Einst Schulhaus, dann Schwesternhaus und Bibliothek / 240 Jahre Geschichte
Für den Neubau »Altes Schwesternhaus« wurde Richtfest gefeiert, was dem Vorsitzenden des Oberkochener Heimatvereins, Gymnasialprofessor Dietrich Bantel, Anlaß war, die 240jährige Geschichte des für Oberkochen bedeutenden Vorgängergebäudes und seine vielfältige Nutzung aufzuarbeiten. Die wichtigsten Nutzungen: Ursprünglich Schule, später Schwesternstation und Kindergarten.
Franz Balle schreibt in seinen Heimatblättern, die im städtischen Amtsblatt »Bürger und Gemeinde« Nummer 26 vom 28. August 1953 veröffentlicht wurden: »Die Einrichtung der ersten Schule, im Dorfe Oberkochen ist urkundlich nicht festzustellen. Nach Vermutungen darf das 16. Jahrhundert angenommen werden. Der Unterricht wurde zunächst im Raum eines Privathauses gehalten. Später lesen wir dann von einem Schul-und Mesnerhaus neben der Kirche.« Dies ist nach Ansicht von Dietrich Bantel »mit Sicherheit bereits der Standort des Vorgängers des später errichteten Schulgebäudes, das bis 1755 dort stand.«
Dorothea Feihl, Lehrerin an der Dreißentalschule, berichtet in den »Beiträgen zur Heimatkunde«, die 1961/62 von Lehrern der Volksschule unter Rektor Hagmann herausgegeben wurden, ausführlich, wie im 18. Jahrhundert ein Schulhausneubau immer dringlicher wird. Infolge Geldmangels kommt es jedoch immer wieder nur zu Reparaturen. 1735 wird der Giebel des Gebäudes als »verfault« und der Zustand des Hauses als »lebensgefährlich« beschrieben.
Das Ergebnis der Nachforschungen von Dorothea Feihl wurde von Rudolf Heitele in einen Bericht über die Entwicklung des Schulwesens 1986 ins Oberkochener Heimatbuch übernommen und ergänzt. Dort heißt es, gekürzt: »Im Zusammenhang mit der umfassenden »Fürstlich Ellwangischen Schulordnung« von 1749 sah sich die katholische Kirchengemeinde mit der Notwendigkeit konfrontiert, neben der Kirche ein neues Schulhaus zu bauen. Nach zwei vollen Jahren elenden Papierkriegs konnte am 28. Juni 1755 endlich mit dem Bau begonnen werden. Die Pläne und den Kostenvoranschlag von 771 Gulden 25 Kreuzer hatte Arnold Friedrich Prahl erstellt.«
Der namhafte Barockarchitekt Prahl lebte von 1709 bis 1758 und wurde bereits 28jährig vorn Fürsten Franz Georg von Schönborn (1682−1756), seit 1732 Fürstpropstei zu Ellwangen, zum Stadt- und Landbaumeister ernannt. Prahl hatte sich an eine neue 20 Punkte umfassende von Franz Georg Schönborn erlassene Bauordnung zu halten.
»Prahls Leben war dicht und arbeitsreich«, schreibt Dietrich Bantel, »zumal er nicht selten auch alleiniger Leiter nicht unbedeutender industrieller Unternehmungen war (Garnsiederei, Leinwandfabrik, Porzellanfabrik) und überdies eine militärische Stellung innehatte«. Allein in Ellwangen baute er drei Gasthäuser (»Goldener Adler«, »Goldener Pflug«, »Zum Wilden Mann« — letzteres gehörte ihm selbst). Bei seinen Mitbürgern stand er in hohem Ansehen. Aus seiner Ehe gingen zwölf Kinder hervor. Das Oberkochener Schulhaus baute er als 46jähriger, drei Jahre vor seinem Tod.
Auffallend an dem Oberkochener Schulhaus ist die Ähnlichkeit mit dem Pfarrhaus von Schwabsberg und Eilwangen. Beide Gebäude haben ein mächtiges Krüppelwalmdach. Allerdings ist das Schwabsberger Pfarrhaus äußerlich aufwendiger und repräsentativer gestaltet. Das katholische Schulgebäude und spätere Schwesternhaus von Oberkochen ist ein reiner Zweckbau.
Der 1755 errichtete einzige repräsentative Barockbau Oberkochens, spartanisch aber markant, hat im Lauf seiner 240jährigen Geschichte bis zu seinem Abbruch im Jahr 1995 eine Reihe von Änderungen erfahren.
Schwester Zita beschrieb 1989 für den Heimatverein die Geschichte des Hauses Aalener Straße 16 wie folgt: »Mit seiner markanten Krüppelwalmdachfassade diente das Gebäude bis 1901 als katholisches Schulhaus. Im unteren Stock waren zuletzt drei, im oberen vier Klassenräume und die Lehrerwohnung. Im gleichen Jahr (1901) fand der Umzug der Schule in den Backstein-Neubau der Dreißentalschule statt (Fuchsbau).
Nach vorübergehender Nutzung als Wohnhaus zogen im November 1906 die ersten katholischen Schwestern in das Gebäude ein. Sie wohnten in den oberen Räumen. Außerdem befand sich oben noch ein Näh- und Handarbeitssaal. Im unteren Saal wurde ein Allzweckraum eingerichtet, der 1910 neu gestaltet wurde.
Dort wurde im Oktober desselben Jahres der katholische Kindergarten eingerichtet. Der obere Saal verblieb weiter als Nähsaal. 1928 und dann nochmals 1930 wurde der Bau eines neuen Schwesternhauses diskutiert. Aus den Plänen wurde jedoch nichts. Das Geld reichte dann 1934 lediglich zu einer gründlichen Renovierung des alten Gebäudes, in welchem dann die Bücherei eingerichtet wurde.
20 Jahre später, im Jahr 1954, wurde das neue Schwesternhaus in der Bühlstraße tatsächlich verwirklicht. Ein großer Teil der Räume wurde von der katholischen Kirchengemeinde vermietet. So diente der kleine Eckraum im Erdgeschoß von Oktober 1955 bis Dezember 1957 der seinerzeit von der Ärztekammer Oberkochen zugewiesenen Ärztin Dr. Marianne Schwarz als behelfsmäßiger Praxisraum, in dem es weder Heizung noch Wasser gab. Der daneben gelegene größere Eckraum gegen Straße und Gebäude Nagel war von der Kolpingsfamilie belegt. Im »Höfle«, erinnert sich Frau Dr. Schwarz, war es so eng, daß ihr Lloyd (»Leukoplastbomber«) nicht hineinpaßte, und auf der Straße stehen mußte. Diese Zeit verbindet sich mit dem Namen der Schwester Aspedia.
Bis zum Ende der Nutzung des Gebäudes befanden sich in den oberen Räumen eine Wohnung und Jugendräume. Die Bibliothek der katholischen Kirchengemeinde, 1954 eingerichtet, wurde 1968 ins Rupert-Mayer-Haus verlegt. Durch Gemeinderatsbeschluß vom 1. Februar 1994 wurden die Voraussetzungen dafür geschaffen, daß im Rahmen einer Bebauungsplanänderung das alte Schwesternhaus abgebrochen und unter Beibehaltung der vertrauten Fassade gegen die Aalener Straße neu errichtet wird.
Dietrich Bantel