Über die Geschich­te Oberko­chens wurde schon viel geschrie­ben. In dieser und in den folgen­den zwei Ausga­ben dieses Amtsblatts soll jedoch die Entwick­lung Oberko­chens vom Dorf zur Stadt darge­stellt und in den gemein­sa­men geschicht­li­chen Kontext der beiden Orte Ober- und Unter­ko­chen gesetzt werden, denn beide haben eine gemein­sa­me Entstehungsgeschichte.

Die folgen­den drei Teile sind eine Zusam­men­fas­sung eines Vortrags, den Bürger­meis­ter Peter Traub anläss­lich des Jubilä­ums »675 Jahre Oberko­chen« am 4. Dezem­ber 2010 hielt. In diesem Zusam­men­hang sei an dieser Stelle posthum nochmals dem verstor­be­nen Albert Seckler gedankt, der für diesen Vortrag wertvol­le Litera­tur­hin­wei­se lieferte.

Die Frühge­schich­te Ober- und Unterkochens

Die Kelten

1914 fand man im Gebiet Zweren­berg in Oberko­chen ein Hügel­grab aus der sog. Hallstatt­zeit, also um ca. 500 v. Chr.. Ähnli­che Grabhü­gel fand man auch in Unter­ko­chen, so z.B. in der Flur Buchstei­ge, zwei beim Baier­stein (Himmlin­gen) und einen in der Flur Heulenberg.

Die Westhall­statt­kul­tur, die sich von Öster­reich über die Schweiz, Süd- und Mittel­deutsch­land bis nach Ostfrank­reich erstreck­te, wird den Kelten (1) zugeord­net. Hier liegt auch der Ursprung des Siedlungs- bzw. Ortsna­mens »Kochen«, der auf das Gewäs­ser »Kocher« zurückgeht.

Oberkochen

Der auf die Siedlung übertra­ge­ne Gewäs­ser­na­me (Cochon, Cohen, Cochen 1170 — 1175, später Kocher 1504) geht auf die vorger­ma­ni­sche Form »Kukana« zurück, was so viel heißt wie »die Geboge­ne«, also »der geboge­ne Fluss«. Die Stufe »kuk« geht auf das indoger­ma­ni­sche »keu« — »biegen« (im Gelenk biegen, Gelenk, sich drehen, Einbie­gung) zurück.

Da es zahlrei­che Vergleichs­na­men, die mit dem indoger­ma­ni­schen »kuk« gebil­det sind, auf den Briti­schen Inseln gibt, liegt es nahe, an einen kelti­schen Gewäs­ser­na­men zu denken. Durch die althoch­deut­sche Lautver­schie­bung wurde aus »k« ein »ch«, so dass aus dem Wort »Kukana« im Lauf der Jahrhun­der­te das Wort »Kochen« entstand. Die Ortsna­men »Oberko­chen« und »Unter­ko­chen«, wie übrigens auch »Neuko­chen«, sind also kelti­schen Ursprungs (2).

Die Zusät­ze »Ober« und »Unter« sind präpo­nie­ren­de Vorsil­ben, die auf die relati­ve räumli­che Lage am Kocher hinweisen.

Für eine Dauer­be­sie­de­lung des Gebiets am Kocher­ur­sprung durch Kelten gibt es nur wenige Belege, dafür aber einige Indizi­en. Das kelti­sche Hügel­grab in Oberko­chen ist ein solches Indiz. Ein weite­res ist die Kocher­burg in Unterkochen.

Ottmar Engel­hardt beschreibt in seinen Notizen zur Vor- und Frühge­schich­te des Ostalb­krei­ses (3), dass die Ostalb eines der dichtes­ten Vorkom­men an sog. kelti­schen Viereck­schan­zen aufweist.

Diese Schan­zen waren kulti­sche Stätten mit hölzer­nen Tempeln und Opfer­schäch­ten. Die Umgebung um die späte­re Kocher­burg war danach bereits um 450 v. Chr. besiedelt.

Mögli­cher­wei­se war der Bereich der späte­ren Kocher­burg selbst auch der Sitz eines kelti­schen Fürsten.

Darauf deutet zumin­dest die kelti­sche befes­tig­te Anlage hin, die von den Römern als »oppida« bezeich­net wurde. Die großen Wälle auf der Kocher­burg stammen jeden­falls aus der Hallstatt- bzw. La-Tene-Zeit, wo später dann die Kocher­burg selbst erbaut wurde (4).

Oberkochen

Tatsäch­lich sind die Funde, auch aus frühe­ren Epochen der Vorge­schich­te, so zahlreich, dass man von einer durch­ge­hen­den Besie­de­lung unseres Raumes seit der Jungstein­zeit ausge­hen kann. (5)

Die Gegend um das heuti­ge Ober- und Unter­ko­chen zählt also zu den ältes­ten Siedlungs­ge­bie­ten in der neueren Menschheitsgeschichte.

Die Römer

Um die Zeiten­wen­de gerie­ten die kelti­schen Stämme in die Zange zwischen Germa­nen und Römern. Im Jahr 15 n. Chr. erobern die Römer das Voral­pen­land bis zur Donau. Der Fluss wird neue Nordgren­ze des Römischen Reichs. Um 85 n. Chr. reich­te das Römische Reich bis ins Ries. Unter Kaiser Antoni­nus Pius (138 bis 161 n. Chr.) wurde der Limes als Grenze des Römischen Reiches ausge­baut. In dieser Zeit entstand auch das Reiter­kas­tell Aalen, das das bedeu­tends­te seiner Art nördlich der Alpen war (6).

Der Begriff »Limes« als Überset­zung für »befes­tig­te Grenze« ist übrigens auf eine Fehlin­ter­pre­ta­ti­on latei­ni­scher Textstel­len zurück­zu­füh­ren (7).

Die Römer benutz­ten keines­wegs dieses Wort als Umschrei­bung für die befes­tig­te Landgren­ze. Vielmehr stand es im damali­gen Sprach­ge­brauch für eine Schnei­se oder im weite­ren Sinn für eine Straße. Wie der Limes seiner­zeit von den Römern tatsäch­lich genannt wurde, ist nicht bekannt (8).

Ab dem 2. Jh. n. Chr. stand der Limes­ver­lauf im nördli­chen Abschnitt (Rhein­land-Pfalz und Hessen) fest. Im Süden, also in Baden-Württem­berg und Bayern, wurde die äußers­te Linie erst rund 60 Jahre später erreicht. Mit der Anlage der Grenz­be­fes­ti­gung verfolg­ten die Römer verschie­de­ne Zwecke: im Norden galt es, die landwirt­schaft­lich frucht­ba­ren Gebie­te der Rhein-Main-Region zu kontrol­lie­ren, und im Südwes­ten sicher­te man die kürzes­te Verbin­dungs­rou­te zwischen den Provinz­haupt­städ­ten Mainz und Augsburg und im Südos­ten die Kornkam­mer des Nördlin­ger Rieses (9).

Oberkochen

Das Land hinter dem Limes wurde seiner­zeit mit römischen Gutshö­fen besie­delt, sog. villae rusti­cae. Ihre Spuren finden sich z.B. in Essin­gen, Dorfmer­kin­gen, Elchin­gen, Lauch­heim, aber auch in Oberko­chen. Dort wurden 1971 die Reste einer villa rusti­ca, wieder­um im Gewann Zweren­berg, ausge­gra­ben und freigelegt.

Schon um die Wende vom 2. ins 3. Jh. lassen sich in der Nähe des rätischen Limes z.B. am Unter­lauf der Jagst und des Kochers erste germa­ni­sche Siedlun­gen nachwei­sen. Offen­bar gab es damals sogar einen regen Austausch und Handel zwischen Römern und Germanen.

Im Jahr 213 n. Chr. beobach­te­ten die Römer verstärk­te germa­ni­sche Aktivi­tä­ten vor dem Limes. Der römische Kaiser Caracal­la entschließt sich, den Grund hierfür heraus­zu­fin­den und überschrei­tet am 11. August 213 mit einem Reiter­heer des Kastells Aalen die Grenze. In der Nähe des Mains trifft er auf germa­ni­sche Kampf­ver­bän­de, die sich Alaman­nen nannten. Nach heuti­ger Kennt­nis bestan­den diese Kampf­ver­bän­de im Wesent­li­chen aus Sueben (= Schwaben).

Oberkochen

Die Alaman­nen

Die Alaman­nen (10) erober­ten den gesam­ten süddeut­schen Raum und dräng­ten die Römer im 3. Jh. zurück. Bis zum 5. Jh. besetz­ten sie das Elsaß bis an den Vogesen­kamm, die Schweiz bis zu den Alpen, Vorarl­berg und das Gebiet östlich der Iller bis zum Lech. In der zweiten Hälfte des 5. Jh. trafen sie auf die Franken und unter­la­gen im Jahr 496 dem Franken­kö­nig Chlod­wig in der Schlacht von Zülpich. Ab dem 6. Jh. mussten sich die Aleman­nen vollstän­dig dem Macht­be­reich der Franken unterstellen.

Auch in unserem Raum siedel­ten sich Alaman­nen an, und die Gräber­fun­de, z.B. in Lauch­heim und Pfahl­heim, weisen auf große und bedeu­ten­de Siedlun­gen hin. Im Gebiet des Ostalb­krei­ses sind über 2000 Gräber aus größe­ren und kleine­ren Fried­hö­fen unter­sucht (11).

Oberkochen

In Unter­ko­chen gibt es zwei alaman­ni­sche Gräber­fun­de, nämlich unter­halb des Bo1 und im Gewann Samen­tal. Der alte Ortskern dürfte unter­halb der kath. Kirche gelegen sein, so dass im Samen­tal das eigent­li­che Ortsgrä­ber­feld gelegen haben dürfte.

In Oberko­chen sind alaman­ni­sche Siedlun­gen aus dem 7. Jh. im heute überbau­ten Stadt­ge­biet durch entspre­chen­de Gräber­fun­de belegt. So fand man 1980 zufäl­lig bei einem Bauaus­hub im Dreißen­tal eine Vielzahl alaman­ni­scher Gräber, die auf 94 bezif­fert wurden. Weite­re Gräber werden vermu­tet. Inter­es­san­ter­wei­se wurde ein Teil des Bauaus­hubs zum Auffül­len des damals erwei­ter­ten städti­schen Fried­hofs genutzt, so dass ein Teil unserer Vorfah­ren in Oberko­chen unwis­sent­lich »umgebet­tet« wurde (12).

Ab dem 7. Jh. erfolg­te die Chris­tia­ni­sie­rung der Alaman­nen und des deutschen Raums, auch in unseren Gebie­ten (13). In den folgen­den Jahrhun­der­ten verläuft die Geschich­te Unter- und Oberko­chens aber sehr diffe­ren­ziert. Zwar weist ein romani­scher Sockel des Kirch­turms der Kath. Kirche »St. Peter und Paul« darauf hin, dass hier bereits vor der ersten urkund­li­chen Erwäh­nung Oberko­chens im Jahr 1337 ein großes Stein­bau­werk bzw. ein großer Sakral­bau gestan­den haben musste. Dies deutet auf eine gewis­se Bedeu­tung der Siedlung am Ursprung des Schwar­zen Kochers hin. Es gilt jedoch als sicher, dass diese frühe christ­li­che Gemein­de zur Kirche in Unter­ko­chen gehör­te, die bereits vor der Gründung des Ellwan­ger Klosters im Jahr 764 bestand (14).

  1. Der Begriff »Kelten« geht auf griechi­sche Überlie­fe­run­gen bei Herodot und anderen Autoren aus dem 6. und 5. Jh. v. Chr. zurück, die als »keltoi« bezeich­ne­te Stämme mit einem Verbrei­tungs­ge­biet von den Quellen der Donau bis zum Hinter­land des damali­gen Massi­lia (Marseil­le) identifizierten.
  2. Vgl. Lutz Reichardt: »Ortsna­men­buch des Ostalb­krei­ses«, Teil I: A — L, Stutt­gart 1999, S. 361 ff.
  3. Ottmar Engel­hard: »Notizen zur Vor- und Frühge­schich­te« in: »Albuch — Härts­feld ‑Ries«, Schwä­bi­scher Albver­ein e.V. (Hrsg.), Stutt­gart 1979, 2. Aufl. 1988, S. 38
  4. Bernhard Hilde­brand: »Aus vor- und frühge­schicht­li­cher Zeit« in: »Unter­ko­chen«, Kultur­ge­mein­de Unter­ko­chen (Hrsg.), Stutt­gart ‑Aalen 1989, S. 63
  5. Bernhard Hilde­brand: »Aus vor- und frühge­schicht­li­cher Zeit« in: »Unter­ko­chen«, Kultur­ge­mein­de Unter­ko­chen (Hrsg.), Stutt­gart ‑Aalen 1989, S. 54
  6. Ottmar Engel­hard: »Notizen zur Vor- und Frühge­schich­te« in: »Albuch — Härts­feld ‑Ries«, Schwä­bi­scher Albver­ein e.V. (Hrsg.), Stutt­gart 1979, 2. Aufl. 1988, S. 39
  7. U.a. Tacitus, Germa­nia 29,3
  8. Landes­denk­mal­amt Baden-Württem­berg (Hrsg.): »Der Limes«, Archäo­lo­gi­sche Infor­ma­tio­nen aus Baden-Württem­berg, Heft 44, Stutt­gart 2001, S. 12
  9. Siehe ebenda
  10. Die Alaman­nen waren kein einheit­li­cher germa­ni­scher Volks­stamm, sondern ein Stammes­ver­band. Den aus der Mark Branden­burg nach Südwes­ten ziehen­den Semno­nen, dem führen­den Volk der Sueben, hatten sich einige kleine­re Stämme und Gruppen angeschlos­sen. Daher hatten sie die Bezeich­nung »Aleman­nen«, also alle Männer (Menschen).
  11. Bernhard Hilde­brand: »Aus vor- und frühge­schicht­li­cher Zeit« in: »Unter­ko­chen«, Kultur­ge­mein­de Unter­ko­chen (Hrsg.), Stutt­gart ‑Aalen 1989, S. 82
  12. Dietrich Bantel: »Oberko­chen bis zur ersten urkund­li­chen Erwäh­nung im Jahr 1337« in: »Oberko­chen — Geschich­te, Landschaft, Alltag«, Oberko­chen 1986, S. 32
  13. Dies ergibt sich aus dem Indiz, dass ab diesem Zeitpunkt keine Grabbei­ga­ben mehr beigelegt wurden. Im christ­li­chen Glauben war das nicht mehr notwen­dig, während man im germa­ni­schen Götter­glau­ben Grabbei­ga­ben auf dem Weg ins Toten­reich benötigte.
  14. Rudolf Heite­le: »Geschich­te der katho­li­schen Pfarr­ge­mein­de St. Peter und Paul in Oberko­chen« in: »Oberko­chen — Geschich­te, Landschaft, Alltag«, Oberko­chen 1986, S. 40

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