dem“ Russen, „dem“ Ameri­ka­ner, „dem“ Englän­der, „dem“ Chine­sen und „dem“ Juden und sprach diesen Gruppie­run­gen grund­sätz­li­che Eigen­schaf­ten zu, die alle Bestand­teil ihrer gehör­ten oder erleb­ten Erfah­run­gen waren (der Russe verge­wal­tig­te Frauen, der Englän­der war korrekt zu den Kriegs­ge­fan­ge­nen, der Ameri­ka­ner will nur die Welt beherr­schen, der Chine­se war die gelbe Gefahr und der Jude war nicht schlecht). Ebenso wie die Geburts­we­hen der 68er aus Berlin und Frank­furt auch auf der Ostalb in den SMs (Schüler­mit­ver­wal­tun­gen) spürbar wurden.

Gewal­ten­tei­lung.

In Bonn regier­te seit 1949 die Adenau­er­re­gie­rung. Der „Alte“ wurde damals im blühen­den Politi­ker­al­ter von 73 Jahren mit 1 Stimme (also seiner eigenen) Vorsprung als Kanzler gewählt! Und in Oberko­chen im Rathaus regier­ten der BM Gustav Bosch mit seinem Gemein­de­rat. In den Kirchen die Pfarrer Gottfroh und Forster. In den Schulen die Rekto­ren Hagmann und Schrenk mit den Lehrern (Aufzäh­lung ist willkür­lich) Klotz­bü­cher, Menzl, Maikler, Hölldampf, Hermann, Ruoff usw. usf. (zu den Lehrern wird es später einen großen separa­ten Bericht geben) sowie die Polizei mit „POM“ Nickel, „POM“ Fuchs und „POM“ Haag und ….. und den Arbeit­ge­ber-Platz­hir­schen Bäuerle, Grupp, Leitz, Schmied, Oppold und KWO, die sich nun arbeits­kräf­te­mä­ßig mit dem Zeiss ausein­an­der­set­zen mussten. (Und damals war sicher auch nicht jeder über den Zuzug von Carl Zeiss erfreut, ähnlich wie heute über YG‑1). Die Dinge gingen ihren ländli­chen Gang und hatten ihre gewohn­te Ordnung. Der Umgangs­ton in den Firmen, am Stamm­tisch, in den Famili­en, den Partei­en und Verei­nen war mitun­ter durch­aus ein rauer. Mann und Frau mussten sich durch­set­zen und Gehör verschaffen.

Unsere Polizei.

1937 finden wir einen Gendar­me­rie­meis­ter Karl Greiner (wohnhaft in der Bergstra­ße 285) und 1949 den Wacht­meis­ter der Landes­po­li­zei Hans Munz (wohnhaft in der Heiden­hei­mer Straße 41). Sie war ursprüng­lich mit einer Wache in der Heiden­hei­mer Straße Nr. 24 statio­niert. Dort wurde ich bestimmt zwei Mal von „POM“ Hans Fuchs verhört, weil ich halt auch oft bei den „üblichen Verdäch­ti­gen“ dabei war. Man hatte halt seinen Ruf – egal ob du’s warsch oder net. Später zog die Polizei­sta­ti­on ins Rathaus am Eugen-Bolz-Platz und heute ist sie in der Dreißen­tal­stra­ße im alten Forst­haus unter­ge­bracht. 1963 wurde am alten Rathaus (heute Aalener Volks­bank) ein Notruf-System instal­liert. Waren die 60er in Oberko­chen auch schon unruhig?

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Erste Notruf­säu­le von 1963 am alten Rathaus (Archiv Rathaus)

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POM Fuchs (Archiv Rathaus)

Kurze Biogra­fie zu Hans Fuchs: Er wurde am 09.05.1904 wo auch immer geboren. Sein Start als Polizist erfolg­te 1924 in der Landes­po­li­zei­schu­le in Sigma­rin­gen. Es folgten Ausbil­dungs­zei­ten bei der Polizei­be­reit­schaft Esslin­gen und beim Landjä­ger­korps­kom­man­do in Stutt­gart. Sein erster Einsatz­ort war Göppin­gen, wo er als „württem­ber­gi­scher Landjä­ger“ Dienst tat. Ab 1938 war als Gendar­me­rie­haupt­wacht­meis­ter in Hürbel (Biber­ach) tätig. 1943 wurde er aus dem Kriegs­dienst entlas­sen und als Gendar­me­rie­meis­ter in Ochsen­hau­sen verwen­det. Nach dem Krieg ging es nach Oberrot, Oberk­essach und Neres­heim wo er 1954 zum „POM“ beför­dert wurde. Ab 1957 war er Posten­füh­rer in Oberko­chen bis zu seiner Pensio­nie­rung im Herbst 1964.

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POM Haag (Archiv Rathaus)

Sein Nachfol­ger wurde im selben Jahr Johan­nes Haag: Er wurde am 17.09.1917 in Hüttlin­gen geboren und erlern­te zunächst nach der Schul­zeit das Mecha­ni­ker­hand­werk. 1938 ging es erst zum RAD (Reichs­ar­beits­dienst) und später zur Luftwaf­fe, wo er bei den Fallschirm­jä­gern seinen Wehrdienst ableis­te­te. 1944 geriet er in engli­sche Gefan­gen­schaft. Ab Septem­ber 1945 war er als Polizei-Posten­füh­rer in Tannhau­sen und 1947 in Floch­berg tätig. Zur Landes­po­li­zei­schu­le ging es 1949 und im Jahr 1959, als er schon in Oberko­chen diente, wurde er zum „POM“ beför­dert. Er war in Oberko­chen als hoch geschätz­ter Polizei-Chef bis 1977 tätig. Seine beiden Söhne, Eberhard und Peter sind den Oberkoch­nern wohl bekannt. Eberhard hat als Inves­tor des „Vilotels“ in Oberko­chen unüber­seh­ba­re Spuren hinter­las­sen. Sie waren gute Handbal­ler und noch besse­re Schwim­mer und wettei­fer­ten im Wasser sicher immer mit den Büttner-Brüdern; Peter und Harald.

Die „Sonntags­ru­he“

war heilig und wem das nicht klar war, bekam manch­mal zu hören: „Lass‘ mir mei heili­ge Ruh‘“. Die Erfin­dung dieser „Ruhe“ geht auf Kaiser Konstan­tin (4. Jhrhdt.) zurück, um damals den Chris­ten den Besuch des Gottes­diens­tes zu ermög­li­chen. Mit Beginn der indus­tri­el­len Revolu­ti­on zerbrach diese Alltags­ord­nung, denn Maschi­nen sollten nach den Vorstel­lun­gen der Fabri­kan­ten 7 Tage laufen. Seit dem Jahr 1900 gibt es ein erkämpf­tes Laden­schluss­ge­setz und seit 1919 steht im Grund­ge­setz (Art. 140) folgen­der Text: „Der Sonntag und die Feier­ta­ge bleiben als Tage der Arbeits­ru­he und der seeli­schen Erhebung gesetz­lich geschützt.“ Gott sei Dank hat Gott die Welt in 6 Tagen geschaf­fen und war davon so müde, dass er sich am 7ten Tag ausru­hen musste. (Danach übernah­men die Handwer­ker das Werk, wie es Rainer Kaufmann kürzlich treffend humor­voll anmerk­te, und machten das beste daraus – einschließ­lich der Boden­ver­le­gung ☺). Man stelle sich nur vor, ER hätte sich erst nach einem Monat ausru­hen müssen. Da ginge es uns heute aber schlecht ☺.

Nun war es aber so, dass mitun­ter an Feier- und Sonnta­gen zuhau­se tapeziert und gemalert werden sollte. Da musste dann eben die Jalou­sie herun­ter­ge­las­sen werden, damit diese Misse­tat nicht ortskun­dig wurde. Denn bei Arbei­ten an solchen Tagen konnte schon mal die Polizei auftau­chen, wenn der Nachbar zu sehr Unter­tan war.

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Schutz der Sonn‑, Fest- und Feier­ta­ge, Amtsblatt 1953 (Archiv Rathaus)

Die Woche hatte umgangs­sprach­lich zwar 8 Tage, aber in Wirklich­keit natür­lich 7 an der Zahl. Von Montag bis Samstag wurde g’schafft. Im Garten rumlie­gen, womög­lich ein Buch lesen und offen den Anschein zu erwecken, nichts zu tun zu haben – das ging gar nicht. Man hatte immer etwas zu tun. Und eine Hausfrau, damals selbst­ver­ständ­lich noch mit Kopftuch (beim Teppich ausklop­fen) und Kittel­schür­ze, hatte gefäl­ligst „aaaa’g’schafft“ auszu­se­hen, um sich Kompli­men­te einzu­heim­sen. Aber dann, am Samstag, nachdem jeder um 16 Uhr seinen Hof und seine Straße gekehrt hatte, legte man alles aus der Hand, begab sich in seine verzink­te Badewan­ne im Keller,

in die öffent­li­chen Badehäu­ser in der Dreißen­tal­schu­le oder neben dem „Unfried“ oder in den neuen Siedlungs-Wohnun­gen in eine schöne neue kurze Porzel­lan­wan­ne, die in den Wohnbe­reich integriert war und schrupp­te sich den Arbeits­schweiß und ‑dreck von der Haut. Die Sport­li­chen nahmen danach zur „Sport­schau mit Ernst Huber­ti“ auf dem Sofa Platz, die holde Weiblich­keit schau­te lieber „Flipper“ und „Dakta­ri“ und manche Katho­li­ken bevor­zug­ten die Samstags­mes­se um Siebe­ne und hatten damit ihre sonntäg­li­che Pflicht schon am Vorabend erledigt. Am Sonntag war für alle anderen der morgend­li­che Kirch­gang Pflicht, danach ging es nach Hause oder zum Frühschop­pen in den „Ochsen“, ins „Lamm“, in den „Pflug“, „in d‘Schell“, in die „Grube‘“ oder in den „Hirsch“. Zuhau­se kochte Mutti den sonntäg­li­chen Standard: „Braten mit Spätz­le und Soß‘“ oder „Schnit­zel mit Peter­si­li­en­kar­tof­feln“, die später durch moder­ne Pommes ersetzt wurden. (Mutti bekam eines Tages zu Weihnach­ten eine Friteu­se geschenkt, denn Mann dachte damals, dass er seine besse­re Hälfte mit einer moder­nen Küchen­ma­schi­ne erfreu­en könne). Nach dem gemein­sa­men Abwasch, der bei uns zuhau­se Männer­sa­che war, ging es anfangs auf den Sport­platz im Langert (später ins Kocher­sta­di­on). Als wir ein Auto hatten, wurde dann in den 60ern immer auf’s Härts­feld gefah­ren, denn dort waren die Wurzeln des Hausherrn Georg und die Spuren der Schnei­de­rin Hilde bei den Bauern. Nicht immer zum Vergnü­gen von uns Kindern, aber doch sehr prägend. Abends zurück in unserem Haus war wieder Sport angesagt. Anfangs wurden im Radio alle Fußball­ergeb­nis­se bis in die unters­ten Ligen durch­ge­ge­ben, ab den 60ern lief auch hier das TV dem Radio den Rang ab. Und ab Montag­mor­gen ging es wieder zum Schaf­fen und der Reigen begann von neuem. Neben­bei bemerkt – Schule dauer­te von Montag­mor­gen bis Samstag­mit­tag – auch noch als Vati samstags nicht mehr arbei­ten musste. Das sorgte dann doch zwischen Eltern und Lehrer für atmosphä­ri­sche Störun­gen und mitun­ter für einen schief hängen­den Famili­en­se­gen. Alles war dann wieder geord­net als Kinder und Erwach­se­ne am Samstag frei hatten und das Wochen­en­de gemein­sam genie­ßen konnten.

Der Philo­soph Otto Fried­rich Bollnow

(geb. 1903, gest. 1991) hat zur Sonntags­ru­he einen tiefgrün­di­gen philo­so­phi­schen Ansatz in einem veröf­fent­lich­ten Aufsatz erarbei­tet mit dem Titel „Die Lebens­be­deu­tung der Sonntagsruhe“.

Der Philo­soph Bollnow betrach­tet die Sonntagsruhe

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Geset­ze und Verordnungen

waren natür­lich notwen­dig, weil es schon immer unein­sich­ti­ge Zeitge­nos­sen gab. Auf einige will ich im Detail einmal einge­hen, um zu zeigen, dass das Leben in einer kleinen aufstre­ben­den Gemein­de nicht immer einfach war und tatsäch­lich hat eine Verord­nung bis heute überlebt.

Zum Thema „Sonntags­schutz“

lesen wir dazu im Amtsblatt vom 27. März 1953:
Die Sonntags­fei­er verlangt von jeder­mann ein dem Wesen der Sonn- und Feier­ta­ge entspre­chen­des äußeres Verhal­ten, gegen­sei­ti­ge Rücksicht­nah­me und die Vermei­dung von Ärger­nis­sen. Alle öffent­lich bemerk­ba­ren Arbei­ten, die geeig­net sind, die äußere Ruhe des Tages zu beein­träch­ti­gen, sind verbo­ten (Gesetz vom 29. Okt 1947 in der Fassung vom 5. Nov 1951 – Reg.Blatt Seite 92). Holzsä­gen, Holzspal­ten, Garten­scho­ren, Garten­zaun­an­brin­gen und dgl. sind Verstö­ße gegen die Sonntags­schutz­be­stim­mun­gen, die in Zukunft geahn­det werden. Zu jenem äußeren Verhal­ten, das die Sonntags­fei­er nach den Worten des Geset­zes von jeder­mann verlangt, gehört auch ein sauber aufge­räum­ter Hofraum. Gülle­fäs­ser, Dungkar­ren, Acker­ge­rä­te und Wagen gehören an den Sonn- und Feier­ta­gen so aufge­räumt, damit niemand Veran­las­sung nehmen kann, sich über eine offen­sicht­li­che Unord­nung zu ärgern.

Auch der „Schutz der Osterfeiertage“

wurde im Amtsblatt vom 3. April 1953 einge­hend gewür­digt. Für den Schutz der Oster­fei­er­ta­ge gilt nach dem Gesetz über die Sonnta­ge, Festta­ge und Feier­ta­ge vom 5. Nov 1951 folgendes:

Karfrei­tag: Während des ganzen Tages sind verbo­ten 1) sport­li­che und turne­ri­sche Wettkämp­fe 2) in Räumen mit Schank­be­trieb musika­li­sche Darbie­tun­gen jeder Art 3) alle anderen öffent­li­chen Veran­stal­tun­gen und Vergnü­gun­gen mit Ausnah­me von Darbie­tun­gen ernster Art die der Bedeu­tung des Tages angepasst sind, nach Beendi­gung des Haupt­got­tes­diens­tes am Vormittag.

Am Karfrei­tag sind somit nach Beendi­gung des Haupt­got­tes­diens­tes am Vormit­tag nur Darbie­tun­gen ernster Art gestat­tet, die der Bedeu­tung des Tages angepasst sind. In Betracht kommen nament­lich Veran­stal­tun­gen die die Pflege und Förde­rung der Religi­on, der Wissen­schaft, der Kunst, der Volks­bil­dung, der Musik, des Gesangs und der Wohltä­tig­keit zum Ziel haben. Die Vorfüh­rung von Filmen und Werbe­vor­span­nen ist insoweit gestat­tet, als diese von der freiwil­li­gen Selbst­kon­trol­le der Filmwirt­schaft als geeig­net bezeich­net worden sind. Filme und Werbe­vor­span­ne, deren Prüfkar­te keinen Freiga­be­ver­merk für den Karfrei­tag enthält oder für die eine Prüfkar­te überhaupt nicht vorliegt, dürfen nicht aufge­führt werden. Außer­dem sind während des Haupt­got­tes­diens­tes am Vormit­tag vereins­mä­ßig angesetz­te sport­li­che Übungen verboten.

Oster­sonn­tag: Auch am Oster­sonn­tag sind öffent­li­che Tanzun­ter­hal­tun­gen, sowie Tanzun­ter­hal­tun­gen gesel­li­ger Verei­ne und geschlos­se­ner Gesell­schaf­ten, soweit sie in Wirtschaft­räu­men statt­fin­den, verbo­ten. Ferner sind während des Haupt­got­tes­diens­tes am Vormit­tag vereins­mä­ßig angesetz­te sport­li­che Übungen verboten.

Der 17. Juni

war früher auch so ein spezi­el­ler staats­tra­gen­der Tag. Geden­ken – Ja, Tanzen – verbo­ten. Am heuti­gen Tag der Einheit ist beides ausdrück­lich erwünscht.

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Tanzver­bot führte zu Disco-Absagen (Archiv Rathaus)

Heute

ist davon u.a. (siehe nächs­ter Absatz) nur noch ein Tanzver­bot von Gründon­ners­tag 18 Uhr bis Karsams­tag 20 Uhr übrig geblie­ben. Übrigens – in diesem Zusam­men­hang sei darauf hinge­wie­sen, dass der Gründon­ners­tag ein kirch­li­cher Feier­tag und in BW sogar schul­frei wäre, wenn nicht sowie­so Oster­fe­ri­en wären.

Im Novem­ber 2015 wurde im Parla­ment zu Stutt­gart ein neues Feier­tags­ge­setz verab­schie­det um dem gesell­schaft­li­chen Wandel Rechnung zu tragen:
Es sieht vor, das bislang gelten­de Tanzver­bot an Sonnta­gen von 03:00 Uhr bis 11:00 Uhr aufzu­he­ben. Die sogenann­ten „Stillen Feier­ta­ge“ wie Karfrei­tag, Aller­hei­li­gen, Buß- und Bettag, Volks­trau­er­tag und Toten­ge­denk­tag bleiben weiter durch ein Tanzver­bot geschützt. An Heilig­abend und am ersten Weihnachts­fei­er­tag dürfen indes Tanzpar­tys gefei­ert werden. Die Zeiten der Haupt­got­tes­diens­te bleiben geschützt.

Eine ganz lange Ruhe

gab es 1967 als der „Alte“ (Konrad Adenau­er) im Alter von 91 Jahren starb. Diese nannte man Staats­trau­er und sie dauer­te mehre­re Tage. Tagelang war nur noch schwe­re klassi­sche Musik im Radio zu hören, im Fernse­hen war tagelang nichts anderes als „Adenau­er“ zu sehen und das ganze Land versank in Trauer, tw. war schul­frei und arbeits­frei – es war als wäre ein Kaiser oder König gestor­ben – für viele war er das wohl auch. Ich war 15 und lebte voll in der Puber­tät und fand das unsäg­lich langwei­lig und langwie­rig. Aber auch das ging nach einer gefühl­ten Ewigkeit vorbei.

Im Amtsblatt

musste immer wieder auf das Verhal­ten einzel­ner einge­gan­gen bzw. Forde­run­gen an die Bevöl­ke­rung gestellt werden. Hier erken­nen wir auch, dass der frühe­re Umgangs­ton zwischen Verwal­tung und Volk ein anderer war als heute. Dafür geht’s heute in den sozia­len Netzwer­ken schlim­mer zu als am wildes­ten Stamm­tisch alten Stils. Dazu ein paar Beispiele:

Aus dem Jahr 1953 – ein heutzu­ta­ge nahezu unglaub­li­cher Vorgang:
Am Linden­brun­nen sind immer wieder einige ungezo­ge­ne Bengel anzutref­fen, die dort (insbe­son­de­re mit den Trink­be­chern) Unfug treiben. Wenn vorüber­ge­hen­de Erwach­se­ne sie dann an Ort und Stelle züchti­gen, so erbli­cken wir darin noch keine Verlet­zung der Menschen­wür­de. Anmer­kung: Heute müssen ja schon Vorstand­chefs von Fußball­ver­ei­nen den Artikel 1 des Grund­ge­set­zes (bzgl. der Menschen­wür­de) zitie­ren, um ihre millio­nen­schwe­ren Mitar­bei­ter zu schüt­zen. Da hätten mal unsere Väter oder wir beim Bäuerle, Leitz und Wigo darauf hinwei­sen sollen ☺ Da hätte es womög­lich gehei­ßen: „Wenn’s d’r net passt, da homma isch’d Dür…..“

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Unfug am Linden­brun­nen (Archiv Rathaus)

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Unser Linden­brun­nen – ein fast schon „heili­ges“ Symbol (Archiv Müller)

1953 scheint ein turbu­len­tes Jahr gewesen zu sein:
…. Grober Unfug an Häusern……..lautes Grölen in der Nacht……verstärkter Einsatz auswär­ti­ger Polizis­ten. Es muss schon weit gekom­men sein, wenn uns angese­he­ne Bürger allen Ernstes mittei­len, sie gedäch­ten ihren Wohnsitz wegen Randa­lie­rern und diszi­plin­lo­sen Autofah­rern nach auswärts zu verlegen……

Im gleichen Jahr gaben die viehhal­ten­den Landwir­te Anlass auf die Ordnung hinzu­wei­sen:
Diese Landwir­te waren von der vorge­schrie­be­nen Müllab­fuhr ausge­nom­men. Weil diese dann aber ihren Misthau­fen (Amtsdeutsch Dungla­ge) mit Flaschen, Konser­ven­do­sen, Krüge, alten Haushalts­ge­rä­ten und Scher­ben aufhübsch­ten, platz­te dem Rathaus der Kragen und verdon­ner­te sie nun ebenfalls zur Müllabfuhr.

1954 machte der Wachol­der­schmuck Proble­me:
Nachdem die Verwal­tung schon beim letzten Fronleich­nams­fest und beim Besuch des Bundes­prä­si­den­ten Heuss wegen der Wachol­der­zwei­ge Schwie­rig­kei­ten mit dem Natur­schutz bekam, wird nun die Verwen­dung von Laubzwei­gen eingefordert.

Im Jahr 1957 erschien es notwen­dig darauf hinzu­wei­sen,
dass einige Landwir­te im ältes­ten Altober­ko­chen sonntags ihren Leiter­wa­gen auf der Straße oder auf dem Hof haben stehen­las­sen. Das verlet­ze die Würde des Sonntags genau­so wie Wäsche­auf­hän­gen in anderen Ortsteilen.

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Die Bauern waren mitun­ter Stein des Ansto­ßes (Archiv Rathaus)

1959 wurde die Thürin­ger Bratwurst ins Visier genom­men:
…..gönnen wir diese Delika­tes­se unseren Jenen­ser Mitbür­gern……. dass man aber nicht an jeder belie­bi­gen Stelle und Zeit Bratrös­te aufstel­len kann…

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Thürin­ger Bratwürs­te am Pranger (Archiv Rathaus)

1960 musste mehrmals die Sauber­keit
der Gehwe­ge und Kantel angemahnt werden. Gehwe­ge sind keine Lager­flä­chen und Trampel­pfa­de in Wiesen sind auch nicht erwünscht. Es wurde mit 12 gebüh­ren­pflich­ti­gen Verwar­nun­gen dagegen vorgegangen.

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Sauber­keit war wohl oft ein Thema (Archiv Rathaus)

Jährlich, bis heute,
muss an die Streu­pflicht und die Pflicht zum Hecken- und Sträu­cher­schnei­den erinnert werden.

Und letzt­end­lich ersetzt der Fried­hof nicht den fehlen­den Stadtpark.

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Der Fried­hof ist kein Park (Archiv Rathaus)

Friedens­ge­richt.

Nun mussten aber manche Verhal­tens­wei­sen über ein sog. Friedens­ge­richt geklärt werden. In Oberko­chen wurde als Haupt­de­likt eindeu­tig die Belei­di­gung geahn­det. In der Nachkriegs­zeit existier­ten Friedens­ge­rich­te in Württem­berg-Baden. Sie waren zustän­dig „für Straf­sa­chen bis 150 Mark oder 6 Wochen Haft, für Vermö­gens­strei­tig­kei­ten bis 150 Mark und für Privat­kla­gen (Belei­di­gung, Verleum­dung und üble Nachre­de)“. Das entspre­chen­de Gesetz wurde 1959 vom Bundes­ver­fas­sungs­ge­richt wegen Verlet­zung des Rechts auf den gesetz­li­chen Richter für nichtig erklärt und 1960 von dem baden-württem­ber­gi­schen Gesetz über die Gemein­de­ge­richts­bar­keit abgelöst. Auch die Amtsge­rich­te hatten in den alten Zeiten viel zu tun und auch das Recht auf Veröf­fent­li­chung war mitun­ter Bestand­teil eines Urteils.

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Das Recht auf Veröf­fent­li­chung eines Urteils des Amtsge­rich­tes (Archiv Rathaus)

Verhal­tens­re­geln für uns Kinder.

Ganz wichtig war der richti­ge Gruß wenn wir dem Herrn Pfarrer auf der Straße begeg­ne­ten. Die Mädchen mussten artig mit „Gelobt sei Jesus Chris­tus“ (womög­lich noch mit einem Knicks?) grüßen und der Pfarrer antwor­te­te: „In Ewigkeit Amen“. Wir Buben kamen (so glaube ich) nur mit einem: „Grüß Gott Herr Pfarrer“ davon. Daheim galten klare Regeln: „Solan­ge Du Deine Füß‘ unter meinen Tisch stellst …….“; beim Ässa schwätzt m’r net; wenn Erwach­se­ne reden, haben Kinder den Mund zu halten; was sollen denn die Nachbarn denken; Lehrjah­re sind keine Herren­jah­re; wenn’s Euch nicht passt, geht doch nach drüben; gang Du erscht moal zom Friseur; schaff‘ Du erst mal was usw. usf. bis hin zur absolu­ten Steige­rung: Beim Hitler hätt’s des net gäbba oder sotte wäret frieher ins Arbeits­la­ger komma. Weiter­ge­hen­de Äußerun­gen erspa­re ich uns hier.“ Wenn der Lehrer eine körper­li­che Ermun­te­rung ausge­spro­chen hatte, brauch­test du das zuhau­se gar nicht erzäh­len, sonst liefst du Gefahr zusätz­lich noch eine Abrei­bung zu bekom­men, denn es galt (leicht abgewan­delt): „§ 1 Der Lehrer hat immer recht § 2 und hat der Lehrer mal nicht Recht, gilt automa­tisch § 1“. Und alles was trotz­dem passier­te, musste frei oder mit Hilfe des Beicht­spie­gels bei der samstäg­li­chen Beich­te abgear­bei­tet werden (mit dem Rosen­kranz und oder ein paar Vater­un­ser kamen wir Kinder noch gut weg – man betete einfach schnel­ler als man sprechen konnte ☺).

Knigge für Verliebte.

1962 gab es dazu eine 6teilige Veran­stal­tungs­rei­he im Festsaal der Dreißen­tal­schu­le zu diesem Thema, denn man nannte das einen „Problem­kreis“ (ganz schön schräg). Veran­stal­ter war die ev. Kirchen­ge­mein­de und die ev. Akade­mie Bad Boll. Die einzel­nen Themen laute­ten: 1) Ehe die Ehe beginnt – Verliebt sein, wie der Arzt es sieht 2) Liebe groß geschrie­ben – ein kriti­sches Kalei­do­skop in Film, Schla­ger und Presse 3) Darf ich bitten? – Der Tanz als Stätte der Begeg­nung junger Menschen 4) Verlieb­te im Kreuz­ver­hör der älteren Genera­ti­on – wissen es die Alten besser? 5) Liebe auf der Leinwand – wir sehen uns einen Film im Kino (Schlei­cher) kritisch an 6) Endsta­ti­on Ehe – Podiums­dis­kus­si­on mit einem Arzt, Psycho­lo­gen, Theolo­gen, einem jungen Mädchen und einem jungen Mann.

Der Paragraph 175

hatte von 1872 bis 1994 Gültig­keit und machte es den Schwu­len und Lesben in unserer Gesell­schaft sehr schwer. Ich habe das als Jugend­li­cher noch erlebt. In allen größe­ren Städten etablier­te sich die „Szene“ in und um die Bahnhö­fe. Auch in Aalen nahm ich das wahr und wenn man einen in Verdacht hatte, konnte es schon mal ordent­lich Prügel für denje­ni­gen geben. Die Polizei war da nicht dein Freund und Helfer, sondern dein Gegner. Denn da konntest du ganz schnell im Gefäng­nis landen und gesell­schaft­lich geäch­tet warst du auch, wenn du ein sog. „175er“, ein „Warmer“ oder „vom anderen Ufer“ warst. Aus diesem Grund übersie­del­ten viele Schwu­le ab den 60er Jahren in die Schweiz. Dort war man inter­es­san­ter­wei­se bei diesem Thema so tolerant wie sonst nirgend­wo. 2017 wurden rückwir­kend alle Urtei­le aufge­ho­ben und den noch Leben­den eine Entschä­di­gung bezahlt. Der Recht­staat arbei­tet mitun­ter gnaden­los langsam, aber doch rechtens.

Die Polizei­stun­de

wurde benötigt, damit die Herren nachts noch den Weg nach Hause fanden (wenn möglich zu Fuß und nicht in der Schub­kar­re). Ich selbst weiß nicht mehr wie die Sperr­stun­den früher waren. Ich habe nur erlebt, dass wir um 22 Uhr die Disco verlas­sen mussten, sonst gab es bei der üblichen Polizei­kon­trol­le Proble­me. Denn volljäh­rig waren wir erst mit 21. Der Bürger­meis­ter konnte aller­dings die Sperr­stun­de aufhe­ben und davon machte unser Gustav Bosch im „Pflug“ und in „d’r Grub“ (auch Fatti­kan ☺ genannt) oft Gebrauch und sorgte dadurch für Geschich­ten, die heute noch gerne an den Stamm­ti­schen erzählt werden. Manch­mal wurde die Sperr­stun­de solan­ge verlän­gert bis die ersten Brezeln beim „Storchen­bäck“ oder beim „Hättre“ fertig waren. Heute schaf­fen es die meisten Lokale nicht mal mehr die Sperr­stun­de zu errei­chen, sondern schlie­ßen ihre Pforten schon vorher. S’isch halt au nemma dees und s’Geld isch vorher scho verdient. Vielleicht leben Wirte deswe­gen heute gesünder?

Am Ende die Friedhofsordnung.

Und wenn man dann das Zeitli­che geseg­net hat, hört die Ordnung nicht auf, denn dann gilt die Fried­hofs­ord­nung. Diese regelt dann, wer wo wie liegen darf und was seine Nachfah­ren dafür zu bezah­len haben. Und manch­mal, so wurde gemun­kelt, würde sich der Tote im Grab umdre­hen, wenn er wüsste, was außer­halb des Fried­hofs vor sich ginge. Na ja, sich regen bringt Segen – so heißt es ja bis heute ☺.

Züchti­ge und ordent­li­che Grüße vom Sonnen­berg sendet Wilfried „Billie Wichai“ Müller,

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