Wie in BuG vom 7. 1. angekün­digt, veröf­fent­li­chen wir in dieser und den 5 folgen­den Ausga­ben von BuG auf vielfa­chen Wunsch den von OStD. i. R. Volkmar Schrenk am 22. Novem­ber 1999 im voll besetz­ten Bürger­saal gehal­te­nen Vortrag zum Thema »250 Jahre Aalener Proto­koll«, im vollen Wortlaut. Das »Proto­koll« stell­te Verhal­tens­re­geln zum Zusam­men­le­ben im seit der Refor­ma­ti­on konfes­sio­nell und politisch geteil­ten Dorf Oberko­chen auf. Das Regel­werk wurde exakt 250 Jahre vor dem Tag des Vortrags, nämlich am 22. Novem­ber 1749 in Aalen unterzeichnet.

Dietrich Bantel

Bericht 359
Am 22. Novem­ber 1749, also vor 250 Jahren, wurde das sog. »Aalener Proto­koll« unter­zeich­net, das Regeln für’s Zusam­men­le­ben im damals staat­lich und konfes­sio­nell geteil­ten Dorf Oberko­chen festleg­te, aber auch Fragen der Waldnut­zung und der Forst­gren­zen zwischen dem Herzog­tum Württem­berg und der Fürst­props­tei Ellwan­gen klärte. Bei der Gedenk­ver­an­stal­tung der beiden Kirchen­ge­mein­den und des Heimat­ver­eins am 22. Novem­ber 1999 stell­te OStD. a.D. Volkmar Schrenk den Vertrag und dessen Umfeld dar. In dieser und den folgen­den Serien unserer Reihe bringen wir Auszü­ge aus seinem Vortrag.

Sehr geehr­te Damen und Herren,
was würden Sie antwor­ten auf die Frage »Was haben Oberko­chen und Berlin gemein­sam?« Nichts? oder »das eine ist ein kleines Dorf, das andere ein großes«, oder »man kann doch eine Maus nicht mit einem Elefan­ten verglei­chen!« Nun gut, dennoch gibt es in der Geschich­te beider etwas gemein­sa­mes: sie waren geteilt! Berlin nahezu 40 Jahre durch die Mauer, Oberko­chen aber rund 250 Jahre durch eine Grenze, die zeitwei­lig als Staats­gren­ze zwischen den souve­rä­nen Staaten Herzog­tum Württem­berg und Fürst­props­tei Ellwan­gen beim heuti­gen Bohrer­ma­cher­brun­nen sogar durch eine Zollsta­ti­on markiert zugleich auch Religi­ons­gren­ze zwischen dem protes­tan­ti­schen Herzog­tum und dem katho­li­schen Fürsten­tum war. Diese Grenz­si­tua­ti­on führt uns direkt zum Thema des heuti­gen Abends, der von den beiden Oberko­che­ner Kirchen­ge­mein­den und dem Heimat­ver­ein Oberko­chen gemein­sam durch­ge­führt wird und der dem sog. »Aalener Proto­koll« gewid­met ist, einem Dokument, das auf den Tag genau heute vor 250 Jahren auf damals neutra­lem Boden der Reichs­stadt Aalen — deshalb auch »Aalener Proto­koll« — unter­zeich­net wurde, nachdem es Unter­händ­ler des Herzog­tums Württem­berg mit Vertre­tern der Fürst­props­tei Ellwan­gen ausge­han­delt hatten.

Diesen Vertrag möchte ich Ihnen in drei Abschnit­te näher­brin­gen, indem ich

  1. histo­ri­sche Hinter­grün­de, die zur Teilung Oberko­chens führten aufzeige,
  2. Inhal­te und Bedeu­tung des Proto­kolls würdi­ge und
  3. Konse­quen­zen und Perspek­ti­ven bis in unsere Zeit anspreche.

1. Histo­ri­sche Hinter­grün­de
Verset­zen wir uns ins Jahr 1358, in dem Aalen für zwei Jahre von den Grafen von Oettin­gen an Württem­berg verpfän­det war, ein durch­aus nicht einma­li­ger Vorgang, denn Kaiser Karl IV. hatte z. B. schon 1353 die Vogtei des Klosters Königs­bronn um 600 Mark Silber an die Grafen von Helfen­stein verpfän­det. Aber auch in Oberko­chen wechsel­ten Lehens­gü­ter die Herrschaft, denn Ritter Otte von Kalten­berg vom Lonetal verkauf­te seine 12 Oberko­che­ner Lehens­hö­fe samt Mühle und Taver­ne (dem späte­ren Gasthaus »Hirsch«) an das Zister­zi­en­ser-Kloster Königs­bronn um 1369 Pfund Heller und so darf man wohl anneh­men um Anrecht auf späte­res Seelen­heil zu erwer­ben. Andere Oberko­che­ner Hofstät­ten waren, wie die Lager­bü­cher des Benedik­ti­ner­klos­ters Ellwan­gen auswei­sen, zuvor schon und auch danach an Ellwan­gen gefal­len. Auch die erstmal 1140 urkund­lich genann­ten Herren von Kochen, deren Wappen die Vorla­ge zum Oberko­che­ner Stadt­wap­pen abgab, besagen Güter in Oberko­chen, die im Lauf der Zeit ebenfalls an Ellwan­gen übergin­gen, so dass bis zum Ende des 12. Jahrhun­derts Oberko­che­ner Liegen­schaf­ten größten­teils sich in Hand der beiden Klöster Königs­bronn und Ellwan­gen befan­den, was für die Oberko­che­ner keinen allzu großen Unter­schied ausmach­te. Denn ob sie etwa ein Drittel ihrer Erträ­ge aus Feld und Wald dem Abt oder dem Propst als Lehens­her­ren abzulie­fern, oder ob sie zu Fastnacht ein Huhn nach Königs­bronn oder auf die Unter­ko­che­ner Kocher­burg zu tragen hatten, machte keinen großen Unterschied.

Oberkochen

Einen gravie­ren­den Unter­schied gab es aller­dings: beide Klöster gehör­ten verschie­de­nen Orden an. In Ellwan­gen war im Jahr 1460 das schon seit 700 Jahren bestehen­de Benedik­ti­ner­klos­ter aufge­löst und in ein weltli­ches Chorher­ren­stift unter Leitung eines Fürst­propsts umgewan­delt worden.

Die Fürst­props­tei blühte in kurzer Zeit auf und wurde zum geisti­gen und künst­le­ri­schen Zentrum, aber auch zur staat­li­chen Macht, deren Bedeu­tung sich in sakra­len Bauten und Kunst­wer­ken wider­spie­gelt, wofür die in den letzten Wochen renovier­te Basili­ka ein gutes Beispiel ist.

Die Königs­bron­ner Zister­zi­en­ser dagegen verzich­te­ten auf Pracht und Prunk, für sie führten Einfach­heit, Entsa­gung und Verzicht zur Erlösung. Doch waren sie auch praktisch orien­tiert und erhiel­ten schon im Jahr 1365 ein kaiser­li­ches Privi­leg für Eisen­erz­ver­ar­bei­tung an Kocher und Brenz­ur­sprung mit Hammer­werk und Schlackenwäsche.

Damit war aber die Entwick­lung noch nicht zur Ruhe gekom­men. Im Jahr 1504 werden die Herrschaft Heiden­heim samt dem Kloster Königs­bronn und dem ihm gehören­den Drittel von Oberko­chen württem­ber­gisch, und somit können wir festhal­ten, ab dem 16. Jahrhun­dert hatten zwei verschie­de­ne Herrschaf­ten das Sagen in Oberko­chen, der Ellwan­ger Propst, der zugleich auch weltli­cher Herrscher war, und der Königs­bron­ner Abt als Vertre­ter Württem­bergs. Doch alle Unter­ta­nen besaßen (wie man heute sagen würde) »dassel­be Gesang­buch«, so sie überhaupt eines ihr eigen nannten, — und sie feier­ten ihre Gottes­diens­te in der einen Oberko­che­ner Kirche. Doch diese einheit­li­che religiö­se Ausrich­tung sollte anders werden, denn die Refor­ma­ti­on spalte­te das Dort auch konfes­sio­nell.

Während Ellwan­gen in der Zeit von Refor­ma­ti­on und Gegen­re­for­ma­ti­on trotz zeitwei­li­ger evange­li­scher Herrschaft letzt­end­lich katho­lisch blieb, wurde Königs­bronn, die Fronten immer wieder wechselnd und obwohl die Zister­zi­en­ser­mön­che sich 20 Jahre lang wider­setz­ten, 1553 endgül­tig evange­lisch. Damit war aber auch über das Schick­sal des kleinen 600-Seelen-Dorfes Oberko­chen entschie­den, es wurde — was ja eigent­lich nur großen Reichs­städ­ten zugestan­den war — konfes­sio­nell gemisch­te Gemein­de, in der die ellwan­gi­schen Unter­ta­nen weiter­hin katho­lisch waren, die »königs­bron­ni­schen« jedoch evange­li­schem Glauben anhingen.

Damit war die Staats­gren­ze zwischen Württem­berg und der Fürst­props­tei Ellwan­gen auch zur Religi­ons­gren­ze geworden.

Während aber erste­re mitten im Ort am Katzen­bach zeitwei­se sogar durch eine Zollsta­ti­on markiert war, ließ sich die Religi­ons­gren­ze nicht einfach ausma­chen, da durch die eingangs angespro­che­nen Veräu­ße­run­gen von ritter­li­chem Besitz an beide Klöster schon vor der Refor­ma­ti­on verschie­dent­lich ellwan­gi­sche Unter­ta­nen im Königs­bron­ner Gebiet und umgekehrt wohnten. Deshalb gab es nach der Konfes­si­ons­spal­tung »evange­li­sche Königs­bron­ner Häuser« im katho­li­schen Gebiet und »ellwan­gi­sche Häuser« mit katho­li­schen Einwoh­nern im evange­li­schen Bereich. Folglich war die Religi­ons­gren­ze räumlich nicht eindeu­tig zu lokali­sie­ren, sie existier­te dennoch, vor allem in den Köpfen und Herzen der Oberkochener.

Deshalb mußten im Lauf der Zeit Regeln erlas­sen werden für das Zusam­men­le­ben der Unter­ta­nen »im gemein­sa­men Flecken Oberko­chen«. Dies geschah durch eine im Jahr 1562 verkün­de­te und 1578 neu und stren­ger gefass­te Dorford­nung, über die wir in der Fortset­zung berichten.

Volkmar Schrenk

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