Das Geschäft ließ sich gut an und die Familie war beisam­men. Anneta und Floria­no mit ihrem Mädchen Rosan­na und den Gross­el­tern Romano und Elda. Das war etwas unüblich. Denn wer in der Sommer­zeit ins Val die Zoldo kam, fand nur »Alte« und »Junge«. Die anderen waren in Deutsch­land »Eis machen und verkau­fen«, und die Alten zogen im heimat­li­chen Tal die Kinder groß, bis diese dann auch nach Deutsch­land gingen. Aller­dings wurde dann doch beschlos­sen, Rosan­na in die Obhut einer Tante in Forno di Zoldo zu geben, um sie dann dort einschu­len zu lassen. Rosan­na war davon aber ganz und gar nicht begeis­tert und rebel­lier­te auf ihre Art gegen das Leben im dorti­gen Kinder­gar­ten und nach Ablauf des Sommers 1967 wurde Rosan­na nach Oberko­chen zurück­ge­holt. Die Familie hatte Rosan­na wieder und sie hatte ihren Willen durchgesetzt.

Nach Hause, in die heimat­li­chen Dolomi­ten, ging es nur in den »Kartof­fel- und den Weihnachts­fe­ri­en«, da Rosan­na zur Schule musste. All die anderen Eisma­cher, einschließ­lich Rosan­nas Großel­tern, fuhren im Oktober zurück und blieben bis zum 3. Febru­ar-Wochen­en­de in Forno. Dann wurde in der Kirche St. Flori­an die Abschieds­mes­se emigran­ti zelebriert und der Autokon­voi der Eisma­cher schob sich wieder für eine Saison nach Öster­reich und Deutschland.

Oberkochen

Innen­an­sicht der »Eisdie­le« bei der Neueröff­nung 1964. (Überlas­sen von Fam. Arnoldo)

Ich erinne­re mich auch noch gut an einen Kellner namens Renato, der aus Santa Croce del Lago kam und drei Jahre bei den Arnol­dos arbei­te­te. Er war immer auf der Suche nach hübschen Mädchen. Nachdem Renato in Itali­en gehei­ra­tet hatte, kam er nicht mehr nach Oberko­chen und man beschäf­tig­te noch zwei Jahre lang eine Kellne­rin aus Oberko­chen, deren Name Anneta heut nicht mehr geläu­fig ist. Danach wurde das ITALIA ein reiner Famili­en­be­trieb ohne Angestell­te. Rosan­na fing mit 7 Jahren an kleine Arbei­ten, wie Spülen und Abtrock­nen, zu verrich­ten und später beim Bedie­nen zu helfen. Die Jahre gingen ins Land, das Geschäft ging gut und Rosan­na verbrach­te ihre Schul­zeit erfolg­reich in Oberkochen.

Oberkochen

»Eisdie­le« — (»Eisca­fé Italia«) kurz vor dem Abbruch im Jahr 2005.

Der große Einschnitt kam dann 1987, als Floria­no nach mehrmo­na­ti­ger Krank­heit verstarb. Rosan­na erinnert sich noch heute an die große Anteil­nah­me der Menschen in Oberko­chen. Anneta und Rosan­na versuch­ten dann das ITALIA allei­ne weiter­zu­füh­ren, aber das war nicht möglich. So wurde das Inven­tar 1988 an eine Bekann­te verkauft. Anneta zog dann nach Duisburg und Borken, um bei einem Cousin bis zum 60ten Lebens­jahr zu arbei­ten. Sie lebt heute wieder in Forno di Zoldo im Val di Zoldo in den Dolomi­ten, wo man im Sommer immer noch die »Alten« und die »Jungen« antrifft und die anderen sind in Deutsch­land und »machen und verkau­fen Eis«.

Was bleibt an persön­li­chen Erinne­run­gen? Unsere Schul­klas­se ging fast jeden Tag nach der Schule ins ITALIA. Wir machten uns »hinten links« an mehre­ren Tischen breit und versuch­ten bei einer kleinen Porti­on Eis solan­ge zu bleiben, wie es ging. Floria­no war damit nicht immer einver­stan­den und zeigte das mitun­ter auch sehr drastisch. Er hatte seine Werte, für die er eisern eintrat und sich auch, beson­ders bei uns Jungen, einigen Unmut zuzog. Nichts­des­to­trotz gingen wir immer wieder gerne hin, um einfach herum­zu­hän­gen, den Mädchen Avancen zu machen, Musik aus der Box zu hören, Liebes­kum­mer zu verar­bei­ten, schlech­te Schul­no­ten verges­sen zu machen und uns, über Anneta zu amüsie­ren: Irgend­wann hatte sie genug, immer FÜNFUNDFÜNZIG sagen zu müssen (so viel koste­ten 2 Kugeln Eis) und sie sagte 60 weniger 5.

Oberkochen

Werbung »Eisdie­le« (Archiv Müller)

Eine Erwäh­nung wert ist auch die Geschich­te der drei Chine­sen (nicht die mit dem Contra­bass, sondern die mit dem Spaghet­ti-Eis.) Die Herren bestell­ten drei Portio­nen Spaghet­ti-Eis und waren außer­or­dent­lich erstaunt, dass es sich um Eis und nicht um Pasta handelt, was da auf ihrem Teller lag.

Das Val di Zoldo liegt am südöst­li­chen Rand der Dolomi­ten, nahezu unbemerkt, wenn man von der Ebene des Veneto hinauf in Richtung Corti­na d’Ampez­zo fährt. Vielleicht schaut ihr mal auf dem Weg von oder nach dem Süden bei Anneta vorbei und grüsst sie schön aus Oberkochen.

Wilfried Müller

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