a) Der Name »Kocher«
Der Name »Kocher« 1eitet sich — so fand Karlheinz Bauer heraus — wohl von dem kelti­schen Wort »Cocha­ne« ab, das so viel bedeu­tet wie »In Krümmun­gen fließend« (siehe auch die Urkar­te 1830 vom Oberlauf auf Oberko­che­ner Gemar­kung vor der Begra­di­gung). Der Name mag vor etwa 2000 bis 2500 Jahren entstan­den sein. Aus dem Wort »Cocha­ne« wurde dann das Wort »Cochen«, das schon vor über 1000 Jahren nachzu­wei­sen ist. Später entstand daraus dann »Kocher«.

b) Die Kocher­quel­len
Auf die Gründe für die Bezeich­nun­gen »Schwar­zer Kocher«, »Roter Kocher«, »Weißer Kocher«, »Blauer Kocher« soll hier nicht einge­gan­gen werden. Dagegen ist es notwen­dig, das Zustan­de­kom­men des Kochers auf Oberko­che­ner Gemar­kung zu beleuchten.

Als Ursprung des sog. Schwar­zen Kochers und Haupt­quel­le gilt der Kocher­ur­sprung zwischen den Gewan­nen »Tiefes Tal« und »Strick«. Sie schüt­tet, wie jede Karst­quel­le, entspre­chend der Menge der Nieder­schlä­ge, ist aber noch nie versiegt. Die Kraft ihrer rückschrei­ten­den Erosi­on ist gewal­tig: Die Quelle hat sich in rund 40 Jahren ca. 4 bis 5 m in den Hang genagt. 1962 war noch kein Fels zu sehen und hinter der Quelle führte ein Fußweg vorbei. Mit Sicher­heit kann davon ausge­gan­gen werden, dass die Wasser des Kochers seit der Stein­zeit durch­ge­hend genutzt wurden. Dies belegen Scher­ben und Münzfun­de bis zurück in vorchrist­li­che Zeit, auch im Quellbereich.

Der Ursprung des Schwar­zen Kochers ist aber keines­falls die einzi­ge Quelle auf Oberko­che­ner Gemar­kung. Eine zweite Quelle befin­det sich auf dem Gelän­de der Fa. Leitz. Bei ihr handelt es sich um eine blauto­pf­ähn­li­che trich­ter­för­mi­ge Quelle, deren Wasser ebenfalls blauto­pf­ähn­lich abgestaut ist. Der kleine See heißt »Ölwei­her«, den Bach nennt man den »Roten Kocher«. Auch von ihm ist nicht bekannt, dass seine Quelle jemals versiegt ist.

Eine dritte Kocher­quel­le entspringt in Form eines Hunger­brun­nens im Wolfert­s­tal. Es handelt sich um den Guten­bach, der dem Kocher auf der Höhe der Villa »Walter« (Gebäu­de der Fa. Röchling) in der Aalener Straße zufließt.

Eine weite­re, aller­dings ebenfalls nicht ständig schüt­ten­de Quelle, die sog. »Langert­quel­le«, führt dem Guten­bach auf der Höhe der ersten. großen Kehre der Heide­stra­ße Wasser zu. Einer priva­ten Initia­ti­ve verdan­ken wir seitlich der durch Überbau­ung verleg­ten Quelle eine hübsche Wasser-Kneipp-Tretanlage.

Eine fünfte Quelle zum Kocher bildet der sog. »Katzen­bach«. Dieser entspringt südlich des städti­schen Fried­hofs am Fuß des Turmweg­ber­ges und mündet in der Bahnhof­stra­ße profan überbaut in den Kocher. Stell­ver­tre­tend für mehre­re Brunnen im Ort soll der vom Katzen­bach gespeis­te Bohrer­ma­cher­brun­nen in der Ortsmit­te genannt werden.

Eine sechs­te, nicht mehr ständig schüt­ten­de Quelle auf Oberko­che­ner Gemar­kung, befin­det sich im »Langen Teich« hinter dem Römer­kel­ler. Der dort entsprin­gen­de Bach heißt »Edlen- oder Erlen­bach«. Diese Quelle wurde, durch Scher­ben­fun­de im Weilfeld belegt, schon in vorchrist­li­cher Zeit und später von den Römern genutzt. Im Zusam­men­hang mit der römischen Villa Rusti­ca im Weilfeld darf in diesem Bereich ein noch nicht entdeck­tes römisches Bad vermu­tet werden. Die einst zuver­läs­si­ge Schüt­tung der Quelle hat in den letzten Jahrzehn­ten ständig nachge­las­sen, so dass die dort befind­li­che Gärtne­rei Vollmer, die die Quelle früher nutzte, ganz auf Regen­was­ser­ver­sor­gung umgestellt hat.

Ein siebtes Gewäs­ser ist künst­li­cher Natur. Es beginnt genau genom­men oberhalb der Fa. Oppold, endet unter­halb der Fa. Röchling Kaltwalz­werk und ist ein spezi­ell zur Nutzung der Wasser­kraft geschaf­fe­ner mehr oder weniger paral­lel zum Kocher verlau­fen­der Kanal, der »Kocher­ka­nal«, der teilwei­se überdeckt ist. Entlang dieses Kanals liegen zwei von vier Mühlen und etliche Indus­trie­be­trie­be. Weite­re Kocher­ka­nal­stü­cke gibt es bei der ehema­li­gen Fa. WIGO, bei der Kreuz­müh­le und bei der Tennisanlage.

Das achte und letzte Gewäs­ser ist der beina­he verges­se­ne »Nußbach«. Der Nußbach war bzw. ist ebenfalls ein weitge­hend künst­li­ches Gewäs­ser, das es heute nicht mehr gibt. Es diente zu Bewäs­se­rungs­zwe­cken, war aber sicher auch ein aus der Not gebore­nes Gewäs­ser, das die Aufga­be hatte, Hochwäs­ser abzulei­ten. Der Nußbach begann als künst­li­che Verlän­ge­rung des Guten­bachs bei der Villa Walter in der Aalener Straße und verlief zunächst links, dann rechts paral­lel zur Aalener Straße bis in die Kreuz­wie­sen, wo er in den Kocher mündete.

Außer den genann­ten sechs Quellen gibt es noch weite­re kleine Quellen, wie z. B. die Brunnen­quel­le, und zahlrei­che namen­lo­se Hungerbrunnen.

c) Die gewerb­li­che Wasser­nut­zung durch Mühlen
Auf Oberko­che­ner Gemar­kung existier­ten vier Mühlen, hiervon eine bis zum heuti­gen Tag. Die ältes­te Wasser­nut­zung des Kochers auf unserer Gemar­kung ist für das Jahr 1358 belegt, nur 2 Jahre nach der ersten urkund­li­chen Erwäh­nung Oberko­chens. Es handelt sich um die ältes­te Dorfmüh­le, die sog. »Untere Mühle«. Diese wurde zuletzt 1877 von Müller Georg Schee­rer, deshalb auch Schee­rer-Mühle genannt, anstel­le eines Vorgän­ger­baus an alter Stelle errich­tet. Sie ist bis heute funkti­ons­fä­hig und steht unter Denkmal­schutz. Statt vier kleine­rer Wasser­rä­der wurde 1877 ein gewal­ti­ges oberschläch­ti­ges Wasser­rad gebaut, das heute noch funktio­niert. Seine Breite beträgt 2,5 m, das Gefäl­le 3,5 m! Das Schick­sal der Schee­rer-Mühle wird, wie Bürger­meis­ter Peter Traub bereits ausführ­te, im Rahmen des Programms zur Koche­rin­wert­set­zung sicher­lich eine beson­de­re Rolle spielen.

Eine weite­re, indus­tri­el­le Nutzung des Kocher­was­sers ist die Nutzung des Roten Kochers beim Ölwei­her. Hier ist bereits im späten Mittel­al­ter 1498 eine Schleif­müh­le belegt. 1725 ist dort eine Ölmüh­le nachweis­bar, auch von einer Gipsmüh­le ist später die Rede. 1845 errich­te­te Fritz Leitz am Ölwei­her eine Schwert­schlei­fe­rei. Ab 1884 entstand an diesem Ort die heute weltweit bekann­te Fabrik des Albert Leitz, der dort in den Gebäu­den seines Vaters, Fried­rich Leitz, eine Bohrer­mach­er­werk­statt einrich­te­te. Leitz hatte bei Bäuerle gelernt und bereits 1876 einen eigenen Betrieb in der Kirch­gas­se (heute: Aalener Straße) gegründet.

Bis zurück ins Jahr 1617 ist eine dritte Mühle nachweis­bar, die sog. »Obere Mühle«. 1853 wurde die alte Obere Mühle abgebro­chen und ein Mühlen­neu­bau erstellt. Im Zuge von Erwei­te­run­gen der Fa. Bäuerle wurde 1953 auch diese Mühle, die genau 100 Jahre gestan­den hatte, abgebrochen.

Die kürzes­te Geschich­te weist unsere vierte Mühle, die sog. »Kreuz­müh­le«, auf. Sie wurde, ohne einen Vorgän­ger­bau zu haben, 1845 auf den Kreuz­wie­sen unter­halb des Orts errich­tet und gut 100 Jahre lang genutzt. In ihr befand sich bis 1988 eine, aller­dings nicht mehr genutz­te, Turbi­ne. Leider wurde im Zuge von Baumaß­nah­men zur Schaf­fung von Parkplät­zen ein Teil des alten Mühlen­ka­nals verfüllt.

d) Indus­tri­el­le Wasser­nut­zung durch Hochofen und Schla­cken­wä­sche
Eine weite­re, sehr alte indus­tri­el­le Nutzung des Schwar­zen Kochers datiert in die Mitte des 16. Jahrhun­derts. 1551 wurde hier am Kocher­ur­sprung ein Hochofen gebaut, der ca. 80 Jahre lang in Betrieb war. Die riesi­gen Blasbäl­ge wurden durch ein unter­schläch­ti­ges Wasser­rad betrie­ben. Zum Zwecke dieser Energie­er­zeu­gung wurde paral­lel zum Kocher ein Kanal gebaut, dessen Spuren fast verschwun­den sind. Der Hochofen wurde im Dreißig­jäh­ri­gen Krieg zerstört.

Die Errich­tung des Hochofens war gewis­ser­ma­ßen eine »Inwert­set­zung« der Wasser­kraft im umgekehr­ten Wortsinn, d. h. die Wasser­kraft wurde in Werte in Form von barer Münze umgesetzt. Die »finan­zi­el­le Inwert­set­zung« des Kocher­ur­sprungs wurde durch die Zerstö­rung des Hochofens im Dreißig­jäh­ri­gen Krieg in eine ideel­le im aktuel­len Wortsinn zurück­ver­wan­delt. Heute ist der Kocher­ur­sprung ein Naturdenkmal.

Haupt­säch­lich Richtung Süden wurden damals zur Zeit des Hochofens die Schla­cken­hal­den angehäuft. Die in jener Zeit. erzeug­ba­ren Schmelz­tem­pe­ra­tu­ren lagen trotz der Blasbäl­ge so niedrig, dass die Schla­cken noch Restei­sen enthiel­ten. Das Restei­sen wurde von den Ärmsten der Armen, die man Schla­cken­wä­scher nannte, aus der zerschla­ge­nen Schla­cke heraus­ge­wa­schen. Eine solche Schla­cken­wä­sche ist am Kocher­ur­sprung bereits zur Hochofen­zeit belegt, ein eigenes Gebäu­de »Schla­cken­wä­sche« wurde 1745 errich­tet. Es stand bis 1904.

e) Indus­tri­el­le Wasser­nut­zung durch Bohrer­ma­cher und Holzbe­ar­bei­tungs­werk­zeug­in­dus­trie
Die Fa. Bäuerle, 1860 gegrün­det, kam 1883 ans Wasser und baute ein 1,40 m hohes und 40 cm breites oberschläch­ti­ges Wasser­rad zum Betrieb eines Blasbalgs am Katzen­bach. Für seinen späte­ren Stand­ort plante Bäuerle die Nutzung der Wasser­kraft mit Turbi­nen. Das sog. »Turbi­nen­häus­chen« an der Kocher­brü­cke wurde erst kürzlich im Zuge des Baus der »Querspan­ge Ost« bzw. des Kreis­ver­kehrs an der Wachol­der­stei­ge abgebro­chen. Soweit bekannt ist, kam es nicht zum Einsatz von Turbinen.

Die Fa. Leitz wurde unter dem Stich­wort »Ölwei­her« bereits genannt. 1876 gegrün­det, produ­zier­te die Werkstatt zuerst in der Kirch­gas­se, ohne Wasser. Ab 1884 übersie­del­te die Werkstatt, wie bereits erwähnt, an den Ölwei­her und nutze die Wasserkraft.

Dia Fa. Jakob Schmied arbei­te­te, um ein anderes Beispiel aufzu­zei­gen, ohne Wasser­kraft. Die Schleif- und Schmir­gel­bö­cke sowie der Blasbalg mussten von Hand betrie­ben werden. Später stell­te das Unter­neh­men auf elektri­schen Antrieb um.

Dagegen betrieb auch der 1890 gegrün­de­te Betrieb von Wilhelm Grupp, die Fa. WIGO, ab 1908 seine Maschi­nen mit der Wasser­kraft des Schwar­zen Kochers. Ein Kanal im Bereich der Firma zeugt noch heute davon.

Auch die 1898 gegrün­de­te Fa. Oppold nutzte die Wasser­kraft des Kochers ab 1904 im heuti­gen Firmen­ge­län­de kocher­auf­wärts. Über ein Wasser­rad wurden mehre­re Schmie­de­häm­mer zur Bohrer­her­stel­lung betrie­ben. Der Kanal ist heute stillgelegt.

Selbst das erst 1906 gegrün­de­te Kaltwalz­werk, vormals Fa. Walter, suchte noch die Wasser­kraft des Kochers zu nutzen und über Turbi­nen den benötig­ten Strom zu erzeu­gen, ehe auf elektri­sche Energie umgestellt wurde.

Schließ­lich sei erwähnt, dass Johan­nes Elmer, der unter­halb der Kreuz­müh­le eine Ketten­schmie­de betrieb, bereits im Jahr 1906 am heuti­gen Stand­ort der Kocher­tal­wä­sche­rei eine Turbi­ne zur Strom­erzeu­gung einge­rich­tet hatte. »Hirsch­wirt« Nagel war übrigens einer der ersten Elmer’schen 110-Volt-Strom­ab­neh­mer­kun­den in Oberko­chen. 1916 übernahm die inzwi­schen gegrün­de­te UJAG (Überland­werk Jagst­kreis AG) das progres­si­ve Elmer’sche Werk.

Auch Müller Hans Schee­rer betrieb eine noch heute neben der Mühle existie­ren­de Turbi­ne zur Strom­erzeu­gung. Seinen überflüs­si­gen Strom speis­te er ins gemeind­li­che, später ins städti­sche Netz ein.

Vielleicht sollte man noch den Eiswei­her hinter der ehema­li­gen Hirsch­braue­rei erwäh­nen, denn auch die Eisfa­bri­ka­ti­on zum Zwecke der Bierküh­lung ist eine beson­de­re Art der Energie­ge­win­nung. Zu dieser beson­de­ren Art der Energie­ge­win­nung aus Kocher­was­ser darf auch die Wärme­pum­pe gerech­net werden, die die Schwörz­hal­le mit Energie versorgt. Die Energie­ge­win­nung erfolgt, indem dem Kocher­was­ser Wärme entzo­gen wird.

Zum Trost dafür, dass die Wasser­rech­te unter­halb Oberko­chens vor rund 100 Jahren um ein Linsen­ge­richt unwie­der­bring­lich an die Stadt Aalen verkauft wurden, sei abschlie­ßend erwähnt, dass Oberko­chens Wasser­ver­sor­gung dennoch zwischen 40% und 55% seines gesam­ten heuti­gen Bedarfs mit Eigen­was­ser deckt.

Dietrich Bantel

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