Am Diens­tag, 19. März 1996, wurde am Neubau »Altes Schwes­tern­haus« Richt­fest gefei­ert, was uns Anlaß war, die 240jährige Geschich­te des für Oberko­chen doch bedeu­ten­den Vorgän­ger­ge­bäu­des und seine vielfäl­ti­ge Nutzung aufzu­ar­bei­ten — die wichtigs­ten: Schwes­tern­sta­ti­on, Kinder­gar­ten und ursprüng­lich Schule.

Franz Balle schreibt in seinen Heimat­blät­tern, die in »Bürger und Gemein­de« No 26 vom 28.8.1953 veröf­fent­licht wurden: »Die Einrich­tung der ersten Schule im Dorfe Oberko­chen ist urkund­lich nicht festzu­stel­len. Nach Vermu­tun­gen darf das 16. Jahrhun­dert angenom­men werden. Der Unter­richt wurde zunächst im Raum eines Privat­hau­ses gehal­ten. Später lesen wir dann von einem Schul- und Mesner­haus neben der Kirche.«
Dies ist mit Sicher­heit bereits der Stand­ort des Vorgän­gers des später errich­te­ten Schul­ge­bäu­des, das bis 1755 dort stand.

Frau Dorothea Feihl, Lehre­rin an der Dreißen­tal­schu­le, berich­tet in den »Beiträ­gen zur Heimat­kun­de«, die 1961/62 von Lehrern der Volks­schu­le unter Rektor Hagmann heraus­ge­ge­ben wurden, ausführ­lich, wie im 18. Jahrhun­dert ein Schul­haus­neu­bau immer dring­li­cher wird. Infol­ge von Geldman­gel kommt es jedoch immer wieder nur zu Repara­tu­ren. 1735 wird der Giebel des Gebäu­des als »verfault« und der Zustand des Hauses als »lebens­ge­fähr­lich« beschrieben.

Das Entste­hungs­jahr des Neubaus war noch vor 50 Jahren unklar. Nach den 1942 erstell­ten Angaben der Württem­ber­gi­schen Gebäu­de­brand­ver­si­che­rung stammt das Gebäu­de »Aalener Straße 6« der katho­li­schen Kirchen­ge­mein­de St. Peter und Paul aus dem Jahr 1812, in den Unter­la­gen mit Frage­zei­chen verse­hen. 1953 nennt Franz Balle als Entste­hungs­jahr das Jahr 1788.

Oberkochen

Erst Frau Dorothea Feihl kommt 1961/62 dem wirkli­chen Entste­hungs­jahr korrekt und dem Archi­tek­ten annähernd auf die Spur.

Das Ergeb­nis ihrer Nachfor­schun­gen wurde von Herrn Rudolf Heite­le in einen Bericht über die Entwick­lung des Schul­we­sens 1986 ins Oberko­che­ner Heimat­buch übernom­men und ergänzt. Dort heißt es, gekürzt: »Im Zusam­men­hang mit der umfas­sen­den »Fürst­lich Ellwan­gi­schen Schul­ord­nung« von 1749 sah sich die katho­li­sche Kirchen­ge­mein­de mit der Notwen­dig­keit konfron­tiert, neben der Kirche ein neues Schul­haus zu bauen. Nach zwei vollen Jahren elenden Papier­kriegs konnte am 28.6.1755 endlich mit dem Bau begon­nen werden. Die Pläne und den Kosten­vor­anschlag von 771 Gulden 25 Kreuzer hatte Arnold Fried­rich Prahl erstellt«. Frau Dorothea Feihl war offen­bar auf die richti­ge Quelle gesto­ßen, kombi­nier­te aber falsch, denn ihrer Ansicht nach, so schreibt sie, müsse der Baumeis­ter nicht Prahl, sondern Pahl gehei­ßen haben, da dieser Name in Aalen häufig sei.

An dieser Stelle sind ein paar Bemer­kun­gen zu dem, wie sich 25 Jahre später heraus­stell­te, namhaf­ten Barock­ar­chi­tek­ten A. F. Prahl notwendig.

Arnold Fried­rich Prahl lebte von 1709 ‑1758 und wurde bereits 28jährig vom Fürsten Franz Georg von Schön­born (1682 — 1756), Kurfürst von Trier und seit 1732 Herr der Fürst­props­tei Ellwan­gen, zum Stadt- und Landbau­meis­ter ernannt. Prahl hatte sich an eine neue, 20 Punkte umfas­sen­de, von Franz Georg Schön­born erlas­se­ne Bauord­nung zu halten.

Prahls Leben war dicht und arbeits­reich, zumal er nicht selten auch allei­ni­ger Leiter nicht unbedeu­ten­der indus­tri­el­ler Unter­neh­mun­gen war (Garnsie­de­rei, Leinwand­fa­brik, Porzel­lan­fa­brik) und überdies eine militä­ri­sche Stellung innehat­te. Allein in Ellwan­gen baute er 3 Gasthäu­ser (Golde­ner Adler, Golde­ner Pflug, Zum Wilden Mann — letzte­res gehör­te ihm, das erstge­nann­te gibt es noch heute) und eine Reihe von öffent­li­chen und priva­ten Gebäu­den. Bei seinen Mitbür­gern stand er in hohem Ansehen. Aus seiner Ehe gingen 12 Kinder hervor.
Das Oberko­che­ner Schul­haus baute er als 46jähriger, 3 Jahre vor seinem Tod.

Auffal­lend an dem Oberko­che­ner Schul­haus ist die Ähnlich­keit mit dem Pfarr­haus von Schwabs­berg bei Ellwan­gen. Beide Gebäu­de haben ein mächti­ges Krüppel­walm­dach, beide haben über dem Erdge­schoß 2 Oberge­schos­se und beide Gebäu­de werden durch einen Eingang an der linken Trauf­sei­te über einen großräu­mi­gen zentra­len Gang erschlos­sen, aller­dings ist das Schwabs­ber­ger Pfarr­haus äußer­lich aufwen­di­ger und reprä­sen­ta­ti­ver gestal­tet. Das katho­li­sche Schul­ge­bäu­de und späte­re Schwes­tern­haus von Oberko­chen ist ein reiner Zweckbau.

Nun lesen wir weiter im Heimat­buch: »Finan­ziert wurde der Schul­bau durch Holzein­schlag im Peters­hau. Für 1200 Gulden wurde das einge­schla­ge­ne Holz schließ­lich nach Unter­ko­chen verkauft. Die Stiftungs­pfle­ge hatte sehr damit gerech­net, daß die Oberko­che­ner Bauern die Spann­diens­te kosten­los machen würden. Doch dies hatten sie im Frühjahr beim Bau des Pfarr­hofs schon überreich­lich getan. Jetzt waren sie nur noch bereit, einen Sonder­preis von 30 Kreuzern statt der sonst üblichen 40 Kreuzer zu machen.«

Der 1755 errich­te­te einzi­ge reprä­sen­ta­ti­ve Barock­bau Oberko­chens, sparta­nisch aber markant, hat im Lauf seiner 240jährigen Geschich­te bis zu seinem Abbruch im Jahr 1995 eine Reihe von Änderun­gen erfah­ren.
1830 wurde ein Plan zur Erwei­te­rung des Schul­hau­ses mit einem Voranschlag von 560 Gulden vorge­legt und im Lauf der Zeit auch verwirk­licht. Im oberen Bereich des Gebäu­des befand sich, wie im 1860 errich­te­ten evange­li­schen Schul­haus, die Lehrerwohnung.

Schwes­ter Zita beschrieb 1989 für den Heimat­ver­ein die Geschich­te des Hauses wie folgt:

»Mit seiner markan­ten Krüppel­walm­dach­fas­sa­de diente das Gebäu­de bis 1901 als katho­li­sches Schul­haus. Im unteren Stock­werk waren zuletzt 3, im oberen 4 Klassen­räu­me und die Lehrerwohnung.

Im gleichen Jahr (1901) fand der Umzug der Schule in den Backstein-Neubau in der Dreißen­tal­stra­ße statt (Fuchs­bau). Nun wohnte in den oberen Räumen Schnei­der Anselm Stroh­mai­er, die Erdge­schoß­räu­me dienten als Wohnung für arme Leute und Taglöh­ner.
Im Jahr 1904 fand eine Renovie­rung des gesam­ten Gebäu­des statt.

Im Novem­ber des Jahres 1906 zogen die ersten katho­li­schen Schwes­tern in das Gebäu­de ein. Sie wohnten in den oberen Räumen. Außer­dem befand sich oben noch ein Näh- und Handar­beits­saal. Im unteren Saal wurde ein Allzweck­raum einge­rich­tet, der 1910 neu gestal­tet wurde.

Dort wurde im Oktober (Kirch­weih­sonn­tag) dessel­ben Jahres der katho­li­sche Kinder­gar­ten einge­rich­tet. Der obere Saal verblieb weiter als Nähsaal.

1928 und dann nochmals 1930 wurde der Bau eines neuen Schwes­tern­hau­ses disku­tiert. Aus den Plänen wurde jedoch nichts. Das Geld reich­te dann 1934 ledig­lich zu einer gründ­li­chen Renovie­rung des alten Gebäu­des, in welchem dann die Büche­rei einge­rich­tet wurde.«

Bei Alt-Oberko­che­nern verbin­den sich nostal­gi­sche Erinne­run­gen mit dem Schwes­tern­haus dieser Jahre: Unver­ges­sen bleibt der riesen­gro­ße, dunkle, hallen­ähn­li­che, auch im Sommer stets kühle Gang hinter dem Eingang von der Kirche her, in welchem nur ein einzi­ges ebenso großes wie geheim­nis­vol­les Möbel­stück stand: Der Medika­men­ten­schrank, in welchem die immer liebens­wür­di­gen und hilfs­be­rei­ten Schwes­tern Salben, Pülver­chen, Tröpf­chen, heilsa­me Wässer­chen und Elixie­re aller Art und Verbands­zeug aufbe­wahr­ten, und aus dem sie nicht nur Kranken und Schwer­kran­ken, sondern auch Kindern, die sich beim Spielen verletzt hatten, erste Hilfe angedei­hen ließen, wenn ihnen durch Betäti­gung der großen Glocke an der Pforte Einlaß gewährt worden war.

Der Inbegriff einer liebens­wür­di­gen Schwes­ter dieser Zeit war Schwes­ter Lina. — Auch, daß um die Oster­zeit aus dem oberen Stock bin und wieder »dr Has rausguckt hat«, weiß man noch gut — es war dies ein großer, aus Pappe gefer­tig­ter Oster­ha­se, der sich langsam hin und her beweg­te, womit eine der Schwes­tern — beson­ders in Erinne­rung geblie­ben ist Schwes­ter Lina — den Kindern unten auf der Straße Freude und Gaudi berei­te­te. Das waren noch Zeiten.

Doch es gibt auch Erinne­run­gen ganz anderer Art: Einer Eintra­gung in die Pfarr­chro­nik durch Pfarrer Jans (1936 — 1948), genau einen Monat nach seiner Inves­ti­tur, ist am 1. Juli 1936 zu entneh­men: »Der Ortsgeist­li­che erhält vom Bezirks­schul­amt Heiden­heim, wie alle Kapitals­geist­li­chen, den Erlaß: Da Sie nicht bereit waren, das von den Geist­li­chen in ihrer Eigen­schaft als Religi­ons­leh­rer in öffent­li­chen Schulen gefor­der­te Treue­ge­löb­nis in der verlang­ten Weise ohne Vorbe­hal­te und Erklä­run­gen irgend­wel­cher Art abzule­gen, bin ich beauf­tragt, Ihnen den Religi­ons­un­ter­richt an der Volks­schu­le mit sofor­ti­ger Wirkung zu entzie­hen und für Ertei­lung des Religi­ons­un­ter­richts durch Lehrer Sorge zu tragen. Seit dieser Zeit wird der Religi­ons­un­ter­richt vom Ortsgeist­li­chen im Auftrag des Bischofs im Sommer in der Kirche, im Winter im Schwes­tern­haus erteilt. Wie lange wohl?«

Oberkochen

Etwa 20 Jahre später, im Jahr 1954, wurde das neue Schwes­tern­haus in der Bühlstra­ße dann tatsäch­lich verwirk­licht. Ab diesem Zeitpunkt erst nannte man das Gebäu­de »Aalener Straße 6« »Altes Schwesternhaus«.

Ein großer Teil der Räume wurde von der katho­li­schen Kirchen­ge­mein­de vermie­tet. So diente der kleine Eckraum im EG an der Straße gegen den Turm, erkenn­bar an dem im Vergleich zu den anderen Fenstern im EG etwas kleine­ren und mit dem Sims höher gelege­nen Fenster, das durch einen höher liegen­den Fußbo­den, darun­ter Keller, bedingt war, (im Neubau sind alle Fenster gleich groß) vom Oktober 1955 bis Dezem­ber 1957 der seiner­zeit von der Ärzte­kam­mer Oberko­chen zugewie­se­nen Ärztin Frau Dr. Marian­ne Schwarz als behelfs­mä­ßi­ger Praxis­raum, in dem es weder Heizung noch Wasser gab. Der daneben gelege­ne größe­re Eckraum gegen Straße und Gebäu­de Nagel war von Kolping belegt, das Stock­werk darüber vermie­tet. Im »Höfle«, so erinnert sich Frau Dr. Schwarz, war es so eng, daß der Dr. Schwarz’sche Lloyd (»Leuko­plast­bom­ber«) nicht hineinpaß­te und auf der Straße stehen mußte. Diese Zeit verbin­det sich mit dem Namen der Schwes­ter Aspedia. Bis zum Ende der Nutzung des Gebäu­des befan­den sich in den oberen Räumen eine Wohnung und Jugend­räu­me. Die Biblio­thek der katho­li­schen Kirchen­ge­mein­de, 1954 einge­rich­tet, wurde 1968 ins Rupert-Mayer-Haus verlegt.

Im Zusam­men­hang mit der Geschich­te des »Alten Schwes­tern­hau­ses« sei an Lehrer Johann Konrad Balluff (1799−1859) erinnert, der von 1827–1851 in diesem Gebäu­de wohnte. (Siehe Berich­te 158 — 160 in BuG 1992).

Durch Gemein­de­rats­be­schluß vom 1.2.1994 wurden die Voraus­set­zun­gen dafür geschaf­fen, daß im Rahmen einer Bebau­ungs­plan­än­de­rung das alte Schwes­tern­haus abgebro­chen und unter Beibe­hal­tung der vertrau­ten Fassa­de gegen die Aalener Straße neu errich­tet wird.

Dietrich Bantel

Quellen:

  1. Ellwan­ger Jahrbü­cher, 1917/19
  2. Unter­la­gen der Württ. Gebäu­de­brand­ver­si­che­rung, 1942
  3. Heimat­büch­lein Franz Balle, 1953
  4. »Bürger und Gemein­de« No. 26 v. 28.8.1953
  5. »Unsere kirch­li­che Heimat Oberko­chen«, Febru­ar 1953
  6. »Oberko­chen« — Beiträ­ge zur Heimat­kun­de Volks­schu­le Oberko­chen, 1961/62
  7. Heimat­buch Oberko­chen, 1986
  8. Bericht der Schwes­ter Zita, 1989
  9. Eigene Recher­chen

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