Im Jahr 1957 wurde der Rohbau des CZ-Jugend­wohn­heims in der Jenaer Straße 2 — 4 errich­tet unter dem Arbeits­ti­tel »Lehrlings- und Jungar­bei­ter­wohn­ge­bäu­de«. Das neue Rathaus gegen­über entstand erst 10 Jahre später.

Eigen­tü­mer des CZ-Jugend­wohn­heims war das Jugend­so­zi­al­werk e. V. in Stutt­gart. Das Gebäu­de wird in den Akten beschrie­ben als »freiste­hend, 3 1/2‑stockig, von Stein, unter Giebel­dach, mit Küche und Speise­saal­an­bau­ten an der Westsei­te.« An der Jenaer Straße ergab sich inklu­si­ve der Anbau­ten eine Bauge­samt­län­ge von über 56 m.

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Unser HVO-Archiv-Foto 1, das im Januar 1958 von Herrn Robert Wolff aufge­nom­men wurde, zeigt den Rohbau des Haupt­ge­bäu­des von der Guten­b­ach­sei­te her. Am linken Bildrand sieht man den im Bau befind­li­chen Küchen- und Saalanbau.

Die Belegung schwank­te von anfäng­lich über 70 bis später bei plusmi­nus 30 Jugend­li­chen. Für die Einzel- und Doppel­zim­mer gab es mehre­re Toilet­ten und einen großen Wasch­raum, einen Aufent­halts­raum und einen Leseraum im Haupt­ge­bäu­de. Im Souter­rain unter dem Saal entwi­ckel­te sich in den Sechzi­ger­jah­ren ein Jugend­treff, zu dem sich sehr bald auch sogenann­te »Nicht-Tsetset­ler« einfan­den. Es gab Feste, Bälle, Vorträ­ge. Gelegent­lich traten das »Bildungs­werk«, der Vorläu­fer der Oberko­che­ner Volks­hoch­schu­le, und andere Organi­sa­tio­nen als Veran­stal­ter auf.

Heimlei­ter waren von Anfang an Herr Riedel, später Herr Dr. Reiff. Hausmeis­ter war das Ehepaar Plötner, die in der Hausmeis­ter­woh­nung im Jugend­wohn­heim wohnten.

Herr Stadt­rat Hartmut Müller wohnte als junger Mann ab 1964 im CZ-Jugend­wohn­heim. Ihm verdan­ken wir die folgen­den Infor­ma­tio­nen. — (Das CZ-Archiv verfügt über keine Unterlagen).

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Als Jugend­ver­tre­ter baute Herr Müller eine leben­di­ge und gut organi­sier­te Jugend­ar­beit auf. 1967 wurde durch seine Initia­ti­ve und unter seiner Leitung der CZ-Jugend­club gegrün­det. Unser 2. Foto zeigt von links Frau Inge Müller, Herrn Hartmut Müller, Herrn Dipl.- Ing. Dieter Herth (Chef der Carl Zeiss Berufs­bil­dung), Herrn Dr. Werner Boeck (Perso­nal­chef) und Herrn Hans Börner (gewerb­li­cher Ausbil­dungs­lei­ter) bei einem Arbeits­ge­spräch im CZ-Jugendwohnheim.

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Dieses Foto sowie auch unser 3. Foto, das die Jugend­club­lei­tung im alten Clubraum im Jugend­wohn­heim zeigt (rechts vorne Jürgen Becker im Gespräch mit von links, Wolfgang Kieslich und Hartmut Müller), stammen von Herrn Jürgen Tuente aus dem Jahr 1968. Im Souter­rain entstand der sogenann­te »Inter­club«, wo gepflegt getanzt wurde, wie auch der »Beatschup­pen«, wo’s zwischen­durch heiß herging.

Da das Jugend­wohn­heim nicht immer voll belegt war, wurden dort von der Firma auch junge auslän­di­sche Schulungs­leu­te unter­ge­bracht, so daß unter den Jugend­li­chen inter­na­tio­na­le Kontak­te geknüpft werden konnten.

Ab 1968, nachdem die Räume renoviert worden waren, gab es außer den ständi­gen Freitags­ver­an­stal­tun­gen ein regel­rech­tes Programm mit Gemein­schafts­aben­den, Kultur­nach­mit­ta­gen, Wande­run­gen, Fahrten, Garten­fes­ten und Spiel­ver­an­stal­tun­gen, Vorträ­gen, Diskus­sio­nen und Gesprächs­run­den. Die Mitglie­der­zahl des CZ-Jugend­clubs beweg­te sich bei über 50 Jugend­li­chen. 1969 dankte die Jugend­ver­tre­tung — es sind viele bekann­te Namen darun­ter — in ihrem Mittei­lungs­blatt folgen­den Referen­ten für Vorträ­ge und Gespräche:

Den Herren Dr. Boeck, Börner, v. Heintschel, Dipl.-Ing. Herth, Janssen, Kaufmann, Martin, Porzig, Dr. Reiff, Schäff­au­er, Schwarz, Schymik, Dipl.-Ing. Sporkert, Dr. Thümm­ler, Tuente, Walther, Weiß, Deneke, Pfarrer Forster und Pfarrer Geiger, Held, Kirch­ner, Mäurer, Metzler und Vomhoff.

Vor dem Mauer­bau fanden auch Übersied­ler aus der Ostzo­ne Unter­kunft im CZ-Jugend­wohn­heim. Später wurden nicht beleg­te Räume an Mitar­bei­ter der Firma Carl Zeiss vermietet.

Eine farbi­ge Schil­de­rung aus den Sechzi­gern verdan­ken wir Frau Rachota, die ab 1962 Küchen­che­fin war. »Die Buben mußten damals noch 20 nach 7 Uhr antre­ten. Da gab’s noch keine Gleit­zeit — die mußten pünkt­lich sein. Dann ist man halt morgens rauf auf die Zimmer und hat die Jungen rausge­fegt, wenn sich gar nichts gerührt hat. Ersatz­mut­ter war man, und gleich­zei­tig Feldwe­bel, — letzte­res vor allem bei den Tanzver­an­stal­tun­gen, wenn die Kerle nicht gespurt haben. Manch­mal half Herr Klett vom CZ-Heim Aalen aus, wenn größe­re Feste gefei­ert wurden. Aber schön war’s — und immer war was los. Als das Heim jetzt abgeris­sen wurde, kam Wehmut auf.«

Ab 1969 wurde der CZ-Jugend­club in den CZ-Kinder­gar­ten am Guten­bach ausquar­tiert, da die Wohnungs­bau­ab­tei­lung der Firma die Räumlich­kei­ten im CZ-Jugend­wohn­heim ander­wei­tig benötig­te. Nun wohnten dort Service-Techni­ker im Prakti­kum der Techni­schen Optik. Als Jugend­wohn­heim hatte das Gebäu­de ausge­dient. Durch Gemein­de­rats­be­schluß vom 17.12.1984 erwarb die Stadt Oberko­chen das Gebäu­de samt Grund um DM 760.000,- und die Firma miete­te es für weite­re 3 Jahre bis zum 31.12.1987 von ihr. Es wurde bis zu diesem Zeitpunkt für den Bereich Anwen­dungs­tech­nik für Mikro­sko­pie und medizi­ni­sche Geräte genutzt. Paral­lel dazu fand die Ausbil­dung der Service-Techni­ker in diesen Waren­grup­pen statt.

Ab 1988 stand das Haus leer. Die Hausmeis­ter­woh­nung wurde zeitwei­se zur Unter­brin­gung von Asylan­ten genutzt. Vom 15.3.1993 datiert der gemein­de­rät­li­che Verga­be­be­schluß zum Abbruch des Gebäudes.

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Unser Foto 4 (von Herrn Robert Wolff aus dem Jahr 1966) zeigt das CZ-Wohnheim vom späte­ren Eugen-Bolz-Platz her. Im Vorder­grund wird die Baustel­le zum Neubau des Rathau­ses einge­rich­tet.
Unser 5. Foto (D.B.) zeigt das Gebäu­de während des Abbruchs im Frühjahr 1993.
Der erste Spaten­stich für den Bau des Alten­pfle­gehei­nis, das an dieser Stelle vom Deutschen Roten Kreuz errich­tet werden wird, fand am 23.6.1993 statt.

Nachtrag zum Bericht 195 v. 9.7.93
Carl-Zeiss-Jugend­wohn­heim
In Vervoll­stän­di­gung der Bericht­erstat­tung vom 9.7.93 teilen wir mit, daß die Heimlei­tung anfäng­lich zweige­teilt war. Während Herr Riedel, der in unserem Bericht in dieser Funkti­on erwähnt wurde, die Heimlei­tung auf dem Gebiet der pädago­gi­schen Jugend­be­treu­ung inne hatte, oblagen Herrn Karl Ehren­berg von 1958 ‑1964 die Verwal­tung und das Finanz­we­sen. Sowohl er als auch Herr Riedel waren seiner­zeit neben­bei sehr darum bemüht, zusätz­li­che Gelder für Fahrten, auch ins Ausland, locker zu machen, indem sie bei der Oberko­che­ner Indus­trie vorsprachen.

Dietrich Bantel

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