Eine Betrach­tung zu Oberko­chens Natur

»Landbau und Viehzucht bilden die Haupt­be­schäf­ti­gung der Einwoh­ner«. Dieses Zitat aus der Ortsbe­schrei­bung Oberko­chens von 1854 dokumen­tiert den Wandel, der sich in den letzten 100 Jahren vollzo­gen hat. Das kleine, knapp 10 ha große Dorf beher­berg­te 1200 Einwoh­ner in 160 Wohnge­bäu­den. Etwa 90 landwirt­schaft­li­che Betrie­be mühten sich um 570 ha parzel­lier­tes Acker­land, 95 ha Wiesen und 282 ha abgele­ge­ne Allmend­wei­den. Fast 2/3 der Markung war Wald, der dem Staat und der Gemein­de gehör­te. Die Gemein­de — das waren die mit zahlrei­chen Nutzungs­rech­ten und Pflich­ten ausge­stat­te­ten altein­ge­ses­se­nen Einwohner.

Die politi­sche Gemein­de besaß weder Kapita­li­en noch Grund­be­sitz. Erst im Zuge der recht­li­chen Auftei­lung des Bürger = Realbe­sit­zes erhiel­ten die Realge­nos­sen den Wald, die politi­sche Gemein­de die Allmend und Schaf­wei­den. Heute, 130 Jahre später, beträgt die Einwoh­ner­zahl knapp 8000, nur noch etwa 38 sind in der Landwirt­schaft tätig. Die Zahl der landwirt­schaft­li­chen Betrie­be ist auf 14 gesun­ken, alle sind auf Neben- oder Zuerwerb angewie­sen. Auch in Oberko­chen wird dieser noch relativ oft in der Waldar­beit gefun­den. Dieser Beruf hat in Oberko­chen alte Tradi­ti­on. Alljähr­lich wird noch am 22. Januar das Fest des Heili­gen Vinzenz als Patron der Waldar­bei­ter gefei­ert. Die Mehrzahl der Landwir­te und deren Söhne arbei­ten jedoch in der örtli­chen Industrie.

Die landwirt­schaft­lich benutz­te Fläche ist seit 1854 um über 400 ha zurück­ge­gan­gen. Die eine Hälfte ist der Erwei­te­rung des Ortset­ters, die andere Hälfte der Auffors­tung zugefallen.

Die ohnedies kriti­sche Ertrags­la­ge der landwirt­schaftl. Betrie­be ist auf den vergleichs­wei­se mageren Stand­or­ten des oberen Kocher­tals durch die Parzel­lie­rung (über 980 Flurstü­cke) und die weiten Entfer­nun­gen zu den Feldern zusätz­lich erschwert. Ein Flurbe­rei­ni­gungs­ver­fah­ren wird in abseh­ba­rer Zeit nicht in Gang kommen. Zupach­tung und freiwil­li­ger Landtausch mildern die Nachtei­le der Klein­flä­chen nur teilwei­se. Zur Aussied­lung sind die meisten Betrie­be zu klein.

Die beiden, die recht­zei­tig (um 1960) vor die Tore gegan­gen sind, haben es nicht bereut.

Die in der engen Ortsla­ge verblie­be­nen Betrie­be sind mit zusätz­li­chen Schwie­rig­kei­ten infol­ge der Zunah­me des Verkehrs und der Entwick­lung städti­scher Lebens­for­men belas­tet. Zu- und Abfahr­ten, Bauvor­ha­ben, Maschi­nen­be­schaf­fun­gen, die Viehhal­tung und vieles andere ist sehr erschwert.

Bemer­kens­wert ist das lange Zeit vorhan­de­ne Engage­ment der Indus­trie in der Landwirt­schaft. Die Unter­neh­mer­fa­mi­lie Leitz treibt noch heute einen beacht­li­chen Bauern­hof um, der wegen seines hohen Milch­leis­tungs­stands zu den führen­den Betrie­ben weit und breit gehört. Der durch umfang­rei­che Zukäu­fe seit den 30er Jahren stark gewach­se­ne Bauern­hof der Familie Bäuerle ging 1975 in den Besitz der Stadt über. Diese löste den Betrieb nach wenigen Jahren der Regie­wirt­schaft auf und verpach­te­te die Flächen an ortsan­säs­si­ge und auswär­ti­ge Bauern.

Der rasche und noch immer anhal­ten­de Struk­tur­wan­del in der Landwirt­schaft seit der Nachkriegs­zeit mag durch folgen­de Zahlen belegt werden:

Oberkochen
Oberkochen

Was läßt die Übersicht erkennen?

Die Zahl der landwirt­schaft­li­chen Betrie­be hat von 93 auf 14 enorm abgenom­men. Der klein­bäu­er­li­che Charak­ter ist bei der Mehrzahl der verblie­be­nen Betrie­be dennoch erhal­ten geblie­ben. Immer mehr Klein­be­trie­be schaf­fen ihr Vieh, zuerst meist das Milch­vieh, ab. An der Milch­an­lie­fe­rung an die Molke­rei Ellwan­gen betei­li­gen sich noch acht Betrie­be. Sie betrug 1980 274 000 kg, davon liefer­te der rein milch­wirt­schaft­lich orien­tier­te Betrieb Leitz allein ca. 70%!

Stark abgenom­men hat auch die landwirt­schaft­li­che Nutzflä­che. Sie beträgt heute nur noch weniger als die Hälfte wie vor 130 Jahren. Dagegen nahm die Ödland­flä­che seit 1950 wieder zu (Grenz­ertrags­bö­den, Hangla­gen), vor allem dehnten sich aber der Wald durch Auffors­tung und der Ortset­ter (das bebau­te Gebiet) zu Lasten der landwirt­schaft­li­chen Nutzflä­che aus.

Die Waldflä­che ist seit 1850 um 275 ha auf Kosten der Öd- und Weide­flä­chen gewach­sen. Durch Aussto­ckung in den Jahren 1970–1985 wurden im Gebiet Heide ca. 40 ha Wald in Siedlungs­ge­län­de umgewandelt.

Sehr stark gewach­sen (von 10 auf 245 ha) ist der Ortset­ter, eine Folge der enormen Bautätigkeit.

Die ortsan­säs­si­gen landwirt­schaft­li­chen Betrie­be haben nur einen Bruch­teil des hohen Pacht­an­ge­bo­tes im Ort aufge­nom­men. 1976 wurde fast die Hälfte der landwirt­schaft­li­chen Nutzflä­chen an auswär­ti­ge Landwir­te aus Lautem (1) Essin­gen (3) Unter­ko­chen (2) und Königs­bronn (6) verpachtet.

Die wenigen örtli­chen landwirt­schaft­li­chen Betrie­be könnten hier durch eine beträcht­li­che Aufsto­ckung ihre Produk­ti­ons­ba­sis erwei­tern und ihrer Auffang­funk­ti­on nachkommen.

Trotz aller betrieb­li­chen Schwie­rig­kei­ten sind die Landwir­te heute vermö­gen­de Leute. Der Verkauf von Bauland ist vor allem den Bauern zugute gekom­men. Von den 235 ha Zugang an Siedlungs­land hat die Landwirt­schaft ca. 195 ha beigesteu­ert, der Wald ca. 40 ha.

Doch wie wird es weiter gehen? Wird die Zahl der landwirt­schaft­li­chen Betrie­be weiter sinken? Wer wird die freiwer­den­den Flächen pachten? Schon ist die Fläche der Öden und der nicht mehr alljähr­lich gemäh­ten Wiesen beacht­lich groß. Werden die Söhne der Landwir­te die Betrie­be weiter­füh­ren? Werden sie dann auch Bäuerin­nen bekom­men? Die Zukunft der Landwirt­schaft ist zweifel­os mit düste­ren Schlei­ern verhan­gen. Es ist nicht sicher, daß in Oberko­chen exten­si­ve­re Formen der Landnut­zung an Umfang zuneh­men. Die Wieder­ver­brei­tung der Schäfe­rei dagegen ist erwar­tungs­ge­mäß einge­tre­ten. Die Stadt­ver­wal­tung hat bereits seit 1972 wieder einen Schäfer unter Vertrag genommen.

Die Auffors­tung sollte in Oberko­chen nur noch in Ausnah­me­fäl­len zur Stille­gung landwirt­schaftl. Grenz­ertrags­bö­den heran­ge­zo­gen werden. In 130 Jahren ist die Waldflä­che auf der Gemar­kung um über 275 ha durch Auffors­tung der Allmend­wei­den und Öden gewach­sen. Mit 71% Waldan­teil zählt Oberko­chen heute zu den waldreichs­ten Gemein­den des Landes. Die histo­risch beding­te hohe Bewal­dung entlang des Kocher-Brenz­ta­les ist charak­te­ris­tisch für unsere Ostalblandschaft.

Zu den Beson­der­hei­ten dieser Wälder gehört die Besitz­form und die Baumar­ten­zu­sam­men­set­zung. Als kirch­li­ches Erbe fielen dem Staat bei der Säkula­ri­sa­ti­on große Waldflä­chen zu. Von Natur Buchen­wäl­der, dienten sie der Liefe­rung von Brenn­holz und von Holzkoh­le für die jahrhun­der­te­lan­ge Periode der Erzver­hüt­tung. Heute zählen die Wälder der Ostalb dank ihrer Fichten zu den ertrag­reichs­ten Forsten des Landes. Die Fichte wurde vor etwa 150 Jahren zunächst aus Verle­gen­heit angebaut, um die devastier­ten Weide- und Kohlholz­flä­chen wieder in Besto­ckung zu bringen.

Inzwi­schen sind auf der Ostalb etwa 60% der Waldflä­che Nadel­wäl­der. In großflä­chi­ger Mischung mit Buchen­wäl­dern bestim­men sie das Waldbild der Ostalb. Auf dem Oberko­che­ner Markungs­ge­biet sind dagegen noch über 70% Buchen­wald und nur etwa 30% Fichten­wäl­der vorhan­den. Dies verdan­ken wir in erster Linie der Realge­nos­sen­schaft, dieser eigen­tüm­li­chen Besitz­form, die nur in unserer Gegend verbrei­tet ist.

1866 wurde die Trennung der Besitz­rech­te der bürger­li­chen von der politi­schen Gemein­de vollzo­gen. Die Erben der 93 berech­tig­ten Genos­sen Oberko­chens bewirt­schaf­ten seitdem 872 ha Waldflä­che gemein­sam. Eine Auflö­sung ist satzungs­ge­mäß auf alle Zeiten ausge­schlos­sen. Der Realwald ist seit 1955 in staatl. Bewirt­schaf­tung. Durch natür­li­che Verjün­gun­gen auf den Hängen und Anbau von Nadel­holz auf den geeig­ne­ten Hochla­gen sollen die derzei­ti­gen noch überwie­gend Buchen-Stock­aus­schlag­be­stän­de in nutzholz­brin­gen­de Hochwäl­der umgebaut werden. Inten­si­ver Wegebau ist die Voraus­set­zung für die Verwirk­li­chung dieser waldbau­li­chen Zielset­zung. In der Periode von 1967–1984 wurden ca. 40 km feste Waldwe­ge und fast 50 km Erdwe­ge in den Hangla­gen als Maschi­nen­we­ge gebaut. Die Erschlie­ßung ist damit abgeschlossen.

Von gerin­ger Bedeu­tung ist der Klein-Privat­wald — der meist durch Auffors­tun­gen von Randpar­zel­len entstand und nur 40 ha umfaßt.

Seit alters­her gehört der Kath. Kirchen­ge­mein­de — St. Peter und Paul — der sogenann­te »Peter­hau«, ein 16 ha großes Waldstück auf dem Langert.

Der Gemein­de­wald Oberko­chens ist durch Auffors­tung der Allmen­den entstan­den, die der politi­schen Gemein­de bei der Besitz­auf­tei­lung zufie­len. Inzwi­schen finden sich in der Bilz und in den Riesen vorrats­rei­che und schöne Fichten­alt­be­stän­de. Die Heide, heute jüngs­tes Siedlungs­ge­biet der Stadt, ist um die Jahrt­hun­dert­wen­de durch Auffors­tung von Schaf­wei­den bewal­det worden.

Der Volkmars­berg, einst ebenfalls ein Teil der Gemein­de­all­mend, blieb am längs­ten der Schäfe­rei überlas­sen. Dadurch entstand auf dem herrli­chen Aussichts­berg die ehemals berühm­te Wachol­der­hei­de mit ihrem abwechs­lungs­rei­chen Landschafts­bild aus offener Weide, Busch­werk und Hutebäu­men. 1938 wurde diese landschaft­li­che Beson­der­heit auf dem höchs­ten Berg der Ostalb unter Natur­schutz gestellt.

1930 errich­te­te der Albver­ein auf der Bergkup­pe neben seiner ersten Schutz­hüt­te den 21 m hohen Aussichts­turm, der einen präch­ti­gen Blick über die ausge­dehn­ten Waldland­schaf­ten gewährt. Der Turm ist noch heute das Wahrzei­chen des Orts, obwohl er sich inzwi­schen zum weltbe­kann­ten Indus­trie­ort entwi­ckelt hat.

Die Oberko­che­ner fühlen sich mit ihrem Hausberg in beson­de­rer Weise verbun­den. Kein Wunder, daß sich der Albver­ein beson­ders viele Freun­de erwarb, als er 1968 begann, mit Unter­stüt­zung der Stadt­ver­wal­tung, des Landes und des Forst­amts die Bergkup­pe einer jetzt schon seit Jahren betrie­be­nen Säube­rung zu unter­zie­hen und das eigen­ar­ti­ge Landschafts­bild des Hutewalds und der Wachol­der­hei­de wieder herzustellen.

Mit diesem aktiven Natur­schutz haben sich die Älbler ein bleiben­des Denkmal gesetzt. Die Bemühun­gen des Turnver­eins, den Berg unter Schonung der Natur als Winter­sport­ge­biet auszu­bau­en, gehen in die gleiche Richtung. Neben dem Volkmars­berg ist die Quelle des Schwar­zen Kochers eine belieb­te Sehens­wür­dig­keit und ein wichti­ges Natur­denk­mal Oberko­chens. Durch Wander-Parkplät­ze und Rundwan­der­we­ge sind beide gut erreichbar.

Das Wollen­loch, eine ca. 80 m tiefe Doline im Waldteil Wollen­berg ist nicht so leicht zu finden, gehört aber ebenfalls zu den eindrucks­vol­len Natur­denk­mä­lern unserer Heimat. Man erreicht es durch das als Landschafts­schutz­ge­biet ausge­wie­se­ne »Tiefen­tal«.

Nicht zuletzt bergen die schier endlo­sen Wälder, die an sich schon einen Erleb­nis­in­halt beson­de­rer Art bieten, auch zahlrei­che weite­re Natur­er­schei­nun­gen. Sie wurden 1983 durch eine Natur­denk­mal­ver­ord­nung des Landrats­am­tes geschützt.

Erwäh­nens­wert sind auch die in den letzten Jahren im Staats‑, Real- und Gemein­de­wald wieder freige­räum­ten Hülben, von denen hier nur die Bilz‑, die Riesen­hau- und die Schlacht­hül­be genannt werden sollen. Sie sind nicht nur histo­risch bedeut­sam, sondern auf den wasser­ar­men Hochflä­chen von Albuch und Härts­feld beson­ders wertvol­le Feuchtbiotope.

Wenn von Schutz­ge­bie­ten die Rede ist, dürfen auch die umfang­rei­chen Wasser­schutz­ge­bie­te zuguns­ten der Wasser­fas­sun­gen der Stadt Aalen, der Stadt Oberko­chen und der Landes­was­ser­ver­sor­gung nicht verges­sen werden. Ca. 80 % der freien Oberko­che­ner Gemar­kung unter­lie­gen heute Beschrän­kun­gen zuguns­ten des Wasser- und Naturschutzes.

Indus­trie und Siedlun­gen bilden zusam­men mit den umgeben­den grünen Fluren und den die Berge überzie­hen­den Buchen­wäl­dern einen harmo­ni­schen Dreiklang. Die Welt der Oberko­che­ner ist in dieser Bezie­hung noch fast in Ordnung, wenngleich die seit einigen Jahren ins Bewußt­sein der Allge­mein­heit getre­te­nen Umwelt­schä­den durch Luftschad­stof­fe auch in Oberko­chens Wäldern — in hohen Lagen, an den Westsei­ten, bei alten Baumbe­stän­den sowohl bei Fichte als auch bei Buche nicht mehr zu überse­hen sind.

Quellen­an­ga­ben

  1. Oberamts­be­schrei­bung von 1854
  2. Statis­ti­ken des Landwirt­schafts­am­tes Aalen
  3. Statis­ti­ken des Forst­am­tes Oberkochen
  4. Schurr, K., Waldland­schaft — Menschen­land­schaft, Merian 24/3, S. 59

Karl Schurr