gesammelt von Karl Günter (gest. 1934), Alfons Mager (gest. 1946), Albrecht Gunzenhauser und Dietrich Bantel. Ein Teil der Sagen wurde in dem 1952 erschienenen Buch »Die Ostalb erzählt« veröffentlicht.
Vorspann: Geschichten und Sagen
»Geschichten und Sagen einer Landschaft bilden wie die Flurnamen ein wertvolles Erbe von unseren Vorfahren. Sie ergänzen die überlieferten Begebenheiten und lassen uns die Eigenart der Väter schauen. Dadurch lernen wir die Heimat näher kennen und liebgewinnen. Als Beitrag zur Heimatgeschichte seien deshalb auch die Geschichten und Sagen, die noch unter den biederen Alten am Schwarzen Kocher erzählt werden, hier angeführt. Da der weitaus größte Teil der Oberkochener Markung aus Wald und felsigen Bergen besteht, sind auch alle Geschichten und Sagen hiermit verknüpft.« So schrieb Hauptlehrer Günter über seine im Jahre 1928 verfaßte Sammlung von Geschichten und Sagen von Oberkochen. Seine ebenfalls 1928 entstandenen Aufzeichnungen über Geschichten und Sagen vom Volkmarsberg und seiner Umgebung beschließt er mit den Worten: »Diese Geschichten und Sagen wurden niedergeschrieben als Beitrag zur Heimatgeschichte. Sie sollen nicht verloren gehen, sondern noch lange bei den Bewohnern des Schwarzen Kochers fortleben.«
Zur Erfüllung dieses Wunsches wollen wir durch diese Schrift unseren Beitrag leisten.
Der Oberkochener Jäger, Barbarossa und Napoleon
In Oberkochen lebte vor Jahrhunderten ein Jäger, der den Kaiser Barbarossa auf seinen Jagden begleitete. Aber auch auf des Kaisers Heereszügen und bei der Schlacht von Legnano soll er dabei gewesen sein. Die Kunde, daß der Kaiser ertrunken sei, wollte damals in Oberkochen kein Mensch glauben, am wenigsten sein treuer Jäger.
Zwischen Sage und Wirklichkeit bewegt sich folgende Überlieferung. Niemand geringeres als Napoleon höchstpersönlich habe auf seinem Durchzug von Aalen nach Heidenheim in Oberkochen übernachtet. Übrigens hat der Oberkochener Hausname »Napoleon« mit diesem bis jetzt nicht belegten Besuch Napoleons in Oberkochen nichts zu tun.
Der Bilzhannes
Vor über hundert Jahren lebte auf der Bilz, dem Fichten- und Laubwald südwestlich des Volkmarsberges, ein gefürchteter Waldhüter, Bilzhannes genannt. Er war ein Original von einem Waldmenschen. Struppiges Haar und rötlicher Bart umrahmten das Gesicht. Dunkle, feurige Augen sprühten wie Blitze daraus hervor. Als echter Sohn der Natur bewohnte er ein Steinhaus, von dem jetzt noch die Grundmauern zu sehen sind. Auf der Bilz war damals eine fünf bis sechs Morgen große Fläche, mit Gestrüpp durchsetzt und von gewaltigen Buchen umgeben. Diese Lichtung diente auch als Viehweide. Das Haus stand bis Ende der vierziger Jahre des letzten Jahrhunderts. Im Auftrag des Forstamts hatte der Bilzhannes den Wald und das Wild zu beaufsichtigen. Mit den Wilderem soll er auf gutem Fuß gestanden sein und manche Rehe und Hasen seien ihm vor die Türe gelegt worden.
Bilzhannes kannte keine Furcht; als vorzüglicher Schütze und Weidmann war er weit bekannt. In den Ort herein kam er ziemlich selten, meist nur im Winter, um Brot und Branntwein zu holen. Mit rauhem grünem Kittel angetan und dickem Knotenstock in der Hand, fürchteten die Kinder den unheimlichen Mann. Die Mutter schüchterte sie ein mit den Worten: »Der Bilzhannes kommt und nimmt dich mit!« Seine Einkehr war bei Küfer und Schnapsbrenner Johann Schiebel in der Feigengasse. (1865 brannte das Haus ab). Der Heimweg ging übers Birkel und übers Brünnele, wo er öfters Rast hielt. Er war ein trinkfester Mann, erreichte aber ein hohes Alter.
Im Winter des Jahres 1810/11 kamen König Friedrich I. und Herzog Paul von Württemberg zu einer größeren Treibjagd auf den Albuch. Friedrich I. war bekanntlich ein mutiger und entschlossener Mann, aber auch von hartem, unbeugsamem Willen. Herzog Paul wohnte damals in Bartholomä und hielt sich oft in der Steinhüttenhöhle im Wental auf.
Die Jagd zog sich vom Volkmarsberg über die Bilz, den Wollenberg, Zang, Wental bis nach Steinheim hin. Bilzhannes war hier in seinem Element und hatte dem König einige prächtige Hirsche und Keiler vor die Büchse getrieben. Auch durch Wildbretführen und Beischaffen der Jagdwagen hatte er sich die Gunst des Landesherren und dessen Lob erworben. Die von Bilzhannes geführten Treiber sollen damals acht Tage nicht mehr heimgekommen sein. Der König nächtigte in seinem Jagdwagen und sei auch einigemal in das Bilzhaus gekommen, wo der alte Ofen des Mannes schrecklich rauchte. Als es ganz unerträglich wurde, rief der König: »Aber Hannes, du hast einen lumpigen Ofen, da hält es der Teufel nicht aus!«, nahm einen Baumast und warf damit den Ofen über den Haufen. Bilzhannes löschte die Glut und sah betrübt auf die Trümmer seines Wärmespenders. Seiner Not ohne den besten Freund in seiner Wintereinsamkeit gab er beredten Ausdruck. Der König beschwichtigte ihn und reichte ihm mehrere Silbertaler. Als Bilzhannes dann von einem königlichen Leibjäger erfuhr, daß das Tiefental herauf bereits ein Wagen im Anzug sei von Königsbronn mit einem neuen Ofen, äußerte er Freude und Dank. Einige Jahre später erhielt er von König Friedrich auch Begnadigung in einer Straftat gegen einen Förster. Diesen hatte er tätlich angegriffen, weil er sich von ihm bedrückt glaubte.
Einsam wie er lebte, soll er auch auf der Bilz gestorben sein. Alle Jäger und Holzmacher der Umgebung erwiesen ihm die letzte Ehre und gaben ihm ein Waldreis in sein Grab. Auf dem alten Friedhof in Oberkochen fand er seine Ruhe.
Alte Leute erzählten, daß man ihnen als Kinder beim Beerensammeln oft zurief: Macht, daß ihr sammelt und heimkommt, sonst erscheint der Bilzhannes!
In stürmischen Nächten soll heute noch auf der Bilz sein Geist erscheinen und die rauhe Stimme hörbar sein.
Neue Forschungen zur Bilz und zum Bilzhannes siehe BuG 1989 Nrn. 29, 31, 34, 35, 36, 37, 38, 40, BuG 1990 Nrn. 23, 51 und BuG 1991 Nr. 22.
Der Holzwarts-Baschte
Zu Anfang des letzten Jahrhunderts lebte ein Holzwart in Oberkochen namens Sebastian Gold. (Holzwart bedeutet soviel wie Forstwart oder Waldschütz). Er war von großer, kräftiger Gestalt, mit starkem Schnurrbart. Trotz seines militärischen Aussehens hatte er Gemüt und Humor. Nach der oben angeführten Treibjagd im Jahre 1811 versammelte der König alle Forstleute und Waldschützen um sich in Königsbronn, um für Verdienste Titel, Auszeichnungen und Geschenke zu verleihen. Bei den gestellten Fragen liebte er bündige und doch vollständige Antworten. Dabei war auch für Holzwart Sebastian Gold der Titel »Förster« vorgesehen. Als die Reihe an Gold kam, fragte der König: »Wie heißt du?« »Man heißt mich halt den Baschte!« erwiderte Gold. Über diese Antwort war der König unwillig, da er den ganzen Namen hören wollte und fuhr ihn an: »Wenn du nur der Baschte heißest, dann bist du der Baschte und bleibst der Baschte und damit baschta!« Ein langes Gesicht und große Reue sei bei Sebastian Gold zu beobachten gewesen, denn ein anderer habe den ihm zugedachten Titel dann erhalten.
Heute noch sagt man in Oberkochen bei ähnlichen Fällen: »Da geht es wie beim Holzwarts-Baschte !«
Das Sixer-Feldle
Südöstlich von der Bilz ist das Sixer-Feldle, das früher einem Bauern Six gehörte. Dieser war vom Unterland hierhergezogen, und er bewirtschaftete einen großen und schönen Hof im Katzenbach, Sixenhof genannt. Später verzog Six auf den Stützelhof bei Königsbronn. Er hatte das Sixer-Feldle angebaut und verkaufte es beim Wegzug an die Gemeinde. Jetzt ist dort eine Tannenkultur. (Daß der Name Sixer-Feldle von den sächsischen Truppen herrührte, die im Schmalkaldischen Krieg bei Oberkochen von Spaniern zurückgeschlagen wurden, ist demnach unrichtig.)
Der Geltenbalthes
Um die Mitte des vorigen Jahrhunderts hauste auf der Bilz ein Hirte von besonders urwüchsiger Art. Sein eigentlicher Name war Balthasar Baumgärtner; im Volk wurde er allgemein nur der Geltenbalthes genannt. Von Georgi bis Martini hütete er dort im Gemeinde- und Staatswald das Geltvieh (Jungvieh) und kam vom Frühjahr bis zum Herbst nicht mehr ins Kochertal herab. Bei den hiesigen Bauern galt er viel, weil er die Tiere in treuer Obhut hielt und auch von der Tierheilkunde allerlei verstand. Bei seiner Umsicht, Energie und Körperkraft leistete er auch oft den Holzhauern und Forstleuten gute Dienste.
Im Anschluß an diese Geschichte berichtet Hauptlehrer Günter über die »Hülben« auf der Oberkochener Markung. Die Hülbe auf der Bilz war eine der größten in der Umgebung. Sie war mit einer dicken Lehmschicht ausgeschlagen, damit das Wasser zur Viehtränke länger gebraucht werden konnte. Solche Hülben befanden sich auch im Zollhau und Riesenhau. Dort stand ein Hof, der im Türkenkrieg verbrannt worden sein soll.
Bilz und Riesenhau waren früher die Hauptweideplätze der hiesigen Gemeinde. Als dann in späteren Jahren das Holz besser bezahlt wurde, hörten die Viehweiden auf, und die Hülben wurden eingeebnet. Die Ortsbewohner von Oberkochen zogen sich mit ihrer »Land- und Stallwirtschaft« auf ihre Höfe in das Kochertal zurück.
Beim Brunnen im Tiefental war früher ebenfalls eine große Hülbe, in welcher Forellenzucht getrieben wurde. Bis Anfang vorigen Jahrhunderts stand das Tiefentalhäuschen daneben und später am Waldrande eine gräumige Holzhütte. Diese wurde im Sommer bewohnt von Frau Christine Truckenmüller, welche die Talfelder hütete zum Schutze gegen das Wild.
Die Hirten von Oberkochen und Ochsenberg
Zur Zeit der Waldviehweiden waren auch Hirten der Gemeinde auf der »Rodhalde« und der »Büchelesplatte«. Die Waldungen reichten damals bis nahe an den Kocher her. Nach vorhandenen Urkunden entstanden zwischen den hiesigen Hirten und denen von Ochsenberg öfters blutige Streitereien. Sie hüteten das Kuhvieh, Jungvieh und trieben auch Pferde auf die Weide. Öfters sprangen die Tiere untereinander, waren kaum zu unterscheiden, und kein Teil wollte dann die Zugelaufenen herausgeben. Der Name »Kuhsteig« am Rodstein deutete heute noch auf jene Zeiten hin.
An einem Sonntagmorgen hatten die Ochsenberger Hirten den Kochenern einen Gaul weggenommen. Die Leute kamen eben aus der Kirche, als sie vom Rodstein herab Hilferufe vernahmen. Sogleich eilten sie hinauf, um ihren Ortshirten beizuspringen. Die Ochsenberger mußten den Gaul herausgeben, da sie bei der Keilerei unterlegen waren, und nahmen schnellstens Reißaus. Bei einem anderen Streit 1805 gab es blutige Köpfe. Da sich die Parteien nicht einigten, mußten sie zum Austrag und Vergleich vor dem kurfürstlichen Gericht in Kirchheirn/u.T. erscheinen.
Einer der bekanntesten Hirten der Rodhalde war Kaspar Müller, »Käsperle« genannt. Er war klein aber von zäher Natur und wohnte im strohgedeckten Hüttenhaus.
Der Pulverturm
Der Pulverturm liegt links an der Straße nach Königsbronn und fällt jedem Vorübergehenden auf. Der Name soll erst in jüngerer Zeit entstanden sein durch Pulversprengungen, die Wegarbeiter dort auszuführen hatten. In der Eisenzeit ums Jahr 1000 v.Chr. sei eine starke Volks- und Fliehburg droben gestanden, worauf frühere Wälle hindeuteten. Auch am Sturz der gegenüberliegenden Borzelhalde können heute noch Gräben von früheren Befestigungen verfolgt werden, ebenso an der Burghalde.
Der Griebige Stein
Auf dem Griebigen Stein, südlich vom Rodstein, rechts am Wege nach Ochsenberg, liegt ziemlich versteckt eine schmale Höhle. Die Sage erzählt, daß in früheren Jahrhunderten von hier ein unterirdischer Gang zu der Burg auf dem eine halbe Stunde entfernten Pulverturm geführt habe. Früher hätte der Gang noch eine Strecke verfolgt werden können. Bei der allgemeinen Franzosenfurcht 1848 haben einige Familien beschlossen, beim Herannahen der »Franzmänner« ihr Hab und Gut auf den Griebigenstein zu bringen. Waffenfunde aus dem 15. und 16. Jahrhundert sind auch noch zu erwähnen.
Die Sage vom »Höhlendackel«
Einige Alt-Oberkochener wissen zu berichten, daß vor noch gar nicht allzulanger Zeit der Jagddackel eines Oberkochener Weidmanns spurlos in der Griebigensteinhöhle verschwunden sei. Nach anderen Angaben soll es die Höhle im Kahlenbühl gewesen sein, die über lange Zeit bis fast in unsere Tage als Abfallgrube für Wildeingeweide benützt worden ist. Über geraume Weile fehlte der Dackel unentschuldigt. Für sein ebenso unerklärliches Wiederauftauchen gibt es auch zwei Varianten. Nach der ersten soll er durch einen unbekannten Schlupf in eine verstürzte Höhlenfortsetzung gelangt, von da durch den sagenhaften unterirdischen Verbindungsgang zum Pulverturm gereicht und dort im Bereich der mittelalterlichen Abschnittsbefestigung zum Vorschein gekommen sein. Nach der zweiten soll er gar auf unterirdische Weise bis zu den Königsbronner Klostermauern vorgedrungen sein und dort das Licht der Welt wiedererblickt haben.
Schüler des Gymnasiums haben 1979, im »Jahr des Griebigen Steins«, zu diesem mysteriösen Sagenstoff zusammen mit ihrem Lehrer ein Theaterstück verfaßt, das bei einem Schulfest öffentlich aufgeführt wurde und die enorme Glaubwürdigkeit dieser Geschichte in entsprechender Weise unterstrich.
Der Schäfer vom Wollenberg
Vom Wollenloch, der mehr als 50 Meter tiefen Doline auf dem Wollenberg, erzählt man in Oberkochen folgende Geschichte:
Es war in der Zeit nach dem Dreißigjährigen Krieg. Da hütete ein Schäfer vom Seegartenhof seine Schafe auf dem Wollenberg. Eintönig und lang war der Tag des Schäfers, und bis zum Abend meldete sich der Hunger. Darum wartete der Schäfer mit Schmerzen auf sein Weib, das ihm jeden Abend das karge Mahl in einem Korbe auf den Berg brachte. Eines Tages aber verspätete sich das Schäferweib, und der ob des langen Wartens schon übel gelaunte Schäfer war zudem mit dem gebrachten Essen nicht zufrieden. So gerieten die Schäfersleute in Streit miteinander. In seinem Zorn erschlug der Schäfer sein Weib mit der Schippe und warf es in das abgründige Wollenloch, um die Tat zu verdecken. Der Schäfer schwieg über den Mord. Das Verschwinden der Frau erregte wohl Aufsehen, aber niemand erfuhr ihr trauriges Schicksal.
Nach einiger Zeit fand man die Pantoffeln der Schäfersfrau in der Quelle bei der Ziegelhütte am Fuße des Wollenberges. Wie kamen die Pantoffeln in die Quelle bei der Ziegelhütte? Es entstand der Verdacht, der Schäfer könnte sein Weib ins Wollenloch geworfen haben und die unterirdischen Wasser könnten die Pantoffeln der Toten bis zu der Quelle geschwemmt haben, denn man vermutete schon damals eine unterirdische Verbindung zwischen dem Wollenloch und der Quelle. Zur Probe wurden Spreuer und Tierblut ins Wollenloch geschüttet. Beides kam in der Quelle wieder zum Vorschein. Der Schäfer leugnete die Tat hartnäckig, deren er bezichtigt wurde. Als man ihn verhaften wollte, flüchtete er ins Bayerische, und es ist auch nie mehr eine Nachricht von ihm in die Heimat gekommen.
Engelstein — Wiesenkapelle
In Sage und Geschichte spielte die Wiesenkapelle eine besondere Rolle. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts war dort unter einer Mauerwölbung ein Bild des Schmerzensmannes an der Geißelsäule; das Bild stand im Rufe der Wundertätigkeit. 1765 wurde dann eine Kapelle gebaut, und das Bild erhielt einen Platz auf dem Hochaltar. Am Ende des 18. Jahrhunderts wurde es jedoch zerstört. Mönche der Abtei Ettal haben daraufhin ein neues aus Holz geschaffen. Im Jahre 1819 ließ ein Bauer die Kapelle erweitern.
Neben der Kapelle stand bis zum Jahre 1862 ein runder, schöner Felsblock. Er hatte eine Höhe von etwa vier Metern. In der Nacht vor dem Alexis-Tag (17. Juli) sei dort einst ein Engel erschienen, in weißem Gewand, die Hände segnend über das Kochertal ausgebreitet und umstrahlt von einem lichten Schein. Die Bauern deuteten diese Erscheinung als Vorzeichen für eine gesegnete, reiche Ernte. Der Felsblock soll auf diese Begebenheit hin den Namen Engelstein erhalten haben.
An diesem Tage kam noch bis in die jüngste Zeit eine kleinere Schar von Wallfahrern aus Affalterwang auf dem Härtsfeld zum »Geißelheiland« in der Wiesenkapelle. Am 4. Juli (Ulrichstag), früher hier Ratzenfeiertag genannt, erschienen Gläubige von Waldhausen in der Kapelle. Der »Geißelheiland« steht jetzt in der neuen Maria-Schutz-Kapelle im Weingarten.
Beim Bau der Eisenbahnlinie von Aalen nach Heidenheim im Jahr 1862 wurde der Engelstein von dem damaligen Maurermeister Wingert gesprengt. Die Anordnung hiezu ging von Schultheiß Wingert aus. Der Flurnamen rechts von der Halde hinauf heißt heute noch Engelstein.
Die Wiesenkapelle wurde 1950, bedingt durch die Errichtung des Sägwerks der Firma Bäuerle, abgebrochen. Herr Otto Bäuerle sen. stiftete an ihrer Stelle die heutige Kapelle »im Weingarten«, auch Maria-Schutz-Kapelle genannt. Sie wurde am 31. Juli 1950 geweiht.
Dennoch ist die Wiesenkapelle »unsterblich«: sie wird bis auf den heutigen Tag in der offiziellen Liste des Landesdenkmalamts, in der alle schutzwürdigen Objekte auf Oberkochener Gemarkung aufgeführt sind, als ein Gebäude geführt, das unter Denkmalschutz steht.
Der Besenbinder vom Katzenstein
In der kleinen Höhle unter dem Kreuz auf dem Rodstein hielt sich früher untertags ein Besenbinder namens Bösner auf. Er stellte Besen her und flocht Körbe. Hier und da soll er auch das Wild in Augenschein genommen haben, um sein kümmerliches Dasein durch einen saftigen Braten zu versüßen. Später handelte er mit Hafnergeschirr und wohnte im Haus von Karl Hägele, Landwirt. Zwei seiner Töchter zogen nach Amerika, seine Familie gibt es in Oberkochen nicht mehr.
Die Sagen vom Katzenstein
Am Abhang des Volkmarsberges, rechts vom »Zickzackweg« liegt ein Felsblock mit einer Nische, der seit alters der Katzenstein heißt. An diesem Katzenstein soll sich vor über hundert Jahren folgende Geschichte zugetragen haben:
Es war zur Erntezeit. Auf seinem Felde am Hang des Volkmarsberges, unterhalb des Waldes, schnitt der Hafnermeister Joseph Hug vom Katzenbach mit seiner Familie Getreide. Plötzlich sahen sie, wie eine jüngere, gut gekleidete Frau, die ein Bündel unter dem Arm trug, den Hang zum Walde hinaufeilte. Vielleicht eine Stunde später hörten sie vom Walde herab das Wimmern eines kleinen Kindes, und als der Hafner Hug den kindlichen Klagelauten nachging, fand er in der Nische des Katzensteins ein kleines Knäblein, eingewickelt in reinliche Windeln. Er empfand Mitleid mit dem armen Geschöpf und nahm es mit nach Hause, wo es gute Pflege fand. Die junge Frau, wohl die Mutter des verlassenen Knäbleins, wurde von einer Beerensucherin in der Nähe des Steines gesehen, war aber nirgends mehr aufzufinden. Man wußte nicht, ob das Kind getauft war und fand nur in den Windeln den Namen J.K. Hafner Hug ließ es taufen und gab ihm den Namen Joseph Katzenstein (nach ihm selbst und dem Fundort). Die Familie Hug zog den talentvollen Knaben auf. Später ging er in die Schweiz und man hörte nichts mehr von ihm.
Die Schlittenscheißer
Der Übername der Oberkochener führt in ein Gebiet, das sich bei nachbarlichen Neckereien großer Beliebtheit erfreut. Burschen aus Oberkochen spielten einem Wahlkandidaten einen üblichen Streich. Sie leerten ihm während seiner Wahlrede Jauche in seinen vor dem Gasthof (Hirsch) stehenden Schlitten. Daher werden die Oberkochener weit und breit die »Schliedascheißer« geheißen. Die Bewohner von Unterkochen (Bärenfanger) necken die Oberkochener mit »Haoka« oder »Schnaoka«.
Der Bachbeck
Viel Erheiterung und Spaß machte die Geschichte vom Bachbeck. Dieser war in den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts Ortstagelöhner und Nachtwächter in Oberkochen. Eigentlich hieß er Xaver Schmid und war gebürtig von Donsdorf. Gerne ging er an kalten Tagen in die Werkstätten der Hafner, um sich zu wärmen und sich zu unterhalten. Bei seinem Drang nach Neuigkeiten wurde ihm mancher Bären aufgebunden. So war ihm eines Morgens mitgeteilt worden, heute werde der Bergfelsen vom Volkmarsberg mit zehn Pferden nach Oberkochen hinabgezogen, um für das Hüttenwerk Königsbronn verschottert zu werden. Dieses seltene Ereignis wollte er sich nicht entgehen lassen und er stand voller Erwartung den ganzen Tag in der Jägergasse und an der Hauptstraße, um das Ungetüm zu sehen. Da natürlich nichts kam, wurde er viel zum Besten gehalten.
Der Klapperschlangenseff
Aus der alten Hafnerzeit hat sich ein ergötzliches Vorkommnis überliefert; die Geschichte vom »Klapperschlangenseff«. Im Oktober des Jahres 1824 gingen ein Hafner- und ein Wagnergeselle von Oberkochen zu einer Kirchweih nach Hofherrnweiler, wo sie gut bewirtet wurden. Spät abends traten sie wohlgemut in dem frischen Herbstwind über Osterbuch und Finstertäle den Heimweg an. Am Waldabhang zum Wolfertstal bemerkten beide von einem Baum herab eine lange glänzende Gestalt, die sich hin und her bewegte. Plötzlich schrie der junge Hanfer auf und rief jammernd seinem erschrockenen Freunde zu: »Da hängt ja eine Schlange; ich bin gebissen worden; führe mich heim, sonst muß ich sterben!« Als auch der Wagner sich von dem perpendikelartigen Wesen überzeugt hatte, ein Klappern und Rascheln vernahm und sein Kamerad an der Hand blutete, glaubte auch er, eine gefährliche Viper angetroffen zu haben. Beide versicherten bei der Ankunft im Ort, im dortigen Walde halte sich eine Klapperschlange auf. Viele wurden hierdurch beunruhigt, und das Abenteuer wurde von der Gemeinde an das Oberamt berichtet. Dieses ließ durch Waldschützen und Holzfäller die seltsame Kunde untersuchen und im Walde nachforschen. Das Gelächter soll sehr groß gewesen sein, als an der bezeichneten Stelle ein herabhängender krummer Birkenast entdeckt wurde. Der bewegte sich im Winde und hatte das Geräusch und die Verletzung verursacht. Der furchtsame Hafnergeselle Josef Hug sei von da an der »Klapperschlangenseff« gewesen. Bald aber habe er sich, um seinem Spottnamen und den Sticheleien seiner Kameraden zu entgehen, von hier fortgemacht und sich nach Dischingen verheiratet.
Die Geschichte von der »Judenangst«
Der jüdische Viehhändler David H. aus Lauchheim, ein im Kochertal wohl bekannter Mann, hatte bei Landwirt Arnold hier zwei große Stiere gekauft. Mit einem Treiber wollte er die Tiere auf dem sog. Judenweg über Ebnat —Waldhausen — Hülen nach Lauchheim befördern. Unterwegs wurde eines der Tiere wild, riß sich los und sprang wie rasend rechts seitwärts in den Wald am Kahlenbühl. Der Jammer von Herrn H. war groß.
Längere Zeit wurde der Stier nicht entdeckt und verwilderte in den ausgedehnten Wäldern. Um des gefährlichen Ausreißers habhaft zu werden, wurde nach einigen Wochen vom Forstamt durch Jäger und Holzmacher eine Treibjagd abgehalten. Als Förster Ebert den Stier sichtete, habe sein Besitzer, der sich am Jagdzug beteiligte, laut aufgeschrieen und sei im Nu auf die nächste Tanne geklettert. Sorgsam und vorsichtig hielt er sich in den Ästen verborgen. Erst als Ebert berichtete, daß das Ungetüm erschossen sei, kam Herr H. erleichtert von seinem Hochstand herab. Der Stier wurde ausgehauen und das Fleisch als Wildbret verkauft. Damals war Oberförster Fröhner Vorstand des Forstamts Oberkochen. Als sein Nachfolger wurde bald darauf Oberförster Weiger berufen. Dieser war ein Forstmann vom alten Schrot und Korn und Meister im Jägerlatein. Mit Witz und Humor benannte er den Waldteil, in dem sich das Abenteuer abgespielt hatte, »Judenangst«.
Eine gewonnene Wette
Von einer früher eingegangenen Wette wurde vor 50 Jahren noch oft erzählt. Der damals noch lebende Bahnwärter Josef Holz ging 1895 mit dem Ochsenwirt Trick und dem Förster Weber eine Wette ein: Er wollte in 75 Minuten vom Ochsen auf den acht Kilometer entfernten Tauchenweiler und wieder zurück laufen. Die Wette galt 60 Liter Bier. Holz legte die Strecke über Berghäusle und Randweg zurück, stärkte sich noch im Tauchenweiler und saß nach 73 Minuten wohlbehalten wieder im Ochsen. Förster Weber hatte auf dem Tauchenweiler kontrolliert, ob Holz dort richtig ankam und die Bedingungen der Wette erfüllte. Zum Staunen seiner Partner war die Wette gewonnen und sie mußten bezahlen. Die beachtenswerte Leistung wurde im Kreise seiner Kameraden von dem hiesigen Militärverein gebührend gefeiert.
Der Geist im Forsthaus
Nach einer allgemeinen Sage soll im alten Forsthaus früher von Zeit zu Zeit ein Geist erschienen sein, der oft die ganze Nacht hindurch lärmte. Sogar am hellen Tag ließ er sich blicken und half den Hausbewohnern beim Feueranzünden und Kochen. Einmal soll er sogar die gerade beim Feuermachen beschäftigte Person in den Ofen geschoben haben. Als bei seiner späteren Erscheinung das Lied: »Jesus nimmt die Sünder an« gebetet wurde, kam ein blutüberströmtes Weib zur Türe herein, worauf der Geist für immer verschwunden sein soll.
Die Katzenbachrutschel
Im Katzenbach zeigte sich — nach dem hiesigen Volksglauben — bisweilen die Katzenbachrutschel, die ihre Freude daran fand, Leute, welche des Nachts spät nach Hause gingen, zu schlagen und zu ängstigen.
Der Langertgockel
Beim Langertbrunnen soll es spuken. Ein von einem Gockel gezogener Garbenwagen soll dort schon gesehen worden sein.
Betrügerische Untergänger
Frühere Untergänger, die einmal einen Grenzstein verrückten, mußten nach altem Volksglauben in der Zeit vom Adventsfest bis Weihnachten auf dem hiesigen Bahnhofsplatz »markten«. Sie schlugen sich dabei mit feurigen Haken und Schaufeln und machten sich gegenseitig allerlei Vorwürfe.
Das 7. Buch Moses
Auch in Oberkochen soll es früher nicht immer mit rechten Dingen zugegangen sein, da es bestimmte Personen gegeben habe, die durch den Besitz des »7. Buch Moses« zu übernatürlichen Kräften gekommen seien. Die betreffenden Personen waren gefürchtet. Sie sollen ihre Seele dem Teufel verschrieben und dadurch böse Macht über andere Menschen gehabt haben. So wird zum Beispiel berichtet, daß Gäulen auf unerklärliche Weise regelmäßig über Nacht Schwänze geflochten waren, oder frische und gute Milch schlagartig sauer oder blutrot geworden ist. Wer im Besitz eines solchen Buchs war, soll erst haben sterben können, wenn es ihm gelungen ist, das Buch einem anderen unter bestimmten Bedingungen, an die sich der neue Besitzer halten mußte, zu übergeben.
In einigen alten Bauerngemeinden glaubt man noch heute an diese geheimnisvolle Zaubermacht, die durch dieses Buch ausgeübt werden kann. Auch einigen Alt-Oberkochenern ist es noch heute nicht ganz geheuer, wenn die Sprache auf das 7. Buch Moses kommt.