Ein Rückblick auf die fast 450jährige Indus­trie­ge­schich­te Oberkochens

16. Jahrhun­dert

Der Reisen­de aus dem Welsch­land, der an einem Spätfrüh­lings­abend des Jahres 1552 an der Rodhal­de aus dem Walde tritt, glaubt, endlich sein Ziel vor Augen zu haben. Am Ursprung des kleinen Flüßchens unter ihm leuch­tet Feuer, steigt Rauch empor, erklin­gen helle Hammer­schlä­ge. Er hofft, daß dort zwei kräfti­ge Arme willkom­men sind, daß er dort Lohn und Brot finden wird, denn schon seit vielen Jahren wird in seiner Heimat fachkun­di­ges Hütten­per­so­nal für das von Abt Melchi­or Ruof gegrün­de­te Königs­bron­ner Eisen­werk geworben.

Daß das Dörflein unter ihm im Tal jedoch Oberko­chen heißt und das Flüßchen der Schwar­ze Kocher genannt wird, erfährt er beim Abstieg von einem Köhler, der auf dem Weg zu einem der zahlrei­chen Meiler ist, deren Rauch­fähn­chen überall aus dem Wald empor­stei­gen und unserem Reisen­den schon verra­ten haben, daß er sich seinem Ziel nähert.

Es beginnt zu dunkeln, unser Reisen­der muß sich beeilen. Über einen steilen Pfad hat er bald den Ort erreicht. Schon leuch­ten hinter einigen Fenstern die Kienspan­fa­ckeln auf. Von einem Hirten und seinem Hund bewacht, drängt sich am Dorfbrun­nen eine große Viehher­de. Der Mesner läutet zum Uffemer­ge (Ave Maria). Nun muß jeder, der noch draußen einer Arbeit nachgeht, herein­kom­men. Nach den letzten Fuhrwer­ken werden dann die Gatter an den Ortsein­gän­gen verschlos­sen. Unser Reisen­der fragt nach einem Obdach, er findet es in der »Tafer­ne«, dem alten Wirts­haus des Dorfes. Schon früh am anderen Morgen bricht er nach Königs­bronn auf. Doch zunächst will er bei der Schmelz­hüt­te am Kocher­ur­sprung nach Arbeit fragen. Er hat Glück, ein erfah­re­ner Schmel­zer wird noch gesucht, denn die Hütte ist erst vor wenigen Wochen in Betrieb genom­men worden.

Peter von Brogen­ho­fen (Pragen­ho­fen) aus Gmünd, Vetzer genannt, hatte den Willi­gungs­brief »naher beim ursprung des kochen ein schmelz­ofen, hutten sampt einem leuter­feur uffze­rich­ten« am 26. Oktober 1551 vom Ellwan­ger Propst Heinrich für 10 Gulden jährlich erhal­ten. Schon seit Jahren hatte er geplant, sich im Eisen­ge­schäft zu betäti­gen, dem so mancher Gmünder Sensen­schmied und Handels­herr seinen Reich­tum verdank­te, und das durch die neue Waffen­tech­nik mit ihren Geschüt­zen und Kanonen­ku­geln, aber auch durch eine zuneh­men­de Verwen­dung für fried­li­che Zwecke, z.B. für Ofenplat­ten, Töpfe und Gewicht neuen Aufschwung bekom­men hatte. Peter v. Brogen­ho­fen ist ein unehe­li­cher Sohn des gleich­na­mi­gen Deutsch­or­dens-Komturs, der als letzter seines Geschlech­tes starb. Der junge Peter wurde von Karl V. legiti­miert und in alle Rechte einge­setzt, wobei ihm auch die ellwan­gi­schen Lehen der Brogen­ho­fen in Oberko­chen zufielen.

Schürf­rech­te enthält der Vertrag mit der Ellwan­ger Props­tei nicht. Diese haben im ellwan­gi­schen Amt Kochen­burg schon andere erwor­ben: die Ulmer Gewerk­schaf­ter Besse­rer und Ehinger. Sie sind auf dem besten Weg, sich im Kocher- und Brenz­tal eine Monopol­stel­lung aufzu­bau­en. Abgese­hen von den Königs­bron­ner Eisen­wer­ken und dem Oberko­che­ner Hochofen besit­zen sie sämtli­che Schmie­den und Schmelz­öfen und haben sich neben den Schürf­rech­ten, u.a. am Burgstall und Bohlrain in Aalen, auch die Wegerech­te und Holzlie­fe­run­gen gesichert. Peter v. Brogen­ho­fen holt sich, wie auch das Kloster Königs­bronn, sein Erz von den Öttin­gern vom »Roten Stich« östlich des Graulesho­fes bei Aalen. Das dort gewon­ne­ne Stuferz wird in der Oberko­che­ner Eisen­hüt­te vor allem zu Masse­lei­sen verar­bei­tet. Mit Holzkoh­le wird es im Hochofen zunächst zu Rohei­sen erschmol­zen, der sogenann­ten Luppe, einem glühen­den, noch von Holzkoh­le­res­ten durch­setz­ten Eisen­klum­pen. Die notwen­di­ge hohe Tempe­ra­tur des Schmelz­feu­ers wird durch ein Geblä­se erzeugt, das durch die Wasser­kraft des Kochers betrie­ben wird. Anschlie­ßend wird das Rohei­sen in einem Läuter­feu­er entkohlt und in Masseln gegossen.

Als Arbeits­kräf­te werden je ein Schmel­zer, Ofenknecht, Gießer, Aufset­zer und Schla­cken­füh­rer benötigt.

Oberkochen

Kurz nachdem das Kloster Königs­bronn seine Eisen­schmie­de, wie es heißt, »aus manget berkvers­ten­di­ger leut« und der daraus resul­tie­ren­den schlech­ten wirtschaft­li­chen Situa­ti­on an die von Herzog Ulrich favori­sier­ten Württem­ber­ger Eisen­g­rein und Moser verpach­tet hat, gibt auch Peter v. Brogen­ho­fen seine Schmelz­hüt­te am Ursprung des Schwar­zen Kochers auf. Moser und Eisen­g­rein überneh­men sie vermut­lich erst pacht­wei­se und erwer­ben sie endgül­tig dann im Jahre 1564 für 1550 Gulden. Zusätz­lich haben sie zehn Gulden jährlich an die Props­tei und einein­halb Gulden Zins an die Gemein­de Oberko­chen zu entrichten.

Waren es die gleichen Schwie­rig­kei­ten wie beim Eisen­werk Königs­bronn, die Vetzer zur Aufga­be bewogen haben? Gab es Schwie­rig­kei­ten bei der Kohle­be­schaf­fung? Oder war der Konkur­renz­druck zu groß?

Letzte­rem schei­nen 1557 die Ulmer Gewerk­schaf­ter gewichen zu sein, denn sie verkau­fen ihre Werke und Schürf­stät­ten an die Württem­ber­ger Gewerk­schaft, der neben Herzog Chris­toph, dem Sohn und Nachfol­ger Herzog Ulrichs, die Gesell­schaf­ter Eisen­g­rein, Moser und Daur angehö­ren, und die nunmehr alle fünf Eisen­wer­ke des Kocher- und Brenz­ta­les in ihren Händen verei­nigt. Die Werke arbei­ten mit guten Gewinn; z.B. werden im Jahre 1565/66 13 227 Gulden erwirt­schaf­tet. Im Jahre 1565 werden in Oberko­chen 32 Zentner Ofenstü­cke, 396 Zentner Ofenplat­ten, 55 Zentner Kugeln und 4 788 Zentner Masse­lei­sen herge­stellt. Königs­bronn, das im Gegen­satz zu Oberko­chen auch Schmie­de­ei­sen erzeugt, produ­ziert 557 Zentner Ofenstü­cke, 334 Zentner Ofenplat­ten, 3 903 Zentner Masse­lei­sen und 3 272 Zentner geschmie­de­tes Eisen. In Unter­ko­chen werden 1667 Zentner geschmie­de­tes Eisen hergestellt.

Kein Wunder, daß der ebenso streit­ba­re wie geschäfts­tüch­ti­ge Ellwan­ger Propst Chris­toph an die Gründung eines Konkur­renz­be­trie­bes in Oberko­chen denkt, von dem er sich einen jährli­chen Gewinn von rund 1000 Gulden verspricht. Doch bevor er diese Pläne verwirk­li­chen kann, stirbt er im Jahre 1584. Mit seinem Nachfol­ger kommt es dann zu Verglei­chen über schwe­len­de Strei­tig­kei­ten, bei denen es u.a. auch um die Schürf­rech­te am Roten Stich geht. Für das Schla­cken­wa­schen in Oberko­chen muß ein Kanal angelegt werden, »damit sich das vom Schla­cken­wa­schen verun­rei­nig­te Wasser wieder selbst reini­gen kann«. Den Gewer­ken wird die Holznut­zung und das Abkoh­len an der Tiefen­ta­ler Halde zugestan­den. Als die Württem­ber­gi­sche Gewerk­schaft gegen Ende des Jahrhun­derts zerbricht, erzie­len allein die beiden Werke Ober- und Unter­ko­chen (als Tausch getarnt, um das Vorkaufs­recht des Ellwan­ger Props­tes zu umgehen) 78 350 Gulden bei ihrem Verkauf an Herzog Fried­rich von Württemberg.

Mit der Übernah­me der Eisen­wer­ke durch den württem­ber­gi­schen Landes­herrn und damit den Staat geht für die Eisen­in­dus­trie im Kocher- und Brenz­tal eine von vorwie­gend priva­ten Unter­neh­mern gepräg­te Zeit zu Ende.

17. und 18. Jahrhundert

Juli 1645:

Der große Krieg wütet nun schon 28 Jahre und lastet schwer auf dem geplün­der­ten und zerstör­ten Land. Am späten Nachmit­tag nähert sich ein Trupp Reiter von Norden her dem Dorf. Die wenigen Bewoh­ner, knapp hundert von ehemals 500 sind es, die der Krieg und die Pest verschont haben, verste­cken sich ängst­lich in ihren Häusern. Wieder sind es Welsche, franzö­si­sche Drago­ner, auf der Suche nach verspreng­ten bayeri­schen Solda­ten, Fliehen­den aus dem gestri­gen Treffen bei Aller­heim nahe Nördlin­gen. Die Reiter tränken ihre Pferde und berei­ten sich ein Nacht­la­ger im verfal­len­den Laboran­ten­haus am Kocherursprung.

Oberkochen

Schon lange schwei­gen die Hämmer am Ursprung des kleinen Flüßchens. 1634, nach der ersten Nördlin­ger Schlacht, ist der Hochofen still­ge­legt worden, vor allem wegen der tägli­chen Durch­zü­ge und Plünde­run­gen — im Jahr 1635 ist die bei der Schmelz­hüt­te noch vorhan­de­ne Kohle samt 50 Werkstü­cken von einem in Königs­bronn liegen­den kaiser­li­chen Stück­haupt­mann wegge­holt und zur Herstel­lung von Muniti­on verwen­det worden — aber wohl auch wegen akuten Holzman­gels. Weil es kein »erwach­se­nes Holz« mehr in Oberko­chen gibt, das zum Schmel­zen benötig­te Holz unter Schwie­rig­kei­ten und teuer beschafft werden muß, wird schon jahre­lang nicht mehr in vollem Umfang produ­ziert. Statt der frühe­ren 14 bis 16 Zentner durch­schnitt­lich pro Tag wurden zuletzt nur noch sechs bis acht Zentner geschmol­zen. 1644 bricht man den 21 Fuß (etwa sechs m) hohen und in der Führung 20 Fuß breiten, inzwi­schen verwahr­los­ten Hochofen samt Läuter­feu­er ab. Er soll in Unter­ko­chen wieder aufge­baut werden, das noch genügend Holzvor­rä­te besitzt.

Nach einer wechsel­vol­len Geschich­te bei sich häufig ablösen­den Besit­zern —1614 wurde das Oberko­che­ner Eisen­werk nach einem länge­ren Streit mit Württem­berg um das ellwan­gi­sche Lehen noch von der Ellwan­ger Props­tei in Besitz genom­men — ziehen nun Krieg und Holzman­gel einen Schluß­strich unter das erste Kapitel der Oberko­che­ner »Eisen­in­dus­trie«. Als 1649/50 der Wieder­auf­bau der Eisen­wer­ke im Kocher- und Brenz­tal beginnt, entsteht — offen­sicht­lich kurzzei­tig — am Kocher­ur­sprung noch einmal eine Schlackenwäsche.

1745 macht Arnold Fried­rich Prahl, Landbau­meis­ter und Landka­pi­tän der Fürst­props­tei Ellwan­gen und neben diesen Tätig­kei­ten vielsei­ti­ger Unter­neh­mer, erneut den Versuch, die noch vorhan­de­nen Schla­cken­hal­den in Oberko­chen durch Gründung einer Schla­cken­wä­sche auszu­beu­ten; sie scheint jedoch ihren Betrieb auch bald wieder einge­stellt zu haben.

19. Jahrhun­dert

Genau 300 Jahre nach Inbetrieb­nah­me des Hochofens durch Peter Vetzer tritt in den hiesi­gen Gemein­de­rats­pro­to­kol­len ein Mann in Erschei­nung, der zum Neugrün­der einer Oberko­che­ner Eisen­in­dus­trie werden sollte: Jakob Chris­toph Bäuerle. Am 10. Febru­ar 1852 ist vermerkt: »Chris­toph Jakob Bäuerle, welcher die Bohrer­ma­cher­kunst sowie das Fach der Mecha­ni­ker erlernt hat, erscheint und trägt vor er seye willens auf diesem seinem erlern­ten Geschäf­te zu wandern und habe zu diesem Zweck und zur Erlan­gung eines vom k. Oberam­te auszu­stel­len­den Wander­bu­ches um ein Zeugniß nachsu­chen wollen«. Weiter heißt es: »Es wird Bezeugt, daß der Bittstel­ler Bäuerle gut prädi­ziert der hiesi­gen Gemein­de als Bürger angehö­re seiner Rückkehr hierher kein Hinder­niß im Wege stehe«. Zu dieser Zeit beher­bergt das Dorf Oberko­chen etwa 1200 Einwoh­ner, denen in der Aalener Oberamts­be­schrei­bung von 1854 Betrieb­sam­keit und Fleiß beschei­nigt wird. Viele ernäh­ren sich von der Landwirt­schaft. Mit etwa 60 Meistern werden die in den Dörfern üblichen Handwer­ke, daneben aber auch schon das Hafner­hand­werk betrie­ben. Andere wieder arbei­ten als Bergleu­te oder Taglöh­ner in den Hütten­wer­ken von Königs­bronn und Wasser­al­fin­gen oder finden Beschäf­ti­gung als Fuhrleu­te, Waldar­bei­ter und Köhler.

Es ist eine schlech­te Zeit. Die im Lande Württem­berg übliche Realtei­lung hat zu einer steti­gen Verklei­ne­rung der landwirt­schaft­li­chen Betrie­be geführt, die kaum noch die Bauern­fa­mi­li­en ernäh­ren können. Mißern­ten infol­ge von Hagel, Dürre und Nässe und eine darauf­fol­gen­de Teuerung haben die Not im Lande vermehrt und zwingen viele Württem­ber­ger zur Auswan­de­rung, vorwie­gend nach Ameri­ka. Zwar heißt es in der Oberamts­be­schrei­bung über Oberko­chen: »Obgleich also die meisten Bauern­hö­fe zerstü­ckelt und der reiche­ren Leute wenig sind, so erfreu­en sich die meisten doch eines mittle­ren Wohlstan­des«, aber die vielen in den Oberko­che­ner Gemein­de­rats­pro­to­kol­len vermerk­ten Auswan­de­rungs­an­trä­ge und Zuzugs­ver­wei­ge­run­gen »wegen zu gerin­gem Vermö­gen der Antrag­stel­ler« zeigen, daß es auch hier Not und Armut gegeben hat. Noch 1854 wird beschlos­sen und verkün­det, »daß das Betteln der Kinder und jungen Leute gänzlich abzuschaf­fen, und blos den bedürf­ti­gen älteren Perso­nen das Einsam­meln von Allmo­sen wöchent­lich einmal und zwar an Samsta­gen nur zu erlau­ben« ist.

Trotz­dem werden Zeichen eines wirtschaft­li­chen Aufschwungs im Lande spürbar. Die Notsi­tua­ti­on hat die Württem­ber­gi­sche Regie­rung unter ihrem König Wilhelm I. zu der Überzeu­gung geführt, daß nur eine Entfal­tung des Gewer­bes die wirtschaft­li­che Existenz der schnell­wach­sen­den Bevöl­ke­rung sichern und die Auswan­de­rung aufhal­ten kann. Eine Konse­quenz dieser Erkennt­nis ist die 1848 erfolg­te Gründung der könig­li­chen Zentral­stel­le für Gewer­be und Handel. Untrenn­bar mit der Entwick­lung Württem­bergs zu einem moder­nen Indus­trie­staat ist der Name des langjäh­ri­gen Direk­tors und Präsi­den­ten dieser Zentral­stel­le, Ferdi­nand Stein­beis, verbun­den. Neben Handel und Indus­trie wird von ihm vor allem das Bildungs­we­sen geför­dert, seine Schöp­fun­gen sind die gewerb­li­chen Fortbil­dungs­schu­len, aus denen sich später die Berufs­schu­len und höheren Fachschu­len entwi­ckeln. Stein­beis kommt auch nach Oberko­chen. Am 17. August 1879 ermun­tert er die Hafner­meis­ter zur Einrich­tung einer Zeichen­schu­le und überzeugt sich im Jahre darauf noch einmal von deren Fortschritt. Diese ursprüng­lich für die Weiter­ent­wick­lung des Hafner­ge­wer­bes vorge­se­he­ne Schule wird bald von allen in Oberko­chen vertre­te­nen Gewer­ben genutzt und hat mit Sicher­heit auch zur raschen Entfal­tung des Bohrerge­wer­bes beigetra­gen. Als junger Mann verbringt Stein­beis übrigens auch eine hütten­män­ni­sche Lehrzeit im Wasser­al­fin­ger Eisen­werk und in der Hammer­schmie­de Abtsgmünd.

Zu dieser Zeit beginnt auch die für die wirtschaft­li­che Entwick­lung wichti­ge verkehrs­tech­ni­sche Erschlie­ßung unseres Raumes, die einen ersten Höhepunkt 1861 in der Eröff­nung der Eisen­bahn­li­nie Cannstatt—Wasseralfingen findet. 1864 wird mit der Inbetrieb­nah­me der Strecke Aalen—Heidenheim auch Oberko­chen an das Eisen­bahn­netz angeschlos­sen. Mit der Einfüh­rung der Gewer­be­ord­nung von 1862, welche die Gewer­be­frei­heit mit sich bringt, wird schließ­lich die »Gründer­zeit« des Indus­trie­zeit­al­ters einge­läu­tet. Das wirtschaft­li­che Klima erfährt nach dem Ende des deutsch-franzö­si­schen Krieges und der Reichs­grün­dung 1871, die auch endlich dem Münz- und Gewichts­wirr­warr ein Ende macht, einen deutli­chen Auftrieb. Das metri­sche System wird 1871, die Markrech­nung 1875 in Württem­berg einge­führt, beides sicher­lich wichti­ge Entschei­dun­gen für Indus­trie und Wirtschaft. 1875 werden im Jagst­kreis, dem das Oberamt Aalen angehört, bereits 5500 Perso­nen in der Metall­ver­ar­bei­tung beschäf­tigt. Sie ist nun nach der Textil­ver­ar­bei­tung zur zweit­stärks­ten Indus­trie im Jagst­kreis geworden.

Oberkochen

Die letzten drei Jahrzehn­te des 19. Jahrhun­derts sind auch die Gründer­jah­re in Oberko­chen. Nach Jakob Chris­toph Bäuerle, dem ersten Bohrer­fa­bri­kan­ten, wagen mit Albert Leitz, Jakob Schmid, Wilhelm Grupp, Wilhelm Bäuerle und August Oppold fünf weite­re »Bohrer­spit­zer« den Schritt in die Selbstän­dig­keit. Wer die Entwick­lung dieser kleinen Bohrer­werk­stät­ten verfolgt, die sich zunächst in keiner Weise von anderen handwerk­li­chen Betrie­ben abheben, stellt fest, daß sich die Möglich­keit einer Wasser­kraft­nut­zung als ein entschei­den­der Faktor für ihren Aufschwung erweist. Erst als es ihnen gelingt, sich diese billi­ge Energie­quel­le zu erschlie­ßen, beginnt die Entwick­lung zu Indus­trie­be­trie­ben. Jakob Bäuerle kommt im Jahre 1883 ans Wasser, als er das Gebäu­de Nr. 41 am Katzen­bach (heute Aalener Straße 4) erwirbt. Auch der Guten­bach wird ab 1895 genutzt. Wilhelm Bäuerle, Bohrer­fa­bri­kant und Sohn Jakob Bäuer­les, gründet im Hause Nr. 215 (heute Aalener Straße 45) einen Betrieb, legt einen Kanal an und staut den kleinen Bach in einem Sammel­be­cken. Hier drängt sich natür­lich die Frage auf, warum sich diese Werkstät­ten nicht am Kocher nieder­las­sen, Platz ist an seinen Ufern ja reich­lich vorhanden.

Die Wasser­rech­te am Kocher sind jedoch längst verge­ben, in sie teilen sich die Mühlen — die Schleif- und ehema­li­ge Ölmüh­le am »Ölwei­her«, einem Kocher­quell, die »Obere«- und »Untere Getrei­de­müh­le« und die »Kreuz­müh­le«, bis 1865 Öl- und Gips‑, später Getrei­de­müh­le. Die Mühlen­be­sit­zer versu­chen natür­lich, ihre alten Rechte zu wahren. So wird 1894 gegen das Wasser­werks­ge­such des Wilhelm Bäuerle am Guten­bach Protest einge­legt, »weil seit mehr als 60 Jahren die Besit­zer der Unteren Mühle das Recht haben, von Bartho­lo­mä bis Georgi (24. August bis 23. April) dieses Wasser, welches durch den Ort fließt, auf ihre Mühle zu leiten«. Der Altmül­ler Caspar Schee­rer schreibt weiter: »bei einem niede­ren Wasser­stan­de ist es eine Notwen­dig­keit für mich, daß ich mein altes Recht ausüben kann«. Schon damals konnte der Guten­bach durch ein dem Verlauf der oberen Katzen­bach­stra­ße folgen­des Bachbett in den Katzen­bach umgelei­tet und über diesen dann dem Kocher und der Unteren Mühle zugeführt werden.

Albert Leitz kann bei der Verle­gung seiner Werkstät­te an den Ölwei­her im Jahre 1884 die väter­li­chen Wasser­rech­te überneh­men. Auch der Besit­zer der Oberen Mühle, Hugo Laißle, kann seine Trieb­werks­rech­te für seine 1890 gegrün­de­te Fabrik »zur Herstel­lung hohler und massi­ver Wellen und einer Genau­zie­he­rei« nutzen. Die vorhan­de­ne Wasser­kraft erweist sich aller­dings zum gleich­zei­ti­gen Betrieb der Mühle und der »neuen gewerb­li­chen Einrich­tun­gen« als zu gering, deshalb wird die Obere Mühle 1893 still­ge­legt. Der Fabrik­be­trieb wird im gleichen Jahr von Gottlieb Günther übernom­men. Die zuneh­men­de Indus­tria­li­sie­rung durch­lö­chert schon wenig später das Wasser­mo­no­pol der Mühlen. 1907 erhal­ten Karl Walter für sein Kaltwalz­werk und Wilhelm Grupp für seine Bohrer­fa­brik Nutzungs­rech­te am Kocher.

Später spielt die Wasser­kraft und damit der Stand­ort für die Oberko­che­ner Betrie­be keine so entschei­den­de Rolle mehr. Dampf­kraft, Benzin und Elektri­zi­tät bieten neue, wenn auch teure­re Möglich­kei­ten der Energie­ge­win­nung. 1906 beginnt Johan­nes Elmer (Kronen­wirt), der seit 1903 am Kocher (heute Wäsche­rei Lebzel­ter) eine Ketten- und Schrau­ben­fa­brik betreibt, Oberko­chen allmäh­lich mit Strom zu versor­gen. 1916 erwirbt die UJAG das »Elektri­zi­täts­werk«, die Firma Leitz übernimmt die Fabri­ka­ti­ons­räu­me des Betriebes.

Firmen­grün­dun­gen im 19. Jahrhundert

J. Adolf Bäuerle GmbH (1860)

Chris­toph Jakob Bäuerle (geboren am 2. Januar 1834), der Begrün­der des Oberko­che­ner Bohrer­ma­cher­ge­wer­bes, entstammt einer Familie, die mit ihm schon in vierter Genera­ti­on das Schmie­de­hand­werk betreibt. Sein in Lorch gebore­ner Urgroß­va­ter Johann Chris­toph B. (1735−1796) war ebenso wie sein Großva­ter Johann Georg B. (1769−1828) Huf- und Waffen­schmied in Oberko­chen, sein Vater Chris­tof B. (1803−1865) betrieb eine Werkstatt als Zeug- und Waffen­schmied. Das Gründungs­jahr der Schmie­de­werk­statt Bäuerle wird also wohl in das 18. Jahrhun­dert zu datie­ren sein.

1860 gründet Chris­toph Jakob Bäuerle nachweis­lich eine eigene Werkstatt. In dem Gesuch für den Einbau einer 4,4 Ruthen (36 m²) großen einstö­cki­gen Werkstatt in die hinte­re Seite und den Garten des 1859 »von Caspar Jungin­ger Waldschütz Wittwe Dorothee, geb. Widmann« erwor­be­nen 8,7 Ruthen (71 m²) großen Wohnhau­ses Nr. 120 in der damali­gen Kirch­gas­se (heute Mühlstra­ße 26) bezeich­net sich Jakob Bäuerle schon als »Bohrer­fa­bri­kant«.

Der junge »Bohrer­spit­zer« ahnt nicht, daß man in ihm später den Begrün­der eines Indus­trie­zwei­ges sehen wird, der noch in den achtzi­ger Jahren des 20. Jahrhun­derts eminen­te wirtschaft­li­che Bedeu­tung für Oberko­chen besit­zen soll: der Werkzeug- und Holzbearbeitungsmaschinenindustrie.

Die Vermu­tung liegt nahe, daß Jakob nach der Rückkehr von der Wander­schaft, die ihn nach der Erinne­rung seiner Nachkom­men bis nach Wien führte, zunächst in der väter­li­chen Werkstatt im Hause Nr. 108 (heute befin­det sich an dieser Stelle das Gebäu­de Aalener Str. 40) tätig ist und die Kunst des Bohrer­ma­chens an den Vater weiter­gibt, denn 1858 wird auch der Vater in Gemein­de­rats­pro­to­kol­len Bohrer­ma­cher genannt.

Warum dann aber Jakob Chris­toph Bäuerle 1863 mit seiner Familie für ein knappes Jahr noch einmal Oberko­chen verläßt, »zum Zwecke seines Aufent­hal­tes in Stutt­gart«, wie ein Gemein­de­rats­pro­to­koll und die Kirchen­bü­cher belegen, bleibt unerfind­lich. 1864 jeden­falls wird er als wohnhaft in der Stutt­gar­ter Brunnen­stra­ße 17, bei dem Wagner Albert Holoch, regis­triert. Diente ihm der Aufent­halt vielleicht zur Weiter­bil­dung in einer der Gewer­be­schu­len des Landes?

In den Jahren 1879–1882 wohnt und arbei­tet Jakob Chr. Bäuerle im Hause Nr. 84 in der Katzen­bach­gas­se (heute befin­det sich an dieser Stelle das Haus Katzen­bach­stra­ße 4), das er seinen Bedürf­nis­sen entspre­chend ausbaut. 1882 gelingt es Jakob Chr. Bäuerle durch Erwerb des am Katzen­bach gelege­nen Hauses Nr. 41 (heute Nähbou­tique Steck­bau­er, Heiden­hei­mer Straße 4), ans Wasser zu kommen. 1883 wird ihm die Geneh­mi­gung erteilt, »ein 1,40 m hohes, 0,4 m breites oberschläch­ti­ges hölzer­nes Wasser­rad zum Betrieb eines Blasbal­ges einzu­set­zen und hierzu die Wasser­kraft des Katzen­ba­ches zu benut­zen«. Bäuer­les Betrieb erfährt nun einen schnel­len Aufschwung, eine breite Palet­te verschie­de­ner Bohrer, wie etwa Nagel‑, Winden‑, Schlan­gen- und Kraut­boh­rer — vorwie­gend für Wagner, Schrei­ner und Zimmer­leu­te — werden produ­ziert. Als 1893 der ältes­te der drei Söhne, Adolf, die Werkstatt übernimmt (Jakob Chris­toph Bäuerle starb am 13. Novem­ber 1891), haben bereits zwei Lehrlin­ge Jakobs eigene Werkstät­ten gegrün­det: 1876 Albert Leitz und 1882 Jakob Schmid. August Oppold, der ebenfalls bei ihm eine Lehrzeit absol­viert hat, eröff­net seine Werkstatt im Jahre 1896. 1895 gründet auch der zweite Sohn von Jakob Chr. Bäuerle, Wilhelm, einen eigenen Betrieb, der nach seinem Tode im Jahre 1927 aufge­ge­ben wird.

Oberkochen

Adolf Bäuerle begnügt sich nicht mit der Herstel­lung von Handboh­rern. Er beginnt bald mit der Produk­ti­on von Maschi­nen­werk­zeu­gen für die Holzbe­ar­bei­tung und 1926 mit dem Bau einfa­cher Maschi­nen. Unter seiner Leitung werden die ersten größe­ren Fabrik­ge­bäu­de zwischen dem Gasthaus »Lamm« und der Feigen­gas­se und an der Bahnhof­stra­ße erstellt. 1929 erwirbt er die 1890 gegrün­de­te Präzi­si­ons­zie­he­rei von Gottlieb Günther. Die Weltwirt­schafts­kri­se, unter der auch die anderen Oberko­che­ner Firmen zu leiden haben, wird gemeis­tert. Nach dem Tode Adolf Bäuer­les überneh­men seine Söhne Albert und Otto 1933 den Betrieb, der im Jahre 1935 rund 60 Mitar­bei­ter beschäf­tigt. Von hohem betriebs­wirt­schaft­li­chem Nutzen erweist sich die in den Jahren 1934/35 errich­te­te Gieße­rei; sie verrin­gert die Produk­ti­ons­kos­ten und verschafft dem Unter­neh­men größe­re Unabhän­gig­keit. Im Jahre 1942 entsteht in Überlingen/Bodensee ein als Zulie­fe­rer fungie­ren­der Zweig­be­trieb. Zur Auswei­tung der Kapazi­tät werden 1949 in Böbingen/Rems ein weite­rer Betrieb und eine Gieße­rei errich­tet. Die Firma Bäuerle zählt 1955 zu den Markt­füh­rern des Indus­trie­zwei­ges Holzbe­ar­bei­tungs­ma­schi­nen in Deutsch­land und beschäf­tigt rund 1000 Mitarbeiter.

Oberkochen

Infol­ge wirtschaft­li­cher Schwie­rig­kei­ten muß dieses ältes­te Oberko­che­ner Indus­trie­un­ter­neh­men im Jahre 1974 die Produk­ti­on in Oberko­chen aufge­ben. Die Blank­stahl­zie­he­rei wird nach Böbin­gen verla­gert, wo die Söhne Otto Bäuer­les († 1965), Otto und Albert, mit 70 Mitar­bei­tern der alten Tradi­ti­on getreu die Produk­ti­on von Holzbe­ar­bei­tungs­ma­schi­nen fortset­zen, während Adolf Bäuerle, Sohn des 1979 verstor­be­nen Ehren­bür­gers Albert Bäuerle, die Abtei­lung Stahl­bau als eigen­stän­di­ge Firma in Oberko­chen (Bäuerle Stahl­bau GmbH) weiterführt.

Gebrü­der Leitz GmbH u. Co. (1876)

Der Firmen­grün­der Albert Leitz ist der jüngs­te Sohn des im Jahre 1845 aus Esslin­gen am Neckar zugezo­ge­nen Schwert­schlei­fers Franz Fried­rich Leitz, der sich am Ölwei­her nieder­ge­las­sen hat und dort eine Schlei­fe­rei betreibt. Nach seiner Lehre als Bohrer­ma­cher und Zeugschmied bei Jakob Chris­toph Bäuerle geht Albert Leitz im Jahre 1871 auf Wander­schaft. Diese führt ihn zunächst nach Stutt­gart, dann sogar bis nach Wien, schließ­lich noch nach Reichen­berg und Ingol­stadt. Um einen fünfjäh­ri­gen Wissens- und Erfah­rungs­schatz reicher, gründet er nach seiner Rückkehr im Jahre 1876, wohl im Hause Nr. 116 in der Kirch­gas­se (heute Mühlstra­ße 32), seine erste Werkstatt. Hier fertigt er neben Handboh­rern unter­schied­lichs­ter Art auch Schneid­mes­ser und Beile an. Bereits ein Jahr nach der Werkstatt­grün­dung gehen bei Albert Leitz die ersten Aufträ­ge aus der Schweiz ein. 1880 heira­tet er die Tochter seines Lehrherrn, Heinri­ke Bäuerle, und erwirbt das Haus und die Werkstatt in der Kirch­gas­se. Im Jahre 1884 verkauft er dieses Grund­stück an den Bohrer­ma­cher Micha­el Wirth und übersie­delt in die väter­li­che Werkstatt an den Ölwei­her, wo er die Kraft des reich­lich aus dieser Karst­quel­le strömen­den Wassers für seinen Betrieb zu nutzen versteht. Voraus­schau­end beginnt er schon mit der Herstel­lung von Maschi­nen­boh­rern, um den Betrieb der einset­zen­den Mecha­ni­sie­rung in der Holzbe­ar­bei­tung anzupas­sen. Öffent­li­che Anerken­nung findet Albert Leitz von Anfang an. Schon 1881 erhält er bei der Württem­ber­gi­schen Landes­ge­wer­be­aus­stel­lung in Stutt­gart eine Belobung. Weite­re Auszeich­nun­gen sind in den nächs­ten Jahren u.a. 1898 die »König­lich Bayeri­sche Staats­me­dail­le« für »vorzüg­li­che Holzboh­rer aller Art« oder 1903 die Verdienst­me­dail­le der Handwerks­kam­mer in Oppeln/Schlesien. Die Entwick­lung des Betrie­bes führt steil aufwärts; um die Jahrhun­dert­wen­de arbei­ten in der »Württem­ber­gi­schen Holzbohr­er­fa­brik A. Leitz Oberko­chen« 20 Werkzeug­ma­cher, das Programm umfaßt 50 Arten von Hand- und Maschi­nen­boh­rern. Die nächs­ten Jahre sind gekenn­zeich­net durch eine Programm­aus­wei­tung auf Maschi­nen­mes­ser, Messer­köp­fe und Spann­ba­cken­werk­zeu­ge, 1908 kommen Massiv-Fräser hinzu. Als Albert Leitz 1910 sein erstes paten­tier­tes Fräswerk­zeug auf den Markt bringt, ist die Umwand­lung vom Handwerks- zum Indus­trie­be­trieb bereits vollzogen.

1912 legt Albert Leitz die Firma in die Hände seiner Söhne Albert jun. und Fritz. Der dritte Sohn gründet 1921 die Vertriebs­fir­ma Emil Leitz. Die jungen Inhaber verste­hen es, die Erzeug­nis­se ihrer Firma der fortschrei­ten­den Mecha­ni­sie­rung und Indus­tria­li­sie­rung im holzver­ar­bei­ten­den Gewer­be anzupas­sen und das Export­ge­schäft zu inten­si­vie­ren. Es ist nicht zuletzt der Werkzeug­fa­brik Gebrü­der Leitz mit ihren nun ca. 180 Mitar­bei­tern zu danken, daß Oberko­chen neben Schmal­kal­den und Remscheid sich nach dem 1. Weltkrieg zu einem Zentrum der Werkzeug­in­dus­trie für die Holzbe­ar­bei­tung entwi­ckelt. Dennoch bleibt auch sie nicht vom Strudel der Weltwirt­schafts­kri­se verschont. Die dreißi­ger Jahre bringen wieder eine Belebung — 1936 wird ein mehrstö­cki­ges Ferti­gungs­ge­bäu­de errich­tet — doch sie führen auch zum Ausschei­den von Fritz Leitz aus dem gemein­sa­men Betrieb, der 1938 eine eigene Firma, die »Fritz Leitz Maschi­nen- und Appara­te­bau«, gründet, in der bis zum Kriegs­en­de mit ca. 1000 Mitar­bei­tern u.a. Flugzeug­tei­le und Aggre­ga­te herge­stellt werden.

Eine außer­or­dent­li­che Expan­si­on erfährt die Werkzeug­fa­brik Gebrü­der Leitz nach dem zweiten Weltkrieg. Unter der Regie von Leonhard Stützel, dem Schwie­ger­sohn von Albert Leitz, und Karl Kümmer­le, die seit dem Tode von A. Leitz († 1951) dem Unter­neh­men vorste­hen, werden für die Verar­bei­tung neuer Werkstof­fe, wie Spanplat­ten, Hartfa­ser­plat­ten und Kunst­stof­fe, hart-metall­be­stück­te Hochleis­tungs­fräs­werk­zeu­ge entwi­ckelt. Es entste­hen in den sechzi­ger Jahren Produk­ti­ons­stät­ten in Riedau/Österreich und in Unterschneidheim/Ries. Zwei weite­re Betrie­be werden 1974 in Itali­en und Öster­reich gegrün­det. Für den 1973 verstor­be­nen Leonhard Stützel wird Dr. Dieter Bruck­la­cher in die Geschäfts­lei­tung berufen. 1979 entsteht eine weite­re autono­me Produk­ti­ons­stät­te in Säo Sebas­ti­äo do Cai/Brasilien.

Oberkochen

1984 wird der Neres­hei­mer Betrieb der Firma WIGO übernom­men. Insge­samt gehören zur Leitz-Gruppe heute sieben Produk­ti­ons­stät­ten in vier Ländern, 17 werks­ei­ge­ne Verkaufs­zen­tra­len und über 100 Service­sta­tio­nen mit insge­samt 2700 Mitar­bei­tern, von denen in der Oberko­che­ner Mutter­ge­sell­schaft Gebr. Leitz GmbH & Co., einschließ­lich der in das Stamm­haus integrier­ten Vertriebs­toch­ter Emil Leitz GmbH, 410 beschäf­tigt sind.

Zu dem seit einigen Jahren bestehen­den Leitz-Firmen­ver­band zählen neben der Leitz-Gruppe die Firmen W. Fette GmbH in Schwar­zen­bek bei Hamburg und (seit 1991) Böhlerit GmbH & Co.KG in Kapfenberg/Österreich. Die Firma Fette stellt Werkzeu­ge für die Metall­be­ar­bei­tung sowie Tablet­tier­ma­schi­nen für die Pharma­in­dus­trie her; Böhlerit ist einer der ältes­ten Herstel­ler von Hartme­tal­len, die für die Herstel­lung von Holzbe­ar­bei­tungs­werk­zeu­gen eine zuneh­men­de Bedeu­tung haben. Im Leitz-Firmen­ver­band sind über 4600 Mitar­bei­ter tätig. In diesen Daten manifes­tiert sich die einzig­ar­ti­ge Entwick­lung einer Firma, die, ausge­hend von einer kleinen Oberko­che­ner Bohrer­werk­statt und nach wie vor im Besitz der Nachkom­men des Firmen­grün­ders, zum führen­den Herstel­ler von Holzbe­ar­bei­tungs­werk­zeu­gen in Europa gewor­den ist.

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Jakob Schmid GmbH & Co. Werkzeug­fa­brik (1882)

Das dritt­äl­tes­te Unter­neh­men der Werkzeug­bran­che in Oberko­chen wird von Jakob Schmid gegrün­det. Auch er hat bei Jakob Chris­toph Bäuerle die »Kunst des Bohrer­ma­chens« erlernt, bevor er sich im Jahre 1882, im Alter von dreiund­zwan­zig Jahren, nach seiner Rückkehr vom Militär­dienst selbstän­dig macht. Seine Werkstatt befin­det sich zunächst im Hause Nr. 84 in der Katzen­bach­gas­se (heute Katzen­bach­str. 4). Vier Jahre später zieht er in sein eigenes neuerbau­tes Haus in der Jäger­gas­se (heute Dreißen­tal­str. 7, Optik Seiler). Da sich Schmids Betrieb dort keine Möglich­keit zur Nutzung von Wasser­kraft bietet, müssen Schleif- und Schmir­gel­bock sowie der Blase­balg von Hand betrie­ben werden. Diese Arbeit wird zunächst von der Ehefrau, später von den heran­wach­sen­den Söhnen übernom­men. 1908 setzt der Betrieb — als erster in Oberko­chen — einen schon vom Elmer’schen Elektri­zi­täts­netz gespeis­ten Elektro­mo­tor ein; der Stand­ort fällt nun gegen­über den anderen Unter­neh­men an Kocher, Guten- und Katzen­bach nicht mehr nachtei­lig ins Gewicht. Jakob Schmid ist es jedoch nicht vergönnt, den Erfolg dieser Inves­ti­ti­on zu erleben, er stirbt wenige Wochen später an den Folgen eines Schlaganfalles.

Der einund­zwan­zig­jäh­ri­ge Sohn Josef übernimmt die Werkstatt, unter­stützt vom jünge­ren Bruder Karl. Sie stellen Handboh­rer her, vergrö­ßern die Werkstatt, und Josef Schmid legt seine Meister­prü­fung im Bohrer­ma­cher­hand­werk ab. Der Erste Weltkrieg bringt Rückschlä­ge, nicht zuletzt durch die Einbe­ru­fung der Brüder zum Militär­dienst. Der schon früh wegen einer Verwun­dung zurück­keh­ren­de Karl führt die Werkstatt zunächst allein weiter. Gemein­sam setzen Josef und Karl dann mit dem jüngs­ten Bruder Jakob in den Anfangs­jah­ren der Weima­rer Republik den Aufbau des Betrie­bes erfolg­reich fort. So können sie noch 1928 kurz vor der Weltwirt­schafts­kri­se eine neue Fabrik­hal­le am heuti­gen Firmen­stand­ort Dreißen­tal­str. 19 errichten.

Zu dieser Zeit werden schon über 20 Mitar­bei­ter beschäf­tigt, die außer Handboh­rern auch Maschi­nen­boh­rer, Spann­ba­cken­werk­zeu­ge und die dazuge­hö­ren­den Messer herstel­len. Dieses Programm wird nach dem Zweiten Weltkrieg erwei­tert. Es werden Schaft­werk­zeu­ge für statio­nä­re Oberfräs­ma­schi­nen und hartme­tall­be­stück­te Fräser und Fräser­kom­bi­na­tio­nen entwi­ckelt. Der 1953 zum Ehren­bür­ger der Gemein­de Oberko­chen ernann­te Josef Schmid stirbt im Jahre 1960. 1973 wird in Elchingen/Härtsfeld eine zweite Ferti­gungs­stät­te errich­tet und in diesen Jahren dem Programm ein umfang­rei­ches Sorti­ment von Werkzeu­gen für Handober­frä­sen angeglie­dert. Ende der achtzi­ger Jahre wird das Ferti­gungs­spek­trum durch Werkzeu­ge für CNC-gesteu­er­te Maschi­nen ergänzt. In den beiden Betrie­ben Oberko­chen und Elchin­gen sind heute ca. 200 Mitar­bei­ter beschäf­tigt. Geschäfts­füh­rer sind seit 1960 Josi Kurz (geb. Schmid) und Rudolf Eber.

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Wilhelm Grupp GmbH & Co KG (1890)

Wilhelm Grupp beginnt 1890 im elter­li­chen Anwesen am Katzen­bach im Haus Nr. 62 (heute Schul­stra­ße 2) wie die anderen Betrie­be auch mit der Herstel­lung von Handboh­rern. 1895 erwirbt er das Haus Nr. 120 in der Mühlstra­ße, in dem 1860 Jakob Chris­toph Bäuerle den Grund­stein für die Oberko­che­ner Indus­trie legte. Er vergrö­ßert die vorhan­de­ne Werkstatt in den Jahren 1899 und 1905 und treibt mit einem Benzin­mo­tor Schleif‑, Schmir­gel- und Polier­bö­cke an.

Ein entschei­den­der Schritt für die Weiter­ent­wick­lung des Betrie­bes ist 1908 der Kauf des Gelän­des entlang der Heiden­hei­mer Straße unter­halb des Kocher­ur­sprungs, das ihm die Möglich­keit zur Nutzung der Wasser­kraft bietet. Der vorwärts­drän­gen­den Entwick­lung der holzver­ar­bei­ten­den Indus­trie entspre­chend stellt er die Produk­ti­on auf die Herstel­lung von Maschi­nen­werk­zeu­gen um und erwei­tert 1925 — als erster in Oberko­chen — sein Programm auf Holzbe­ar­bei­tungs­ma­schi­nen. Vor allem das Maschi­nen­pro­gramm, für das in vielen Ländern Patent­schutz erlangt wird, unter­mau­ert den guten Ruf der Firma, die 1937 bereits 120 Mitar­bei­ter beschäf­tigt. 1940 eröff­net Grupp in Neres­heim auf dem Härts­feld einen Zweig­be­trieb. Während des Krieges wird die Produk­ti­on weitge­hend auf Rüstungs­gü­ter umgestellt. Als 1943 der Firmen­grün­der stirbt, überneh­men seine Söhne Wilhelm († 1966), Chris­ti­an († 1954) und Heinrich († 1975) die Firma. Beach­tens­wer­te Neuent­wick­lun­gen auf dem Werkzeug­sek­tor, vor allem bei Sägen, kennzeich­nen die Jahre nach dem Kriege. 1949 bringt Grupp die erste rückschlag­ar­me Kreis­sä­ge und das erste hartme­tall­be­stück­te Sägeblatt auf den Markt. In Ebnat wird ein weite­rer Betrieb eröff­net; 1951 erreicht die Mitar­bei­ter­zahl mit 720 kurzzei­tig den Höchst­stand. In diesem Jahr ist die Firma Wilhelm Grupp größter deutscher Herstel­ler von Werkzeu­gen und Spezi­al­ma­schi­nen. Der nun folgen­den Konzen­tra­ti­on auf hartme­tall­be­stück­te Fräswerk­zeu­ge und Sägeblät­ter für hochtou­ri­ge Maschi­nen schließt sich ein spezi­el­les Werkzeug­pro­gramm für die Fenster­her­stel­lung im Wende­plat­ten­sys­tem an. 1955 wird die Produk­ti­on von Fräs- und Drehma­schi­nen für die Metall­be­ar­bei­tung begon­nen, später werden auch zeitwei­se Fleische­rei­ma­schi­nen hergestellt.

Es ist bedau­er­lich, daß die Firma Wilhelm Grupp mit dem Marken­zei­chen WIGO in der dritten Genera­ti­on 1984 ihre Tore für immer schlie­ßen muß. Nahezu hundert Jahre hat sie für Oberko­chen eine wichti­ge Rolle gespielt, ihr Gründer, Wilhelm Grupp, gehört noch zu den Pionie­ren der hiesi­gen Werkzeug­in­dus­trie. Die Oberko­che­ner Betriebs­ge­bäu­de sowie die meisten der rund 130 Mitar­bei­ter werden von der Firma Carl Zeiss übernom­men, der Neres­hei­mer Betrieb mit seinen 70 Beschäf­tig­ten geht in den Besitz der Firma Leitz über.

August Oppold GmbH u. Co. KG (1896)

Der fünfte im Bunde jener Männer, die die Indus­tria­li­sie­rung Oberko­chens einlei­ten, ist August Oppold. Auch er verdankt Jakob Bäuerle, in dessen Betrieb er lernt und schließ­lich Meister wird, sein Wissen. In der Hufschmie­de seines Vaters gegen­über dem alten Rathaus gründet er 1896 seine erste Werkstatt und beginnt mit dem Ferti­gen von Handboh­rern. Acht Jahre später verlegt er die Werkstatt an ihren heuti­gen Stand­ort Ecke Heiden­hei­mer Straße/Wacholdersteige. Schon 1912 erfolgt bei Oppold mit der Herstel­lung von Maschi­nen­boh­rern die Anpas­sung an die fortschrei­ten­de Entwick­lung in der Holzbe­ar­bei­tungs­in­dus­trie; damit verbun­den ist eine Vergrö­ße­rung und Mecha­ni­sie­rung des Betrie­bes. 1934 werden 30 Mitar­bei­ter beschäf­tigt, die nun auch Fräswerk­zeu­ge und Spezi­al­mes­ser­köp­fe herstellen.

Oberkochen

Nach dem Tode des Firmen­grün­ders im Jahre 1939 übernimmt sein Sohn Ludwin Oppold wenige Monate vor Kriegs­aus­bruch die Firma. Ludwin Oppold zeich­net Ideen­reich­tum aus. Als einer der ersten versucht er, statt des schwe­ren Stahles für die Körper und Teller der Zapfen­schneid­ma­schi­ne Leicht­me­tall anzuwen­den. Im nachbar­li­chen Betrieb auf Zimmer­meis­ter Brunn­hu­bers Maschi­nen werden die ersten Konstruk­tio­nen erprobt und immer wieder verbes­sert. Am Ende einer jahre­lan­gen syste­ma­ti­schen Entwick­lungs­ar­beit stehen schließ­lich die rückschlag­ar­men Sicher­heits­fräs­werk­zeu­ge, die in der Fachwelt Aufse­hen erregen, später weitge­hend richtungs­wei­send bei der Ausar­bei­tung von Konstruk­ti­ons- und Prüfvor­schrif­ten der Berufs­ge­nos­sen­schaft werden und den über Deutsch­land hinaus­rei­chen­den Ruf der Firma als Herstel­ler von unfall­si­che­ren Hochleis­tungs­fräs­werk­zeu­gen begrün­den. Viele Jahre befaßt sich Oppold mit der Technik der Fenster­her­stel­lung, in deren Folge im Zusam­men­wir­ken mit Maschi­nen­her­stel­lern spezi­el­le System­werk­zeu­ge für eine ratio­nel­le und wirtschaft­li­che Ferti­gung verschie­de­ner Fenster­ty­pen konstru­iert werden. Heute werden für die Fenster und Türen­pro­duk­ti­on moderns­te Wende­plat­ten-Werkzeu­ge (Wefix-Fräsein­hei­ten) angebo­ten. Die Firma wird jetzt vom Schwie­ger­sohn Ludwin Oppolds, Dipl.-Ing. (FH) Helmut Schram­mel, gelei­tet. Sie unter­hält Betriebs­stät­ten in Oberko­chen und Heiden­heim und eigene Vertriebs­fir­men in Frank­reich, England und Holland. Von den 150 Mitar­bei­tern sind ca. 100 in Oberko­chen beschäftigt.

Oberkochen

20. Jahrhun­dert

Der Anfang ist gemacht, der Boden berei­tet. Wir haben bereits die Entwick­lung der im 19. Jahrhun­dert gegrün­de­ten Firmen bis in unsere Zeit, in ein Jahrhun­dert verfol­gen können, das wie kein anderes durch revolu­tio­nä­re techni­sche Entwick­lun­gen, aber auch durch politi­sche und wirtschaft­li­che Katastro­phen gekenn­zeich­net ist.

Für Indus­trie und Gewer­be sind die Jahre bis zum ersten Weltkrieg noch eine Zeit des Fortschrit­tes und der Entfal­tung. Auch die Oberko­che­ner Firmen prospe­rie­ren: Die Entwick­lung von Bäuerle, Leitz und anderen vom Handwerks- zum Indus­trie­be­trieb findet ihren Abschluß, sieben neue Unter­neh­men werden in diesem Zeitraum gegründet.

Eine erste Zäsur bringt 1914 der Erste Weltkrieg, der 1918 mit dem Unter­gang des Deutschen Kaiser­rei­ches endet. Die darauf­fol­gen­de Infla­ti­on bringt viele Menschen um ihre Erspar­nis­se und blutet das Land aus. Mit der Einfüh­rung der Renten­mark kann zwar nicht der politi­schen, doch der wirtschaft­li­chen Insta­bi­li­tät ein Ende berei­tet werden. Dennoch hat die große Geldknapp­heit auch manchen Konkurs zur Folge. In den nun einset­zen­den »Golde­nen Zwanzi­gern« erholt sich die württem­ber­gi­sche Wirtschaft relativ schnell; auch die meisten Oberko­che­ner Betrie­be überste­hen die schwie­ri­gen Nachkriegs­jah­re ohne nachhal­ti­ge Folgen.

Von 1907 bis 1925 hat sich die Zahl der Beschäf­tig­ten in Indus­trie und Handwerk in Württem­berg — bezogen auf die Gesamt­be­völ­ke­rung — von 17,8 auf 23,4 % erhöht. Württem­berg erreicht einen höheren Indus­tria­li­sie­rungs­grad als fast alle anderen Länder des Deutschen Reiches. Für die metall­ver­ar­bei­ten­de Indus­trie bleibt aller­dings der Beschäf­tig­ten­zu­wachs relativ gering. Eine Ausnah­me stellt der Maschi­nen­bau dar, welcher neben der Textil­in­dus­trie zur großen Wachs­tums­säu­le dieser Zeit wird.

Das Inter­mez­zo der wirtschaft­li­chen Blüte geht 1929 ziemlich abrupt mit der Weltwirt­schafts­kri­se zu Ende. Die Kündi­gung kurzfris­ti­ger ameri­ka­ni­scher Kredi­te führt auch in Deutsch­land zu Firmen­zu­sam­men­brü­chen und Massen­ar­beits­lo­sig­keit. Diese erreicht ihren Höhepunkt 1932/33, als im Reich 6 Millio­nen Arbeits­lo­se gezählt werden. Metall­in­dus­trie und Maschi­nen­bau haben auch in Württem­berg zu leiden, wie wir aus den »Lebens­läu­fen« der Oberko­che­ner Firmen erfah­ren. Doch wird das württem­ber­gi­sche Wirtschafts­le­ben wegen des hohen Anteils der Verbrauchs­gü­ter­in­dus­trie nicht in einem solchen Ausmaß von der Rezes­si­on betrof­fen wie das übrige Reich. Die Oberko­che­ner »Bohrer­spit­zer« können sich trotz aller Schwie­rig­kei­ten behaup­ten, keine der Werkzeug­fa­bri­ken geht in Konkurs.

In den dreißi­ger Jahren ist Oberko­chen neben Remscheid und Schmal­kal­den zum dritten Zentrum der Werkzeug­in­dus­trie gewor­den, das 1935 bei 1750 Einwoh­nern nahezu 500 Indus­trie­be­schäf­tig­te zählt. Die Arbeits­be­schaf­fungs­pro­gram­me des »Dritten Reiches« bringen eine erneu­te allge­mei­ne wirtschaft­li­che Belebung, doch diese Schein­blü­te ist nur von kurzer Dauer. 1939 beginnt der Zweite Weltkrieg. Die totale kriegs­wirt­schaft­li­che Ausrich­tung der Wirtschafts­po­li­tik begüns­tigt nicht gerade die weniger rüstungs­wich­ti­ge Oberko­che­ner Werkzeug­in­dus­trie. Ein Wachs­tum haben ledig­lich jene Betrie­be zu verzeich­nen, die sich mit der Annah­me von Rüstungs­auf­trä­gen auf die verän­der­te wirtschafts­po­li­ti­sche Situa­ti­on einstel­len. Dazu gehören die 1938 gegrün­de­te Firma »Fritz Leitz Maschi­nen- und Appara­te­bau«, die ca. 1000 Beschäf­tig­te zählte, sowie die Firmen Wilhelm Grupp und J.A.Bäuerle. Die totale Katastro­phe am Ende des Zweiten Weltkrie­ges ist fast unbeschreib­lich: Millio­nen Tote, Kriegs­ge­fan­ge­ne und Heimat­ver­trie­be­ne, unvor­stell­ba­re Zerstö­run­gen, Demon­ta­gen, wertlo­ses Geld, Hunger und Not, das Land von alliier­ten Truppen besetzt. Und doch beginnt schon drei Jahre später mit der Währungs­re­form das »Wirtschafts­wun­der«, ein Phäno­men, unvor­stell­bar für alle, die das Ende dieses Krieges miter­leb­ten. Diese »zweite Gründer­zeit«, die sich schon 1946 ankün­digt, wäre ohne den großen Zustrom der heimat­ver­trie­be­nen Arbeits­kräf­te und Unter­neh­men kaum möglich gewesen. So verdankt auch Oberko­chen fast alle Firmen­grün­dun­gen nach dem Krieg Neubürgern.

Ein Markstein in der Geschich­te der Indus­tria­li­sie­rung Oberko­chens ist schließ­lich die Nieder­las­sung der Firma Carl Zeiss, die 1946 in den leerste­hen­den Räumen der Firma Fritz Leitz den Neuauf­bau im Westen beginnt. Diese Neuan­sied­lung verän­dert die Struk­tur der Gemein­de tiefgrei­fend und ist letzlich Voraus­set­zung für das rapide Wachs­tum und die späte­re Stadt­er­he­bung Oberko­chens. Carl Zeiss und die nach der Währungs­re­form stark expan­die­ren­de boden­stän­di­ge Indus­trie haben zu Beginn der sechzi­ger Jahre Oberko­chen zur größten Wachs­tums­ge­mein­de in Württem­berg werden lassen. 1968, im Jahre der Stadt­er­he­bung, ist die Bevöl­ke­rung auf 8 600 Einwoh­ner angewach­sen, die Stadt bietet 7 000 Arbeits­plät­ze. Damit ist der Wandel vom ländli­chen Dorf zur Indus­trie­stadt endgül­tig und überzeu­gend vollzogen.

Firmen­grün­dun­gen im 20. Jahrhundert:

KWO-Werkzeu­ge GmbH, Wannen­wetsch (1903)

Als selbstän­di­ger Handwer­ker beginnt auch Karl Wannen­wetsch 1903 am Ortsaus­gang Richtung Aalen (heute Aalener Straße 44) in einer neuge­grün­de­ten Werkstatt, Handboh­rer herzu­stel­len. Er hat bei Albert Leitz das »Bohrer-spitzen« gelernt und danach einige Jahre in dessen Betrieb gearbei­tet. Bei Ausbruch des Ersten Weltkrie­ges beschäf­tigt Karl Wannen­wetsch schon sieben Mitarbeiter.

Der Neube­ginn nach der Heimkehr aus dem Krieg wird ihm durch Krank­heit und den fehlen­den Elektro­mo­tor — er ist zu Kriegs­zwe­cken konfis­ziert worden — sehr erschwert. Die aufkom­men­de Infla­ti­on und die stark gewor­de­ne Konkur­renz der eisen­ver­ar­bei­ten­den Indus­trie in Remscheid und Schmal­kal­den mit ihrer Massen­pro­duk­ti­on von Handboh­rern tragen ein übriges dazu bei. Als Einmann­be­trieb arbei­tet Karl Wannen­wetsch weiter, ab 1927 nimmt er auch einzel­ne Typen von Maschi­nen­boh­rern in sein Programm mit auf. Nach dem Zweiten Weltkrieg übergibt er seinem Sohn, Karl Wannen­wetsch jun., den Betrieb. Dieser hat bei seinem Vater das Bohrer­ma­chen erlernt, später eine kaufmän­ni­sche Ausbil­dung erhal­ten und ist danach in verschie­de­nen Indus­trie­be­trie­ben tätig gewesen. Schon 1950 wird das Programm auf Fräser für Handober­frä­sen erweitert.

Der Aufschwung ist unver­kenn­bar, der Betrieb wird vergrö­ßert; 1960 sind 43 Mitar­bei­ter auf die Herstel­lung von Maschi­nen­boh­rern und Schaft­werk­zeu­gen, auch in hartme­tall­be­stück­ter Form (für die Bearbei­tung moder­ner Platten­werk­stof­fe), spezia­li­siert. Anfang der siebzi­ger Jahre wird mit der Ferti­gung von Werkzeu­gen für profes­sio­nel­le Heimwer­ker­ma­schi­nen begon­nen. 1978 übernimmt der Enkel des Firmen­grün­ders, Dipl.-Volkswirt Ulrich Wannen­wetsch, die Geschäfts­füh­rung des Betrie­bes, in dem er seit sechs Jahren tätig ist. Unter seiner Regie verdop­pelt sich der Umsatz, steigt der Export­an­teil auf 50%, wird eine neue Halle gebaut und die Beleg­schaft erheb­lich erwei­tert. Gefer­tigt werden heute vor allem Maschi­nen­boh­rer, spezi­ell Bohrer für Bohrau­to­ma­ten der Möbel­in­dus­trie und Schaft­frä­ser in Stahl und hartme­tall­be­stückt (auch Wende­plat­ten­sys­te­me). Hinzu kommt ein breit ausge­bau­tes Heimwer­ker­pro­gramm. Die Firma unter­hält zwei eigene Verkaufs­nie­der­las­sun­gen in Frank­reich und England und beschäf­tigt zur Zeit 110 Mitarbeiter.

Röchling — Kaltwalz­werk KG (1906÷07)

Ein weite­res bedeu­ten­des Unter­neh­men, das sich aber hinsicht­lich seiner Produk­ti­on nicht in die Reihe der bisher beschrie­be­nen Oberko­che­ner Betrie­be einord­nen läßt, ist das in den Jahren 1906/07 entstan­de­ne Kaltwalz­werk im Gewand »Schwörz«. Auch dieser Betrieb suchte noch die Wasser­kraft des Kochers zu nutzen und über Turbi­nen den benötig­ten Strom zu erzeu­gen. Gründer der Firma ist Karl Walter, ein Kaufmann aus Aalen. Er veräu­ßert den noch kleinen Betrieb nach den Rückschlä­gen, die ihm aus den wirtschaft­li­chen Schwie­rig­kei­ten der Nachkriegs­zeit erwach­sen, 1928 an die in Völklin­gen (Saarland) ansäs­si­gen Röchlings­chen Eisen- und Stahl­wer­ke. Dieser Konzern verhilft dem Betrieb zu Größe und Bedeu­tung. Nach dem Zweiten Weltkrieg gelingt es, die Konkur­renz­fä­hig­keit des Unter­neh­mens durch Erwei­te­rung der Kapazi­tät, durch Einfüh­rung von Spezi­al­pro­duk­ten und nicht zuletzt durch die Anwen­dung moder­ner Techno­lo­gie weiter zu erhöhen.

Das Kaltwalz­werk ist das einzi­ge seiner Art in Süddeutsch­land. Mag auch der Weg vom Stahl­werk, bezie­hungs­wei­se Walzwerk, in dem das in Ringform gelie­fer­te Warmband herge­stellt wird, bis Oberko­chen weit erschei­nen, so liegt das tradi­tio­nel­le Absatz­ge­biet, der gesam­te süddeut­sche Raum, für den kaltge­walz­ten Bandstahl umso näher. Bandstahl in Ring- oder Stabform wird für Stanz‑, Biege- und Tiefzieh­zwe­cke in der Metallwaren‑, Automobil‑, Büromaschinen‑, Baubeschlag‑, Spiel­wa­ren- und Uhren­in­dus­trie benötigt. Darüber hinaus werden im Kaltwalz­werk Spezi­al­pro­duk­te — Bonder­bän­der mit einer spezi­el­len Oberflä­chen­ver­ede­lung — herge­stellt, die in der ganzen Bundes­re­pu­blik und im Ausland abgesetzt werden.

Oberkochen

Haupt­ab­neh­mer für die Produk­te des Kaltwalz­wer­kes ist heute die Nagel­la­ger-Indus­trie, die mit diesen Lagern vorwie­gend Automo­bil­fir­men belie­fert. Unter Josef Rosen­ber­ger und Kurt Schmidt, die seit 1964 das Oberko­che­ner Kaltwalz­werk mit seinen derzeit 133 Mitar­bei­tern leiten, wird die Monats­pro­duk­ti­on von 650 t auf über 2000 t gesteigert.

Seit 1991 ist Holger Kühn anstel­le von Kurt Schmidt techni­scher Leiter des Kaltwalzwerkes.

Carl Zeiss (1946)

Ein wichti­ger Meilen­stein für die indus­tri­el­le Entwick­lung Oberko­chens ist die Ansied­lung der Firma Carl Zeiss im Jahre 1946.

Zur Vorge­schich­te:
Im Juni 1945 mußten auf Befehl der ameri­ka­ni­schen Besat­zungs­macht die Geschäfts­lei­tung und ein aus 85 Perso­nen bestehen­der wissen­schaft­li­cher und techni­scher Mitar­bei­ter­stab mit ihren Famili­en die alte Thürin­ger Univer­si­täts­stadt Jena verlas­sen, in der 1846 der Mecha­ni­ker Carl Zeiss seine Optische und Mecha­ni­sche Werkstät­te gegrün­det hatte, die unter seiner und des Wissen­schaft­lers Ernst Abbes Leitung zum bedeu­tends­ten optisch-feinme­cha­ni­schen Unter­neh­men heran­ge­wach­sen war. Mit diesem Mitar­bei­ter­stab wurden auch 41 Führungs­kräf­te des zur Carl-Zeiss-Stiftung gehören­den Schwes­ter­un­ter­neh­mens »Jenaer Glaswerk Schott & Gen.« nach Heiden­heim gebracht. Mit diesem »Exodus« wollten die westli­chen Alliier­ten den auf Grund der Verträ­ge von Jalta nach Thürin­gen einrü­cken­den Russen einen Teil des wissen­schaft­li­chen Poten­ti­als der Zeiss-Werke entzie­hen: »We take the brain«. Die Wissen­schaft­ler und Konstruk­teu­re wurden auf Heiden­heim und die umlie­gen­den Dörfer verteilt und dort notdürf­tig unter­ge­bracht. Die mitab­trans­por­tier­ten 360 000 Zeich­nun­gen, die Frucht jahrzehn­te­lan­ger Arbeit, sahen sie nie wieder, sie wurden in die USA gebracht. Fast zehn Monate vergin­gen, bis die Gruppe, inzwi­schen verstärkt durch einige Jenaer Flücht­lin­ge, die Erlaub­nis zum Arbei­ten und zum Aufbau einer Ferti­gung für feinme­cha­nisch-optische Erzeug­nis­se erhielt. Man entschloß sich, die leerste­hen­den Räume der Firma Fritz Leitz in Oberko­chen zu mieten und hier den Neube­ginn zu wagen, ohne Unter­la­gen, ohne Werkzeu­ge und Maschi­nen, mit nichts als dem Wissen und dem Willen zum Wieder­auf­bau. Am 4. Oktober 1946 wird die Firma Opton Optische Werke Oberko­chen GmbH, gegrün­det, die man wenig später, am 1. Febru­ar 1947, in Zeiss-Opton Optische Werke Oberko­chen GmbH, umbenennt. Die Schwie­rig­kei­ten, denen sich die aus Profes­sor Bauers­feld, Dr. Küppen­ben­der und Dr. Henrichs bestehen­de Geschäfts­lei­tung gegen­über­sieht, sind fast unbeschreib­lich: Maschi­nen müssen beschafft, Rohstof­fe besorgt werden in einer Zeit, in der Geld keiner­lei Wert besitzt und sich nur durch Kompen­sa­ti­on Ware beschaf­fen läßt. Vor allem müssen die in die USA gebrach­ten Arbeits­un­ter­la­gen, soweit für den Beginn erfor­der­lich, wieder erstellt werden. Das Fabri­ka­ti­ons­pro­gramm muß anfäng­lich noch den Weisun­gen der ameri­ka­ni­schen Besat­zungs­macht entspre­chen; erlaubt sind zunächst Produk­te, die dem Gesund­heits­we­sen dienen, wie Brillen­glä­ser, medizi­nisch-optische Geräte und Mikro­sko­pe, daneben außer­dem — praktisch als Ausnah­me — auch photo­gra­phi­sche Objek­ti­ve. Der Arbeits­schwer­punkt des ersten Jahres liegt in den wissen­schaft­li­chen Abtei­lun­gen, den Labora­to­ri­en und Konstruk­ti­ons­bü­ros, denn zunächst sind neue Geräte zu entwi­ckeln, Ferti­gungs­un­ter­la­gen zu erstel­len und die für die Produk­ti­on notwen­di­gen optischen und mecha­ni­schen Spezi­al­ma­schi­nen zu konstru­ie­ren und zu bauen. 1948 — im Jahr des eigent­li­chen Produk­ti­ons­an­laufs — ist die Beleg­schaft schon auf 1300 Perso­nen angewach­sen. Mit der am 1. Juni 1948 auf russi­schen Befehl verfüg­ten Enteig­nung der Jenaer Stamm­wer­ke Zeiss und Schott verliert auch die 1889 von Ernst Abbé gegrün­de­te Zeiss-Stiftung als Eigen­tü­me­rin beider Werke endgül­tig ihre Existenz­grund­la­ge in Jena. Für die Geschäfts­lei­tun­gen der Firmen Zeiss und des Schwes­ter­un­ter­neh­mens Jenaer Glaswer­ke Schott & Gen., das inzwi­schen in Zwiesel und Lands­hut wieder mit der Produk­ti­on optischen Glases begon­nen hat (erst 1952 wird das neue Glaswerk in Mainz in Betrieb genom­men), gilt es, die Stiftung nicht nur als Indus­trie­un­ter­neh­men, sondern auch als Sozial­werk zu retten. Die im Stiftungs­sta­tut veran­ker­ten sozia­len Ideen Ernst Abbes mit Neunstun­den­tag (acht Stunden ab 1900), Kündi­gungs­schutz, bezahl­tem Urlaub, Kranken­geld, Gewinn­be­tei­li­gung, Invali­di­täts- und Alters­ver­sor­gung waren am Ausgang des letzten Jahrhun­derts bahnbre­chend und eilten der staat­li­chen Gesetz­ge­bung um Jahrzehn­te voraus. Ein Fortbe­stand der Stiftung ist unter diesen Umstän­den nur im Westen Deutsch­lands denkbar, denn hier wirken mit den evaku­ier­ten Geschäfts­lei­tern die Bevoll­mäch­tig­ten der Zeiss-Stiftung, und nur hier kann sie auf der recht­li­chen und ideel­len Basis ihres Statu­tes fortbe­stehen. Die baden-württem­ber­gi­sche Landes­re­gie­rung bestimmt daher 1949 Heiden­heim zum Sitz der Stiftung.

Am 1. Mai 1954 kann Profes­sor Bauers­feld als Senior der Stiftung bei einer Feier im Oberko­che­ner Werks­ge­län­de im Beisein des Bundes­prä­si­den­ten Theodor Heuss verkün­den, daß »die Carl-Zeiss-Stiftung wieder­erstan­den ist und daß ihre Weltfir­men Zeiss und Schott außer­halb der Zone der Unfrei­heit und des Terrors wieder aufge­baut sind«.

Der wirtschaft­li­che Wieder­auf­stieg ist nun schon so weit gedie­hen, daß an diesem Tag die statu­ta­ri­schen Pensi­on­rech­te für die Arbei­ter und Angestell­ten verkün­det werden können. »Auf schwä­bi­schem Boden wuchs dem Werk Abbes ein neues Haus«, schreibt die Werks­zei­tung. Das Unter­neh­men, das nun wieder den alten Namen »Carl Zeiss« trägt, zählt nun schon 2850 Beschäf­tig­te, etwa ein Drittel sind ehema­li­ge Jenaer Zeiss- Mitar­bei­ter, die im Laufe der Jahre den Weg in den Westen gefun­den haben. Dieser vorwie­gend aus Meistern, Vorar­bei­tern und hochqua­li­fi­zier­ten Fachar­bei­tern bestehen­den Gruppe kommt eine bedeu­ten­de Rolle beim Aufbau der Ferti­gung zu.

Die gemie­te­ten Räume reichen nicht mehr aus. 1950 wird mit dem Shedhal­len­bau der erste Schritt zur Erwei­te­rung der Firma getan, andere Bauten folgen. Längst schon ist das Ferti­gungs­pro­gramm der Anfangs­jah­re erwei­tert worden. Neben Brillen­glä­sern , Photo­ob­jek­ti­ven und Mikro­sko­pen werden nun wieder ophthal­mo­lo­gi­sche und mikro­chir­ur­gi­sche Geräte, Photo­me­ter, Refrak­to­me­ter, Inter­fe­ro­me­ter, Nivel­lie­re, Theodo­li­ten, Photo­gram­me­tri­sche Kameras und Auswer­te­ge­rä­te, Elektro­nen­mi­kro­sko­pe sowie Feldste­cher produ­ziert. 1957 wird die ehema­li­ge Remon­te-Kaser­ne in Aalen als Brillen­glas­fa­brik einge­rich­tet und Zug um Zug durch Neubau­ten erwei­tert, im gleichen Jahr wird die zur Zeiss-Gruppe gehören­de Mikro­skop-Fabrik R. Winkel GmbH in Göttin­gen anläß­lich ihres hundert­jäh­ri­gen Bestehens Teil des Stiftungs-Unter­neh­men Carl Zeiss. Seit 1955 ist dieses Werk Ferti­gungs­stät­te aller Zeiss-Mikro­sko­pe. Heute nehmen die Stiftungs­be­trie­be Zeiss und Schott wieder eine führen­de Stellung auf den Weltmärk­ten ein. Die Stiftung beschäf­tigt weltweit ca. 35 000 Mitar­bei­ter, davon entfal­len auf die Zeiss Gruppe, d.h. die Firma Carl Zeiss mit ihren Tochter­un­ter­neh­men ca. 17 000. Tochter­ge­sell­schaf­ten sind die Firmen Anschütz & Co. GmbH Kiel, M. Hensoldt & Söhne Wetzlar, die Marwitz & Hauser GmbH Stutt­gart, das Prontor­Werk Alfred Gauthi­er GmbH in Wildbad, die Dr.-Ing. Höfler Meßge­rä­te­bau GmbH Ettlin­gen, das Heinrich Wöhlk Insti­tut für Contact-Linsen GmbH & Co. in Schön­kir­chen, Carl Zeiss Jena GmbH, in den USA Titmus Optical Inc. und Humphrey Instru­ments Inc. sowie die ungari­sche MOM. Hinzu kommen noch 29 Vertriebs- und Service­ge­sell­schaf­ten in aller Welt.

Das Stiftungs­un­ter­neh­men Carl Zeiss hat zur Zeit in den Werken Oberko­chen, Aalen, Göttin­gen, Bopfin­gen und Nattheim rund 7 500 Beschäf­tig­te. Mehr als 1 200 Oberko­che­ner Einwoh­ner finden in diesem bedeu­ten­den Indus­trie­un­ter­neh­men des Ostalb­krei­ses Arbeit.

Mit der deutschen Wieder­ver­ei­ni­gung kann nun endlich auch ein Schluß­strich unter die 45jährige Trennung der Zeiss Unter­neh­men in Ost und West gezogen werden. Im Novem­ber 1991 werden mit der Treuhand­an­stalt die Verträ­ge für die neuge­grün­de­te Carl Zeiss Jena GmbH unter­zeich­net, an der das Stiftungs­un­ter­neh­men Carl Zeiss, Oberko­chen, mit 51% betei­ligt ist und die unter­neh­me­ri­sche Führung hat. Weite­rer Gesell­schaf­ter ist die dem Lande Thürin­gen gehören­de Jenop­tik GmbH. Carl Zeiss Jena GmbH beschäf­tigt ca. 3000 Mitar­bei­ter in den tradi­tio­nel­len Geschäfts­fel­dern des Jenaer optischen Instrumentenbaues.

Oberkochen

Da es nicht möglich ist, im Rahmen dieses Berich­tes das gesam­te Liefer­pro­gramm an optischen, feinme­cha­ni­schen und elektro­ni­schen Erzeug­nis­sen aufzu­füh­ren, soll stell­ver­tre­tend die Nennung der Geschäfts- und Produkt­be­rei­che einen Eindruck von der Programm­viel­falt vermitteln:

Mikro­sko­pe, Elektro­nen­op­ti­sche Geräte, Medizi­nisch-Optische Geräte, Vermes­sung, Indus­tri­el­le Meßtech­nik, Optische Prozeß­tech­nik, Optische und Elektro­ni­sche System­kom­po­nen­ten, Augen­op­tik, Fernglä­ser, Sonder­tech­nik, Astro­no­mi­sche Instru­men­te / Plane­ta­ri­en / Syste­me und Kompo­nen­ten. Mit diesen Produk­ten erzielt das Stiftungs­un­ter­neh­men Carl Zeiss 1991/92 einen Umsatz von 1,4 Milli­ar­den DM, der Export­an­teil beträgt 50%.

Anhang:
Geschäfts­lei­ter der Firma Carl Zeiss seit 1946:
Prof. Dr.-Ing. Dr.-Ing. E.h. Dr. rer.nat.h.c. Walther Bauers­feld 1946–1959
Dr. rer.pol.h.c. Paul Henrichs 1946–1959
Dr.-Ing. Dr.-Ing.E.h. Heinz Küppen­ben­der
Ehren­bür­ger der Stadt Oberko­chen 1946–1972
Prof. Dr.phil. Dr.rer.nat.h.c. Gerhard Hansen 1952–1965
Dr. rer.pol. Dr. rer.nat.h.c. Gerhard Kühn
Ehren­bür­ger der Stadt Oberko­chen 1960–1973
Dr.-Ing. Dr.-Ing.E.h. Dr.-Ing.E.h. Kurt Räntsch 1965–1971
Dr.-Ing. Martin Ahrend 1969–1974
Dr.phil. Horst Skolu­dek 1971–1992
Dr.rer.pol. Hans Eberhard Scheff­ler 1973–1976
Dr.rer.nat. Gert Littmann 1974–1992
Prof. Dr.-Ing. Jobst Herrmann seit 1976
Wolfgang Adophs 1978–1988
Gustav Pieper 1984–1990
Dr. jur. Hans-Kurt Fugert seit 1988
Dipl.-Wirtsch.-Ing. Thomas F. Bayer seit 1990
Dr.rer.nat. Hans Richard Weinhei­mer seit 1990

Karl Gold, Werkzeug­fa­brik GmbH (1953)

Die Werkzeug­fa­brik Karl Gold ist eine der späte­ren Firmen­grün­dun­gen der angestamm­ten Holzbe­ar­bei­tungs­in­dus­trie. Karl Gold hat bei der Firma Leitz eine Lehre als Werkzeug­ma­cher absol­viert, bei seiner Lehrfir­ma, später bei der Firma Oppold Berufs­er­fah­rung gesam­melt und die Meister­prü­fung im Maschi­nen­bau abgelegt, bevor er sich 1953 im elter­li­chen Anwesen an der Heiden­hei­mer Straße Nr. 42 mit einer größe­ren Werkstatt selbstän­dig macht.

Dort stellt er zunächst Werkzeu­ge für die maschi­nel­le Holzbe­ar­bei­tung her, aber auch Sonder­ma­schi­nen, z.B. für die Zigar­ren­fa­bri­ka­ti­on und das Tisch­ler­hand­werk. Später, gegen Ende der fünfzi­ger Jahre, nimmt er auch Fräswerk­zeu­ge für die maschi­nel­le Holzbe­ar­bei­tung in das Programm auf; der Maschi­nen­bau wird wieder aufgegeben.

1978, nach dem Bau einer moder­nen Ferti­gungs­stät­te im Gewand »Schwörz«, beschäf­tigt der Betrieb schon dreißig Mitar­bei­ter, die zunächst Werkzeu­ge mit auswech­sel­ba­ren Messern, Wende­plat­ten-Falzköp­fe, Wende­plat­ten-Fräsgar­ni­tu­ren und Profil­mes­ser­köp­fe, später auch HSS- und hartme­tall­be­stück­te Fräser herstel­len. Verschie­de­ne Standard­werk­zeu­ge im Wende­plat­ten­sys­tem kommen hinzu, ebenso Werkzeug­sät­ze für die gebräuch­li­chen Fenster­ty­pen, für die Längs‑, z.T. auch für die Winkel­be­ar­bei­tung in Wende­plat­ten­aus­füh­rung. Karl Gold stirbt im Jahre 1982. Die Nachfol­ge tritt sein Sohn Josef Gold an, der im elter­li­chen Betrieb als Werkzeug­mach­er­lehr­ling begon­nen und die Meister­prü­fung als Mecha­ni­ker abgelegt hat. In der Firma sind heute 54 Mitar­bei­ter beschäftigt.

Gummi-Pfütze — Formar­ti­kel, Gummi-Metall­ver­bin­dun­gen GmbH (1953)

Ein Abstell­raum des Gastho­fes »Ochsen«, spärlich möbliert mit Tisch, Ofen und Schraub­stock, wird zur »Keimzel­le« der Firma Gummi-Pfütze. Hier begin­nen im März des Jahres 1953 Willi und Rosl Pfütze mit der Herstel­lung von Dichtungs­rin­gen für Molke­rei­ar­ma­tu­ren. Sie gehören zu den vielen Oberko­che­ner Neubür­gern aus Mittel­deutsch­land, die nach dem Krieg versu­chen, sich eine neue Existenz aufzubauen.

Zwei Jahre bleiben sie im »Ochsen«, dann ziehen sie in einen 28 Quadrat­me­ter großen Raum in der Katzen­bach­stra­ße und begin­nen dort 1965 — unter­stützt von zwei Hilfs­kräf­ten — mit der Herstel­lung von Schutz­kap­pen für Nivel­lier­köp­fe. Als sie 1968 in die Sperber­stra­ße umzie­hen, beschäf­ti­gen sie schon sieben Mitar­bei­ter und erwei­tern ihre Produk­ti­ons­pa­let­te auf Gummi-Metall­ver­bin­dun­gen, wie sie in der Optik, der Medizin, in der Geträn­ke­indus­trie und in Molke­rei­en benötigt werden. 1977 stirbt Willi Pfütze. Sein Sohn Helmut übernimmt mit seiner Frau Heidi den Betrieb. 1980 wird im Gewer­be­ge­biet »Schwörz« eine moder­ne Ferti­gungs­stät­te errich­tet, in der nunmehr zehn Mitar­bei­ter mit der Herstel­lung von vulka­ni­sier­ten Formar­ti­keln — Spezi­al­pro­duk­ten, die auch im Hause entwi­ckelt werden — beschäf­tigt sind. Zweihun­dert Sorten Gummi finden Verwen­dung, wobei Gummi-Metall­ver­bin­dun­gen nach wie vor eine Spezia­li­tät der Firma sind.

Metall­guß Oberko­chen (1953)

Im Jahre 1953 pachtet der aus Eger (Sudeten­land) stammen­de Karl Egerter in der Kelten­stra­ße die kleine Schnell’sche Messing­gie­ße­rei. Damit erfüllt sich der bis dahin bei der Firma Zeiss tätige agile Betriebs­in­ge­nieur den Wunsch nach Selbstän­dig­keit. Drei Jahre später bereits erstellt er im Gewand »Schwörz« eine Gieße­rei mittle­rer Größe, wobei er das Inter­es­se der Firma Zeiss an einer Gieße­rei in Werks­nä­he berück­sich­tigt. Mit seinen 15 Mitar­bei­tern stellt Egerter haupt­säch­lich Alumi­ni­um­guß­tei­le her, doch werden auch andere Metal­le verar­bei­tet. Rund 60% der Alumi­ni­um­guß­pro­duk­ti­on gehen an die Firma Zeiss, die somit für die Gieße­rei zum wichtigs­ten Abneh­mer wird. Durch ihre Relief-Kunst­güs­se aus Alumi­ni­um wird die Firma Egerter in weiten Bevöl­ke­rungs­krei­sen bekannt.

1984 übernimmt der aus Nordrhein-Westfa­len stammen­de Gieße­rei­tech­ni­ker Georg Hoffmann den Betrieb, der nach einer zweijäh­ri­gen Interims­zeit der Verpach­tung wieder neu aufge­baut werden muß. Die Firma belie­fert rund 60 Kunden, darun­ter namhaf­te Betrie­be der weiter­ver­ar­bei­ten­den Indus­trie. Es können Gußstü­cke bis zu 200 kg in Alumi­ni­um gegos­sen werden, daneben wird der Ausbau auf Kokil­len- und Nieder­druck­guß voran­ge­trie­ben. 1988 wird der Betrieb aufge­ge­ben, die Gebäu­de übernimmt die Firma Anton Grupp, Metallbau.

Beier GmbH (1965)

Im März des Jahres 1965 eröff­nen die aus Leobschütz/Schlesien stammen­den Ingenieu­re und Brüder Siegfried und Eckhard Beier in der Elmer’schen Hafner­werk­statt ein Ingenieur­bü­ro mit angeglie­der­ter Elektro­werk­statt. Zunächst neben­be­ruf­lich werden mit Hilfs­kräf­ten in den Abend- und Wochen­end­stun­den Motor­repa­ra­tu­ren ausge­führt und Schüt­zen­steue­run­gen herge­stellt. Daneben wird auch schon mit der Konstruk­ti­on von Steue­run­gen begon­nen. Als sie die ersten Mitar­bei­ter fest anstel­len können, sind die Gebrü­der Beier schon Mieter des Gebäu­des Aalener Str. 19, des frühe­ren Jugend­hau­ses, das sie 1970 erwerben.

Nachdem sie dieses Haus an die Stadt verkauft haben, ziehen sie 1977 mit 24 Mitar­bei­tern in gemie­te­te Räume der Firma Okoma; 1978 wird die Abtei­lung Meßelek­tro­nik gegrün­det; die Mitar­bei­ter­zahl wächst auf 40 an. Der steti­ge und bestän­di­ge Aufschwung ermutigt die Inhaber zum Kauf eines größe­ren Bauge­län­des im Gewand »Schwörz«. Im April des Jahres 1982 zieht dann der Betrieb mit seinen insge­samt 70 Mitar­bei­tern in eine eigene moder­ne Fabri­ka­ti­ons­hal­le auf dem ehema­li­gen Terrain des städti­schen, vormals Bäuerle’schen Gutsho­fes um.

Heute beschäf­tigt die Firma Beier 82 Mitar­bei­ter mit der Entwick­lung, Projek­tie­rung, Konstruk­ti­on und Produk­ti­on von elektri­schen und elektro­ni­schen Steue­run­gen, Geräten der Meß‑, Steuer‑, Regel‑, Feinwerk- und Regis­trier­tech­nik sowie Hard- und Software für Mikro­pro­zes­sor- und Perso­nal­com­pu­ter­sys­te­me, die in den verschie­dens­ten Branchen Anwen­dung finden.

Werner Schwim­mer (1963)

1963 wagte der aus Jena stammen­de und seit 1956 in Oberko­chen leben­de Werner Schwim­mer den Schritt in die Selbstän­dig­keit. Im 40 qm großen Keller des »Kirchen­schmie­des« gegen­über der katho­li­schen Kirche beginnt er mit der Ferti­gung von Drehtei­len als Zulie­fer­be­trieb. Einen Partner findet er nach einem knappen halben Jahr in Wolfgang Werner. Der Raum wird bald zu klein, deshalb weichen sie in ein Haus in der Weingar­ten­stra­ße aus, dort beschäf­ti­gen sie dann schon 4–5 Mitar­bei­ter. Als sie in die Katzen­bach­stra­ße an’s »Sappe­reck« umzie­hen, sind daraus schon acht gewor­den. 1967 trennen sich die Wege der beiden Geschäfts­part­ner, Werner Schwim­mer wählt das Risiko und führt den Betrieb mit drei Mitar­bei­tern im Hause Sauter neben der Spedi­ti­on Fischer allein weiter. 1976 kann er ein eigenes Haus errich­ten, in dessen Unter­ge­schoß er eine Werkstatt installiert.

Als mit dem inzwi­schen Meister gewor­de­nen Sohn ein mit den moderns­ten Ferti­gungs­tech­ni­ken vertrau­ter Mitar­bei­ter zur Verfü­gung steht und auch die Elektro­in­stal­la­ti­on des Wohnhau­ses eine Auswei­tung des Betrie­bes, in dem nunmehr 12 Mitar­bei­ter an vier CNC-Maschi­nen arbei­ten, nicht mehr zuläßt, wird an den Bau eines Fabrik­ge­bäu­des gedacht. Der 1986 begon­ne­ne Bau in der Schwörz wird 1987 fertig­ge­stellt. Dort sind nunmehr 20 Mitar­bei­ter mit der Herstel­lung von Drehtei­len beschäf­tigt, die in der Elektro­in­dus­trie, dem Automo­bil- und Getrie­be­bau Verwen­dung finden, Abneh­mer sind u.a. die Firmen Bosch und Philips. Flexi­bel reagiert Schwim­mer auf den Markt, die zunächst relativ starke Abhän­gig­keit von der Autoin­dus­trie im Zulie­fer­ge­schäft wird erheb­lich reduziert.

Neben Einzel­tei­len liefert die Firma auch verkaufs­fer­ti­ge Produk­te, wie z.B. Leuch­ter für die Firma WMF. Ein kleines eigenes Geräte­pro­gramm für medizi­ni­sche Zwecke (Schlauch­pum­pen für die Nieren­dia­ly­se, Labor­ge­rä­te) ergänzt das Ferti­gungs­spek­trum, das in seiner durch­dach­ten Mischung wenig krisen­an­fäl­lig ist.

Jelon­nek, Trans­for­ma­to­ren und Wickel­gut GmbH (1966)

Gunter Jelon­nek kommt 1945 aus Berlin nach Oberko­chen und heira­tet hier die aus einer Oberko­che­ner Handwer­ker­fa­mi­lie stammen­de Lotte Kopp. Jahre­lang arbei­tet er in einer Stutt­gar­ter Trans­for­ma­to­ren­fa­brik. Der wohlmei­nen­de Rat eines Branchen­ver­tre­ters, »es in Oberko­chen selbst zu machen«, gibt schließ­lich den entschei­den­den Anstoß für die Firmen­grün­dung. 1966 begin­nen Gunter und Lotte Jelon­nek in ihrer Wohnung in der Heiden­hei­mer Straße 44, unter­stützt durch eine Helfe­rin, mit dem Wickeln von Trans­for­ma­to­ren. 1967 mieten sie in der Dreißen­tal­stra­ße 41 einen ausge­bau­ten Schup­pen, ziehen aber nach zwei Jahren wieder zurück in die Heiden­hei­mer Straße, zunächst in einen 50 m² großen Anbau hinter dem heuti­gen Droge­rie­markt Schle­cker — dort beschäf­ti­gen sie schon zehn Mitar­bei­ter — und später, 1971, wieder in das Eltern­haus von Frau Jelon­nek. Dann verun­glückt Gunter Jelon­nek im Jahre 1976 tödlich. Doch Lotte Jelon­nek gibt nicht auf und meistert die schwie­ri­ge Lage. Ihr steht der einund­zwan­zig­jäh­ri­ge Sohn Klaus zur Seite, der, gerade von der Bundes­wehr entlas­sen, seine Studi­en­wün­sche ohne Zögern aufgibt. 1979 nehmen sie den Schwie­ger­sohn und Schwa­ger Rudolf Hurler mit in die Geschäf­te­füh­rung auf, der heute gemein­sam mit seiner Frau das Unter­neh­men leitet. Äußeres Zeichen ihres Erfol­ges ist der 1985 im Gewer­be­ge­biet »Schwörz« einge­weih­te neue Betrieb mit 800 m² Nutzflä­che, in dem 20 Mitar­bei­ter beschäf­tigt sind. Zum festen Kunden­kreis gehören namhaf­te Firmen wie Carl Zeiss, Voith, Siemens und SEL, ANT Bosch Telecom und Picker, für die auch Entwick­lun­gen übernom­men werden. Die Flexi­bi­li­tät des Unter­neh­mens, das sich der handwerk­li­chen Tradi­ti­on verpflich­tet fühlt, läßt auch Einzel­fer­ti­gun­gen zu.

Okoma Maschi­nen­fa­brik GmbH (1975)

Im Juni des Jahres 1975 gründen Kurt Büttner und Max Wirth die Firma Okoma. Kurt Büttner stammt aus Zeulenroda/Thüringen, war in den fünfzi­ger Jahren als Konstruk­teur bei der Firma Bäuerle, später bei Wannen­wetsch und zuletzt als Geschäfts­füh­rer bei der Maschi­nen­fa­brik Georg Funk in Waldhau­sen beschäf­tigt. Der Oberko­che­ner Max Wirth war Außen­dienst-Abtei­lungs­lei­ter, bevor er sich mit einer eigenen Handels­fir­ma, in der er auch Bäuerle-Produk­te vertrieb, selbstän­dig machte.

Zusam­men erwer­ben sie das Tisch­le­rei-Maschi­nen­pro­gramm und die Fabri­ka­ti­ons­räu­me der inzwi­schen nach Böbin­gen verla­ger­ten Firma J. Adolf Bäuerle und setzen in der Bahnhof­stra­ße mit dreißig Mitar­bei­tern die Produk­ti­on dieser Maschi­nen fort. Der gute Ruf, den diese Maschi­nen in der Fachwelt genie­ßen, vermin­dert für das junge Unter­neh­men das Start­ri­si­ko. Entschei­dend für die Etablie­rung des Betrie­bes erweist sich die Verbin­dung zur Firma Funk, für die zunächst der Vertrieb einer spezi­el­len Fenster­her­stel­lungs­ma­schi­ne übernom­men wird. Für diese Spezi­al­ma­schi­ne, eine winkel­för­mig angeord­ne­te Kombi­na­ti­on von Schlitz- und Fräsma­schi­ne nach einer Idee von Kurt Büttner, die einen automa­ti­schen Ablauf der Fenster­pro­duk­ti­on ermög­licht, wird bereits nach einem halben Jahr das Herstel­lungs­recht erwor­ben. Das System wird bei Okoma für die Fenster­in­dus­trie als compu­ter­ge­steu­er­te Ferti­gungs­stra­ße, aber auch für kleine Handwerks­be­trie­be ausge­baut. Außer­dem entwi­ckelt die Firma das Standard-Maschi­nen­pro­gramm weiter. Nach dem Ausschei­den von Max Wirth (1983) ist Kurt Büttner allei­ni­ger Geschäfts­füh­rer der Okoma Maschi­nen­fa­brik, die zu dieser Zeit etwa 100 Mitar­bei­ter beschäftigt.

Trotz des vielsei­ti­gen Ferti­gungs­pro­gram­mes geht das Unter­neh­men 1988 in Konkurs. Konkurs­mas­se und Mitar­bei­ter werden zunächst — um die bei der Okoma einge­brach­ten Liefer­leis­tun­gen und das know how zu retten — von der Beier GmbH übernom­men, die die Okoma Maschi­nen­fa­brik aber auch nur ein Jahr weiter­füh­ren kann und 1989 endgül­tig aufge­ben muß. Der Firmen­na­me und die Produk­te gehen an ein Heidel­ber­ger Unter­neh­men über. Mit der Firma Okoma geht die lange Tradi­ti­on des Holzbe­ar­bei­tungs­ma­schi­nen­bau­es in Oberko­chen endgül­tig zu Ende.

Bäuerle Stahl­bau GmbH (1977)

1977 gründet Adolf Bäuerle, Sohn des 1979 verstor­be­nen Ehren­bür­gers Albert Bäuerle, in den Gieße­rei- und Zieherei­ge­bäu­den des ehema­li­gen Oberko­che­ner Famili­en­un­ter­neh­mens die »Bäuerle Stahl­bau GmbH«. Die Basis des Betrie­bes bildet die Dünnblech- und Gußstän­der-Produk­ti­on der Werkzeug- und Maschi­nen­fa­brik J.A. Bäuerle, die aus dem 1974 nach Böbin­gen verla­ger­ten Werk heraus­ge­löst und nun von Adolf Bäuerle zu einer selbstän­di­gen Firma in Oberko­chen ausge­baut wird. Die Bäuerle Stahl­bau GmbH spezia­li­siert sich mit Schweiß­kon­struk­tio­nen und Blech­be­ar­bei­tun­gen als Zulie­fer­be­trieb für den Maschi­nen­bau. Mit 25 Mitar­bei­tern werden Ständer und andere Maschi­nen­tei­le herge­stellt, die in dieser Verfah­rens­tech­nik wesent­lich indivi­du­el­ler gestal­tet und besser der Modell- und Maschi­nen­viel­falt angepaßt werden können als die früher üblichen Gußtei­le. Da das Betriebs­ge­län­de keine Erwei­te­rungs­mög­lich­kei­ten bietet, wird 1983 eine weite­re Werkstatt im Aalener Indus­trie­ge­biet in Betrieb genom­men, die, mit zwei 10 t‑Kränen ausge­rüs­tet, der Bearbei­tung schwe­rer Maschi­nen­tei­le dient. Mit einer compu­ter­ge­steu­er­ten Brenn­schnei­de­ma­schi­ne und einem ebenfalls rechner­ge­steu­er­ten Fräs- und Bohrwerk hat sich Bäuerle Stahl­bau auf die Erfor­der­nis­se der Zukunft eingestellt.

Oberko­chen heute

Das einsti­ge Bauern- und Hafner­dorf Oberko­chen ist heute eine bedeu­ten­de Indus­trie­stadt. Die hier ansäs­si­ge Indus­trie genießt Weltruf. Während der Name Carl Zeiss wohl bei allen Bevöl­ke­rungs­schich­ten im In- und Ausland bekannt sein dürfte, gelten Leitz, Schmid, Oppold und andere Firmen zumin­dest der Fachwelt als Inbegriff für Quali­tät, die höchs­ten Ansprü­chen gerecht wird. Die Indus­trie­be­trie­be sind export­ori­en­tiert: 30,40, bei manchen Betrie­ben sogar über 50% der Produk­ti­on werden an auslän­di­sche Abneh­mer gelie­fert. Oberko­chen verdankt der Indus­trie viel. Konnten bereits die vor dem 1. Weltkrieg vorhan­de­nen Betrie­be siche­re Voraus­set­zun­gen für dauer­haf­ten Wohlstand und ein bestän­di­ges Wachs­tum schaf­fen, und wurde Oberko­chen schon damals neben den bedeu­tend größe­ren Städten Remscheid und Schmal­kal­den als eines der drei natio­na­len Zentren der Werkzeug­in­dus­trie für die Holzbe­ar­bei­tung genannt, so markiert dennoch erst die Ansied­lung der Firma Zeiss 1946 den eigent­li­chen Einschnitt in der Geschich­te der Stadt. Die Einwoh­ner­zahl stieg explo­si­ons­ar­tig an: Während sie 1939 noch 2 002 Einwoh­ner betra­gen hatte (wovon immer­hin 979 in der Indus­trie beschäf­tigt waren), so sollte sie sich in kaum mehr als 15 Jahren verdrei­fa­chen. Anfang 1955 zählte die Gemein­de 5 722 Bürger, ihnen standen bereits 5 192 Indus­trie­ar­beits­plät­ze zur Verfü­gung. Der Aufschwung, mit dem Oberko­chen in ganz Württem­berg kein Gegen­stück hat, hielt an bis in die späten sechzi­ger Jahre, als die nunmehr zur (Industrie-)Stadt gewor­de­ne Gemein­de beina­he die 9 000-Einwoh­ner-Grenze erreich­te. Von den im Jahre 1970 gezähl­ten 6 834 Indus­trie­be­schäf­tig­ten arbei­te­ten 4 919 (72%) bei Carl Zeiss, täglich pendel­ten (im Jahre 1966) 3 552 Beschäf­tig­te zu ihrem Oberko­che­ner Arbeits­platz ein, die Zahl der Auspend­ler betrug demge­gen­über nur 397.

1987, im Jahre der letzten Arbeits­stät­ten­zäh­lung, fanden bei allge­mein weniger günsti­ger Wirtschafts­la­ge bei 7 900 Einwoh­nern 8 311 Perso­nen in Oberko­chen Arbeit, davon 6 359 im verar­bei­ten­den Gewer­be. Von den 8 311 in Oberko­chen Beschäf­tig­ten kamen 5 105 von außer­halb; die Arbeits­lo­sen­quo­te betrug zu dieser Zeit 3,4%. Notwen­di­ge Ratio­na­li­sie­rungs­maß­nah­men der Indus­trie und die Auswir­kun­gen der derzei­ti­gen Rezes­si­on ließen diese Arbeits­lo­sen­quo­te aller­dings auf 4,7% (Stand 30.6.1992) ansteigen.

Für die neu hinzu­kom­men­den Beschäf­tig­ten wurden allein in den Jahren 1948 bis 1970 insge­samt 2 178 Wohnun­gen erstellt, das sind 76,9% des Gesamt­be­stan­des von 1970. Von diesen baute oder förder­te 1152 (also 52,9%) die Firma Carl Zeiss. Die Indus­trie trug auch zum Aufbau kultu­rel­ler Einrich­tun­gen bei — es seien nur genannt die Stich­wor­te Carl-Zeiss-Kultur­ring, Volks­bil­dungs­werk, Optisches Museum — neben einer Vielzahl von sozia­len Einrich­tun­gen. Zahlrei­che Firmen­gäs­te aus dem In- und Ausland ließen Gastro­no­mie und Hotel­we­sen aufblühen.

Lassen wir unseren Blick abschlie­ßend noch einmal zurück­schwei­fen durch die Jahrhun­der­te, bis zu den Anfän­gen der Oberko­che­ner Indus­trie­ge­schich­te. Auf unseren Reisen­den aus dem Welsch­land etwa, wenn er aus dem Walde hervor­tritt und den Hochofen am Kocher­ur­sprung sowie die vielen rauchen­den Meiler an den Hängen unter sich erblickt. Ihm ist sicher nicht bewußt, daß er in diesem Augen­blick Zeuge des Beginns einer Entwick­lung wird, die den Übergang vom Mittel­al­ter zur Neuzeit charak­te­ri­siert und diese von nun an bestim­men soll, einer Entwick­lung, die unter seiner eigenen tatkräf­ti­gen Mitwir­kung voran­ge­trie­ben wurde: der Indus­tria­li­sie­rung der Ostalb.

Es läßt sich gleich­wohl keines­falls behaup­ten, daß die Indus­tria­li­sie­rung stets konti­nu­ier­lich fortge­schrit­ten wäre; konse­quent jedoch verlief diese Entwick­lung allemal. Die Aufga­be der Erzver­hüt­tung im Jahre 1634 betraf in erster Linie die Gemein­de Oberko­chen, denn in den umlie­gen­den Gemein­den wurde die Verhüt­tung von Eisen­erz weiter­hin betrie­ben. Noch heute bestehen in Königs­bronn und Wasser­al­fin­gen die »Schwä­bi­schen Hütten­wer­ke«. Oberko­chen war ledig­lich von der aktiven Teilnah­me an den indus­tri­el­len Entwick­lun­gen ausge­schlos­sen, doch war es seinen Einwoh­nern nicht verwehrt, diese mit Inter­es­se zu verfol­gen, gegebe­nen­falls in den Schmelz- und Schmie­de­be­trie­ben der Nachbar­dör­fer Arbeit zu suchen, diesen Holzkoh­le zu liefern oder Erzfuh­ren zu übernehmen.

Zwar konnte Württem­berg noch in der ersten Hälfte des 19. Jahrhun­derts als reiner Agrar­staat bezeich­net werden, doch bilde­te die Ostalb zu jener Zeit eine der Inseln indus­tri­el­ler Aktivi­tät. Auch Jakob Chris­toph Bäuerle hatte die Nähe zur eisen­ver­ar­bei­ten­den und eisen­schaf­fen­den Indus­trie in den Nachbar­or­ten gesucht, die ihm Materi­al für seine Bohrer liefern konnte. So gesehen war die Gründung der ersten Bohrer­werk­stät­te in Oberko­chen der Beginn einer neuen Ära im Rahmen der indus­tri­el­len Entwick­lung; sie war ein Neuan­fang, eine »Stunde Null« jedoch war sie nicht.

Auch die Ansied­lung der Firma Carl Zeiss im Jahre 1946 darf insofern nur als Kulmi­na­ti­ons­punkt einer hundert­jäh­ri­gen Entwick­lung gesehen werden, die ihre Wurzeln in einer wesent­lich länge­ren indus­tri­el­len Tradi­ti­on findet. Wohl kaum hätte sich dieses Unter­neh­men in jenem Dorf nahe dem Kocher­ur­sprung nieder­ge­las­sen, wären nicht leerste­hen­de Werks­ge­bäu­de vorhan­den gewesen; es ist auch nicht auszu­schlie­ßen, daß Zeiss von der indus­tri­ell-techni­schen Vorbil­dung der Bevöl­ke­rung zu profi­tie­ren hoffte. Jeden­falls fand der Betrieb unmit­tel­bar nach dem Kriege eine solide Grund­la­ge vor, die er für den Ausbau seiner Kapazi­tät zu nutzen verstand.

Zusam­men­fas­send läßt sich somit feststel­len, daß Oberko­chen eine »junge« Stadt mit langer Indus­trie­ge­schich­te ist, einer Geschich­te mit Höhen und Tiefen, die den Ort und seine Indus­trie­be­trie­be mitein­an­der verschweißt hat. Oberko­chen hat — und das gilt auch für die heuti­ge wirtschaft­lich schwie­ri­ge Zeit — Glück mit der Struk­tur seiner Indus­trie­be­trie­be: Sie sind umwelt­freund­lich, arbeits­in­ten­siv, sie erzeu­gen hochwer­ti­ge, den Erfor­der­nis­sen der Zeit angepaß­te techni­sche Produk­te und sie haben in wirtschaft­lich besse­ren Jahren in die Zukunft inves­tiert. Möge der Stadt dieses Glück auch weiter­hin beschie­den sein.

Nachwort:

Es liegt in der Natur der Sache, daß in einem Bericht über die Indus­tria­li­sie­rung Oberko­chens vor allem die Unter­neh­mer, die Firmen­grün­der und ihre Nachfol­ger Erwäh­nung finden. Nicht verges­sen werden darf dabei die Rolle der vielen Arbei­ter und Angestell­ten, die mit Erfin­dungs­ga­be, Fleiß und selbst in Krisen­zei­ten bewähr­ter beispiel­haf­ter Solida­ri­tät zum Gedei­hen der Unter­neh­men und zur Indus­tria­li­sie­rung ihrer Heimat beigetra­gen haben. So erinnert sich zum Beispiel die Unter­neh­mens­lei­tung der Firma Leitz in der anläß­lich ihres 100jährigen Bestehens heraus­ge­ge­be­nen Chronik dankbar daran, daß es damals in der Weltwirt­schafts­kri­se »nicht zuletzt die freiwil­li­gen Verzich­te und Einschrän­kun­gen der Arbeit­neh­mer waren, die in dieser Phase der Konkur­se, der Arbeits­zeit­ver­kür­zun­gen und der erschre­ckends­ten Arbeits­lo­sig­keit wesent­lich zum Überle­ben der Firma beigetra­gen haben«. Ähnli­ches ließe sich sicher auch von anderen Firmen berichten.

Litera­tur:

Manfred Thier: Geschich­te der Schwä­bi­schen Hütten­wer­ke. Verlag Heimat und Wirtschaft, Aalen und Stutt­gart 1965

Dr. Neusche­ler: Dorfle­ben im oberen Kocher­tal vor 200–300 Jahren. Der Spion von Aalen, Blätter für Heimat­kun­de, Januar 1928, Verlag W.A. Stier­lin, Aalen

Kgl.statistisch-topographisches Bureau (Heraus­ge­ber): Beschrei­bung des Oberamts Aalen, Stutt­gart, J.B. Müller 1854

Albert Bohn Hundert Jahre Indus­trie. Der Kreis Aalen, Verlag Heimat und Wirtschaft, Aalen 1957

Dr. Konrad Theiss (Heraus­ge­ber): Heiden­heim 1867–1967, Verlag Heimat und Wirtschaft, Aalen 1967

Helmut Christ­mann: Ferdi­nand Stein­beis, Gewer­be­för­de­rer und Volks­er­zie­her. Heiden­hei­mer Verlags­an­stalt 1970

Dr. Hans Schmid: Gemein­de­ge­schich­te in der Indus­trie­ge­schich­te. Einwoh­ner­buch Oberko­chen 1965

Robert Wolff: Von Bohrer­spit­zern zu weltbe­kann­ten Firmen — Über die einhei­mi­sche Indus­trie von Oberko­chen. Ostalb 6, 4. Jahrgang/Sommer 1970 Schwä­bi­scher Heimatverlag

Kuno Gold: Holzbe­ar­bei­tungs­werk­zeu­ge — Impul­se, die von Oberko­chen ausge­hen. HOB 11/83, S. 76–78

Gebr. Leitz (Heraus­ge­ber): Leitz 100 Jahre.

Dr. Julius Keil: August Oppold. Die westdeut­sche Wirtschaft und ihre führen­den Männer. Land Baden-Württem­berg, Teil III Wirtschafts­le­se­buch­ver­lag Dr. Keil GmbH, Frank­furt 1963

Weite­re Quellen:

Kirchen­bü­cher des Ev. Pfarr­am­tes Oberko­chen; Gemein­de­rats­pro­to­kol­le der Gemein­de Oberko­chen und andere Gemein­de­ak­ten des 19. Jahrhun­derts, wie Kauf- und Steuer­bü­cher; Trieb­werks­ak­ten des Umwelt­schutz­am­tes Aalen; Unter­la­gen des Staat­li­chen Vermes­sungs­am­tes Aalen, des Stadt­ar­chi­ves Stutt­gart und des Haupt­staats­ar­chi­ves Stutt­gart; Firmen­in­for­ma­tio­nen. Allen diesen Stellen, Ämtern und Firmen sei an dieser Stelle herzlich für ihre Hilfs­be­reit­schaft gedankt.

* Die Namen der Perso­nen auf den Gruppen­bil­dern verdan­ken wir größten­teils Herrn Kuno Gold, Oberkochen.

Marika Kämme­rer, Dr. Joachim Kämmerer