Das Zeital­ter der Industrialisierung

Eisen­erz­berg­bau und Industrialisierung

Die Entwick­lung Unter- und Oberko­chens muss im Zusam­men­hang mit der Indus­tria­li­sie­rung in Brenz- und Kocher­tal gesehen werden. Es gilt als sicher, dass schon während der Kelten­zeit in den Tälern des oberen Kochers und der Brenz nach sog. Bohnerz gegra­ben wurde (1). Schon in der Römer­zeit sollen in unserer Gegend Gruben vorhan­den gewesen sein, wo quasi unter Tage nach Eisen­erz geschürft wurde.

Größe­re Eisen­erz­vor­kom­men wurden vor Ort in kleinen, aus Lehm und Stein gebau­ten Schmelz­öfen, die mit einer Kuppel überdeckt waren, verhüt­tet. Das bewei­sen u.a. Schla­cken­res­te, die auf dem Theus­sen­berg, bei Tauchen­wei­ler, aber auch in Oberko­chen in der Nähe des Kocher­ur­sprungs gefun­den wurden.

Oberkochen

Im Jahr 1365 wurden die Grafen von Helfen­stein, also die frühe­ren Herren von Kochen, von Kaiser Karl IV mit allen Eisen­wer­ken belehnt, d.h. sie durften inner­halb ihrer Herrschaft nach Eisen­erz graben und es verhüt­ten. Ein Jahr später wurde dieses Lehen zuguns­ten des Klosters Königs­bronn einge­schränkt. In der Folge­zeit entstan­den mehre­re Eisen­wer­ke an der Brenz, in Ober- und Unter­ko­chen sowie um Aalen und in Abtsgmünd.

Die Eisen­wer­ke Königs­bronn bezogen ihr Erz aus der Aalener Gegend, vor allem aber Bohnerz aus dem Feuer­stein­lehm des Härts­felds. Bis 1890 wurden in den Bohnerz­gru­ben bei Nattheim jährlich rund 100.000 Zentner (2000 t) Erz geschürft (2).

1536 erhiel­ten zwei Ulmer Bürger, Georg Besse­rer und Hans Walter Ehinger vom Fürst­propst zu Ellwan­gen die Erlaub­nis, im Amt Kochen­burg bei Unter­ko­chen am Bohlrain hinter der Erlau nach Erz zu graben. 1557 verkauf­ten sie sämtli­che Eisen­wer­ke, u.a. auch die Werke in Ober- und Unter­ko­chen, an eine Gesell­schaft, der auch Herzog Chris­toph von Württem­berg als Mitge­sell­schaf­ter angehör­te. Die Erben der übrigen Gesell­schaf­ter verkauf­ten ihre Erbpacht­ge­rech­tig­keit 1598 an Herzog Fried­rich I. von Württemberg.

Am Weißen Kocher war im 16. Jh. ein größe­res Eisen­ham­mer­werk entstan­den. 1551 erhielt ein gewis­ser Peter Vetzer von der Fürst­props­tei Ellwan­gen die Erlaub­nis, am Ursprung des Weißen Kochers neben einem Schmelz­ofen eine Hütte und ein Läuter­feu­er herzustellen.

Da die Eisen­wer­ke an Kocher und Brenz auf verschie­de­nen Herrschafts­ge­bie­ten lagen, gab es beim Trans­port des Eisen­er­zes und des verhüt­te­ten Eisens zahlrei­che Zollpro­ble­me. Aus diesem Grund veräu­ßer­te Herzog Fried­rich I. die Eisen­wer­ke von Ober- und Unter­ko­chen im Jahr 1614 an die Fürst­props­tei Ellwan­gen, die den Bergbau nun intensivierte.

Oberkochen

1618 begann der Dreißig­jäh­ri­ge Krieg. 1634, nach der Nördlin­ger Schlacht, wurde der Oberko­che­ner Hochofen wegen der vielen Plünde­run­gen und der Zerstö­run­gen still­ge­legt. Demge­gen­über wurde 1645 in Unter­ko­chen wieder ein neuer Schmelz­ofen gebaut, der aller­dings 1668 nach Wasser­al­fin­gen verlegt wurde. Dort hat man die Schmelz­öfen und Hütten­wer­ke konzen­triert, nachdem dort die ergie­bigs­ten Stuferz­flö­ze lagen und der Trans­port des Erzes über weite Strecken nicht lohnte.

In der Nachfol­ge entstan­den in Unter­ko­chen mehre­re Walz‑, Schnei­de- und Hammer­wer­ke, die jedoch im Laufe der Zeit entwe­der geschlos­sen oder nach Wasser­al­fin­gen verla­gert wurden. Noch heute gibt es aber eine Vielzahl Metall bearbei­ten­der und verar­bei­ten­der Betrie­be zwischen Brenz und Kocher, die letzt­end­lich den Grund­stock für die wachsen­de Indus­tria­li­sie­rung an Kocher und Brenz, also auch in Unter- und Oberko­chen, bilde­ten (3).

Die indus­tri­el­le Entwick­lung im 19. und 20. Jahrhundert

Während in Oberko­chen die Metall­be- und ‑verar­bei­tung auch in den folgen­den Jahrhun­der­ten eine große Rolle spiel­te, wurde sie in Unter­ko­chen durch die weit bedeu­ten­de­re Papier­in­dus­trie abgelöst. Bereits 1613 gründe­te der damali­ge Fürst­propst Johann Chris­toph I. von Wester­stet­ten eine Papier­müh­le am Weißen Kocher. Obwohl sie während des Dreißig­jäh­ri­gen Krieges mehrmals geplün­dert wurde, blieb sie bestehen und überdau­er­te die Kriegszeiten.

Nach der Säkula­ri­sa­ti­on ging der gesam­te Besitz der Fürst­props­tei Ellwan­gen an den Herzog und späte­ren König von Württem­berg. Später erhiel­ten mehre­re Unter­neh­mer das Recht, die Papier­müh­le zu betrei­ben und dort Papier herzu­stel­len. Später entstand daraus die Papier­fa­brik Unter­ko­chen, die heute unter dem Namen Munksjö Paper GmbH firmiert.

Eine im Jahr 1878 gebau­te Papier- und Zellstoff­fa­brik, die an der Stelle der frühe­ren Firma Gebr. Wöhr errich­tet wurde, musste aus abwas­ser­tech­ni­schen Gründen 1902 ihren Betrieb in Unter­ko­chen wieder einstellen.

1872 erwirbt der Kaufmann Adolf Palm, 26 Jahre jung, in Neuko­chen eine Fabrik mit Wasser­kraft. Das Werk zur Herstel­lung landwirt­schaft­li­cher Eisen­pro­duk­te wird auf die Produk­ti­on von Papier aus Sekun­där­fa­sern (Altpa­pier und Ersatz­stof­fe) umgerüs­tet. Die Geschäfts­idee des erfolg­rei­chen Recyclings wird konse­quent weiter­ent­wi­ckelt. Die Fa. Palm wird im Laufe der Jahrzehn­te immer weiter ausge­baut und gehört heute zu den führen­den Herstel­lern von Zeitungs­druck- und Wellpappenrohpapieren.

Unter­ko­chen erleb­te nach dem Zweiten Weltkrieg einen wirtschaft­li­chen Aufschwung. Neben den tradi­tio­nel­len Unter­neh­men siedel­ten sich weite­re Firmen, wie z.B. die Firma Textil­ver­ede­lung Linden­farb, an. Neben Wasser­al­fin­gen und Oberko­chen gehör­te Unter­ko­chen zu den wirtschafts­stärks­ten Gemein­den im damali­gen Kreis Aalen. Anfang der 1970er Jahre setzte das Land Baden-Württem­berg eine umfang­rei­che Kommu­nal­re­form samt Gebiets­re­form durch, in dessen Zuge Unter­ko­chen nach einem Bürger­ent­scheid zur Stadt Aalen einge­mein­det wurde. Heute ist Unter­ko­chen ein Teilort von Aalen.

Oberko­chen — ein Zentrum der Werkzeug herstel­len­den und der Photonikindustrie

In Oberko­chen verlief die Entwick­lung der vergan­ge­nen zwei Jahrhun­der­te anders. Hier entstan­den aus zunächst handwerk­li­chen Bohrer­ma­cher­be­trie­ben moder­ne Werkzeug­in­dus­trie­be­trie­be (4).

Chris­toph Jakob Bäuerle gründe­te 1860 eine eigene Werkstatt und bezeich­ne­te sich fortan als »Bohrer­fa­bri­kant«. Anfang des 20. Jahrhun­derts began­nen seine Nachfah­ren mit der Produk­ti­on von Maschi­nen­werk­zeu­gen für die Holzbe­ar­bei­tung. 1929 kam die Präzi­si­ons­zie­he­rei von Gottlieb Günther dazu, und 1934 wurde eine eigene Gieße­rei errich­tet. 1955 zählte die Fa. Bäuerle zu den Markt­füh­rern bei Holzbe­ar­bei­tungs­ma­schi­nen in Deutsch­land und beschäf­tig­te rund 1000 Mitar­bei­ter. 1974 musste das Unter­neh­men seine Produk­ti­on in Oberko­chen infol­ge wirtschaft­li­cher Schwie­rig­kei­ten aufgeben.

1845 zog der Schwert­schlei­fer Franz Fried­rich Leitz von Esslin­gen am Neckar nach Oberko­chen und ließ sich dort am sog. Ölwei­her nieder, wo er eine Schlei­fe­rei betrieb. Sein Sohn, Albert Leitz, der bei Jakob Chris­toph Bäuerle gelernt hatte, gründe­te 1876 eine Bohrer­mach­er­werk­statt. Auch er begann frühzei­tig mit der Herstel­lung von Maschi­nen­boh­rern. Um die Jahrhun­dert­wen­de beschäf­tig­te das Unter­neh­men bereits 20 Mitarbeiter.

Oberkochen

1912 legte Albert Leitz das Unter­neh­men in die Hände seiner beiden Söhne, Albert jun. und Fritz I.eitz. Der dritte Sohn, Emil Leitz, gründe­te 1921 die Vertriebs­fir­ma Emil Leitz. Das Unter­neh­men Gebrü­der Leitz entwi­ckel­te sich zu einem namhaf­ten Werkzeug­un­ter­neh­men und machte Oberko­chen nach dem 1. Weltkrieg neben Schmal­kal­den und Remscheid zu einem Zentrum der Werkzeug herstel­len­den Indus­trie für die Holzbearbeitung.

1938 schied Fritz Leitz aus dem gemein­sa­men Unter­neh­men aus und gründe­te ein eigenes Unter­neh­men, die Firma »Fritz Leitz Maschi­nen- und Appara­te­bau«. In diesem Unter­neh­men wurden bis Kriegs­en­de Flugzeug­tei­le herge­stellt und ca. 1000 Mitar­bei­ter beschäf­tigt. Nach dem Krieg wurde das Unter­neh­men einge­stellt und die leeren Hallen 1946 an Mitar­bei­ter des Unter­neh­mens Carl Zeiss aus Jena vermietet.

Das Werkzeug­un­ter­neh­men Gebrü­der Leitz erleb­te nach dem Zweiten Weltkrieg einen enormen Aufschwung. Im Laufe der Zeit wurden weite­re Produk­ti­ons­stät­ten und Vertriebs­ge­sell­schaf­ten zunächst im europäi­schen, dann im weltwei­ten Ausland gegrün­det. Hinzu kamen Firmen­käu­fe, um den Betrieb zu diver­si­fi­zie­ren. 2008 gehör­ten die Unter­neh­men der Leitz-Gruppe zu den Markt­füh­rern bei Maschi­nen­werk­zeu­gen für die Holz‑, Kunst­stoff- und Metall­be­ar­bei­tung und beschäf­tig­ten weltweit ca. 7000 Mitar­bei­ter. Im Jahr 2009 wurden die Unter­neh­men der Leitz-Gruppe im Zuge einer Realtei­lung zwischen den beiden Haupt­ge­sell­schaf­tern und Famili­en­stäm­men Leitz und Bengel aufgeteilt.

Ein weite­res tradi­ti­ons­rei­ches Werkzeug­un­ter­neh­men ist die Fa. Jakob Schmid. Jakob Schmid übernahm die Werkstatt von Jakob Bäuerle in der Katzen­bach­stra­ße und gründe­te 1882 eine eigene Bohrer­mach­er­werk­statt. Im Laufe der Jahrzehn­te wurde die Produk­ti­on indus­tria­li­siert, und das Unter­neh­men überdau­er­te Weltwirt­schafts­kri­se und zwei Weltkrie­ge erfolg­reich. 1928 wurde eine neue Fabrik in der Dreißen­tal­stra­ße errich­tet, und 1973 folgte ein Zweig­be­trieb in Elchin­gen bei Neres­heim. In Oberko­chen und Elchin­gen sind heute über 200 Mitar­bei­ter mit der Herstel­lung hochwer­ti­ger Werkzeu­ge für die Holz- und Kunst­stoff­be­ar­bei­tung beschäftigt.

Die Firma Wilhelm Grupp Oberko­chen (WIGO) wurde 1890 von Wilhelm Grupp gegrün­det. Auch er fertig­te zunächst sog. Handboh­rer, stell­te aber später die Produk­ti­on ebenfalls auf Maschi­nen­werk­zeu­ge um. 1937 beschäf­tig­te das Unter­neh­men bereits 120 Mitar­bei­ter, 1957 schon 720. In diesem Jahr ist die Fa. WIGO größter Herstel­ler von Werkzeu­gen und Spezi­al­ma­schi­nen. Wie die Fa. Bäuerle musste auch die Fa. WIGO infol­ge wirtschaft­li­cher Schwie­rig­kei­ten 1984 die Produk­ti­on einstellen.

Oberkochen

Der fünfte im Bunde der Männer, die die Indus­tria­li­sie­rung Oberko­chens einlei­te­ten, war August Oppold. Auch er erlern­te bei Jakob Chris­toph Bäuerle das Bohrer­ma­cher­hand­werk und gründe­te 1896 seine erste Werkstatt für Handboh­rer. 1912 stell­te die Fa. Oppold ebenfalls auf Maschi­nen­werk­zeu­ge um. 1934 wurden 30 Mitar­bei­ter beschäf­tigt. 1939 übernahm Ludwin Oppold den elter­li­chen Betrieb und spezia­li­sier­te ihn auf rückschlag­ar­me Sicher­heits­fräs­werk­zeu­ge. Leider überstand auch dieses Unter­neh­men den harten Wettbe­werb durch auslän­di­sche Unter­neh­men und den Struk­tur­wan­del in der Werkzeug­in­dus­trie nicht und konnte nicht mehr als Famili­en­be­trieb weiter­ge­führt werden. Das Nachfol­ge­un­ter­neh­men, die Fa. Oppold Systems GmbH beschäf­tigt aber noch immer rund 30 Mitar­bei­ter in Oberkochen.

Anfang des 20. Jahrhun­derts folgten weite­re bedeu­ten­de Unter­neh­mens­grün­dun­gen in Oberko­chen, so z.B. der Fa. Karl Wannen­wetsch Oberko­chen — KWO GmbH — ebenfalls ein Werkzeug­un­ter­neh­men. Die Firma wurde vor rund 20 Jahren vom Wettbe­wer­ber, der Fa. Leitz, übernom­men und wird mittler­wei­le am Stand­ort in Neres­heim fortgeführt.

1952 folgte die Werkzeug­fir­ma Karl Gold, die ebenfalls Maschi­nen­werk­zeu­ge für die Holzbe­ar­bei­tung herstellt. 1978 wurde eine moder­ne Ferti­gungs­stät­te in Oberko­chen errich­tet, in der aktuell rund 40 Mitar­bei­ter beschäf­tigt sind.

1906 gründe­te Karl Walter aus Aalen ein Kaltwalz­werk in der Schwörz in Oberkochen.

Aufgrund der Turbu­len­zen während der Weltwirt­schafts­kri­se veräu­ßer­te er den Betrieb 1928 an die in Völklin­gen ansäs­si­gen Röchlings­chen Eisen- und Stahl­wer­ke. Das Kaltwalz­werk in Oberko­chen ist das einzi­ge seiner Art in Süddeutsch­land. Seit wenigen Jahren gehört es zur Unter­neh­mens­grup­pe C.D. Wälzholz in Hagen (Nordrhein Westfa­len) und beschäf­tigt rund 200 Mitar­bei­ter am Stand­ort in Oberkochen.

Das Unter­neh­men Carl Zeiss

Große Bedeu­tung für die wirtschaft­li­che Entwick­lung Oberko­chens nach dem Zweiten Weltkrieg hatte das Unter­neh­men Carl Zeiss. Beim Potsda­mer Abkom­men hatten sich die Alliier­ten auf die Einrich­tung sog. Besat­zungs­zo­nen geeinigt. U.a. sollte Thürin­gen an die sowje­ti­sche Besat­zungs­zo­ne gehen, war aber von ameri­ka­ni­schen Verbän­den besetzt. Vor ihrem Abzug erlie­ßen sie im Juni 1945 einen Befehl, wonach die Geschäfts­lei­tung und 82 hochran­gi­ge Wissen­schaft­ler des Unter­neh­mens Carl Zeiss in Jena die Stadt zu verlas­sen hatten. Von Jena aus wurden sie per Militär­trans­port in die ameri­ka­ni­sche Besat­zungs­zo­ne, zunächst nach Heiden­heim, gebracht. Auch 41 Führungs­kräf­te des zur Carl Zeiss-Stiftung gehören­den Unter­neh­mens Schott Glaswer­ke in Jena erhiel­ten diesen Befehl.

Die Ameri­ka­ner trans­por­tier­ten aber nicht nur »the brain«, wie sie die Wissen­schaft­ler nannten, in den Westen, sondern auch rund 360.000 Zeich­nun­gen und Pläne, die Frucht jahrzehn­te­lan­ger wissen­schaft­li­cher Arbeit. Zeich­nun­gen und Pläne tauch­ten übrigens niemals wieder auf; sie wurden in die USA gebracht, wo sich ihre Spur verliert (5).

Oberkochen

Die Wissen­schaft­ler, die nunmehr in Heiden­heim angelangt waren, versuch­ten, das Werk fortzu­füh­ren. Zu diesem Zweck miete­ten sie die nach dem Krieg leer stehen­den Räume des ehema­li­gen kriegs­wich­ti­gen Betriebs Fritz Leitz. Ohne Maschi­nen und Werkzeu­ge, nur mit ihrem Wissen und ihrer Erfah­rung ausge­stat­tet, gründe­ten die Mitar­bei­ter des ehema­li­gen Unter­neh­mens Carl Zeiss am 04. Oktober 1946 die Fa. Opton Optische Werke GmbH in Oberko­chen. Übrigens wurde das Glaswerk Schott in Mainz erst 1952 wieder in Betrieb genom­men. 1954 wurde die Carl Zeiss-Stiftung wieder errich­tet, die noch heute ihren Sitz in Heiden­heim hat und bis zur Ausgrün­dung des Unter­neh­mens Carl Zeiss in eine Aktien­ge­sell­schaft im Jahr 2004 Unter­neh­mens­trä­ger­stif­tung war (6).

Das Unter­neh­men Carl Zeiss hat in den vergan­ge­nen Jahrzehn­ten Höhen und Tiefen erlebt. Die erste große Krise war die sog. Kamera­kri­se Anfang der 1970er Jahre. Damals versuch­te das Unter­neh­men, alle namhaf­ten Kamera­her­stel­ler aufzu­kau­fen oder auf andere Weise zu überneh­men. Hierfür mussten riesi­ge Inves­ti­tio­nen gestemmt werden. Kurze Zeit später dräng­ten japani­sche Herstel­ler mit ihren Produk­ten auf den Weltmarkt, so dass sich die Kamera­her­stel­lung in Deutsch­land und Europa nicht mehr lohnte. Das Unter­neh­men Carl Zeiss erlitt damals immense Verluste.

Anfang/Mitte der 1990er Jahre geriet das Unter­neh­men erneut in eine existen­zi­el­le Krise. Diese war u.a. nach der deutschen Wieder­ver­ei­ni­gung durch die Übernah­me des ehema­li­gen DDR-Pendants, des VEB Carl Zeiss Jena, entstan­den. Zwar gewähr­te die für die Abwick­lung der ehema­li­gen DDR-Betrie­be zustän­di­ge Treuhand des Bundes hohe Zuschüs­se, dennoch entstan­den nach der Übernah­me des VEB Carl Zeiss Jena riesi­ge Verlus­te, die Carl Zeiss zu tragen hatte. Diese Krise führte 1994 beina­he zur Schlie­ßung des Unter­neh­mens, was aber u.a. dank des Stiftungs­ver­bunds mit den Schott Glaswer­ken verhin­dert werden konnte.

Durch den Aufbau neuer Geschäfts­fel­der, u.a. in der Halblei­ter­tech­no­lo­gie, erhol­te sich das Unter­neh­men Carl Zeiss rasch. 2001 wurde der ehema­li­ge Geschäfts­be­reich »Halblei­ter­tech­nik« als eigen­stän­di­ges Tochter­un­ter­neh­men der heuti­gen Carl Zeiss SMT GmbH ausge­glie­dert. Gleich­zei­tig wurde in Oberko­chen mit dem Bau des weltweit moderns­ten Werks für Litho­gra­fie­sys­te­me zur Mikro­chip­pro­duk­ti­on begon­nen, das im Oktober 2004 einge­weiht wurde. Mittler­wei­le werden dort rund 1500 Mitar­bei­ter beschäftigt.

Im Jahr 2011 wurde mit der Erwei­te­rung der Carl Zeiss SMT GmbH und dem Bau eines neuen Werks für Medizin­tech­nik im inter­kom­mu­na­len Gewer­be­ge­biet Oberko­chen-Königs­bronn begon­nen. 2012 soll ein Logis­tik­zen­trum am Stand­ort Oberko­chen folgen.

Oberkochen

Die Carl Zeiss-Stiftung als Unter­neh­mens­trä­ger­stif­tung wurde 2004 insoweit verän­dert, als sie nicht mehr unmit­tel­ba­rer Unter­neh­mens­trä­ger ist, sondern nur noch eine Funkti­on als sog. Holding hat. Die ehema­li­gen Stiftungs­un­ter­neh­men Carl Zeiss und Schott Glaswer­ke wurden ausge­glie­dert und als Aktien­ge­sell­schaf­ten weitergeführt.

Heute beschäf­tigt die Carl Zeiss-Gruppe weltweit rund 24.000 Mitar­bei­ter, davon allein in Oberko­chen rund 5000. Der Konzern­um­satz betrug im Jahr 2011 rund 4,23 Mrd. Euro. Die Carl Zeiss-Gruppe gehört zu den weltweit führen­den Unter­neh­men auf den Gebie­ten der Optik und Optoelek­tro­nik. Zugleich ist sie einer der größten Arbeit­ge­ber in der Region Ostwürttemberg.

Schluss­be­trach­tung

Der kleine Ort Oberko­chen wurde schon in der Vergan­gen­heit von der europäi­schen Geschich­te und dem »Hauch« großer geschicht­li­cher Ereig­nis­se berührt. Die Entwick­lung Oberko­chens hing stets mit den bedeu­ten­den politi­schen, gesell­schaft­li­chen oder religiö­sen Verän­de­run­gen in der Welt zusam­men. Seien es die Besie­de­lung in der Bronze­zeit, die unmit­tel­ba­ren Folgen der Refor­ma­ti­on oder des Dreißig­jäh­ri­gen Kriegs, die Anfän­ge der Eisen­erz­ge­win­nung und ‑verhüt­tung, der frühe Beginn der Indus­tria­li­sie­rung in Europa u.v.a.m.. Das gilt heute noch immer, denn aufgrund seiner beson­de­ren Wirtschafts- und Unter­neh­mens­struk­tur hängen die Entwick­lung und letzt­end­lich auch die Existenz Oberko­chens unmit­tel­bar von den Ereig­nis­sen in der Welt ab. So sind politi­sche Ereig­nis­se in der arabi­schen Welt genau­so spürbar wie die wirtschaft­li­che Entwick­lung in den USA, China oder sonst wo auf unserem Globus.

Die Geschich­te Ober- und Unter­ko­chens zeigt auch, dass das heuti­ge Geprä­ge im Grunde über viele Jahrhun­der­te entstan­den ist und noch heute auf die frühen Ursprün­ge der Eisen­erz­ge­win­nung und Metall­be­ar­bei­tung zurück­geht. Nichts bleibt aber wie es ist, und so sehen Gemein­de­rat und Bürger­meis­ter es als eine ihrer vordring­lichs­ten Aufga­ben an, den ständi­gen und immer schnel­ler werden­den Wandel konstruk­tiv zu beglei­ten und die Struk­tu­ren, die nicht nur die wirtschaft­li­che, sondern auch die gesell­schaft­li­che Grund­la­ge bilden, zu festi­gen und zu erweitern.

Oberko­chen ist heute mit rund 7900 Einwoh­nern zwar eine kleine Stadt, aber ein großer und wichti­ger Wirtschafts­stand­ort in der Region Ostwürt­tem­berg, der durch­aus natio­na­le und inter­na­tio­na­le Bedeu­tung hat. Die Stadt erleb­te in den vergan­ge­nen 20 Jahren, wie seine Unter­neh­men, Höhen und Tiefen. Beide — Unter­neh­men und Stadt — haben sich jedoch positiv entwi­ckelt und sind aus den vergan­ge­nen Krisen gestärkt hervorgegangen.

Heute zählt Oberko­chen auch zu den steuer­stärks­ten Städten in der Region Ostwürt­tem­berg mit einer attrak­ti­ven Infra­struk­tur, vor allem bei Schulen und Kinder­be­treu­ungs­ein­rich­tun­gen, die als beispiel­haft für das gesam­te Land Baden-Württem­berg gelten. Wollen wir hoffen und alles dafür tun, dass dieser erfolg­rei­che Weg fortge­setzt werden kann.

  1. Georg Stuben­voll: »Der Eisen­erz­berg­bau« in: »Albuch — Härts­feld — Ries«, Schwä­bi­scher Albver­ein e.V. (Hrsg.), Stutt­gart 1979, 2. Aufl. 1988, S. 42
  2. Georg Stuben­voll: »Der Eisen­erz­berg­bau« in: »Albuch — Härts­feld — Ries«, Schwä­bi­scher Albver­ein e.V. (Hrsg.), Stutt­gart 1979, 2. Aufl. 1988, S. 42
  3. Hans Meinzin­ger: »Handwerk und Indus­trie« » in: »Unter­ko­chen«, Kultur­ge­mein­de Unter­ko­chen (Hrsg.), Stutt­gart — Aalen 1989, S. 227 ff.
  4. Siehe hierzu ausführ­lich: Marika Kämme­rer und Dr. Joachim Kämme­rer: »Vom Dorf zur Indus­trie­ge­mein­de« in: »Oberko­chen — Geschich­te, Landschaft, Alltag«, Oberko­chen 1986, S. 129 ff.
  5. Zur Nachkriegs­ge­schich­te der Fa. Carl Zeiss siehe: Armin Hermann: Nur der Name war geblie­ben. Die abenteu­er­li­che Geschich­te der Firma Carl Zeiss, Stutt­gart, 1989
  6. Armin Hermann: Und trotz­dem Brüder. Die deutsch-deutsche Geschich­te der Firma Carl Zeiss. München, 2002

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