Sie sind am Ausster­ben, die »zäunte Wänd« und wo sie noch sind, hätte man sie am liebs­ten los, weil sie so langsam kaputt gehen. Meist sind sie weit über 100, oft sogar mehre­re hundert Jahre alt. Fest steht, daß sie gegen Ende des letzten Jahrhun­derts aus Sicher­heits­grün­den (Feuer) verbo­ten wurden. »Zäunen«, oder »zeinen« bedeu­tet so viel wie »Korbflech­ten«. Gemeint ist hier aber nicht das Flech­ten von Körben, sondern das Einfü­gen von einem korbar­ti­gen Geflecht aus Holzstä­ben, Ruten und Reisig in die leeren Gefache von Fachwerk­häu­sern, die von beiden Seiten her mit Lehm verschmiert wurden.

Diese Wandbau­tech­nik ist uralt und bis in die vorrö­mi­sche Zeit, ja selbst die jünge­re Stein­zeit nachweis­bar. Auch die Römer selbst verwen­de­ten diese Technik. Man nennt sie »Schlier­rie­gel­bau­wei­se«.

Anläß­lich der Ausgra­bung des Römer­kel­lers 1971 wurden sowohl Holzstä­be als auch denen Abdrü­cke in Lehm vom aufge­hen­den Fachwerk­mau­er­werk gefun­den. Der Lehm ist gebrannt, die Stäbe verkohlt, was — wie auch andere Hinwei­se — darauf hindeu­tet, daß das Oberko­che­ner Römer­ge­bäu­de wohl beim Alaman­nen­sturm um die Mitte des 3. nachchrist­li­chen Jahrhun­derts nieder­ge­brannt wurde. Eine Reihe von solchen Belegen können im Heimat­mu­se­um, Raum 2, besich­tigt werden.

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Vor allem bei den Alaman­nen, die, im Gegen­satz zu den Römern, ausschließ­lich in Holz bauten, war diese Bauwei­se verbrei­tet. Das ist auch der Grund, weshalb wir von der älteren römischen Archi­tek­tur zahlrei­che Zeugen auf der Schwä­bi­schen Alb haben, von der alaman­ni­schen so gut wie gar nichts. Sie ist vergan­gen. Da Holzbau­wei­se und vor allem das »Verrie­geln« der Gefache mit Flecht­werk und Lehm billi­ger waren, als die Stein­bau­wei­se, wurden »zäunte Wänd« bis vor 100 Jahren vor allem dort verwen­det, wo kein Geld für einen Stein­bau oder das »Verrie­geln« der Gefache mit Stein­werk, vorhan­den war.

3 Gründe gab es, diese »billi­ge« Bauwei­se, häufig erst nachträg­lich, in ihrer gesam­ten Fläche zu verput­zen. Erstens waren die Zäunten Wände nicht luftdicht — sie mußten ständig nachge­dich­tet werden. Zweitens waren sie nicht »einbruch­si­cher« — Gesin­del gab es zu allen Zeiten, und eine »zäunte Wand« konnte mit ein paar Schlä­gen einge­drückt werden und drittens sah man dem Haus von außen an, daß in der Regel arme Leute drin wohnten. Aller­dings brach­te das Verput­zen von Fachwerk­häu­sern auch Proble­me mit sich, weil sich der Verputz und das darun­ter­lie­gen­de Fachwerk bei Wärme und Kälte verschie­den stark ausdeh­nen und Risse­bil­dung und Abblät­tern des Verput­zes vorpro­gram­miert sind.

Zur Herstel­lung der »zäunten Wände« wurden in der Regel in der Senkrech­ten Espen- oder Eichen­stämm­chen (Stick­schei­ter) verwen­det, für das Querge­flecht, sozusa­gen den Durch­schuß, Hasel­ru­ten (Schie­nen). (Quelle: Angeli­ka Bisch­off-Luith­len in »Der Schwa­be und die Obrig­keit« S. 159). Richti­ger erscheint mir aller­dings die Schreib­wei­se »Schinen« zu sein. Herr Wingert kennt die Wandbau­wei­se unter der Bezeich­nung »Faschi­nen­bau­wei­se«. Der Duden erklärt das Wort »Faschi­ne«, mit franz. »Reisig­bün­del zur Siche­rung von Uferbö­schun­gen«. Das Wort »Stick­schei­ter« hängt mit Stecken oder Stöcken zusammen.

Ehe man den Lehm auf das Geflecht schmier­te, wurde das Flecht­werk meist mit Reisig verdich­tet und »griffig« gemacht. Der Lehm wurde mit klein­ge­schnit­te­nem Stroh, Kuhmist und Straßen­kot »gestreckt« und hatte ungefähr die Konsis­tenz von frischem Kuhmist. Bei Neben­ge­bäu­den wurde die Oberflä­che nicht verputzt und deshalb bündig mit dem Holzfach­werk ausge­führt, bei Wohnge­bäu­den wurde sie in das Geflecht hinein­ge­quetscht und die aufge­schmier­te Schicht um die Dicke der Putzschicht schwä­cher ausge­führt. Die Putzschicht wurde in der Regel jedoch nur bis an, nicht über das Holzfach­werk gelegt.

In Oberko­chen gibt es eine ganze Reihe von verputz­ten Fachwerk­häu­sern, wobei mir aber nicht bekannt ist, wie das Riegel­werk unter dem Verputz aussieht.

Die Beispie­le, die ich früher im Unter­richt zeigte (Plüder­hau­sen, Mögglin­gen) sind inzwi­schen abgebro­chen. Deshalb bin ich den Herren Bruno Wingert und Martin Gold — »Bär« — dankbar für den Hinweis, daß es in der Heiden­hei­mer Straße neben dem Gebäu­de Wingert bis auf den heuti­gen Tag ein hervor­ra­gen­des Beispiel für eine »zäunte Wand« gibt, das, aufgrund der Tatsa­che, daß der Verputz abbrö­selt, in seiner Konstruk­ti­on genau studiert werden kann.

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Lorem ipsum dolor sit amet, consete­tur sadipscing elitr, sed diam nonumy eirmod tempor invidunt ut labore et dolore magna Es handelt sich um das ehema­li­ge landwirt­schaft­li­che Anwesen Karl Scherr, Gebäu­de Heiden­hei­mer Straße 35, das lt. Auskunft der Gebäu­de­brand­ver­si­che­rung (Sitz Aalen) im Jahr 1792, also vor über 200 Jahren, errich­tet wurde. Nachdem es lange Jahre im Besitz der Fa. A. Bäuerle war, wurde es vor ca. 3 Jahren von der GE0 erwor­ben, und es ist damit zu rechnen, daß es in abseh­ba­rer Zeit abgebro­chen wird. Das Fachwerk-Gebäu­de weist 3 verschie­de­ne Wandober­flä­chen auf. Von der Straßen­sei­te her und an der Giebel­sei­te Richtung Königs­bronn ist es ganzflä­chig verputzt. Die Giebel­sei­te ist im Verputz bereits so schad­haft, daß die darun­ter­lie­gen­de Lehmschicht an 2 Stellen sicht­bar ist, das Flecht­werk ist aber noch abgedruckt. Auf der Rücksei­te, dem Kocher zu, liegt das Fachwerk offen, und nur die Flächen zwischen den Gefachen sind verputzt, der Verputz ist jedoch rissig und droht jeden Augen­blick abzublät­tern. Die Giebel­wand zwischen diesem Gebäu­de und dem ortsein­wärts eng angren­zen­den Gebäu­de 33 Wingert, (im Erdge­schoß bis Juli 97 Textil­haus Grau), befin­det sich in desola­tem Zustand, der jedoch archi­tek­tur­ge­schicht­lich von großem Inter­es­se ist. Hier ist der Verputz zwischen den Gefachen weitge­hend vom darun­ter­lie­gen­den Korbge­flecht abgeblät­tert. An vielen Stellen kann man die Lehmsch­mot­ze, mehrfach ausge­bes­sert, die stärke­ren Senkrecht­höl­zer (Stick­schei­ter) und die durch­ge­floch­te­nen dünnen Hölzer (Schie­nen), hervor­ra­gend erken­nen, letzte­re fast ausschließ­lich der Länge nach zu flachen Bändern gespal­ten. An einer Stelle scheint auch einge­füg­tes Reisig erkenn­bar. Auffal­lend ist, daß die Stick­schei­ter in den paral­le­lo­gram­mahn­li­chen Gefachen des Giebels entspre­chend der Dachnei­gung schräg liegen.

Abschlie­ßend möchte ich darauf hinwei­sen, daß das alte Wort »zeinen« — »zäunen« selbst­ver­ständ­lich in seinem Ursprung auf das Flech­ten von Zäunen zurück­geht. Aus dem Mittel­al­ter sind mir zahlrei­che Bildbei­spie­le bekannt, auf denen gefloch­te­ne Zäune zu sehen sind, so, wie man sie bis heute noch in abgele­ge­nen Gegen­den in Tirol sehen kann.

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Darf ich darum bitten, daß mir mitge­teilt wird, wo noch in Oberko­chen »zäunte Wänd« zu sehen sind. Wir möchten sie gerne fotogra­fisch belegen.

Dietrich Bantel

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