Misstö­ne
Zunächst gab sie gar keine Töne mehr von sich, die Baßgei­ge des Heinrich M., der am 11. Novem­ber 1828 beim Hirsch­wirt »an des Melchi­or Gerwegs Hochzeit zum Tanz« aufge­spielt hatte. Erheb­li­che Mißstim­mung kam aber auf, als M. den Joseph Katzen­stein beschul­dig­te, »er habe seine Baßgei­ge, welche zur Bergmu­sik gehöre, zu Schaden gebrun­gen«, und Katzen­stein dies energisch bestritt. Er »gebrau­che keine Lügen und gehe nicht mit Unwahr­hei­ten um«, wenn ich — so dachte er bei sich selbst — auch nur ein Findel­kind bin.

Hier ist anzumer­ken, daß (wie im Oberko­che­ner Heimat­buch auf Seite 443 berich­tet) Hafner Hug ihn einst als kleines, jämmer­li­ches Päckchen am Katzen­stein gefun­den hatte. Da auf seiner Windel »J.K.« geschrie­ben stand, ließ Hug den Knaben auf den Namen Joseph Katzen­stein taufen und nahm ihn in seine Familie auf. Dieser »J.K.« war also nun in den Musiker­streit verwi­ckelt, ja beschul­digt, die Baßgei­ge von Merz absicht­lich beschä­digt zu haben.

Nun wurden Zeugen gesucht. »Fried­rich Braun, des Hirsch­wirts Bräuknecht« sollte aussa­gen, daß »die Baßgei­ge schon einen Riß und er deshalb mit M. einen Wortwech­sel gehabt habe«. Johann Eisele, »einer unter vielen, die im Wirts­haus waren, sollte als Zeuge angeben, daß der M. absicht­lich auf Katzen­stein zugesprun­gen sei«, um zu vertu­schen, daß das Instru­ment schon zuvor einen Schaden hatte.

Doch Eisele, vom Schult­hei­ßen vorge­la­den, machte einen Rückzie­her, »er selbst habe nichts gesehen und nur den Lärm gehört, die Betei­lig­ten müßten selbst am besten wissen, wer es getan habe«. Damit konnte Schult­heiß Schee­rer wenig anfan­gen. Da er aber seine Pappen­hei­mer kannte, machte er »schult­hei­ßen­amt­lich den Vorschlag, daß Kläger M. und Beklag­ter Katzen­stein die Repara­tur mitein­an­der bezahl­ten sollten, jeder je zur Hälfte«. Da Merz »keinen besse­ren Beweis« liefern konnte, gab er schließ­lich per Unter­schrift sein Einver­ständ­nis zu dieser Schadens­re­gu­lie­rung. »Auch Katzen­stein anerkann­te nach gehöri­ger Beleh­rung« das Verfah­ren. Ob er aller­dings bezahl­te, ist nicht bekannt, denn nach dem Bericht im Heimat­buch »ging er in die Schweiz und man hörte nichts mehr von ihm«.

Nicht nur bei der Tanzmu­sik gab es gelegent­lich Mißtö­ne, auch unter den Kirchen­mu­si­kern kam es zu Unstim­mig­kei­ten. Schul­meis­ter Balluff war erst seit kurzer Zeit in Oberko­chen, aber er hatte zusam­men mit Pfarrer Lauth die Musik in der katho­li­schen Kirche neu organi­siert und einen Kirchen­chor gegrün­det. Nicht, daß zuvor keine Musik in der Kirche gemacht worden wäre. Schon 30 Jahre früher hatten sich unter Leitung von Balluffs Vorgän­ger, Schul­meis­ter Franz Anton Gold, Musiker zusam­men­ge­fun­den: »Joseph Friz, Franz Anton Wingert, Johan­nes Elmer, Jakob Elmer, Joseph Gold und Johan­nes Schoch«. Sie traten bei Hochzei­ten, Begräb­nis­sen und an hohen Feier­ta­gen mit ihren Instru­men­ten in Aktion. Ihr Reper­toire war recht ansehn­lich und es war nicht notwen­dig, bei Hochzeit und Leichen­be­gräb­nis dassel­be Stück — mal fröhlich-rasch, mal langsam-getra­gen — zu spielen. Sogar auswär­ti­ge Verpflich­tun­gen hatten sie, und so kam auch etwas Geld herein das sie in einer eigens angefer­tig­ten »Musikan­ten­la­de« sammel­ten und auf Jahres­en­de verteilten.

Um diese Musikan­ten­la­de entbrann­te nun im Januar 1828 der Streit.

Joseph Friz hatte die Lade nach dem Aufzug von Schul­meis­ter Balluff aus dem Schul­haus, ihrem angestamm­ten Aufbe­wah­rungs­ort, entfernt. Grund dafür war für ihn, daß Schul­meis­ter Gold bei seinem Ausschei­den ihm den Schlüs­sel für die Lade gegeben, diese also in seine Verant­wor­tung gestellt hatte.

Lehrer Balluff wollte dagegen die bishe­ri­ge Gepflo­gen­heit beibe­hal­ten und beanspruch­te die Aufsicht über Lade und Geld. Da Friz nicht einlenk­te, klagte Balluff beim Schult­hei­ßen­amt um Heraus­ga­be der Lade.

Bei der mündli­chen Verhand­lung versteif­te sich Friz auf den Stand­punkt, »die Lade sei gemein­sam von den vorne aufge­führ­ten Musikern angeschafft und bezahlt worden, also gehöre sie auch diesen« und Schul­meis­ter Balluff solle gefäl­ligst die Hände davon lassen. Dennoch fand Schult­heiß Schee­rer eine Lösung, die dem bekann­ten salomo­ni­schen Urteil sehr nahe kommt. Er verfüg­te nämlich, »die Musikan­ten-Lade soll im Aufstreich (d.h. durch Verstei­ge­rung) verkauft und der Erlös möge den noch vier leben­den Mitglie­dern der alten Gilde überlas­sen werden«.

Ein solch schmäh­li­ches Ende der vielge­lieb­ten und langge­dien­ten Musikan­ten-Lade wollten nun die alten Musiker nicht herauf­be­schwö­ren, man einig­te sich schließ­lich mit Schul­meis­ter Balluff und den aktiven Musikern über den weite­ren Gebrauch der Lade, — und sie tat noch viele Jahre gute Dienste.

Oberkochen

Zum Foto:
Herr Stadt­bau­meis­ter i.R. Kranz hat dem Heimat­ver­ein eine größe­re Anzahl Fotos überlas­sen, die während seiner Amtszeit als Orts- und Stadt­bau­meis­ter entstan­den sind. Herzli­chen Dank dafür (und zur Nachah­mung empfoh­len)! Wir veröf­fent­li­chen zu den Berich­ten über altes kommu­na­les Gesche­hen einige Fotos aus der Bilder­spen­de von Herrn Kranz.

Volkmar Schrenk

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