Oberkochen

Foto (Archiv Bogena)

Ich darf Ihnen heute meinen Schul­freund Reinhard Bogena vorstel­len. Er ist der Sohn der Eheleu­te Reinhard (Revier­förs­ter) und Brunhil­de (Hausfrau), seiner­zeit wohnhaft in der Beetho­ven­str. 36. Früher hat er seine Schul­zeit in Oberko­chen verbracht, heute tut er das als Lehrer in Lauer­stel­lung auf die Pensi­on in Essin­gen. Er ist mit Herz und Seele Lehrer und in seiner Freizeit beschäf­tigt er sich mit Herzblut mit „alten Sachen“ und schreibt darüber, zum einen Bücher und zum anderen Artikel in der Fachzeit­schrift TRÖDEL. Sein Inter­es­se gehört auch alten schönen Autos mit wunder­ba­rem Design aus einer Zeit als die Autos noch eine „Seele“ hatten.

Oberkochen

Foto (Archiv Müller)

Als ich ihn im Laufe des Jahres 2014 besuch­te und er von seinem Vater und seiner Kindheit erzähl­te und ich einige Bilder sehen konnte, bat ich ihn, doch mal eine Geschich­te für den Heimat­ver­ein im BuG in der alten Heimat zu schrei­ben. Reinhard hat sich spontan bereit erklärt, diesem Wunsch nachzu­kom­men. Darüber freue ich mich sehr, zumal er mich schon beim „Unfried-Artikel“ mit Objek­ten fotogra­fisch unter­stützt hat.

In diesem Zusam­men­hang bitte ich Sie: Trauen Sie sich etwas zu schrei­ben – allei­ne oder mit mir zusam­men. Behal­ten Sie Ihre Geschich­ten nicht für sich. Für die Zukunft konnte ich bereits Wilfried Preuß und Andre­as Klopf­fleisch gewin­nen. Zögern Sie nicht – Probie­ren Sie sich aus.

Reinhard schreibt:
„Unter Oldti­mer-Liebha­bern sind Unimogs der frühen Jahre gesuch­te Sammler­stü­cke. Als meine Eltern Anfang der sechzi­ger Jahre unseren Wohnsitz nach Oberko­chen verleg­ten (ich war zu der Zeit 12 Jahre alt), sollte ich Gelegen­heit bekom­men, auf einem solchen Fahrzeug meine ersten Fahrver­su­che zu unternehmen.

Die Geschich­te des Unimogs geht zurück auf das Jahr 1945; ihm lag die Idee zugrun­de, ein Fahrzeug mit Allrad­an­trieb zu bauen, das sich gleicher­ma­ßen und univer­sell in Land- und Forst­wirt­schaft einset­zen lässt. 1947 starte­ten erste Versuchs­fahr­ten, angetrie­ben vom ebenfalls neu entwi­ckel­ten Diesel­mo­tor des Merce­des 170. All das, einschließ­lich dem Bau einiger Proto­ty­pen, fand im Raum Schwä­bisch Gmünd statt, bevor die erste Serien­pro­duk­ti­on zur Firma Boehrin­ger nach Göppin­gen verlegt wurde (1949). Zwei Jahre später übernahm Daimler Benz die weite­re Produk­ti­on des Unimog – der Name entstand übrigens als Abkür­zung der Bezeich­nung Univer­sal Motor Gerät. Das kompak­te Äußere mit dem markan­ten Erschei­nungs­bild, seine überaus vielsei­ti­ge Verwend­bar­keit und Zuver­läs­sig­keit machten ihn und seine Nachfol­ger zu einem begehr­ten Helfer in der Land- und Forst­wirt­schaft sowie bei der 1955 gegrün­de­ten Bundeswehr.

Auch das staat­li­che Forst­amt in Oberko­chen, das in Königs­bronn (Wiesen­stra­ße) einen Maschi­nen­park für die Waldar­beit unter­hielt, hatte eines dieser Fahrzeu­ge mit der kanti­gen, schräg abfal­len­den Motor­hau­be im schonungs­lo­sen Einsatz. Ein Klapp­ver­deck schütz­te vor Witte­rungs­ein­flüs­sen von oben. Auf die Steck­fens­ter in den Türen verzich­te­te man meist, da die Kunst­stoff­schei­ben im Laufe der Zeit verwit­tert und nahezu blind waren. Wenn mein Vater, der mit dem Umzug nach Oberko­chen seinen Dienst am staat­li­chen Forst­amt im oberen Teil der Leitz­stra­ße begon­nen hatte, diesen Unimog aus Königs­bronn holte (meist im Winter), zog es während der Fahrt also wie Hecht­sup­pe oder man sah bei einge­steck­ten Fenstern nicht zur Seite raus (und damit auch nichts im Rückspie­gel). Viel Verkehr gab es damals ohnehin nicht, so dass man trotz der knapp 50 km/h, die man damit auf der Bundes­stra­ße fuhr, bis Oberko­chen nur von wenigen Autos überholt wurde. Meistens fuhren wir aber von Königs­bronn aus direkt durch den Wald in Vaters Revier.

Oberkochen
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Fotos (Archiv Bogena)

Der Unimog ist ein Arbeits­tier, alles an ihm verströmt den Charme rusti­ka­len Maschi­nen­baus, der sich von weitem betrach­tet dennoch in einer liebens­wert harmo­ni­schen Form präsen­tiert. Die Geräusch­ku­lis­se ist hoch: Das markan­te Nageln des Diesel­mo­tors habe ich heute noch im Ohr. Beim Starten muss zuerst vorge­glüht werden, d. h., man steckt den Schlüs­sel auf Zündung und hält ihn eine knappe Minute lang zur Seite gedrückt bis die Glühwen­del am blecher­nen Armatu­ren­brett leuch­tet. Dann erst wird der 34-PS-Motor zum Leben erweckt. Beim Diesel-Pkw war das in jener Zeit diesel­be Proze­dur. 6 Gänge, ich glaube, sie waren noch nicht synchro­ni­siert, gilt es zu sortie­ren. Für Rückwärts­fahrt muss zudem ein extra Hebel neben dem Fahrer­sitz bewegt werden; dazu gibt es einen weite­ren Hebel, um auf Allrad zu schal­ten – damals etwas absolut Beson­de­res. Im Winter wurde der Forst­amts-Unimog mit Schnee­schie­bern ausge­rüs­tet. Vater holte ihn, wenn er Wege im verschnei­ten Tiefen­tal räumen wollte, um die Wildfüt­te­run­gen zu errei­chen. Wenn es irgend­wie möglich war, wollte ich ihn dabei natür­lich beglei­ten, denn welcher Junge lässt sich schon eine Fahrt im Unimog entge­hen? Ich war schon damals höchst Auto-inter­es­siert, beobach­te­te genau­es­tens jeden Handgriff und ließ mir die Funkti­on der einzel­nen Hebel erklä­ren. Etwa im Alter von 13 durfte ich schließ­lich selbst auf dem dünnen, durch­ge­ses­se­nen Fahrer­sitz Platz nehmen, um dann auf nicht öffent­li­chen Wegen im Tiefen­tal (nahe der Huber­tus­quel­le) erste Fahrver­su­che zu unter­neh­men – ein berau­schen­des Gefühl! Ich hatte Blut geleckt; schnell beherrsch­te ich das Univer­sal-Motor-Gerät, das mir seine Quali­tä­ten beson­ders beim Schnee­räu­men unter Allrad­ein­satz bewies. Mit Gefühl beweg­te ich den Unimog selbst durch unweg­sa­mes Gelän­de, so dass Vater mir zutrau­te, einzel­ne Berei­che ganz allei­ne von Schnee zu räumen. Ich enttäusch­te ihn nicht! Groß war die Angst, etwas kaputt zu machen, obwohl das Fahrzeug von harten Alltags­ein­sät­zen gezeich­net war. Schade, dass Vater den Unimog im Sommer eher selten benötig­te, dafür aber mit seinem 1959er Opel Rekord in den Wald fuhr – vorbei am Kocher­ur­sprung, dem Aussied­ler­hof und einer am Weg stehen­den Scheu­ne, an der ein alter Merce­des 170 seinem Ende entge­gen dämmer­te. Später sollten weite­re Fahrzeu­ge dazukom­men, die die Natur bald vereinnahmte.

Längst hatte ich die Wagen­pfle­ge des Famili­en­au­tos übernom­men, jeden Samstag waschen, wozu es natür­lich immer wieder mal rangiert werden musste – am Ende der Beetho­ven­stra­ße, wo wir wohnten, kein Problem, denn dort herrsch­te kein Durch­gangs­ver­kehr. Auch auf den Waldwe­gen rund um Oberko­chen war zu jener Zeit kaum etwas los, selten Spazier­gän­ger und so gut wie keine (Hobby-) Radfah­rer, man begeg­ne­te höchs­tens mal einem landwirt­schaft­li­chen Fahrzeug oder einem Fuchs, der schon von sich aus flucht­ar­tig das Weite suchte.

Oberkochen
Oberkochen

Fotos (Archiv Bogena)

So konnte ich es immer kaum erwar­ten, wenn es in den staat­li­chen Forst im Tiefen­tal ging oder durch den Wald zu einem befreun­de­ten Förster­kol­le­gen meines Vaters nach Ochsen­berg. Kaum hatten wir das Schild “Durch­fahrt verbo­ten” passiert, durfte ich das Steuer überneh­men – bald auch beim Opel (mit Dreigang-Schal­tung an der Lenksäule).

Auf diese Weise erwarb ich lange vor dem Führer­schein eine gewis­se Sicher­heit im Umgang mit dem Auto. Anfah­ren, schal­ten, einpar­ken, auch rückwärts – alles kein Problem, so dass ich schon nach dem Ablegen der theore­ti­schen Prüfung und wenigen Stunden Fahrpra­xis bei der Fahrschu­le Holzbaur pünkt­lich zum 18. Geburts­tag meine Fahrerlaub­nis bekam“. Soweit Reinhard Bogena.

Auch mein Freund Ludwig Burghard hat zu diesem Thema lebhaf­te Erinne­run­gen:
„Unimog und Oberko­chen – da muss natür­lich zuerst der Mühlen­be­sit­zer „Schee­rer“ genannt werden. Er hatte vermut­lich den ersten und ältes­ten Unimog am Ort. Ob der noch bei Boehrin­ger Werkzeug­ma­schi­nen in Göppin­gen gebaut wurde (die Produk­ti­on lief dort bis 1951), oder ob es schon eines der ersten Fahrzeu­ge von Daimler-Benz war (Produk­ti­on dort ab 1951) ist nicht genau bekannt. Auf jeden Fall wurde dieser Unimog liebe­voll von Josef Gillmai­er betreut und repariert. Josef Gillmai­er war auch Haus- und Hof-Autome­cha­ni­ker der Spedi­ti­on „Peters­hans und Bezler“. Neben­bei reparier­te er auch noch Autos in seiner Blech­ga­ra­ge hinter seinem Haus in der Dreißen­tal­stra­ße 57. Eben ein echter Schrau­ber. Hans Schee­rer hatte Ludwig einst erzählt, dass Daimler-Benz ein großes Inter­es­se an seinem Unimog hatte und ihm dafür zum Tausch eine nagel­neue Merce­des-Limou­si­ne angebo­ten habe. Wer Hans kannte, wusste auch, dass ihn solch ein attrak­ti­ves Angebot nicht beein­flus­sen konnte. Was mir „hent, b’halte m’r au ond gäbbat ‚s net her. Für koi Gääld d’r Welt.“

Weite­re Unimogs hatten bzw. haben in Oberkochen:

  • Firma Brunn­hu­ber, Zimme­rei und Kohlen­han­del (nicht mehr vorhanden)
  • Firma Bäuerle, Bauern­hof (nicht mehr vorhanden)
  • Stadt Oberko­chen
  • Karl Fischer, Forstbetrieb
  • Kolb (Neffe von Karl Fischer) betreibt auch einen Brenn­holz — Handel
  • Schnobl, macht auch Holz und hat sein Lager oberhalb vom Fischer-Aussiedlerhof
  • Firma Zeiss hatte früher auch mindes­tens einen Unimog
  • Josef Barth in der Katzen­bach­stra­ße (oben neben der Spedi­ti­on Fischer), er macht damit Winterdienst.

Für die Unimog-Beses­se­nen und Inter­es­sier­ten hier noch ein paar Links.

Bei meinen Recher­chen stieß ich auf den Unimog-Club Ostalb e.V. Dieser Verein hieß früher Unimog-Club Oberko­chen e.V. und wurde 1991 u.a. von den Brüdern Karl und Thomas Fischer aus Oberko­chen mitbe­grün­det. Leider ist es mir nicht gelun­gen weite­re Infor­ma­tio­nen dazu zu bekom­men. Der Verein benann­te sich 2010 um und tausch­te den Zusatz „Oberko­chen“ gegen „Ostalb“ aus. Grund ist wohl, dass die Mehrheit der Mitglie­der nicht mehr aus Oberko­chen stamm­ten. Wer sich für das Thema UNIMOG inter­es­siert, dem seien die folgen­den Links ans Herz gelegt.

http://de.wikipedia.org/wiki/Unimog
http://unimog-club-gaggenau.de
http://www.unimog-club-oberkochen.de
http://www.unimog-museum.com

Abschlie­ßend noch einige Litera­tur­hin­wei­se zu Reinhard Bogena:

„Unsere Kindheit: Märklin, Match­box, Marter­pfahl“
„Vaters ganzer Stolz! Unser erstes Auto in den 50er und 60er Jahren“
„Geboren 1952 …als Kind im Wirtschafts­wun­der. Erleb­nis­se in den fünfzi­ger Jahren“
„Wir vom Jahrgang 1952: Kindheit und Jugend“

Es grüßt sie wie immer herzlichst

ihr Wilfried Billie Wichai Müller vom Sonnenberg

Reinhard Bogena

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