Am Montag dieser Woche übergab Anni Borst dem Vorsit­zen­den des Heimat­ver­eins Oberko­chen eine Reihe alter Urkun­den zur Schee­rer­müh­le, die noch zu Lebzei­ten ihres Mannes Walter Borst in dessen Besitz überge­gan­gen waren. Leider konnte Walter Borst die Überga­be an den Vorsit­zen­den des HVO nicht mehr, wie beabsich­tigt und verspro­chen, persön­lich vorneh­men, da er in der dafür in Aussicht genom­me­nen Zeit bereits sehr krank gewor­den war. Herr Borst hatte dem Vorsit­zen­den schon zu einem wesent­lich frühe­ren Zeitpunkt angekün­digt, dass er, wenn es einmal so »weit« ist, einige Bücher und Urkun­den, darun­ter das Mühlen­buch, an den Heimat­ver­ein geben werde. Seine Ehefrau Anni hat das Verspre­chen nun eingelöst.

So kamen insge­samt 10 Schrift­stü­cke in den Besitz des Heimat­ver­eins, darun­ter eines der wohl bemer­kens­wer­tes­ten Oberko­che­ner Geschichts-Dokumen­te, nämlich das »Mühlen­buch von 1751«.Dafür, sowie für die Überlas­sung der anderen Dokumen­te, bedan­ken sich Vorstand­schaft und Ausschuss des Heimat­ver­eins sehr herzlich bei Anni Borst.

Die Urkun­den stellen für unser Heimat­mu­se­um eine faszi­nie­ren­de Berei­che­rung dar. Bereits bei der Planung des Heimat­mu­se­ums war für diese Dokumen­te eine Vitri­ne , die sogenann­te Mühlen­vi­tri­ne, vorge­se­hen (Raum 4) worden, die bislang mit Dokumen­ten anderer Art belegt war. Sobald die neuen Expona­te in das Museum integriert sind, werden wir die Öffent­lich­keit darüber informieren.

Über das Mühlen­buch von 1751 ist schon viel berich­tet und geschrie­ben worden. Ich zitie­re aus dem kleinen Heimat­büch­lein der Gemein­de Oberko­chen, das Steuer­in­spek­tor Franz Balle 1953, also genau vor 50 Jahren verfasst hat. Es wird derzeit von unserem Mitglied Helmut Gold von Grund auf überar­bei­tet. Die Seiten 115 — 125 befas­sen sich mit dem Mühlenbuch.

Zitat:
Aus der wirtschaft­li­chen und politi­schen Bindung der Unteren Mühle zu ihrer Grund­herr­schaft in alten Jahrhun­der­ten erzählt ein altes Mühlen­buch aus dem Jahre 1750/51. Dieses Buch liegt heute noch in der Unteren Mühle auf und wird von der heuti­gen Besit­zers­fa­mi­lie (Schee­rer, D.B.) als ein kostba­res Klein­od aufbe­wahrt. Das Buch erzählt in 13 Kapiteln (Abbil­dung 1, Ausschnitt Kapitel 1 — 8) gefasst von dem Besitz­um­fang der Mühle, ihrem Besitz­wech­sel, ihren Gerech­tig­kei­ten und ihren Verpflich­tun­gen. Es erzählt aber auch von ihrem Ringen um ihr Recht und der Abwehr von Schika­nen, die ihr oft von irren­den Menschen zugedacht waren. Im Jahr 1951 ist über dieses Buch bereits ein allge­mein gehal­te­ner Artikel geschrie­ben worden, der sich mit dem Alter des Buches, sowie mit seiner Form und seinem Inhalt befasst hatte. Der in altdeut­scher Schrift­spra­che von Hand geschrie­be­ne Inhalt bedarf bei seiner Entzif­fe­rung einiger Mühe. Diese aber lohnt sich und so sei im Nachste­hen­den daraus etwas vom Wesent­li­chen in unserer heuti­gen Lesart übernommen.

Oberkochen

In Kapitel 1 ist in weit ausho­len­der Schreib­art festge­legt, dass die Untere Mühle zu Oberko­chen ein zum Kloster Königs­bronn gehöri­ges Erble­hen war. Um das Jahr 1750/51 war ein Cristi­an Blick­le Besit­zer dieser Mühle. Blick­len, heißt es, ist königs­bron­ni­scher Unter­tan und klöster­li­cher Hinter­saß. Am 4. Septem­ber verkauf­te Blick­len die Mühle an den ellwan­gi­schen Unter­tan Franz Kienin­ger. Der Kaufver­trag musste dem Landes­her­ren, damals Herzog Karl, zur Geneh­mi­gung vorge­legt werden. Auf die Vorla­ge hin erschie­nen von der herzog­li­chen Kanzlei drei umfang­rei­che Schrei­ben, in welchen alle Dinge darge­tan werden, die bei diesem Besitz­wech­sel zu beach­ten waren.

Kloster­ver­wal­ter in Königs­bronn war damals ein Amtmann Hochstet­ter. (Abbil­dung 2). (Bei Balle heißt der Amtmann fälsch­li­cher­wei­se »Hofstet­ter« D.B.) An ihn waren die Schrei­ben gerich­tet. Sie trugen jeweils die Anrede »Lieber Getreu­er!« Der Inhalt der Briefe legte die Anwei­sun­gen fest, die bei dem Besitz­wech­sel der Mühle genau zu beach­ten waren. Da ist die Rede von dem Kaufpreis, der damals 4200 Gulden betra­gen hatte. Weiter ist die Rede von der Ausfer­ti­gung der Quittung, der Festset­zung der Ziele, der Haftung der neuen Mülle­rin mit ihren drei Kindern und dem Gutha­ben eines frühe­ren Besit­zers Blezin­ger (vermut­lich Johann Georg Blezin­ger, 1717 — 1795 D.B.) über 1800 Gulden, die als Last auf der Mühle lagen. (Alle Regelun­gen verfügt der Herzog persön­lich.) Auch wird in den Briefen daran erinnert, dass die Mühlknech­te auf den Mühlstaat und die Mühlord­nung zu verei­di­gen seien. Inter­es­sant ist, dass ein Satz in den Briefen davon spricht, der Herzog habe davon Kennt­nis, dass die Ehehal­ten (Eheleu­te ? D.B.) auf der Mühle der Landes­re­li­gi­on (evange­lisch) zugetan seien und dass deren Privat­le­ben nicht zu beanstan­den sei.…
Ende Zitat.

Oberkochen

Das Buch im späte­ren »Kanzlei­for­mat« besteht aus insge­samt 42 vorder- und rücksei­tig beschrie­be­nen Seiten. Der Text ist gut leser­lich geschrie­ben, aller­dings in einer schwer verständ­li­chen Sprache, unter anderem auch deshalb, weil er mit unzäh­li­gen latei­ni­schen Wörtern durch­setzt ist.

Seite 1 besteht aus einem Lageplan aus dem Jahr 1751 (Abbil­dung 3)
Im Beschrieb wird die Mühle als »Die Hochfürstl. Württernbg. Mühlin zu Oberko­chen« bezeich­net. Im »Nro. Weisser« (Nummern­be­schrieb) werden die in den Plan einge­tra­ge­nen Zahlen wie folgt beschrieben:

Oberkochen

Aus der Zeich­nung ist ferner ersicht­lich, dass es vor 250 Jahren vier Mühlrä­der gegeben hat. Einer späte­ren Beschrei­bung ist zu entneh­men, dass es sich hierbei um unter­schläch­ti­ge Mühlrä­der handel­te. Im Lageplan, der anläss­lich des Neubaus der Unteren Mühle im Jahr 1877 sind immer noch vier kleine Mühlen­rä­der in einer Art Zusam­men­zeich­nung einge­zeich­net: Das neue heuti­ge große oberschläch­ti­ge Rad ist in diesen Plan ebenfalls schon einge­tra­gen. Der Heimat­ver­ein hofft weiter darauf, dass sich die Frage »Schee­rer­müh­le« bald einem guten Ende zugeführt werden kann — es tut weh, zusehen zu müssen, wie die äußere Mühlen Technik, soweit sie mit Wasser zu tun hat zerfällt. Auch das nun 125 Jahre alte Mühlrad stirbt seit 10 Jahren so vor sich hin. Das Landes­denk­mal­amt hat mir als ehren­amt­li­chem Mitar­bei­ter erklärt, es könne in ein schwe­ben­des Verfah­ren nicht erhal­tend eingreifen.

Dietrich Bantel

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