Im ersten Teil des Berichts erwähn­ten wir die außer­ge­wöhn­li­che Dachstuhl-Konstruk­ti­on des Gebäu­des 23. (Gebäu­de 25 hatte einen Dachstuhl norma­ler Bauart)

Zum Gebäu­de 23
Foto 1 zeigt den Dachstuhl des Gebäu­des 23 (Hofmann/Betzler) vor dem Abbruch in dem Moment, da die Dachplat­ten bereits weitge­hend entfernt waren. Klar erkenn­bar ist der dreige­schos­si­ge Aufbau des Gesamt­dach­stuhls, wobei der Dachstuhl ab dem Boden des dritten Dachstuhl­ge­schos­ses (direkt unter dem First, dort, wo die beiden Männer stehen), die für die beiden unteren Dachstuhl­ge­schos­se typischen Konstruk­ti­ons­merk­ma­le nicht mehr aufweist.

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Unter­halb des dritten Dachbo­dens erkennt man sehr gut die zwischen den kräfti­gen Dachspar­ren zur Verstre­bung dersel­ben einge­zo­ge­nen ebenfalls ziemlich kräfti­gen diago­nal verlau­fen­den Balken in der Form von Andreaskreuzen.

Willi­bald Mannes, Oberko­che­ner Zimmer­manns­meis­ter, Archi­tekt und Treppen­bau­er, sprach von diesen das Gebälk verstei­fen­den Andre­as­kreu­zen als »Windver­band«. Die übliche Art des Windver­bands ist heute ein langes Diago­nal­brett, (oder Metall­band) das, nach dem Muster der Diago­nal­ver­stre­bung der senkrech­ten Hölzer eines »Garten­tür­les« von links unten nach rechts oben oder von rechts unten nach links oben diago­nal über die senkrech­ten Hölzer genagelt oder geschraubt wird, um zu verhin­dern, dass sich die senkrech­ten Hölzer paral­lel verschieben.

Der beim Gebäu­de 23 angewand­te Windver­band ist sehr aufwän­dig und könnte dafür sprechen, dass in einer Zeit vor mehr als 260 Jahren, in der die stati­schen Berech­nun­gen noch weniger bekannt waren, »auf Sicher­heit« gebaut wurde. Mögli­cher­wei­se kommt die Bauart tatsäch­lich, wie von vielen Passan­ten erwähnt, aus einer Gegend, vielleicht auch einem Bergland, wo mit starker Schnee­last, vor allem jedoch mit kräfti­gem Winddruck gerech­net werden muss.

Das muss natür­lich nicht notwen­di­ger­wei­se die Steier­mark (Graz — Kratzer) gewesen sein, zumal das Gebäu­de 23 (Betzler/Hofmann) laut Kuno Gold weit weit zurück­lie­gend höchs­tens über die Ecke Betzler/Hofmann zu den Betzler/Kratzers verwandt gewesen sein könnte.

Willi­bald Mannes kennt die Sparren mit Andre­as­kreu­zen verstre­ben­de Konstruk­ti­on auch in deutschen Landen — wohin sie natür­lich »impor­tiert« gewesen sein kann.

Es wird also eine inter­es­san­te Aufga­be sein, nachzu­for­schen, ob einer­seits dieser im Dachstuhl des Gebäu­des 23 angewand­te Windver­band auch in der Steier­mark bekannt ist, und anderer­seits, ob, und wenn ja, ab wann diese Konstruk­ti­on in deutschen Landen angewandt wurde.

Erst, wenn nachge­wie­sen werden kann, dass diese Konstruk­ti­on erstma­lig erst nach dem 30-jähri­gen Krieg, oder, im anderen Fall, ab diesem Zeitpunkt vermehrt in Deutsch­land auftaucht, und vor allem erst, wenn diese Konstruk­ti­on in der Steier­mark dieser Zeit nachge­wie­sen werden kann, kann gesagt werden, dass sie mögli­cher­wei­se aus der fernen öster­rei­chi­schen Steier­mark nach Oberko­chen »impor­tiert« wurde.

Foto 2 zeigt im teilab­ge­tra­ge­nen Gebäu­de 2 sehr gut den 3‑stockigen Dachstuhl. Darüber­hin­aus sind die inter­es­san­ten vermit­telst senkrech­ter Lattung einge­zo­ge­nen ziemlich ungewöhn­li­chen Raumab­tren­nun­gen im zweiten Dachge­schoss zu sehen.

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Zum Gebäu­de 25
Foto 3 zeigt einen Mauer­aus­schnitt im Erdge­schoss­be­reich von Gebäu­de 25. Der Verputz ist im Bereich der Kreise 1 und 2 teilwei­se so abgeblät­tert, dass zum einen klar erkenn­bar ist, dass zwei verschie­de­ne Putzschich­ten überein­an­der angebracht worden sind. Hierbei ist inter­es­sant, dass auf dem Putz der unteren Schicht im Bereich des Kreisesmit­tel­punkts 1 deutlich blaue Farbspu­ren und im Bereich des Kreisesmit­tel­punkts 2 deutlich gelbe Farbspu­ren zutage traten. Da sich zwischen den zartblau­en und den pastel­lig gelben Farbspu­ren eine weiße Fläche befin­det, könnte es sich um eine Putz-Bemalung mit einem senkrech­ten wechsel­wei­se blauen, weißen und gelben Strei­fen­mus­ter gehan­delt haben. Im großen Restbe­reich 3 des abgeblät­ter­ten Putzes ist die rusti­ka­le Bauwei­se der gut 65 cm (!) dicken Wand erkenn­bar. Auch hier scheint auf Sicher­heit gebaut worden zu sein. Es wurde in örtli­chen Stein­brü­chen anste­hen­des weißes Jurage­stein in Form grob behaue­ner ziemlich großer aber auch relativ kleine­rer Kalkbruch­stei­ne beim Mauer­bau verwen­det, wobei als Binde­mit­tel, wie mir die alten Oberko­che­ner immer wieder sagten, auch hier »Straßen­dreck« als Speis verwen­det wurde.

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Im Schil­ler­haus, 1860 erbaut, ist eine solche Wand (Innen­wand) im Treppen­haus des Heimat­mu­se­ums teilwei­se zur Besich­ti­gung freigelegt.

In der Tat waren auch zwischen den Kalkbruch­stei­nen im Mauer­werk des Gebäu­des 25 keine Kalkspu­ren erkenn­bar, wie zum Beispiel im Mörtel-Speis des fast 1 500 Jahre älteren »Römer­kel­lers«. Auf einem anderen hier nicht abgebil­de­ten Foto ist erkenn­bar, dass die grobe Oberflä­che der Kalkbruchstein­mau­er bei Gebäu­de 25 vor dem teuren Putzauf­trag zumin­dest punktu­ell zunächst mit »kosten­lo­sem« Lehm verschmiert wurde, der beim Trocken vor Aufbrin­gen des Putzes rissig wurde.

Foto 4 zeigt die im Bericht erwähn­te Glasta­fel, (Abmes­sun­gen: 48 cm hoch, 30 cm breit). Die Einloch­auf­hän­gung in der Mitte über dem Text ist für eine Grabplat­te ungewöhn­lich. Herr Kaufmann hat diese Tafel bei letzten Aufräum­ar­bei­ten im Gebäu­de 23 kurz vor dessen Abbruch entdeckt.

Die Verbin­dung der beiden Namen Betzler und Hofmann auf ein- und dersel­ben Tafel sagt so manchen Alt-Oberko­che­ner mehr als den später Zugezogenen.

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