In »Bürger und Gemein­de« vom 3. August berich­te­ten wir zum Thema »Vom Theater­weg zur Carl-Zeiss-Straße« (Bericht 518). Tatsäch­lich erinner­ten sich zahlrei­che Oberko­che­ner noch an die Bezeich­nung »Theater­weg« oder »Theater­weg­le«, die der alte Fußweg, der die Dreißen­tal­stra­ße mit der Ziegel­stra­ße (später Wachol­der­stei­ge) verband, über die zusätz­li­che kultu­rel­le Funkti­on der Leitz-Kanti­ne »Martha-Leitz-Haus« erhal­ten hatte. Auf unsere Nachfra­ge erhiel­ten wir von CZ-Mitar­bei­ter i. R. Karl-Heinz Hercher, eine Info, der zufol­ge nach seinen persön­li­chen Aufzeich­nun­gen mit dem Abbruch des Martha-Leitz-Hauses am 15. Novem­ber 1982 begon­nen wurde. (siehe Veröf­fent­li­chung »BuG« vom 10. August).

Auf Seite 193 des Heimat­buchs ist fälsch­li­cher­wei­se das Jahr 1980 als Jahr des Abbruchs angegeben.

Inzwi­schen besorg­te uns CZ-Mitar­bei­ter Ottmar Bihlmai­er die Nummern 5/82 und 6/82 von »Zeiss im Bild«, einer betriebs­in­ter­nen Zeitschrift zur Infor­ma­ti­on der Mitar­bei­ter von Carl Zeiss, die von ihm lücken­los ab Heft 1 vom März 1951, gesam­melt wurde. In den beiden genann­ten Ntunmern von »Zeiss im Bild« wird auf den Abbruch dieses geschichts­träch­ti­gen Gebäu­des, das nach der Gattin des Firmen­chefs Fritz Leitz benannt, und als »Bau VI« in das CZ-Firmen­ge­län­de integriert war, Bezug genommen.

Oberkochen

Bericht aus »Zeiss im Bild« 5/82 — Novem­ber 1982
Neubau VI für mecha­ni­sche Einzelteilfertigung

»Auch unter Beach­tung der beson­ders stren­gen Maßstä­be, die wir angesichts der angespann­ten wirtschaft­li­chen Situa­ti­on allen Planungs­über­le­gun­gen zugrun­de legen müssen…« So fängt ein Rundschrei­ben an, das in diesen Tagen in unseren Werken in Oberko­chen und Aalen ausge­hängt ist und das den Abbruch des alten Baus VI und die Errich­tung eines Neubaus für die mecha­ni­sche Einzel­teil­fer­ti­gung ankün­digt. Bau VI, für die Oberko­che­ner Beleg­schaft als »Martha-Leitz-Haus« bekannt, ist mit seiner Silhou­et­te inner­halb der moder­nen oder moder­ni­sier­ten Bauten des Werks­ge­län­des ein liebens­wer­ter Anachro­nis­mus. 1940 im germa­ni­schen Thing-Stil errich­tet, entsprach es in keiner Weise den Anfor­de­run­gen moder­ner Betriebs- oder Verwaltungsräume.

Das neue Gebäu­de soll in erster Linie die Möglich­keit für eine Zentra­li­sie­rung und damit Ratio­na­li­sie­rung der heute über dem gesam­ten Werks­kom­plex zerglie­der­ten mecha­ni­schen Einzel­teil­fer­ti­gung schaf­fen. Auch die Automa­ten­dre­he­rei soll dort unter­ge­bracht werden. Diese Zusam­men­le­gung wird zu deutli­chen Einspa­run­gen bei den Ferti­gungs­ge­mein­kos­ten führen und auch in Zukunft eine wettbe­werbs­fä­hi­ge Produk­ti­on gewähr­leis­ten. Außer­dem erhal­ten unsere Mitar­bei­ter im Gesamt­be­reich der mecha­ni­schen Einzel­teil­fer­ti­gung dadurch besse­re Arbeits­be­din­gun­gen. (Bel)

Von Geza-Richard Horn, CMF, Service-Center Oberko­chen, Immobi­li­en­ma­ge­ment Carl Zeiss, erhiel­ten wir ein CZ-Werk-Foto aus den frühen Fünfzi­ger­jah­ren, das das Martha-Leitz-Haus inmit­ten der ersten Neubau­ten der Firma Carl Zeiss, den Bauten des demon­tier­ten Betriebs Fritz Leitz, vormals Rüstungs­be­trieb, und denen der Firma Gebrü­der Leitz zeigt.

Oberkochen

Einige Leser teilten uns Erinne­run­gen an dieses einsti­ge Oberko­che­ner »Kultur­zen­trum« mit. Die Jüngs­ten unter ihnen waren in den Jahren 1930 bis 1935 gebore­ne Oberko­che­ner, die 1940 — 1945 um die 10 Jahre alt waren. Mehre­re von ihnen bezeug­ten, dass im Martha-Leitz-Haus auch Filme mit »Jugend­ver­bot« liefen. Das »Jugend­ver­bot« wurde scharf gehand­habt. Nach der »Wochen­schau« mussten die Jugend­li­chen das Feld räumen.

Humor bewie­sen die Mitar­bei­ter der Abtei­lung Elektro­nik-Forschung und Entwick­lung, unter­ge­bracht provi­so­risch im oberen Stock­werk des inzwi­schen schon weitge­hend abgeris­se­nen Marth-Leitz-Hauses. Als der an der Vorder­sei­te begon­ne­ne Abbruch immer weiter fortschritt hängten sie zunächst eine weiße Fahne als Zeichen der Kapitu­la­ti­on aus dem Fenster. Eines Tages war dann vorüber­ge­hend der Ausgang über die Treppe blockiert, worauf die Mitar­bei­ter ihre weißen Kittel als »Notaus­stieg« aus dem Fenster hängten. Inzwi­schen hat man ihnen über die Hinter­sei­te des Gebäu­des einen neuen Zugang zum Arbeits­platz geschaf­fen. Die Abtei­lung muss noch bis in den Febru­ar hinein aushar­ren. Wie das Bild zeigt, rückt man ihnen vom Dach her immer näher mit dem Abbruch. »Haltet aus, Jungs, im Sturm­ge­braus!« (Bel)

Leider befin­det sich im HVO-Bildar­chiv noch kein Foto der ebenfalls abgebro­che­nen »Villa Fritz Leitz«. ‑Wer kann weiterhelfen?

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Bericht aus »Zeiss im Bild« 6/1982 — »Notaus­stieg« während des Abbruchs des Martha-LeitzHauses.

Dietrich Bantel

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