Pfarrer an der damals noch alten Kirche St. Peter und Paul zu Oberkochen von 1867 — 1897

Der Anlaß war ja nicht gerade fröhlich: Ich lag im Krankenhaus und dachte über alles andere nach als über die Oberkochener Ehrenbürger. Auf meinem Nachttisch lag jedoch das soeben neu erschienene Oberkochener Heimatbuch.
Eines späten Nachmittags ging die Tür auf und ein ebenfalls im Krankenhaus befindlicher Oberkochener Bürger, Herr Otto Dörrich, stattete mir einen Besuch ab. Im Lauf der Unterhaltung kam die Sprache natürlich auch auf das neue Heimatbuch. Auf seine Bitte gab ich Herrn Dörrich das Buch zum Lesen mit. Als er es zurückbrachte, sagte er zu mir: »Ja, das Buch ist recht gut, — aber es hat einen Fehler drin. Auf die Frage, welchen, eröffnete mir Herr Dörrich, daß im entsprechenden Artikel ein Ehrenbürger fehle.
Mir ging es zunächst wie jedem, dem ich das später erzählte. Ich sagte: Das gibt es nicht, — die hängen doch seit fast 20 Jahren vollständig im Sitzungssaal, — es gibt nur die! Die Antwort war: Ja, das sind die neuen. Meiner ist aus dem letzten Jahrhundert, — es ist ein Pfarrer Breitenbach. Ich bat Herrn Dörrich, mir die entsprechenden Unterlagen zu beschaffen, was alsbald geschah.
Unglaublich aber wahr: Die Sache war ausführlich beschrieben auf der Seite 52 der Festschrift zum 150-jährigen Jubiläum des kath. Kirchenchors St. Peter und Paul zu Oberkochen, die vor 10 Jahren, 1977, erschienen war. Ich dachte: Wer das wohl alles gelesen hat, und wer sich wohl was beim Lesen gedacht haben mag.
Als ich die Geschichte bei der Stadt vortrug, stieß ich nicht gerade auf breite Zustimmung und helle Begeisterung, und selbst Herr Pfarrer Snoeren wußte nicht weiter, — kurz und gut: Niemand wußte etwas.
Auf mein Schreiben vom 8. Januar 1987 hin stellte die Stadt nun Nachforschungen an, ob meine Meldung in den Gemeindeakten belegbar sei, und ob ein Ehrenbürger aus dem letzten Jahrhundert auch etwas »tauge«, mit heutigen Maßstäben gemessen.
Am 4. Juni erhielt ich von der Stadt Oberkochen folgenden Brief:
Sehr geehrter Herr Bantel,
wir sind im Gemeinderatsprotokoll des Jahres 1894 betreffend Ehrenbürgerrecht für Pfarrer Breitenbach fündig geworden. Dort ist unter dem 20. August (§ 90) festgehalten:
»Der Vorsitzende bringt zur Sprache, daß der Kath. Pfarrer Franz Breitenbach, hier, am 11. September 1894 sein 50-jähriges Priesterjubiläum festlich begehen werde. Damit wird auch das schon vor zwei Jahren verfallen gewesene Priesterjubiläum, welches damals aber aus besonderen Gründen und den Wünschen des Jubilars gemäß nicht gefeiert worden ist, verbunden werden. Die Investitur des Pfarrers Breitenbach fand am 8. Oktober 1867 statt, es sind demnach nahezu 27 Jahre, daß Pfarrer Breitenbach die Pfarrstelle hier versieht.
In Rücksicht auf das segensreiche Wirken des Jubilars in der Gemeinde stellt der Vorsitzende (Schultheiß Bezler) den Antrag, demselben das Ehrenbürgerrecht zu übertragen.
Beschluß:
- Diesem Antrag einstimmig zuzustimmen und Pfarrer Breitenbach das Ehrenbürgerrecht der hiesigen Gemeinde zu übertragen.
Durch Maler Zeller in Oberkochen ein Diplom anfertigen zu lassen. - Was die Überreichung des Diploms betrifft, durch den Ortsvorsteher das Erforderliche besorgen zu lassen.«
- Wir haben dazu den Württ. Gemeindetag um Stellungnahme in rechtlicher Hinsicht gebeten (ob das Ehrenbürgerrecht des Jahres 1894 mit dem heutigen nach § 22 Gemeindeordnung identisch ist). Anbei in Fotokopie die Antwort zur gefälligen Kenntnisnahme.
Mit freundlichen Grüßen
Im Auftrag
Feil (Stadtamtsrat)
Hier der Brief des Gemeindetags Baden-Württemberg vom 23. April 1987:
Sehr geehrter Herr Bürgermeister Gentsch,
für die Verleihung des Ehrenbürgerrechts an den katholischen Pfarrer Breitenbach im Jahre 1894 war Artikel 11 des Württembergischen Gesetzes über die Gemeindeangehörigkeit vom 16.6.1885 gesetzliche Grundlage. Der Wortlaut des Artikels 11 ist:
»Männer, welche sich besonders verdient gemacht haben, kann als Beweis der Anerkennung vom Gemeinderat mit Zustimmung des Bürgerausschusses das Ehrenbürgerrecht verliehen werden.
Das Ehrenbürgerrecht gewährt unter den allgemeinen Voraussetzungen (Artikel 12 bis 14) das Recht der Teilnahme an den Wahlen zu den Gemeindeämtern, das Stimmrecht in sonstigen Gemeindeangelegenheiten und die Wählbarkeit zu den in Artikel 1 Abs. 2 bezeichneten Gemeindeämtern. Im übrigen finden die das Bürgerrecht betreffenden Bestimmungen des gegenwärtigen Gesetzes auf das Ehrenbürgerrecht keine Anwendung.«
Dem einschlägigen Kommentar kann man ebenfalls entnehmen, daß es seinerzeit dem Gesetzgeber angemessen erschien, dem Ehrenbürger unter den allgemeinen gesetzlichen Voraussetzungen, unter welchen ein Bürger in Gemeindeangelegenheiten stimm- und wahlberechtigt ist. das Stimmrecht .… und die Wählbarkeit zu gewähren und damit dem Ehrenbürgerrecht einen positiven Inhalt zu geben.
Genauso wie heute nach § 22 Gemeindeordnung konnte das Ehrenbürgerrecht solchen Personen verliehen werden, die sich besonders verdient gemacht haben. Wobei aus dem einschlägigen Kommentar zu entnehmen ist, daß auch seinerzeit die Verleihung nicht nur bei besonderen Verdiensten um die Gemeinde möglich war, sondern auch wenn sich der Ehrende allgemein in Land oder Bund besonders verdient gemacht hat. Also sind die Voraussetzungen für die Verleihung des Ehrenbürgerrechts dieselben geblieben.
Das Ehrenbürgerrecht nach § 22 Gemeindeordnung ist im Grundsatz zu dem Ehrenbürgerrecht des Gesetzes über die Gemeindeangehörigkeit eine reine Ehrenbezeichnung und weder mit besonderen Rechten (z.B. aktives und passives Wahlrecht usw.) noch mit besonderen Pflichten verbunden.
Wir, hoffen, daß wir Ihnen mit diesen Ausführungen weiterhelfen konnten.
Mit freundlichen Grüßen
Sixt
Herausragender Satz in diesem Schreiben ist, der, wo es heißt, daß damals dem Ehrenbürger, um dem Ehrenbürgerrecht einen positiven Inhalt zu geben, das Stimmrecht … und die Wählbarkeit in Gemeindeaufgaben gewährt wurden. Genau genommen ist das Ehrenbürgerrecht Ende des letzten Jahrhunderts noch höher einzustufen als das Ehrenbürgerrecht unserer Tage.
Herr Dr. Christhard Schrenk, seit kurzer Zeit Stadtarchivar der Stadt Heilbronn, unserer Heimatgeschichte jedoch nach wie vor eng verschrieben, zeichnete ein Bild Oberkochens um die Zeit, in der Pfarrer Breitenbach nach Oberkochen kam, 1867:
In dieser Zeit arbeiteten viele Hafner im Ort des Schwarzen Kochers. Die Bohrermacherindustrie beginnt sich langsam zu entwickeln. Das Rodsteinkreuz blickt seit sechs Jahren ins Tal hinab, durch das seit 3 Jahren die Eisenbahn führt. Das Schultheißenamt in dem Ort mit etwa 1200 Einwohnern übt seit 18 Jahren Michael Wingert aus, als evangelischer Pfarrer wirkt seit 16 Jahren Wilhelm Friedrich Dürr. Bei der katholischen Pfarrstelle bahnt sich ein Wechsel an. Pfarrer Karl Desaller verläßt den Ort, in welchem er 21 Jahre die Geschicke der katholischen Kirchengemeinde geleitet hatte. Diese eindrucksvolle Persönlichkeit hat Rudolf Heitele im Stadtbuch »Oberkochen, — Geschichte — Landschaft — Alltag« (S. 81) charakterisiert und gewürdigt.
Am 8. Oktober 1867 zieht ein neuer katholischer Pfarrer in Oberkochen auf. Es ist ein Mann von 47 Jahren mit Namen Franz Breitenbach, der in Höchstberg bei Neckarsulm am 18. Dezember 1819 geboren ist und in dieser Gegend auch viele Jahre den Priesterdienst versah. Bei seiner Investitur am 8. Oktober 1867 in Oberkochen konnte niemand ahnen, daß er dieser Gemeinde drei Jahrzehnte verbunden bleiben und deren Ehrenbürger werden würde. Allerdings weist seine Dienstzeit in Oberkochen während des deutschfranzösischen Krieges 1870/71 eine kurze Unterbrechung auf. Für diese Zeit lassen sich die Pfarrverweser Faßnacht und Pfister nachweisen.
Im Priesterdasein Pfarrer Breitenbachs ragt der 11. September 1894 heraus. An diesem Datum wurde der 50. Jahrestag der Priesterweihe des katholischen Geistlichen, der zu diesem Zeitpunkt bereits 27 Jahre eng mit dem Ort am Fuße des Rodsteins verbunden war, begangen. Die katholische Pfarrchronik enthält einen ausführlichen Bericht über das festliche Ereignis. Die Feierlichkeiten fanden überregional Beachtung. Das beweist ein Bericht in der »Schwäbischen Kronik« vom 13. September 1894 (S. 1795). Bei dieser (tatsächlich mit »K« und nicht mit »Ch« geschriebenen) Schwäbischen Kronik handelt es sich um eine Zeitung für das Königreich Württemberg, in der höchstens alle fünf oder zehn Jahre einmal eine kleine Notiz über Oberkochen zu finden ist. Der ausführlichste Artikel, der in diesem Organ im gesamten 19. Jahrhundert abgedruckt ist, befaßt sich mit dem Priesterjubiläum Pfarrer Breitenbachs, das die gesamte Gemeinde Oberkochen als großes Fest gestaltete.

Am 22. September des Jahres 1894 wurde ein Doppeljubiläum gefeiert, das 50-jährige Priester- und das 25-jährige Pfarrjubiläum des derzeitigen Pfarrers — Franz Breitenbach, geboren zu Höchstberg OA Neckarsulm, den 10. Dez. 1819, zum Priester geweiht durch Bischof von Rottenburg Johann Baptist von Keller am 20. Aug. 1844, zuerst Pfarrer in Storkheim Dek. Neckarsulm, und in Oberkochen investiert den 9. Okt. 1867.
Die 25-jährige Feier sollte nach dem Willen der Gemeinde im Jahre 1892 stattfinden, wurde aber auf dringendes Verlangen des Pfarrers verschoben, um mit dem 50-jährigen Priesterjubiläum verbunden zu werden. Das Doppelfest nahm den schönsten Verlauf. Am Vorabend war großer Fackelzug mit Musik und Gesang, hernach Feuerwerk am Abhang des Rotsteins. Am anderen Tag, der mit Böllersalven eingeleitet wurde und nach mehreren düsteren und regnerischen Tagen heitere Witterung und Sonnenschein brachte, war der Ort schönstens beflaggt, und mit den Eisenbahnzügen kamen die nahen und entfernten Festgäste. Herren Dekane Kämmerer und hochw. Capitularen des Capitels Hofen überreichten als Festgabe ein prachtvolles Missale, Hochw. Schultheiß (Betzler) und Gemeinderat (die) Ehrenbürgerrechtsurkunde. — Als Jubiläumsgeschenk wurde beim Festmahl ein sehr wertvoller gothischer Meßkelch aus der berühmten Werkstätte zu Trier übergeben.
Um 10 Uhr war Festzug zur Kapelle ad. St. Salvatorem (Wiesenkapelle), vor welcher der freie Raum zum Gottesdienst hergerichtet war, weil die alte Pfarrkirche viel zu klein und baufällig — nicht den nötigen Raum bot.
Die Festpredigt hielt Herr Pfarrer Schnitler — Hohenstadt, beim levit. Amt mit Te Deum assistierten Herr Dekan Kollmann, Herr Kämmerer Walser Abtsgmünd, und die Herren Pfr. Eisenbarth — Wasseralfingen und Herr Pfarrer Jettinger — Hüttlingen.
Festmahl — mit vollbesetzten Tafeln — war im Gasthaus zum Hirsch. Dabei überreichte Hochw. Dekan in höherem Auftrag das Abzeichen von Sr. Majestät dem König verliehenen Friedensorden I. Klasse, und kamen Gratulationsschreiben des hochwürdigsten Bischofs Wilhelm u. des hochwürdigsten bischöfl. Ordinariats, sowie aus dem Königl. Cultministerium u. dem Königl. Kath. Kirchenrat zur Verlesung. Bei der Feier beteiligte sich die ganze Gemeinde, Katholiken und Protestanten, von welchletzteren auch Beiträge zum Festgeschenk gegeben wurden. Dabei zeichnete sich auch aus der Kirchenchor unter seinem Direktor Unterlehrer Heckmann, sowie der weltliche Gesangverein durch ihre Vorträge.
Pax et benedictio Dei omni potentis descendat super omnes, qui benevolentiam exhibuerunt (Der Friede und der Segen des allmächtigen Gottes komme herab auf alle, die Wohlwollen gezeigt haben).
Von Herrn Dr. Schrenk stammen die folgenden Zeilen zur Person Pfarrer Franz Breitenbach:

Josepf, Bischof von Rottenburg, setzte ihn mit Urkunde vom 19. August 1867 von Storkheim (Dekanat Neckarsulm) kommend, wo er als Pfarrer gewirkt hatte, nach Wegzug des Pfarrers Desaller, als Pfarrer in der Pfarrei Oberkochen ein, wo er 30 Jahre lang wirkte.
Pfarrer Breitenbach wurde am 20. August 1897 im Alter von 77 Jahren pensioniert und starb am 21. Juli 1900. Leider wurde die Personalakte Breitenbachs beim Diözesanarchiv in Rottenburg vernichtet. Den noch vorhandenen Aktenumschlägen sind nur wenige Details zu entnehmen. Deshalb ist es heute kaum mehr möglich, die Stationen seines Lebenswerks näher zu beleuchten. So ist es umso erfreulicher, daß sich ein Foto dieses Priesters bis in die heutigen Tage auf einer Oberkochener Bühne (Besitzer: Herr Andreas Fischer) erhalten hat. (Zwischenzeitlich wurde auch ein Foto in den Akten des Archivs der kath. Kirchengemeinde St. Peter und Paul entdeckt.)
Die Stadt wird ihren »vergessenen« Ehrenbürger und Pfarrer Franz Breitenbach in allen Ehren als 6. beziehungsweise ältesten bekannten Ehrenbürger in ihrer Ehrenbürgergalerie aufnehmen.
Diese lautet nun richtig:
- Franz Breitenbach, Pfarrer an der kath. Kirche St. Peter und Paul von 1867 — 1897, Ehrenbürger am 11.8.1894, verstorben am 21.7.1900.
- Josef Schmid, Fabrikant, Gemeinderat und Erster Stellvertreter des Bürgermeisters von 1945 bis 1953, Ehrenbürger am 6. November 1953, verstorben am 2. Januar 1960.
- Albert Bäuerle, Fabrikant, Ehrenbürger am 27. August 1955, verstorben am 10. September 1979.
- Dr. Gerhard Kühn, Mitglied des Vorstands der Firma Carl Zeiss vom 1.1.1960 bis zum 31.12.1973, Ehrenbürger am 28. Juni 1968.
- Dr. Heinz Küppenbender, Mitglied des Vorstands der Firma Carl Zeiss vom 15.8.1941 bis zum 31.3.1972, Ehrenbürger am 28. Juni 1968.
- Gustav Bosch, Bürgermeister von 1948 bis 1978, Ehrenbürger am 24. Februar 1978, verstorben am 31. Dezember 1979.
Dietrich Bantel
erstellt 30.9.1987, Oberkochen