Lager 7 und 8

Lager 7
Über dieses Lager, das sich beim Kaltwalz­werk befand — die Baracke steht in umgebau­ter Form noch heute — stell­te uns Josef Rosen­ber­ger eine Reihe von Infor­ma­tio­nen zur Verfü­gung, die wir hier zusammenfassen.

Das Werk wurde im April 1941 als kriegs­wich­ti­ger Betrieb einge­stuft. Vermut­lich in der 2. Jahres­hälf­te 1942 wurden der Firma 46 Ostar­bei­ter zugeteilt.

Um diese — sie lagen zunächst in der alten TVO-Turnhal­le — besser unter­zu­brin­gen, wurde noch 1942 eine RAD-Baracke auf dem Firmen­ge­län­de aufge­stellt, die dann 1943 von ca. 40 dieser Fremd­ar­bei­ter bezogen wurde, während der Rest weiter­hin in der Turnhal­le unter­ge­bracht war. Entge­gen der Bauge­neh­mi­gung wurde die Baracke übrigens mit einem gemau­er­ten Keller (Küche und Aufent­halts­raum) ausge­führt, was mit einer Geldstra­fe geahn­det wurde. Der Baracken­bau selbst war ein Holzaufbau.

Die Ostar­bei­ter (also Zwangs­ar­bei­ter, aber keine Kriegs­ge­fan­ge­nen im eigent­li­chen Sinn) werden als »kahlge­scho­ren« beschrie­ben. Sie bekamen ein paar Mark Lohn. Der Diffe­renz­be­trag zum Lohn eines deutschen Arbei­ters mußte, nach Abzug der Unkos­ten für Essen usw., als Ostar­bei­ter-Abgabe an das Finanz­amt abgeführt werden. Die Behand­lung der Ostar­bei­ter wird als »normal« bezeich­net. Die meisten waren Ukrai­ner und konnten Deutsch, das sie angeb­lich in der Schule hatten lernen müssen.

Am Ende des Krieges verschwan­den alle Ostar­bei­ter. Es ist nicht bekannt, inwie­weit sie zurück in ihre Heimat gingen oder im Westen verblie­ben sind.

1946 wurde der Holzauf­bau der Baracke durch Mauer­werk ersetzt und 2 Werks­woh­nun­gen und ein WC über die Unter­kel­le­rung gebaut. Die alten Fußbö­den wurden überschlif­fen. Zunächst wohnten deutsche Werks­an­ge­hö­ri­ge, später jugosla­wi­sche Mitar­bei­ter in der ehema­li­gen Zwangs­ar­bei­ter­ba­ra­cke, die heute nur noch von einzel­nen Perso­nen bewohnt ist.

Oberkochen

Aus einem Bericht von Proku­rist W. Sauer­brey vom 2.8.1979, den uns Maria Findei­sen zur Verfü­gung stell­te, veröf­fent­li­chen wir mit freund­li­cher Erlaub­nis die nachfol­gen­de Passa­ge, die die Gesamt­si­tua­ti­on der damali­gen Zeit eindring­lich beschreibt:

Nachdem wir (das Kaltwalz­werk) von den Ameri­ka­nern besetzt waren, wurden alle Kriegs­ge­fan­ge­nen und zivilen Fremd­ar­bei­ter freige­las­sen. Nach Einsi­cke­rung von russi­schen Kriegs­ge­fan­ge­nen began­nen auch unsere zivilen Ukrai­ner zu plündern. Die Ameri­ka­ner verhiel­ten sich bei den Plünde­run­gen zurück­hal­tend. Als ich die ameri­ka­ni­sche Militär­po­li­zei um Schutz bat, weil Russen mit Brech­stan­gen versuch­ten, den Geldschrank im Büro aufzu­bre­chen, kam zwar ein Jeep vorge­fah­ren, unter­nom­men wurde aber gar nichts, obwohl die Russen nicht einmal die Brech­stan­gen aus der Hand legten. So wurde auch das ganze Magazin geplün­dert und alles durch­ein­an­der gewor­fen. Viel Wäsche, Kleidung und Hausrat, welches von Völklin­ger Kolle­gen hier einge­la­gert war, gingen verlo­ren, ebenso fast alles Werkzeug aus der Schlos­se­rei. Trotz­dem konnten wir später den zweiten Elektro­ofen aufbau­en, weil wir alle Teile bis auf einige unwich­ti­ge Kleinig­kei­ten wieder zusam­men fanden.

Meine größte Sorge galt nun der Besei­ti­gung der Plünde­rungs­schä­den und der Wieder­in­be­trieb­set­zung des Werkes. Da alles Werkzeug gestoh­len war, bin ich mit dem Fahrrad weit herum­ge­fah­ren, um Werkzeu­ge zu beschaffen .…«.

Oberkochen

Lager 8
Gefan­ge­nen- und Zwangs­ar­bei­ter-Baracken auf dem Gelän­de der Firma WIGO

Ungefäh­rer Lageplan »WIGO« 1945
Baracke 1 (»Russen­mäd­chen­ba­ra­cke«) und Baracke 2 (nicht mehr verwen­det) A = Werks­ge­bäu­de WIGO, B = Portier­haus, C = Gärtne­rei, D = Villa Grupp, E und F = Werks­ge­bäu­de WIGO.

Lager 8 gehör­te zur Firma Wilhelm Grupp Oberko­chen (WIGO). Es bestand aus insge­samt mindes­tens 2 Baracken. Die exaktes­te Beschrei­bung liegt uns von einer sehr großen einge­zäun­ten Baracke vor (Baracke 1), die links am heuti­gen Penny-Markt vorbei fast unten am Kocher lag. Anton Hug (JG 1922), ehem. Mitar­bei­ter der Firma WIGO, berich­tet, daß in dieser Baracke zwischen 70 und 80 »Russen­mäd­chen« aus der Ukrai­ne unter­ge­bracht waren.

Arthur Hassin­ger und August Pfeifer, 2 ehema­li­ge WlGO-Mitar­bei­ter, bestä­ti­gen, daß gegen Kriegs­en­de eine weite­re Baracke (Baracke 2) paral­lel zur Straße errich­tet worden war. Diese Baracke wurde jedoch nicht mehr mit Kriegs­ge­fan­ge­nen belegt. In beide Baracken wurden nach dem Krieg Flücht­lin­ge und Heimat­ver­trie­be­ne eingewiesen.

Adolf Wunder­le, Anton Hug und Gertrud Fröhlich nannten insge­samt 3 Oberko­che­ner, die in den WIGO-Baracken als Aufsichts­per­so­nal einge­setzt waren, und zwar Josef Schnei­der, Eugen Schaupp (vormals Toten­grä­ber) und Josef Fritz.

Bei WIGO arbei­te­ten, wie Anton Hug berich­tet, außer Russin­nen und Russen ca. 40 bis 50 franzö­si­sche Kriegs­ge­fan­ge­ne, die jeden Tag unter Bewachung herge­führt und abends wieder wegge­bracht wurden. (TVO-Turnhal­le?)

Nach dem Krieg seien die Russin­nen mit den freige­las­se­nen Franzo­sen »recht vergnügt« gewesen. Die Franzo­sen wurden als zum Teil sehr gute und intel­li­gen­te Fachar­bei­ter, viele von ihnen Dreher, beschrie­ben, mit denen gut auszu­kom­men war. Die meisten seien recht sympa­thisch gewesen. Herr Hug zeich­ne­te ein anschau­li­ches Bild, wie man sich den damali­gen Alltag bei WIGO vorstel­len muß, vor allem, was die Russin­nen betrifft.

Die Russen­mäd­chen hat man in »Blaue Antons« gesteckt — sie hatten fast nichts zum Anzie­hen und schon gar nichts zum Wechseln. Ihre Wäsche haben sie im Kocher gewaschen. Die Hygie­ne­si­tua­ti­on sei für die Mädchen unerträg­lich gewesen, weshalb sie »unange­neh­me Ausdüns­tun­gen« verbrei­te­ten, und manche Mitar­bei­ter nicht gerne in ihrer Nähe gearbei­tet haben. Die Mädchen seien aber fast durch­weg nett gewesen sie hätten ihm wegen der oben beschrie­be­nen Umstän­de leid getan.

Nachts, aber auch während der Arbeit, hatten sie immer wieder begon­nen, heimat­li­che Lieder zu singen, die sehr traurig und melan­cho­lisch klangen. Der Vorar­bei­ter, ein ekelhaf­ter Mensch aus Unter­ko­chen namens P. (Name bekannt) ein 110-iger Nazi, habe ihnen aber das Singen während der Arbeit auf bruta­le Art untersagt.

P. sei auch sonst mit den Russen­mäd­chen übel umgegan­gen. Er habe sich jedoch, genau­so wie andere, die ebenfalls Mitleid mit den Mädchen gehabt hatten, nicht getraut, gegen P. vorzu­ge­hen, weil die »schwar­zen Hugs«, wie alle, die damals nicht in der Partei waren, zu den »schwar­zen Schafen« in Oberko­chen zählten.

Herr Hug wußte, daß im »Grünen Baum« eine Anzahl deutscher KHD-(Kriegshilfsdienst) Mädchen unter­ge­bracht waren, die ebenfalls bei WIGO arbei­te­ten. Von denen habe eines in einer Werks-Toilet­te etwas mit einem gefan­ge­nen Franzo­sen gehabt. Der genann­te Vorar­bei­ter P. habe sie angezeigt, und sie habe sich, weil sie nicht mehr ein noch aus wußte, aus dem Giebel­fens­ter vom »Grünen Baum« zu Tode gestürzt, was er, Anton Hug, bezeu­gen könne. Der Vorar­bei­ter P. sei an dem Selbst­mord schuld gewesen. Niemand habe sich getraut, etwas zu sagen — so sei die Angele­gen­heit totge­schwie­gen worden. Nur wenige Oberko­che­nern sei dieser Vorfall (Arthur Hassin­ger weiß davon) damals bekannt geworden.

Dietrich Bantel

Lager 8 (WIGO)
Richtig­stel­lung und Ergän­zung zu Bericht 317

Durch neue Infor­ma­tio­nen ergibt sich für Lager 8 folgen­de Situa­ti­on: Emil Elmer teilte mit, daß die beiden in Bericht 317 zum Lager 8 genann­ten Baracken 1 und 2 nicht als Zwangs­ar­bei­ter­ba­ra­cken sondern als Lager­raum und als Kanti­nen­ge­bäu­de (jetzt Baracke 3) gedient haben. Der Lager­raum wurde erst nach dem Krieg gebaut und ist im neuen Plan nicht berücksichtigt.

Im Anschluß an den Schwei­ne­stall (H) lag in südli­cher Richtung Baracke 2. Sie war, wie wir erst jetzt erfah­ren, von russi­schen Zwangs­ar­bei­tern bewohnt. Eine Zahl ist bis jetzt nicht bekannt. Wir werden uns weiter­hin kundig machen.

Baracke 1, die »Russen­mäd­chen­ba­ra­cke«, lag noch weiter südlich Richtung Forel­len­tei­che fast am Kocher. Sie wurde, wie sich Herr Elmer erinnert, nach Kriegs­en­de »warm abgebro­chen«. Sammler von unseren Berich­ten bitten wir, diese Angaben zusam­men mit Bericht 317 aufzubewahren.

Dietrich Bantel

Damit ergibt sich ein neuer Lageplan:
Erklä­rung zum Lageplan WIGO 1945 (neu) — Lager 8

Oberkochen

Baracke 1: Russen­mäd­chen­ba­ra­cke,
Baracke 2: Russen­ba­ra­cke,
Baracke 3: Alte Kanti­ne
A = Werks­ge­bäu­de WIGO (Schmie­de, Bohrwerks­dre­he­rei, Sägerei, Monta­ge. Im Anbau: Öllager).
B = Portier­haus,
C = Werks­ge­bäu­de WIGO (Drehe­rei, Fräse­rei) heute Penny­markt.
D = Villa Grupp.
E und F = Werks­ge­bäu­de WIGO,
G = Gärtne­rei,
H = Schweinestall.

Dietrich Bantel

Oberkochen

Weitere Berichte aus dieser Kategorie

Weitere Berichte