Frau Luitgard Hügle hat uns zur Weihnachts­zeit ihre Erinne­run­gen an die »Ahne« — die Großmutter — aufge­zeich­net, unter anderem auch die Erinne­rung an den Nikolaus­tag, wie er in Oberko­chen in den letzten Kriegs­jah­ren und in den Jahren nach dem Krieg gefei­ert wurde. Manches hat sich geändert — manches ist geblieben.

Aus fast der gleichen Zeit, Weihnach­ten 1952, kam uns jüngst ein Bild in die Hand, auf dem »Waldweih­nacht« in der WCO-Hütte am Wollen­loch gefei­ert wurde. Wir bringen dazu einen am 4.8.1949 in der Schwä­bi­schen Post erschie­ne­nen und längst verges­se­nen Artikel zum Wollen­loch, der aus der Feder des in Oberko­chen unter dem Namen »PX« bekann­ten »Krimi­nal­ers« Josef Fischer stammt. Die Aufnah­me entstand in der Hütte, die der Wollen­loch­club bei der Senkrecht­höh­le errich­tet hatte. Links neben dem Weihnachts­baum sitzt Josef Fischer. In einer der nächs­ten Nummern von BuG berich­ten wir über das Wollenloch.

Bei der »Ahne« — Nikolausbräuche

Meine wichtigs­ten und schöns­ten Kindheits­er­leb­nis­se sind die Besuche bei der Ahne. Am Sonntag ging man mit den Eltern spazie­ren: auf den Berg, auf den Rodstein, ins Tiefen­tal oder in den Langert. Man entdeck­te Seidel­bast und Anemo­nen oder hoffte, wenigs­tens Spuren vom Oster­ha­sen zu finden. Im Sommer ließ man Schiff­lein im Bach schwim­men oder ging auch auf den Sport­platz. Fast obliga­to­risch war jedoch der Halt auf dem Heimweg, im Katzen­bach bei der Ahne. Da kamen alle oder zumin­dest viele zusam­men und es war immer inter­es­sant. Wenn man Durst hatte, ging man in die Küche, um Wasser zu trinken. Nicht wie daheim aus Glas oder Becher, sondern aus dem Schöp­fer (Suppen­kel­le), der an der Wand hing! Etwas zu essen — und sei es nur eine Hutzel — fand man vielleicht in der Speis, der Speise­kam­mer gleich neben der Küche. Ganz sicher aber gab es Äpfel. Die waren auf Borden in der Kammer gelagert, da brauch­te man sie jedoch nicht zu suchen. In der Stube saß die Ahne am Tisch und hatte einen ganzen Berg vor sich liegen. Sie schäl­te und schnitt die Apfel in Schnitz­chen, die ganz fein geschnit­te­nen wander­ten in ihren eigenen, zahnlo­sen Mund, so zwischen dem einen Satz und dem andern. Die etwas dicke­ren Schnit­ze bekamen die Enkel­kin­der, wobei sie immer zum nächst­ste­hen­den sagte: »Maul auf«. Wenn man genug hatte, ging man spielen, »Räuber und Gendarm« zum Beispiel, Treppe rauf, Treppe runter, raus in den Hof und zum Bach. Bei so vielen Kindern war es immer lustig.

So verlief ein norma­ler, schöner Sonntag — doch schon im Herbst begann man sich auf den schöns­ten Tag des Jahres bei der Ahne zu freuen und sang: »Lustig, lustig trala­la­la, bald ist Nikolaus Abend da .…«

An diesem Tag, dem Vorabend des Nikolaus­ta­ges, kamen wirklich alle zur Ahne und die Stube wurde voll. Um Sitzplatz zu schaf­fen, zerleg­te man ein Bett, um aus den Brettern Bänke zu machen, auf denen die Kinder sitzen durften: kleine und auch etwas größe­re, die, die am Nachmit­tag Höllen­ma­schi­nen gegen den Nikolaus und beson­ders den Knecht Rupprecht gebaut hatten und die sie jetzt unter der Bank versteck­ten. Die Älteren, Halbwüch­si­gen saßen im großen Ohren­ses­sel beim Ofen und kicher­ten, die Eltern auf Sofa und Stühlen, als man unten im Gang das Glöck­chen des heili­gen Nikolaus hörte. Den Kleinen stock­te das Herz und die Großen fingen an zu beten und ich glaube, daß sogar sie heimlich gezit­tert haben, als der Nikolaus würdi­gen Schrit­tes die Stube betrat, mit dem Kopf nickte und mit tiefer Stimme zu sprechen anfing. Er hatte einen langen weißen Bart und eine Brille auf, dicht unter der großen Bischofs­müt­ze, ein hellblau­es Unter­ge­wand und einen roten, goldver­bräm­ten Umhang. In der einen Hand hielt er sein dickes Buch und in der anderen den Bischofs­stab. Hinter ihm kam der schwar­ze Knecht Rupprecht mit seinem Sack auf dem Rücken und einer großen Rute in der Hand.

Nach einem Gebet öffne­te der Nikolaus sein Buch und las die Sünden und Schand­ta­ten der Kleinen vor, die mit einem Liedchen, mit zittri­ger Stimme vorge­tra­gen, gesühnt wurden. Die bösen Buben dagegen krieg­ten Schlä­ge vom Knecht Rupprecht, bevor sie ihr Säckchen mit Nüssen und Süßig­kei­ten erhiel­ten. In unserem Säckchen war immer ein gebacke­ner Nikolaus aus Hefeteig mit Rosinen­au­gen und einer Mandelnase.

Einmal erinne­re ich mich, daß mein Bruder schon auf dem Weg zur Ahne fürch­ter­li­che Angst vor dem Knecht Rupprecht hatte. Mein Vater hat ihm darauf­hin eine Decke, ein »Teppich­le« unter seine Jacke gescho­ben, damit er die Hiebe auf den Rücken nicht spüren soll.

Prompt fragte Knecht Rupprecht natür­lich, was er denn auf dem Rücken habe. »Das hat mir mein Babba reinge­scho­ben«, worauf natür­lich auch der Papa unter dem Geläch­ter aller eine Porti­on Hiebe abkrieg­te. Wie übrigens auch sonst die Erwach­se­nen nicht verschont blieben. Bei ihnen stand etwa in dem großen Buch »Beim Marken­kle­ben bis in die Nacht zuviel Strom verbraucht .…«, was mit tiefer Stimme vom Nikolaus gerügt wurde.

Dann gab es noch Hiebe in Richtung des großen Ohren­ses­sels unter viel Geläch­ter und Gekrei­sche, bevor der große Sack mit den glänzen­den Äpfeln von »der Ahne ihrem Niklaus« auf den Tisch ausge­leert wurde.

Alle Kinder atmeten auf, als der Heili­ge Nikolaus samt seinem Knecht Rupprecht unter Gebet und Geläu­te des Glöck­chens die Treppe wieder runter­stieg und erst, als er schon unten im Gang war, fing man an, sein Säckchen aufzu­pa­cken und dann auf dem Heimweg hatte man natür­lich viel zu erzählen.

Luitgard Hügle, Italien

Neue Höhlen entdeckt

Ein Einstieg ins Wollen­loch und eine Bitte des WCO

Kaum warf die Sonne am vergan­ge­nen Sonntag ihre ersten Strah­len auf den Wollen­berg, so begann eine sieben Mann starke Gruppe des WCO Oberko­chen ihren Einstieg in den 50 m tiefen senkrech­ten Schlund des Wollen­lo­ches. Alle Sicher­heits­maß­nah­men waren sorgfäl­tig getrof­fen. Jeder Mann hatte seinen beson­de­ren Auftrag. Bald waren die, vor 14 Tagen entdeck­ten Tropf­stein­höh­len erreicht. Der Durch­bruch an der »Glocke« sollte erwei­tert werden. Die »Glocke« ist ein sich glocken­för­mig nach unten erwei­tern­der Schacht. An der Ostsei­te der »Glocke« ist die Druck­last der Erd- und Holzschich­ten des Wolloch­schach­tes. Bei den Durch­bruchs­ar­bei­ten stell­te es sich nun heraus, daß die verhält­nis­mä­ßig dünne Glocken­wand den Erdmas­sen vom Haupt­schacht nicht stand­hal­ten kann und diese gerie­ten in Bewegung. Um eine Verschüt­tung zu verhin­dern, wurde nach vierstün­di­ger Arbeit der versuch­te Durch­bruch nach der etwa 30 m tiefer gelege­nen großen Höhle einge­stellt. Die Erd- und Holzmas­sen werden nun beim nächs­ten Einstieg in eine Seiten­höh­le gelei­tet, um so den Einstieg in die Tiefen­höh­le zu gewähr­leis­ten. Einige kleine­re neue Höhlen wurden durch Durch­brü­che entdeckt. Inter­es­sant war die Entde­ckung eines etwa 6 m hohen, oben geschlos­se­nen Kamins, in dem sich selten schöne Zwerg­tropf­stein­ge­bil­de befin­den. Ein zweiter Einstieg diente der Besei­ti­gung von Gesteins­mas­sen im senkrech­ten Schacht, um den gefähr­li­chen Stein­schlag zu beseitigen.

Im Laufe des Vormit­ta­ges hatte sich eine große Zuschau­er­men­ge einge­fun­den. So sehr dem WCO das Inter­es­se des Publi­kums erwünscht ist, muß er doch bitten, die Neugier­de zu zügeln. Auch die vielen gutge­mein­ten Ratschlä­ge nützen den unten arbei­ten­den Männern nichts. Wir müssen bei dieser Gelegen­heit auch die Zuschau­er bitten, die Absperr­maß­nah­men zu beach­ten und die Vesper­pa­pie­re nicht achtlos auf den Boden zu werfen. Im übrigen sind wir vom Forst­amt Oberko­chen ermäch­tigt, darauf hinzu­wei­sen, daß das Befah­ren der Wege zum Wollen­berg mit PKWS und Motor­rä­dern verbo­ten ist. Der Waldfrie­den und die Schön­heit der Landschaft sollten jedem Besucher des Wollen­ber­ges am Herzen liegen.

Oberkochen

Schwä­bi­sche Post, Do., 4.8.1949

Richtig­stel­lung zu Bericht 48
Wollen­loch
In unserem letzten Bericht in BuG vom 23.12.1988 war das Foto mit der Wollen­loch­club­hüt­ten­weih­nacht und der Text aus der Schwä­bi­schen Post aus dem Jahre 1949 so weit ausein­an­der­ge­ra­ten, daß bei einigen Lesern offen­bar der Eindruck entstan­den ist, es handle sich bei dem abgedruck­ten Text um einen aktuel­len Text mit dem Inhalt, im Wollen­loch seien dieser Tage neue Höhlen­tei­le entdeckt worden. Dem ist nicht so. Weite­re Forschungs­ar­bei­ten im Wollen­loch wurden durch sehr stren­ge Aufla­gen des TÜV, die der Wollen­loch­club finan­zi­ell nicht erfül­len konnte, schon im Jahre 1953 unmög­lich gemacht. Der Wollen­loch­club ging damals in den Natur­freun­den auf.

Dietrich Bantel

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