Fragen zu Bild 14:
Wann ist das Foto entstan­den?
Um welche Gebäu­de handelt es sich bei den mit weißen Pfeilen gekenn­zeich­ne­ten 3 Bauwerken?

Oberkochen

Lösung zu Bild 14:
Bei den in BuG v. 15.4. durch Pfeile markier­ten Gebäu­den handelt es sich von links nach rechts um die Villa Emil Leitz (heute Bäuerle), die Kreuz­müh­le und die Obere Mühle.

»Obere Mühle« (siehe auch Bericht Nr. 23)

Das Foto 14 wurde fast 50 Jahre später von einem ähnli­chen Stand­punkt aufge­nom­men wie unser Foto 1, das in BuG v. 15.1. abgebil­det und in BuG vom 22.1. bespro­chen wurde. (Bei dieser Gelegen­heit sei darauf hinge­wie­sen, daß es sich im Foto 1 bei dem Gebäu­de am linken Bildrand nicht um die Obere Mühle, sondern um das Gebäu­de Wunder­le, vormals Mühlen­bau­er Mauser (Heiden­hei­mer­str. 71), vor der Tankstel­le Willer, handelt. Die Obere Mühle ist auf dem Foto 1 rechts vom Bahnhof undeut­lich zu erkennen.)

Zu unserem Foto 14:
Aufgrund des bauli­chen Bestands der Fa. Gebr. Leitz kommt als Entste­hungs­jahr das Jahr 1923 in Betracht. Die beiden im rechten unteren Eck angeschnit­te­nen dunklen Dächer gehören zu der damals noch bestehen­den Ziege­lei Karl Gold; nicht weit davon entfernt stand die Villa Fritz u. Heinrich Leitz (1914), die 1980 einem Neubau der Fa. Carl Zeiss weichen mußte. Der kleine Bau mit weißem Giebel, 2 Kaminen und der verwin­kel­ten Dachform darüber ist das ehema­li­ge Kanti­nen­ge­bäu­de der Fa. Gebr. Leitz.

Auch die beiden freiste­hen­den, von der Firma Leitz errich­te­ten Häuser in der Först­erstra­ße weisen auf die frühen Zwanzi­ger­jah­re hin. Sie wurden 1922/23 für Firmen­an­ge­stell­te errich­tet. In ihnen wohnten zuerst Fried­rich Eichling (Haus Nr. 7, 1922), später Hermann Illg, Betriebs­lei­ter bei Leitz, später Vorsit­zen­der des Schwä­bi­schen Albver­eins und Gemein­de­rat, — heute Fischer/Napoleon, im anderen Haus Anton Fischer/Lift (Schim­mi), (Haus Nr. 9, 1923). In der Bahnhof­stra­ße (mittle­rer Pfeil) ist als relativ neuer Bau die ehema­li­ge Villa Emil Leitz (1921) zu erken­nen, — seit 1952 Bäuerle.

Das bei weitem inter­es­san­tes­te Gebäu­de ist jedoch die im Jahre 1953 abgeris­se­ne Obere Mühle, auf die hier näher einge­gan­gen werden soll; sie ist sowohl im Heimat­buch wie in »Alt-Oberko­chen« nur kurz erwähnt. Ihre Geschich­te lag und liegt noch teilwei­se im Dunkeln. Einiges spricht dafür, daß die Mühle eine länge­re als die bis heute von uns nachweis­ba­re Geschich­te hat.

Aus den von Herrn Kuno Gold zusam­men­ge­tra­ge­nen Unter­la­gen geht hervor, daß die »Obere Mühle« bereits vor dem 30-jähri­ge Krieg bestan­den hat. Mit Datum vom 17.5.1617 steht in ellwan­gisch-fürst­prob­s­tei­li­chen Urkun­den geschrie­ben: (Heimat­buch Seite 352)

»Sebas­ti­an Schaupp (Basti), Müller zu Oberko­chen, verkauft seine ingehab­te »Fahlmihl« (?) seinem Sohn Wilhelm Schaupp… im Beisein Melchi­or Strei­cher, ellwan­gisch Schult­heis, Dietrich März, württem­ber­gisch Schult­heis, Jerg Glaser, Jerg Hanen und Hannss Hüber.«

Das heißt, die »Obere Mühle«, und um diese kann es sich nur handeln, da sie die Schaupp­müh­le ist, muß, wenn sie 1617 an den Sohn verkauft wurde, schon eine gerau­me Zeit vor diesem Jahr bestan­den haben, — mögli­cher­wei­se bereits vor 1600.

Eine weite­re urkund­li­che Erwäh­nung weist in das Jahr 1640. Herr Kuno Gold schreibt auf Seite 352 des Heimatbuchs:

1640 »Sebas­ti­an Schaupp (Basch­te), Obermül­ler zu Oberko­chen, kauft die Obere Mühle (ellw.) … hinter dem Stadel des Hanns­sen Drittler.«

Wie oft die Mühle zwischen 1640 und 1843, (1. Erwäh­nung in den Akten des Stadt­bau­arp­ts) ihren Besit­zer gewech­selt hat, hier aufzu­zäh­len, führt zu weit. Fest steht, daß der vorletz­te nachweis­ba­re Müller ein Müller Franz Anton Lindner (Linder) ist, der am 17.1.1843 um Geneh­mi­gung für den Einbau eines Ofens in seine Mühlstu­be ersuch­te. 1847 ersucht er um Geneh­mi­gung für die Einrich­tung einer »Gypsmüh­le« mit oberschläch­ti­gem Wasser­werk in sein schon bestehen­des Wasch- und Backhaus jenseits des Kocher­ka­nals. (Hier entstand später die Ziehe­rei). 1852 ersucht Müller Linder um Geneh­mi­gung für die Ausbes­se­rung der Vertä­fe­lung am Giebel.

Laut Gebäu­de­brand­ver­si­che­rung aus dem Jahre 1942 entsteht ein Jahr darauf, im Jahre 1853, ein Mühlen­neu­bau. Leider existie­ren hierüber keine Bauak­ten (sodaß nicht sicher ist, ob der Neubau noch unter Müller Linder entstan­den ist)(?).

1876 übernimmt Müller Sopho­ni­as Zimmer­mann, der letzte Müller auf der »Oberen Mühle«, die Mühle. 1890 erwirbt sie der Ingenieur und Fabri­kant Hugo Laißle. Bereits 1893 ist die Mühle, ebenfalls mit allen Zusatz­ge­bäu­den, von Fabri­kant Gottlieb Günther übernom­men, und 1929 von der Firma Bäuerle. Soweit der Mühlensteckbrief.

Die Unter­la­gen der Gebäu­de­brand­ver­si­che­rung (1942) sind sehr zuver­läs­sig. Wir können also mit Sicher­heit davon ausge­hen, daß die »Obere Mühle«, die in unserem Foto als mächti­ges Bauwerk (zwischen Kocher und Kocher­ka­nal) zu erken­nen ist, 1853 errich­tet wurde. Aufs Jahr genau 100 Jahre später, 1953, wurde die »Obere Mühle« von der damals stark expan­die­ren­den Fa. Bäuerle abgeris­sen. Daten hierüber konnten keine aufge­spürt werden. Die Fa. J.A. Bäuerle hatte das gesam­te Mühlen­are­al bereits 1929 von der 1890 durch Fabri­kant Anton Laißle gegrün­de­ten und 1893 von Fabri­kant Gottlieb Günther übernom­me­nen Präzi­si­ons­zie­he­rei Günther erworben.

Heute ist der ehema­li­ge Stand­ort der »Oberen Mühle« ein fast freier Platz hinter dem Gebäu­de Norma (vormals Bäuerle) zwischen Kocher und dem Fabri­ka­ti­ons­ge­bäu­de Adolf Bäuerle jenseits des Kocherkanals.

Das Mühlen­ge­bäu­de (bei der Landes­ver­mes­sung 1830 noch Haus Nr. 122, später mit den Nummern 178 und 178/1 und endlich mit der Nr. Bahnhof­stra­ße 6a verse­hen) wird 1942 wie folgt beschrieben:

»1. Stock und Giebel­sei­ten in Stein, sonst ausge­mau­er­tes Fachwerk, verblen­det (verputzt).«

Aller­dings muß man sich vorstel­len, daß zu der Mühle, lt. städt. Bauak­ten eine Vielzahl von Anbau­ten gehör­ten, — hier nur die interessantesten:

1890: 2‑stockiger Wohnungs­an­bau
1890: Vorraum­an­bau
1891: Anbau an Mühl- und Wohnge­bäu­de
1891: Erstel­lung eines Maschi­nen- und Dampf­kes­sel­hau­ses.
1892: Gußput­ze­rei­an­bau
1896: Errich­tung eines 1‑stockigen Anbaus an das »Fabrik‑, Keßel- und Maschi­nen­ge­bäu­de«
1897: Vergrö­ße­rung dös Fabrik­ge­bäu­des. Ausbau des Mappen­hau­ses
1897: Einrich­tung einer Wohnung im 1. Stock des Mittel­baus
1899: Fabrik­hal­len­an­bau mit Verän­de­run­gen in den Jahren 1911, 1926, 1939
1900: Gieße­rei­an­bau mit Verän­de­run­gen 1903
1902: Zieherei‑, Maschi­nen­kes­sel­raum- Drehe­rei­an­bau­ten mit Verän­de­run­gen 1939
1920: Schmie­de­an­bau mit Verän­de­run­gen 1939 1939: Beizereianbau

Vieler­lei Umbau­ten gab es auch bei den Wasser­rä­dern. Um 1875 liefen 4, höchst­wahr­schein­lich hölzer­ne, oberschläch­ti­ge Wasser­rä­der. Ende des 19. Jahrhun­derts wurden 3 davon durch ein eiser­nes ersetzt. Am 20.5.1891 wurde das eiser­ne Wasser­rad durch eine Turbi­ne ersetzt, die sich offen­bar nicht bewähr­te, da sie 2 Jahre später bereits wieder ausge­baut und durch ein »Zuppinger«-Rad, ein großes mittel­schläch­ti­ges eiser­nes Wasser­rad, ersetzt wurde. Ab diesem Zeitpunkt ist kein Mühlen­be­trieb mehr nachzu­wei­sen; — was zur Mühle gehör­te, war nur noch Fabrik (Gebäu­de 178/1). Die Mühle selbst wurde in ein Wohn- und Lager­ge­bäu­de umgewan­delt (Gebäu­de 178). Die Wasser­rech­te erloschen.
Während und nach dem Krieg sind keine Verän­de­run­gen akten­mä­ßig belegbar.

Hier noch einige inter­es­san­te zusätz­li­che Angaben:

Am 10.10.1953 legt der ehema­li­ge Ortsbau­meis­ter Weber dem Landrats­amt ein Bauge­such der Firma Bäuerle vor, folgen­den Wortlauts: »Die Fa. J.A. Bäuerle hat die frühe­re »Obere Mühle«, die im Erdge­schoß als Lager­raum diente, und in den beiden oberen Geschos­sen Arbei­ter­woh­nun­gen enthielt, abgebrochen« .…

Da die Mühle 1952 noch bewohnt war, muß davon ausge­gan­gen werden, daß der Abbruch, wie bereits erwähnt, 1953 erfolgte.

Eine weite­re Lücke ist zu schlie­ßen: Fabri­kant Gottlieb Günther, der das Anwesen spätes­tens 1893 erwarb, kaufte dieses nicht etwa — wie vielfach angenom­men — von einem Müller, sondern von einem Ingenieur namens Hugo Laißle aus Reutlingen/Cannstatt, der die Mühle 1890 käuflich erwor­ben hatte. Zu Ingenieur und Fabri­kant Laißle liegt folgen­des höchst inter­es­san­te Bauge­such vom 10.7.1890 vor:

»Es wird beabsich­tigt, die Wasser­kraft der »Oberen Mühle« in Oberko­chen, welche von Herrn Laiss­le käuflich erwor­ben wurde, zum Betrieb einer Fabrik, welche sich mit Präzi­si­ons­zie­hen von Profil- und Facon-Eisen befaßt, auszu­nüt­zen. Es soll zu diesem Zweck ein Fabri­ka­ti­ons­ge­bäu­de, bestehend aus .…. einsto­ckig errich­tet werden (anstel­le der von Müller Linder 1847 errich­te­ten Gipsmüh­le). Gleich­zei­tig soll ein Dampf­kes­sel wie in der Anlage beschrie­ben (Röhren­dampf­kes­sel) aufge­stellt werden«. In einem späte­ren modifi­zier­ten Bauge­such des A. Laißle (1891) wird diese Anlage folgen­der­ma­ßen beschrieben:

1.6.1891: »Errich­tung zur Ferti­gung von hohlen und maßiven Trans­mis­si­ons­wel­len und Genau­zie­he­rei.« Mangels »Nutzkraft zum Betrieb seiner Kunst- und Kunden­müh­le« möchte Laißle eine Turbi­ne statt der Wasser­rä­der errich­ten. Es gibt auch einen Plan vom 1.6.91 für eine neue »Betonufer­mau­er«, — und wenig später, am 3.11.91., ein Gesuch Laißles betr. »Erstel­lung eines Maschi­nen- und Dampf­kes­sel­haus-Anbaus« mit einem kleinen Kamin.

Langsam wird erkenn­bar, weshalb die »Obere Mühle« aus dem Bewußt­stein der Oberko­che­ner verschwun­den ist: das Gebäu­de war, genau­ge­nom­men, zum Zeitpunkt seines Abris­ses im Jahre 1953 bereits über 60 Jahre lang keine Mühle mehr gewesen, sondern ein in ein Konglo­me­rat von vieler­lei Anbau­ten einge­füg­tes Wohn- und Lager­ge­bäu­de. Alles Fabrik­mä­ßi­ge spiel­te sich außer­halb des eigent­li­chen Mühlen­ge­bäu­des jenseits des Kocher­ka­nals Richtung Bahnhof ab.

Frau Limpert, eine der letzten Bewoh­ne­rin­nen der »Oberen Mühle«, erinnert sich: Es war ein mächti­ges Wohnge­bäu­de in dem verschie­de­ne Famili­en wohnten. Am inter­es­san­tes­ten für uns Kinder war eine Riesen­die­le, die sich hinten raus befand. In ihr konnte man bei schlech­tem Wetter spielen. Auch der »Gumpen«, in dem früher das Mühlrad gelau­fen war, war ein magischer Anziehungspunkt.

Von oben her münde­te der Kocher­ka­nal in den Gumpen, nach unten weg fiel das Wasser in einer steilen Rampe in den Kocher. Diese Rampe wurde als Rutsch­bahn benutzt.

Da uns bis heute keine fotogra­fi­sche Ansicht der »Oberen Mühle« bekannt­ge­wor­den ist, bitten wir die Freun­de unserer histo­ri­schen Serie dringend darum, uns bei der Entde­ckung einer solchen behilf­lich zu sein. Herr Karl Burr, Heiden­heim, erinnert sich übrigens, daß auf dem großen Platz vor der »Oberen Mühle« in den 20er Jahren eine Zeitlang ein im Bereich der Firma Oppold abgestürz­tes »Holzflug­zeug« abgestellt gewesen sein soll. Er sei, zusam­men mit anderen Jungen, immer wieder in den Trümmern dieses Flugzeugs, eines Doppel­de­ckers, herum­ge­klet­tert. Eine genaue Jahres­zahl konnte Herr Burr nicht nennen, — auch wußte er nicht zu sagen, was aus dem Piloten gewor­den ist. Dagegen wußte er noch zu berich­ten, daß das Flugzeug beim Kirch­gang über Oberko­chen geflo­gen und bestaunt worden sei. Als man aus der Kirche gekom­men sei, habe es gehei­ßen, daß das Flugzeug draußen bei Oppold abgestürzt sei. Wer weiß hierzu noch Einzel­hei­ten zu berich­ten? Wer kann den Bericht bestätigen?

Dank an Herrn Höfla­cher vom Stadt­bau­amt für seine tatkräf­ti­ge Unter­stüt­zung und an Herrn Günter Kurz für eine aufschluß­rei­che Nachhil­fe­stun­de in Sachen »Obere Mühle«.

Dietrich Bantel

Fragen zu Text 15:

  1. Wie hieß der Besit­zer des ersten Elektri­zi­täts­werks in Oberkochen?
  2. Aus welchem Jahr (ca.) stammt der »Kosten­an­schlag«?
  3. Wann übernahm die UJAG die Strom­be­lie­fe­rung in Oberkochen?
Oberkochen

Frage zu Foto 15:
Aus welchem Jahr (ca.) stammt das Foto?

Oberkochen

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