Wie bereits berich­tet, hat der Heimat­ver­ein von Anni Borst außer dem bereits vorge­stell­ten Mühlen­buch von 1751 eine Reihe weite­rer Bücher von der Schee­rer­müh­le erhal­ten. Es handelt sich um Buchfüh­rungs-Dokumen­te aus der Zeit um die Mitte des 19. bis in die Mitte des 20. Jahrhun­derts. Diese befin­den sich inzwi­schen in einer Vitri­ne im Raum 4 des Heimatmuseums.

Das Buch, von dem heute die Rede ist, nennt sich »Mahlbuch« (nicht zu verwech­seln mit »Mühlen­buch«) und läuft von 1936 bis 1950. Es ist außer­or­dent­lich groß (43 cm breit, 33 cm hoch) und hat 200 bis zum letzten Blatt voll beschrie­be­ne Seiten.

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Akribisch wird, jeweils mit Datum, Buch geführt über die zum Mahlen einge­lie­fer­ten Weizen­men­gen und die jeweils daraus gewon­ne­nen Weizen­mehl­men­gen. Die Kundschaft kommt vorwie­gend aus Oberko­chen, jedoch auch aus allen umgeben­den Orten wie Königs­bronn, Zang, Ochsen­berg, Stürzel­hof, Zahnberg, Ziegel­hüt­te, Itzel­berg; auch Aalen taucht immer wieder auf.
Der Lohn für einen Mahlvor­gang liegt zwischen 1,– RM und 10,– RM je nach Menge im Durch­schnitt bei 5,– RM.

Die Angabe für die Menge des angelie­fer­ten Weizens wird im Buchvor­druck auf jeder Seite angege­ben mit: »Mahlge­trei­de abzügl. Milter in Pfund«. Wenn einer unserer Leser weiß, was mit »Milter« gemeint ist, so erbit­ten wir Auskunft (Tel. Bantel 7377).

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Eine Statis­tik (DB) über die Zeit von 14 Jahren zeigt, dass sich die Zahl der Mahlvor­gän­ge ab 1936 stetig und drama­tisch reduzierte.

Wurden für das Jahr 1936 noch 488 Mahlvor­gän­ge regis­triert, so waren es bereits 1940 nur noch 358 und 1945 gar nur noch 173. Nach einem kurzen Anstieg am Anfang der zweiten Hälfte der Vierzi­ger­jah­re wurde dann 1949 der absolu­te Tiefstand mit nur noch 92 Mahlvor­gän­gen über das ganze Jahr regis­triert. Hierbei ist inter­es­sant, dass der Tiefst­stand nicht im Jahr 1945 bei Kriegs­en­de, sondern für das Jahr 1949 ausge­wie­sen wird.

Leider ist kein Folge Mahlbuch auf den Heimat­ver­ein Überkom­men, das belegt, bis in welches Jahr genau in der Schee­rer­müh­le gemah­len wurde. Hier sind wir auf wissen­de Alt Oberko­che­ner angewie­sen und bitten dringend um Mitteilung.

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Eine weite­re Statis­tik (DB) gibt Aufschluss darüber, welches die Monate waren, in denen über die Jahre am meisten Mahlvor­gän­ge angefal­len sind: Es handelt sich um den Novem­ber mit 372 Mahlvor­gän­gen in 14 Jahren. Ab Novem­ber sinkt die Zahl der Mahlvor­gän­ge gleich­mä­ßig bis zum Juni, in welchem nur die Zahl von 248 Mahlvor­gän­gen erreicht wird. Von Juni bis August schwankt die Zahl über dem unteren Bereich. Ab August steigt die Zahl dann wieder gleich­mä­ßig an bis zum November.

Ergän­zung zum Bericht 459 — Erschie­nen in BuG am 08.04.2004

Was ist »Milter«?
Auf unsere Frage nach dem Begriff »Milter« im Zusam­men­hang mit dem Mahlbuch der Schee­rer­müh­le erhiel­ten wir zwei Antworten.

Eine Frau, die ihren Namen nicht nannte, glaub­te sich zu erinnern, dass »Milter« der vom Müller einbe­hal­te­ne Mahllohn in Form von einem Mehlan­teil des gemah­le­nen Weizens sei. Die Antwort ging exakt in die richti­ge Richtung.

Ein weite­rer Anrufer, Gerhard Geiger, hatte das Inter­net bemüht und die klare Antwort parat, dass »Milter« der Lohn des Müllers in Form von Getrei­de sei, das ihm zum Mahlen gebracht wurde. (1÷16 oder 1/32 der Gesamtmenge).

In einer Beschrei­bung der Bretta­cher Mühle im Inter­net ist ein Sprich­wort des Müllers aufge­führt: »Milter und kehren muß den Müller ernähren«.

In einem Kaufver­trag dersel­ben Mühle aus dem Jahr 1837 wird unter Punkt 8, das »Milter« betref­fend, erwähnt:
.… »so darf er (der Müller) von allen rauhen Früch­ten, als von Dinkel und Einkorn etc. den 16. Teil oder das 16. Simre *) fordern und nehmen, und ist er von allen glatten Früch­ten, ohne Ausnah­me, wann sie auf die Mühle geschüt­tet und gegerbt **) werden, den 16. Teil zu nehmen berech­tigt; ebenso ist er berech­tigt, von allem in die Mühlen gebrach­ten Weizen der zu Mehl gemah­len wird, er mag gegerbt werden oder nicht, den 16. Teil als Milter zu nehmen. Von allen glatten Früch­ten hinge­gen, mit Ausnah­me des Weizens, die in die Mühle gebracht, aber nicht gegerbt, sondern nur gemah­len und geschro­ten werden als von Roggen, Kernen, Gersten, Haber, Acker­boh­nen, Wicken, Welsch­korn und derglei­chen darf er nur die Hälfte, also den 32. Teil nehmen. Jedoch ist die Bestim­mung nur für die hiesi­gen Ortsan­ge­hö­ri­gen, welch ihren gesetz­li­chen Wohnsitz hier haben, anwend­bar. Die Behand­lung von Auswär­ti­gen bezüg­lich des Milters ist dem Müller überlas­sen, der densel­ben in seinem eigenen Inter­es­se, um eine Kundschaft zu erhal­ten, nicht zu viel Milter abneh­men wird.«

*) Im gleichen Bericht ist der Begriff »Simre« erklärt: »Simre oder Simme­re« hölzer­nes Messge­fäß für Getrei­de mit einem eiser­nen Querbü­gel.
Im Heimat­mu­se­um finden Sie solche Messgefäße.

**) Der Begriff »gerben« wird dort so erklärt: »Gerbgang = Mühlen­gang, bei dem die noch nicht »nackten« Getrei­de­sor­ten wie Dinkel und Hafer geschält wurden.«

Die Oberko­che­ner Schee­rer­müh­le hat einen Gerbgang. Hans Schee­rer erneu­er­te in Oberko­chen die Tradi­ti­on des im Land im Ausster­ben begrif­fe­nen Dinkel­an­baus er baute Dinkel auf seinem Dinkel-Acker im »Bühl« an.

Im Heimat­mu­se­um steht eine »Putzmüh­le«, mit der das gedro­sche­ne Getrei­de, d.h. (also die noch nicht »nackten« Körner), vermit­telst eines Windrads von den Schalen (Spelzen/Spreu) getrennt wurde. Sprich­wort: Die Spreu vom Weizen trennen.

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