Postge­schich­te Oberkochens

Vorge­schich­te des Postwe­sens
bis 15. Jahrh.
Verschie­de­ne Syste­me von Boten­we­sen. Kein geord­ne­tes Zusam­men­wir­ken. (Keine Privat­post im heute üblichen Sinn)

15. Jahrh.
Grafen von Württem­berg verlang­ten Boten­leis­tun­gen als Frondiens­te. Außer­dem landes­herr­li­che Boten­gän­ger, reiten­de Boten.

um 1600
Unter den Herzö­gen Ludwig und Fried­rich I. bekam das landes­herr­li­che Boten­we­sen postmä­ßi­gen Charak­ter. Von Stutt­gart aus wurden fünf Boten­kur­se einge­rich­tet. Der Oberko­chen am nächs­ten liegen­de ging durchs Remstal nach Ellwan­gen und Ansbach. Landkut­schen für Personenbeförderung

1700–1806
Ausbrei­tung der Reichs­post — Errich­tung von Taxis­schen Postkur­sen und Postämtern

1806–1819
Vorüber­ge­hen­de Verwal­tung der Posten als Lehen (Postle­hens­ver­trag)

1851–1920
Württ. Post- und Telegra­phen­we­sen in Staats­ver­wal­tung. (Einbe­zie­hung der Einrich­tun­gen von Thurn und Taxis in die Verwal­tung des württ. Staates 1.7.1851).

1855
Beginn einer selbstän­di­gen Postge­schich­te in Oberkochen

Postge­schich­te Oberko­chens ab 1855

1855
Amtsblatt der K.-Württ. Verkehrs­an­stal­ten Nr. 8/1855 (15.2.1855):

Vom 1.3.1855 an wird die Gemein­de Oberko­chen, Oberamt Aalen, mit Kreuz­müh­le, Schla­cken­wäsch, Öl-und Schleif­müh­le sowie Ziegel­hüt­te dem Zustell­be­zirk der Postex­pe­di­ti­on Königs­bronn zugeteilt.

1862
Im Pfarr­dorf Oberko­chen wird eine Postab­la­ge­stel­le errich­tet, die dem Postamt Aalen zugeteilt ist. Eine tägli­che Landpost­bo­ten­ver­bin­dung wird hergestellt.

1864
Für Oberko­chen wurde der Bahnmeis­ter und Postex­pe­di­tor Honold bestimmt.
Mit der Betriebs­er­öff­nung der Eisen­bahn­stre­cke Aalen-Heiden­heim wird die Postab­la­ge in Oberko­chen in eine Postex­pe­di­ti­on umgewandelt.

1875
In Oberko­chen wird eine Telegra­phen­sta­ti­on mit vollem Tages­dienst für den allge­mei­nen Verkehr eröff­net (26. Juni 1875).

1876
Für die Postex­pe­di­ti­on tritt die Bezeich­nung Postamt

1886
Stati­ons­meis­ter und Postex­pe­di­tor Bubeck in Oberko­chen wird in den Ruhestand versetzt. Sein Nachfol­ger ist Stati­ons­meis­ter und Postex­pe­di­tor Danner.

1892
Das Postamt Oberko­chen wird in eine Postagen­tur umgewan­delt und dem Abrech­nungs­post­amt Aalen zugeteilt.

1903
Am 20. Febru­ar wird im Gasthaus zum Hirsch in Oberko­chen eine Fernsprech­an­stalt mit öffent­li­cher Fernsprech­stel­le in Betrieb genommen.

1908
21. März: In Oberko­chen wird der Eisen­bahn­dienst vom Postdienst getrennt. Gleich­zei­tig verei­ni­gen sich Postdienst und Fernsprech­dienst. Der Telegra­phen­dienst bleibt bei der Eisen­bahn, tritt aber in ein Abrech­nungs­ver­hält­nis zum Postamt Aalen.

1921
1. Septem­ber: Der Telegra­phen­dienst für den öffent­li­chen Verkehr geht auf die Postagen­tur Oberko­chen über.

1927
Verhand­lun­gen bezgl. Unter­brin­gung der bisher in der Heiden­hei­mer Straße im Gebäu­de nördl. neben »Bacchus« unter­ge­brach­ten Postagen­tur (Posthal­ter Späth) im Gasthof »Hirsch« schei­tern, — deshalb Neupla­nung eines eigenen Postge­bäu­des beim Bahnhof. Begrün­dung: u.a. Überdurch­schnitt­li­cher indus­tri­el­ler Paket­aus­gang. (»Alle zur Aufga­be gelan­gen­den Geschäfts­pa­ke­te enthal­ten Bohrer.«)

25.10.1929
Abnah­me des Neubaus des Postge­bäu­des Bahnhof­stra­ße 9 siehe weiter hinten: Abnah­me­be­richt v. 25.10.1929.

28.9.1953
Anbau an das bestehen­de Postge­bäu­de Richtung Heiden­hei­mer Straße, baurecht­li­che Geneh­mi­gung für die Errich­tung eines Schal­ter­raums und eines Schal­ter­vor­raums. Errich­tung 53/54.

Dez. 1969
Planung eines großen Erwei­te­rungs­baus in der Bahnhof­stra­ße Richtung Dr. Sussmann.

1972
Errich­tung des Erwei­te­rungs­baus, bestehend aus dem Einbau einer Postfach­an­la­ge im Altbau, Packe­rei, Raum für Brief­ein­gang und Verladerampe

21.5.1974
Inbetrieb­nah­me der Ortsvermittlung

3.3.1975
Der Neubau des Postamts Oberko­chen wird in Betrieb genommen.

17.7.1979
Erwei­te­rung (bereits 1974 geplant) der Ortsvermittlung

Abschrift!

Verhan­delt, den 25. Oktober 1929
zu Oberko­chen

Anwesend: Postrat Dr. Reichert,
von der Oberpost­di­rek­ti­on Postbau­rat Oßwald, Vorstand des
Postbau­amts Stuttgart,

Archi­tekt Henes in Aalen,
als örtli­cher Baulei­ter
Postamt­mann Schmidt,
Vorstand des Postamts Aalen.

Die oben bezeich­ne­ten Vertre­ter der Oberpost­di­rek­ti­on haben heute das neuerstell­te Postge­bäu­de in Oberko­chen dem baulei­ten­den Archi­tek­ten abgenommen.

Das Gebäu­de, das unter I Nr. 34 im Grund­be­sitz­ver­zeich­nis der Deutschen Reichs­post einge­tra­gen ist, wird an den Vorstand des Postamts Aalen übergeben.

Dabei wurde folgen­des festgestellt:

  1. Die im Schal­ter­tisch einge­bau­te Wertkas­set­te ist festzuschrauben.
  2. Am Stempel­tisch ist das Stempel­kis­sen besser zu unterlegen.
  3. An der Abort­tü­re im Erdge­schoß ist zur Vermei­dung des Ansto­ßens an den Minima­x­ap­pa­rat ein Gummi­puf­fer anzubringen.
  4. Der künfti­ge SA-Raum ist sowohl an der Decke als auch an den Wänden mit Ölfar­be gestri­chen, während ein solcher Anstrich auf 2 m Höhe an den Wänden genügt hätte.
  5. Im Massen­schal­ter ist die Holzbrüs­tung durch eine Winkel­schie­ne gegen Ansto­ßen zu schützen.
  6. Die Beleuch­tungs­kör­per für die Allge­mein­be­leuch­tung in der Schal­ter­hal­le und im Betriebs­raum sind zu groß, auch hätte eine gerin­ge­re Anzahl von Brenn­stel­len genügt; der Zustand kann jedoch belas­sen werden.
  7. Die Schlös­ser an den Türen im Unter­ge­schoß sind vom Schlos­ser kosten­los in Ordnung zu bringen.
  8. a) Die gequol­le­ne Türe zum Kohlen­raum ist nachho­beln zu lassen;
    b) in diesem Raum ist die zu starke Glühbir­ne gegen eine solche mit gerin­ger Kerzen­stär­ke auszuwechseln.
  9. Am Massen­schal­ter wird über Kälte geklagt; Abhil­fe könnte nur durch größe­re, verhält­nis­mä­ßig hohe Kosten verur­sa­chen­de Maßnah­men getrof­fen werden, welche im übrigen auch archi­tek­to­nisch unbefrie­di­gen­de Verhält­nis­se ergeben würden, zunächst wird daher von einer Änderung abzuse­hen, vielmehr darauf zu achten sein, daß das Ablade­ge­schäft tunlichst schnell erledigt wird.
  10. An der Sprech­zel­le im Windfang ist ein Email­schild »Telephon­sprech­zel­le« angebracht; dersel­be ist zu entfer­nen und durch den Maler »Fernspre­cher« aufma­len zu lassen.
  11. Am freiste­hen­den Schreib­pult in der Schal­ter­hal­le ist noch eine Verstei­fung anzubrin­gen, um das Wackeln des Pultes zu verhindern.
  12. In der Wohnung im 1. Stock hat sich das Linole­um an mehre­ren Stellen gewor­fen, weshalb es nachge­legt werden muß.
  13. Die Treppe vom 1. Stock zum Dachraum ist in Eichen­holz ausge­führt, während eine tanne­ne Treppe genügt hätte.
  14. Im Arbei­ter­raum ist für besse­re Lüftung durch mögl. häufi­ges Öffnen des Fensters zu sorgen, auch ist das Schür­loch am Ofen offen zu lassen, wenn nicht geheizt wird, damit ein möglichst häufi­ger Durch­zug entsteht.
  15. Am Äußern des Gebäu­des ist über der Dienst­stun­den­ta­fel noch ein gelber Postschild mit Hoheits­zei­chen anbrin­gen zu lassen.
  16. An der Südwest- und Südost­sei­te ist im Anschluß an den von der Gemein­de herge­stell­ten Gehweg ebenfalls ein solcher herzu­stel­len; die Abschran­kung an der Bahnhof­stra­ße ist außer­dem etwas abzuschrä­gen, nachdem die Auffül­lung im Anschluß an dieje­ni­ge des Nachbar­grund­stücks erbrei­tert ist.
  17. Allge­mein ist zu bemer­ken, daß das Gebäu­de sowohl am Äußern, als auch im Innern gut durch­ge­bil­det und planmä­ßig ausge­führt ist; auch der Bahnhof­vor­platz hat durch die geschmack­vol­le Durch­bil­dung und Farbwir­kung erheb­lich gewonnen.

(gez) Oßwald PBR
(gez) Schmidt PAmtm
(gez) Dr. Reichert PR
(gez) Henes Arch.

Quellen:

Vorge­schich­te: Dietrich Bantel nach Unter­la­gen der OPD Stutt­gart
Postge­schich­te Oberko­chen bis 1921: Girulat, PA Aalen, Abt. Öffentlichkeitsarbeit

Postge­schich­te Oberko­chen ab 1927: Dietrich Bantel nach Unter­la­gen aus Bauak­ten der Stadt Oberko­chen in Zusam­men­ar­beit mit Manfred Höflacher

Unter­la­gen aus dem Staats­ar­chiv Ludwigs­burg (St AL, E 78 II Bü 740 bzw. E 78 Bü 397)

Dietrich Bantel 

Wie die Eisen­bahn nach Oberko­chen kam

Die syste­ma­tisch aufge­bau­te und kriti­sche Stadt­ge­schich­te von Oberko­chen muß auch die Entwick­lung der Verkehrs­er­schlie­ßung gebüh­rend berück­sich­ti­gen. Schließ­lich bilde­te diese Tatsa­che wesent­li­che Voraus­set­zun­gen für die Gunst des Stand­orts und dessen weite­re wirtschaft­li­che Entwick­lung in der Folgezeit.

Die Geschich­te der Eisen­bahn in und um Oberko­chen, genau genom­men in den Tälern von Kocher und Brenz zwischen Aalen und Heiden­heim, datiert nicht erst von dem Tage an, da das erste Dampfroß in Oberko­chen empfan­gen werden konnte. Das Jahr, in dem die ersten Bestre­bun­gen für einen Anschluß an den Schie­nen­weg bekannt wurden, war bereits 1835.

Von den ersten Initia­ti­ven bis zur Erfül­lung des Wunsches, an dem Band der länder- und völker­ver­bin­den­den Schie­nen angeschlos­sen zu werden, bedurf­te es immer­hin noch eines Zeitrau­mes von 29 Jahren. Dieser Rückblick auf die Eisen­bahn­ge­schich­te »rund um Oberko­chen« soll diese Dinge ins Gedächt­nis zurück­ru­fen. Das damali­ge König­reich Württem­berg wurde durch das Beispiel seiner Nachbar­staa­ten angespornt. Nach vorbe­rei­ten­den gründ­li­chen Inspek­ti­ons­rei­sen einhei­mi­scher Techni­ker nach Belgi­en und auf die Briti­schen Inseln reiften allmäh­lich brauch­ba­re Pläne heran. Durch das engli­sche Beispiel angeregt, wurde zunächst an Kanal­plä­ne gedacht und angeknüpft. Eine aus Beamten und techni­schen Fachkräf­ten sich zusam­men­set­zen­de Kommis­si­on hatte über die Ergeb­nis­se der verschie­de­nen Exkur­sio­nen zu beraten. Diese Exper­ten befür­wor­te­ten dann im Jahre 1834 die Anlage einer »Eisen­bahn von Stutt­gart durch das Rems‑, Kocher- und Brenz­tal nach Ulm und von da aus an den Bodensee«.

Die entspre­chen­den und entschei­den­den Impul­se für die Entwick­lung des geplan­ten Eisen­bahn­bau­es bilde­ten ohne Zweifel die zielstre­bi­ge Initia­ti­ve der Stadt Ulm.

Das dorti­ge Bürger­kol­le­gi­um, das sich vornehm­lich aus Angehö­ri­gen des örtli­chen Handels­stan­des zusam­men­setz­te, schnitt in einer Sitzung vom 22. Septem­ber 1835 erstmals die Eisen­bahn­fra­ge an. Das Fazit dieser Sitzung war schließ­lich eine Resolu­ti­on, in der mit allem Nachdruck gefor­dert wurde, daß die Stadt bei den in Aussicht stehen­den Planun­gen unter allen Umstän­den gebüh­rend berück­sich­tigt werden solle. Ulm sei über Jahrhun­der­te ein bedeut­sa­mer Handels­platz gewesen und möchte diese Stellung auch in Württem­berg wieder erlan­gen. Noch im Dezem­ber 1835 konsti­tu­ier­te sich die »Ulmer Eisen­bahn-Gesell­schaft«. Am 21. Dezem­ber wurde das Direk­to­ri­um dieser Gesell­schaft gewählt. Sekre­tär wurde Dr. Dietrich Konrad Haßler. In dieser Eigen­schaft verfaß­te er ein Schrei­ben an den Rat der Stadt, das vom 26. Dezem­ber datierte.

Für Ulm, »die in ihrem Wohlstand tief gesun­ke­ne Stadt«, so meinte Haßler, »sei die Eisen­bahn­fra­ge in der Tat eine Lebens­fra­ge. Nur durch einen Eisen­bahn­an­schluß kann Ulm wieder zu seiner frühe­ren Bedeu­tung gelan­gen.« Sein engagier­tes Eintre­ten für die Idee führte folge­rich­tig zu einem Ratsbe­schluß, der spontan für den Bahnbau eine Summe von fl. 100 000, gestü­ckelt in 1000 Aktien, aus der Stadt­kas­se zusicher­te. Daran war aller­dings eine grund­le­gen­de Bedin­gung geknüpft. Die Bahn sollte grund­sätz­lich über Plochin­gen, Göppin­gen und Geislin­gen führen. Die Stadt und das Direk­to­ri­um verstan­den es treff­lich, die an dieser Route gelege­nen Städte und vor allem Oberschwa­ben für diese Ziele zu inter­es­sie­ren und zu gewin­nen. Dieser Umstand war für die weite­re Entwick­lung von entschei­den­der Bedeu­tung. Sie sollte bei den nun folgen­den Ausein­an­der­set­zun­gen immer wieder in die Waagscha­le gewor­fen werden. Das Bestre­ben der Stadt Ulm, die sich hier einig mit dem Rat und der ganzen Bevöl­ke­rung wußte, die Bedeu­tung verflos­se­ner Zeiten wieder zu gewin­nen, war sogar ausschlag­ge­bend für die zukünf­ti­ge württem­ber­gi­sche Verkehrs­po­li­tik. In Stutt­gart wurden die Aktivi­tä­ten mit Aufmerk­sam­keit verfolgt und auch, was Anfangs- und Endpunkt betraf, unter­stützt, galt es doch in erster Linie auch, die vielen immer noch offenen Ressen­ti­ments gegen Württem­berg seit der Besitz­ergrei­fung im Jahre 1810 abzubau­en oder mindes­tens zu mildern. Unabhän­gig davon hatte sich in Stutt­gart eine Inter­es­sen­ge­mein­schaft gebil­det, deren Ziel zunächst ein Bahnbau von Stutt­gart an den Neckar nach Berg und anschlie­ßend nach Cannstatt war. Von diesem ursprüng­li­chen mehr lokalen Vorha­ben verfolg­te dieser Kreis dann ein weitge­spann­tes Projekt. »Es sollte eine Eisen­bahn durch Württem­berg, von Heilbronn über Stutt­gart nach Ulm und Fried­richs­ha­fen gebaut werden. Damit stimm­te man, was die Endpunk­te einer zu erbau­en­den Bahn betraf, mit den Vorstel­lun­gen überein, die eine in Ulm gegrün­de­te Gesell­schaft entwi­ckelt hatte. Über die Strecken­füh­rung gingen die Meinun­gen aller­dings ausein­an­der. Präfe­rier­ten die Stutt­gar­ter den Bau durch das Rems- und Brenz­tal, so wünsch­ten die Ulmer eine Bahn in Neckar- und Fils-Tal mit der beson­de­re bautech­ni­sche Schwie­rig­kei­ten berei­ten­den Albüber­que­rung bei Geislingen.«

Um diesen Streit­punkt einge­hend zu bespre­chen und bei den gemein­sa­men Zielen, der Eisen­bahn etwas näher zu kommen, kam es nach voran­ge­gan­ge­nen Sondie­rungs­ge­sprä­chen mit Termin vom 3. Januar 1836. Die logische Folge dieser Zusam­men­kunft bilde­te schließ­lich die Fusion der beiden Inter­es­sen­grup­pen unter der neuen Bezeich­nung »Württem­ber­gi­sche Eisen­bahn­ge­sell­schaft«. Unter diesem Namen trat sie fortan vor die Öffent­lich­keit. Immer­hin wurden in der Folge­zeit Aktien von 9,5 Millio­nen Gulden gezeich­net. Die staat­li­che Konzes­si­ons­er­tei­lung, mit der die Inter­es­sen­ten fest gerech­net hatten, blieb aber aus. Das hatte zur Folge, daß sich verschie­de­ne Geldge­ber zurück­zo­gen, zudem bald klar wurde, daß das angesam­mel­te Aktien­ka­pi­tal niemals für die Verwirk­li­chung des anspruchs­vol­len Vorha­bens ausrei­chen würde.

Die Stutt­gar­ter Instan­zen hatten richtig erkannt, daß das Projekt am besten in den Händen des Staates aufge­ho­ben sei. Somit kam es zur Liqui­da­ti­on der Gesell­schaft zum 31. Mai 1838. Die syste­ma­ti­schen Vorar­bei­ten machte sich der Staat immer­hin zunut­ze. Klar war schon in jenen Tagen, daß bei württem­ber­gi­schen Planun­gen privat­wirt­schaft­li­che Inter­es­sen und Speku­la­tio­nen nichts verlo­ren hätten und somit für den Bau von Eisen­bah­nen nur das Staats­bahn­prin­zip in Frage kommen könne.

Oberbau­rat Bühler und Staats­rat Seeger wurden 1836 auf staat­li­ches Geheiß damit beauf­tragt, zwei Projek­te im Detail auszu­ar­bei­ten. Für die Verbin­dung von Stutt­gart nach Ulm wurden grund­sätz­lich zwei Varian­ten bearbei­tet, die eine über das Neckar- und Filstal, die andere von Cannstatt über Schorn­dorf, Gmünd, Aalen, Heiden­heim und Sontheim nach Ulm.

Die ausge­ar­bei­te­ten Varian­ten wurden bald eine Diskus­si­ons­grund­la­ge. Fachleu­te von inter­na­tio­na­lem Ruf wurden dann damit betraut, die Projek­te einge­hend zu begut­ach­ten. Damit wurde immer­hin der Weg zu einer baldi­gen Verwirk­li­chung geebnet.

Aus Wien wurde zur kriti­schen Überprü­fung und Begut­ach­tung ein bekann­ter Eisen­bahn­bau­er, der General­di­rek­tor der Kaiser Ferdi­nands-Nordbahn und der Wien-Glogg­nit­zer Bahn, Alois von Negrel­li, nach Stutt­gart berufen.

Das von ihm erstell­te Gutach­ten wurde von einer Sonder­kom­mis­si­on kritisch überprüft. Über das Resul­tat hatte sie der Kammer Bericht zu erstat­ten. Das Ergeb­nis verlief positiv und beide Kammern sandten die Beschlüs­se vom 22. März 1843 an den könig­li­chen Geheim­rat. Die bald darauf folgen­de Antwort war ein »könig­li­ches Sankti­ons-Reskript, auf die Beschlüs­se der Stände­ver­samm­lung zu dem Entwurf des Eisen­bahn­ge­set­zes« vom 3. April 1843.

Das erwähn­te Gesetz enthält als wichtigs­ten Punkt das Staats­bahn­prin­zip, wenn es im Satz 1 heißt, »Es ist Aufga­be des Staates, die Haupt­bahn des Landes als unmit­tel­ba­res Staats­un­ter­neh­men zu bauen«.

Damit nun aber alles in Ordnung gehen solle, wurde in der Person des inter­na­tio­nal anerkann­ten Zivil­in­ge­nieurs Charles Vigno­les aus London ein weite­rer Gutach­ter bestellt. Sein Resul­tat spreng­te den Rahmen und füllte drei Folian­ten. Da diese Erkennt­nis­se eher einer Enttäu­schung entspra­chen, wurde als dritter und letzter Gutach­ter Ludwig Klein aus Wien berufen. Ihm wurden noch Karl Etzel aus Wien und Micha­el Knoll aus Stutt­gart beigegeben.

Klein vertrat bei den ständi­gen Kontro­ver­sen den beach­tens­wer­ten Stand­punkt, auch wenn an der Führung der ersten Eisen­bahn des Landes durch Filstal nichts mehr zu ändern sei, so schei­ne es doch zweck­mä­ßig und sinnvoll zugleich, ein Gegen­pro­jekt zu erstel­len. Das hatte erfreu­li­cher­wei­se zur Folge, auch den Weg auch die Täler von Rems, Kocher und Kreuz nach Ulm zu bearbei­ten. Somit wurden die Eisen­bahn­plä­ne mit staat­li­cher Förde­rung trotz der Enttäu­schung, nicht an der ersten Eisen­bahn des Landes teilha­ben zu können, gutge­hei­ßen, denn die Sache kam wieder in das Gespräch.

Durch den Entschluß im König­reich Bayern, auf einen Anschluß und Übergang zu Württem­berg in Nördlin­gen zu drängen, wurde stark für den Bau der Remsbahn in Richtung zu dieser benach­bar­ten Bahn agiert. A. W. Beyse, »Civil­in­ge­nieur und Archi­tekt aus Cöln«, hatte im Auftrag der Anrai­ner des Brenz- und Remsta­les ein Gutach­ten angefertigt.

Die Baujah­re der ersten Eisen­bah­nen in Württem­berg datie­ren zwischen 1845 und 1853. Die Bahnen der ersten Zeit hatten sich durch eine günsti­ge Finanz­la­ge und gute Rendi­ten ausge­zeich­net. Dieser Umstand hatte schon bald zur Folge, daß Oberbau­rat Gaab beauf­tragt wurde, unmit­tel­bar mit weite­ren Vorar­bei­ten zu begin­nen und nachste­hend aufge­führ­te Projek­te zu entwickeln:

  1. Lonsee-Heiden­heim-Aalen-Wasser­al­fin­gen,
  2. Plochin­gen-Reutlin­gen-Rotten­burg,
  3. Eislin­gen-Gmünd-Aalen-Wasser­al­fin­gen.

Das »Lonsee-Projekt« verdient bei der Eisen­bahn­ge­schich­te von Oberko­chen beson­de­re Aufmerk­sam­keit. Dieser Schie­nen­weg sollte von der »Ostbahn« Stutt­gart-Ulm in Lonsee abzwei­gen und in seinem Verlauf über Weiden­stet­ten, Altheim und Helden­fin­gen die Ulmer und Heiden­hei­mer Alb überque­ren und anschlie­ßend ab Heiden­heim im Brenz­tal und ab Oberko­chen dem oberen Kocher entlang in Richtung Aalen und Wasser­al­fin­gen führen. Der Haupt­zweck war die Anbin­dung der Stand­or­te der Eisen­in­dus­trie wie Heiden­heim, Königs­bronn, Unter­ko­chen und Wasser­al­fin­gen. Wenn auch der Bereich zwischen Heiden­heim und Aalen einen unumstrit­te­nen Anspruch auf Anbin­dung an den neuen Schie­nen­weg hatte, so konnte das für die Heiden­hei­mer Alb weniger gesagt werden. Diese Beden­ken schlu­gen sich auch in den Debat­ten vor der Kammer der Abgeord­ne­ten nieder.

In den einge­hen­den Beratun­gen vor den Ständen kam das Lonsee-Projekt sehr schlecht weg. Beson­ders die Herren von Varnbü­ler und Moriz Mohl machten aus ihrer Abnei­gung gegen dieses Vorha­ben keinen Hehl. Mohl gab deutlich zu verste­hen, daß sich nur in den Gegen­den Bahnen lohnten, in denen ein großes Verkehrs­auf­kom­men zu erwar­ten sei. Bei einer in Lonsee abzwei­gen­den Bahn könne von diesem erfor­der­li­chen Aufkom­men keine Rede sein. So wurde der Abschnitt von Lonsee über die Alb am 14. März 1857 aus der Vorla­ge gestri­chen und hatte somit keine Aussicht mehr auf eine Berücksichtigung.

Statt­des­sen wurde die Strecke von Plochin­gen nach Rotten­burg, die Grund­la­ge der Oberen Neckar­bahn, aus den »wichtigs­ten volks­wirt­schaft­li­chen und staat­li­chen Gründen« der Regie­rung zum Bau empfoh­len. Damit wurde der zweite Bauab­schnitt der württem­ber­gi­schen Staats­ei­sen­bah­nen und die länger anhal­ten­de Baupha­se in die Wege gelei­tet und begonnen.

Die Regie­rung war sich im Jahre 1857 bereits darüber im klaren, daß eine Erwei­te­rung des Schie­nen­net­zes unbedingt notwen­dig wäre. Es kam zu jener bekann­ten »Zukunfts­kar­te über württem­ber­gi­sche Eisen­bah­nen«, in welcher neben den bestehen­den und den projek­tier­ten Bahnen auch solche einge­zeich­net waren, »deren Bau in späte­rer Zeit, nach Zulas­sung der Umstän­de, in der einen oder anderen Richtung etwa möglich oder zu empfeh­len sein dürfte.« Drei Syste­me waren es, das des oberen Neckar, das der Bahnen zwischen Stutt­gart, Nördlin­gen und Ulm und das der Hohen­lo­her Bahnen. Den Ständen wurde noch im Jahre 1858 eine diesbe­züg­li­che Geset­zes­vor­la­ge einge­bracht. Aus ihren Beratun­gen, in denen im allge­mei­nen dem Regie­rungs­ent­wurf zugestimmt wurde, ging schließ­lich das »Gesetz (A) vom 17. Novem­ber 1858, betref­fend die weite­re Ausdeh­nung des Eisen­bahn­net­zes«, hervor. Dieses sah folgen­des Baupro­gramm vor:

  1. von Heilbronn, dem Endpunkt der Nordbahn aus, über Öhrin­gen und Hall nach Crailsheim;
  2. von Crails­heim in südli­cher Richtung über Heiden­heim bis zur Ostbahn;
  3. von Heilbronn an die badische Grenze gegen Neckarelz;
  4. als Fortset­zung der oberen Neckar­bahn von Reutlin­gen nach Rotten­burg und sodann durch das Flußge­biet des oberen Neckar über Rottweil gegen die Landesgrenze;
  5. im Anschluß an die Ostbahn vom Filstal oder von Cannstatt aus in nördli­cher Richtung über Gmünd und Aalen gegen Nördlingen.

Somit bilde­te nach einigen Jahren Ruhepau­se die aus Richtung Plochin­gen kommen­de Teilstre­cke den ersten Bahnbau der mit dem Jahre 1859 einset­zen­den weite­ren Baupe­ri­ode, die sich dann in der Folge bis zu dem Jahre 1864 erstreck­te. Sie war darauf ausge­rich­tet, weite­re Teile des König­rei­ches an den Schie­nen­weg anzuschlie­ßen, die es auf Grund ihrer wirtschaft­li­chen und sonsti­gen Bedeu­tung verdien­ten. Mit dieser syste­ma­ti­schen Erwei­te­rung war neben der binnen­län­di­schen Erschlie­ßung und der Anbin­dung an die Landes­me­tro­po­le auch an verschie­de­ne weite­re Übergän­ge an die Nachbar­län­der gedacht worden.

Für den Anschluß des Heiden­hei­mer Raumes an das Schie­nen­netz war die Eröff­nung der Remsbahn grund­le­gen­de Voraus­set­zung. Als am 25. Juli 1861 die erste Teilstre­cke Cannstatt-Wasser­al­fin­gen über Waiblin­gen, Schorn­dorf, Schwä­bisch Gmünd und Aalen feier­lich eröff­net wurde, konnten auch die Voraus­set­zun­gen zum Bahnbau von Aalen aus geschaf­fen werden. Die Herstel­lung des Anschlus­ses der 2. Teilstre­cke Wasser­al­fin­gen — Nördlin­gen an Bayern konnte auf Grund eines beider­sei­ti­gen Staats­ver­tra­ges erreicht werden. Aller­dings knüpf­ten die bayeri­schen Vertrags­part­ner daran eine Bedin­gung, die für die württem­ber­gi­schen Partner sehr hart war und für Heiden­heim und sein Umland ernste Schwie­rig­kei­ten herauf­be­schwö­ren sollte, wovon hier die Rede sein soll. Diese Bedin­gung war wesent­li­cher Bestand­teil des erwähn­ten Staats­ver­tra­ges und zog für Württem­berg verkehrs­po­li­ti­sche Konse­quen­zen nach sich. In § 37 des Vertrags­tex­tes wurde zur Bedin­gung gemacht, »inner­halb eines Zeitrau­mes von zwölf Jahren, vom Tage der Eröff­nung der Cannstatt-Nördlin­ger Eisen­bahn an, keine Schie­nen­ver­bin­dung zwischen dieser und der Cannstatt-Ulmer Eisen­bahn herzu­stel­len oder herstel­len zu lassen, durch welche die württem­ber­gi­sche Bahnli­nie von Nördlin­gen bis Fried­richs­ha­fen kürzer würde als die bayeri­sche Bahnli­nie von Nördlin­gen bis Lindau«.

Diese Sperr­frist dauer­te vom 3. Oktober 1863, dem Tag der Eröff­nung der Teilstre­cke Wasser­al­fin­gen — Nördlin­gen, bis zum 2. Oktober 1875. Bayern verstand diese Spanne von zwölf Jahren sinnvoll zu nutzen, um noch bestehen­de Lücken des eigenen Strecken­net­zes in der Zwischen­zeit zu schlie­ßen. Der Bau der Brenz­bahn stand, von der ersten Teilstre­cke Aalen — Heiden­heim abgese­hen, unter dem unglück­li­chen Stern dieser »Brenz­bahn­klau­sel«. Der erste Zug der Brenz­bahn-Teilstre­cke Aalen — Heiden­heim, die übrigens nie blockiert wurde und somit auch nie in Frage gestellt war, bilde­te für Oberko­chen wie auch die übrigen Anrai­ner­ge­mein­den einen höchst erfreu­li­chen Anlaß. Der Eisen­bahn­an­schluß von Oberko­chen hatte städte­bau­lich zur Folge, daß die Stati­on in Ostla­ge der Achse der Ortsstra­ße errich­tet wurde. Zum Zugang zur neuen Stati­on mußten ledig­lich zwei Häuser entfernt werden und zwar dort, wo heute die Straße zum Bahnhof fast recht­wink­lig von der Haupt­stra­ße abzweigt. Über den Tag des ersten Zuges, den 13. Septem­ber 1864, existiert ein umfang­rei­cher Bericht, den die »Schwä­bi­sche Kronik, des Schwä­bi­schen Merkurs zweite Abthei­lung«, unter dem 15. Septem­ber 1864 veröf­fent­lich­te. Um dieses Ereig­nis und die Bedeu­tung, die man ihm in der Öffent­lich­keit beigemes­sen hatte, richtig zu erfas­sen, sei dieser Bericht in seinem vollen Wortlaut publi­ziert. Er lautet:

»Heiden­heim den 13. Sept. Der Himmel war uns gestern nicht günstig, aber das Eisen­bahn­er­öff­nungs­fest ist darum doch nicht zu Wasser gewor­den. Schon in der Frühe verkün­de­ten Kanonen- und Böller­schüs­se die Bedeu­tung des Tages, und die ganze Stadt war mit Ehren­pfor­ten, Kränzen und Fahnen geschmückt. Als beson­ders schön verziert mag z.B. außer den Bahnhofs­ge­bäu­den selbst die Gasfa­brik, das K. Forst­amts­ge­bäu­de, das R. Meebold­sche Haus u.a. genannt werden. Morgens 6 1/2 Uhr ging der erste Zug mit bekränz­ter Lokomo­ti­ve und bekränz­ten Wagen von Heiden­heim ab nach Aalen zur Abholung der Festt­heil­neh­mer aus Nördlin­gen, Bopfin­gen, Ellwan­gen, Wasser­al­fin­gen u.s.f., der um zehn Uhr in Heiden­heim wieder eintraf. Auch alle an der Bahn liegen­den Orte waren festlich geschmückt. Die Ankom­men­den wurden auf dem Bahnhof in Heiden­heim mit Musik empfan­gen, durch die Mitglie­der des Festko­mi­tes begrüßt und in die Stadt beglei­tet. Der Haupt­zug aber sollte die Gäste aus Stutt­gart, Cannstatt, Waiblin­gen, Kirch­heim u.T., Schorn­dorf, Gmünd, Aalen u.s.f. bringen. Schon unter­wegs wurden diese überall begrüßt und mit Musik empfan­gen, in Oberko­chen von Jungfrau­en mit Blumen­sträu­ßen erfreut, in Unter­ko­chen von Fabri­kant Ebbing­haus mit Rhein­wein etc. erfrischt, in Königs­bronn durch die Aufwar­tung der am Bahnhof aufge­stell­ten (etwa 200) Bergknap­pen, Vetera­nen, des Schüt­zen­ver­eins, der Festjung­frau­en, und in Schnait­heim durch den Gesang der Schul­ju­gend überrascht. Indes­sen hatte sich in der Stadt selbst der Festzug geord­net: die Schul­ju­gend mit ihren Lehrern, der Turnver­ein, ein Zug der Jugend­wehr, der Sänger­klub, die mit den Farben der Stadt geschmück­ten Festjung­frau­en, Beamte, das Komite und anwesen­de Gäste, die Schüt­zen­ge­sell­schaft, bis endlich eine Abtei­lung der Feuer­wehr den Zug schloß. Leider ström­te gerade in diesen Stunden der Regen am heftigs­ten, aber es wollte niemand zurück­blei­ben, und ganz beson­ders die Festjung­frau­en, welche Blumen­sträu­ße überrei­chen wollten, verdie­nen für ihre Ausdau­er und Aufop­fe­rung gelobt zu werden. Der um zwölf Uhr ankom­men­de Zug brach­te zahlrei­che Gäste. Nach gesche­he­ner Begrü­ßung beweg­te sich ein ganzer Wald von Regen­schir­men der Stadt zu. Es folgten hierauf die Festessen in den Gasthö­fen zum Ochsen, zur Traube und zum Schwa­nen. Zu der mehr offizi­el­len Festta­fel im Ochsen waren von den Fabri­kan­ten Heiden­heims mit großer Libera­li­tät zahlrei­che Einla­dun­gen ergan­gen. Bald herrsch­te hier eine heite­re, ungezwun­ge­ne Stimmung, welche beson­ders durch eine ganze Reihe von Tisch­re­den belebt wurde. Fabri­kant K. Zoepp­ritz brach­te Sr. Majes­tät dem Könige, der Königin und der K. Familie das erste mit Begeis­te­rung aufge­nom­me­ne Hoch, Staats­rath v. Sigel trank auf das Wohl der Stadt Heiden­heim, Minis­ter v. Linden auf das Wohl der Stände des König­reichs. Präsi­dent Weber gedach­te des großen deutschen Vater­lan­des. Stadt­schult­heiß Winter gab einen inter­es­san­ten Überblick über die indus­tri­el­le Entwick­lung der Stadt und dankte in herzli­cher Weise der Staats­re­gie­rung, insbe­son­de­re dem Chef des Finanz­de­par­te­ments, der Eisen­bahn­di­rek­ti­on, den Techni­kern, nament­lich dem Herrn Baurath Morlok, für ihre Thätig­keit, durch welche in dem kurzen Zeitrau­me von 15 Monaten die Bahn herge­stellt worden ist. Dr. Ammer­mül­ler brach­te sein Hoch der Indus­trie der Stadt Heiden­heim und des Bezirks und den vielen fleißi­gen Händen in densel­ben. R(echts-)K(onsulent) Freis­le­ben ließ die anwesen­den Mitglie­der der Kammer der Abgeord­ne­ten, Direk­tor v. Linden die Fabri­kan­ten Heiden­heims, Präzep­tor Held von Giengen den künfti­gen Bahnhof in Giengen leben. Minis­ter v. Linden trank auf die Humani­tät der leiten­den indus­tri­el­len Häupter und auf die Bildung der Arbei­ter. R.K. Hölder gedach­te der politi­schen Seite und trank auf die Indus­trie des Fortschritts und der Freiheit. Noch viele andere Toaste ernsten und heite­ren Inhalts beleb­ten das Mahl. Der weite­re Theil des Programms, unsern werthen Gästen die Stadt und den Schloß­berg zu zeigen, wurde wegen des leidi­gen Regens einiger­ma­ßen beein­träch­tigt. Heute ist der Himmel wieder heite­rer, was der heuti­gen Festfahrt nach Wasser­al­fin­gen zugut­kam. Mit dieser Eröff­nung der Eisen­bahn ist nun eine neue Epoche für unsere Stadt angebro­chen; möge sie in jeder Bezie­hung eine glück­li­che seyn.«

Immer­hin konnte mit der Strecke Aalen — Heiden­heim der ersehn­te Anfang gemacht werden. Die zweite Teilstre­cke, der Abschnitt von Heiden­heim nach Nieders­tot­zin­gen über Herbrech­tin­gen und Giengen, wurde am 25. Juni 1875, der daran anschlie­ßen­de Abschnitt von Nieders­tot­zin­gen bis Lange­nau am 15. Novem­ber 1875 eröff­net. Die Reststre­cke von Lange­nau bis Ulm, die zudem bayeri­sche Gebiets­tei­le bei Elchin­gen durch­quert, konnte schließ­lich kurz nach dem Ablauf der Sperr­frist, am 5. Januar 1876, in Betrieb genom­men werden.

Die Brenz­bahn ist auf ihrer gesam­ten Strecke als Haupt­bahn mit Planum für ein zweites Gleis ausge­führt worden. Verant­wort­li­cher techni­scher Leiter für den Bau der gesam­ten Brenz­bahn war Oberbau­rat Georg Morlok, der auch schon die Remsbahn erbaut hatte.

Beim Bahnbau waren Bauäm­ter tätig, die ihre Sitze in Königs­bronn, Giengen, Brenz und Lange­nau hatten.

Für die Hochbau­ten zustän­dig war das Hochbau­amt in Aalen. Die Verwal­tungs­ge­bäu­de der verschie­de­nen Statio­nen der Brenz­bahn sind schöne Beispie­le für Hochbau­ten der damali­gen Staats­ei­sen­bah­nen, die vom Können ihres Erbau­ers Morlok Zeugnis ablegen. In Heiden­heim hat sich, wenn auch heute zweck­ent­frem­det, noch eine sechs­stän­di­ge Lokomo­tiv­re­mi­se, ein inter­es­san­tes techni­sches Denkmal, erhalten.

Ein Blick auf die Eisen­bahn­kar­te zeigt, daß um Heiden­heim herum im Gegen­satz zu anderen Gegen­den des Landes Baden-Württem­berg, Neben­bah­nen fehlen. Leider wurde erst sehr spät die Frage einer sinnvol­len Erschlie­ßung der Heiden­hei­mer Alb durch Neben­bah­nen durch eine generel­le Projekt­stu­die der Staats­ei­sen­bah­nen unter­sucht. Da dies kurz vor dem Ausbruch des Ersten Weltkrie­ges geschah, konnten diese Überle­gun­gen in der Folge­zeit nicht mehr weiter verfolgt werden. Erschwert wurde dies noch durch die leidi­ge Tatsa­che, daß nach der Überfüh­rung der Württem­ber­gi­schen Staats­ei­sen­bah­nen in den größe­ren Verband der Deutschen Reichs­bahn-Gesell­schaft zum 1. April 1920 für solche Planun­gen kein Inter­es­se mehr vorhan­den war. Die vorge­nann­te Studie befaß­te sich vor allem mit der Verbin­dung zwischen Heiden­heim und Weißen­stein und Gerstet­ten und Herbrech­tin­gen bzw. Heiden­heim mit mehre­ren Varian­ten und Kosten­be­rech­nun­gen. Das Dokument ist sehr wertvoll, weil es zeigt, wie man nach sieben Jahrzehn­ten ernst­lich bemüht war, durch Neubau­stre­cken einen noch unerschlos­se­nen Landstrich mit Schie­nen­we­gen auszu­stat­ten. Die Entwick­lung in dieser Richtung wurde in der Zwischen­zeit durch die sprung­haft angewach­se­ne Motori­sie­rung zunich­te gemacht.

Der verkehrs­ge­schicht­li­che Spazier­gang hat uns manche inter­es­san­ten Entwick­lungs­ten­den­zen aufge­zeigt. Wenn auch die Struk­tur der heimi­schen Indus­trie in Oberko­chen eisen­bahn­mä­ßig andere Struk­tu­ren aufweist als die benach­bar­ten Statio­nen Unter­ko­chen und Königs­bronn, so bilden auch hier die Schie­nen­we­ge wesent­li­che Bestand­tei­le einer gesun­den Infrastruktur.

Den Belan­gen der verla­den­den Wirtschaft kommen die Freila­de­glei­se auf dem Bahnhofs­platz und der kurze Anschluß des Kaltwalz­wer­kes entge­gen. Im Gegen­satz zu den Empfangs­ge­bäu­den der Bahnhö­fe Unter­ko­chen und Königs­bronn, die in ihren Fassa­den die künst­le­ri­sche Handschrift eines Georg Morlok verkör­pern, ist das Gebäu­de in Oberko­chen durch die unschö­ne Verklei­dung der Außen­wän­de entstellt. Dies ist bedau­er­lich, zumal auch das Bauwerk in Oberko­chen in seiner archi­tek­to­ni­schen Grund­form die gleichen Stilele­men­te besitzt wie die der Nachbar­sta­tio­nen. Oberko­chen ist Schnellzug-Station.

Wenngleich Oberko­chen in Ulm und in Aalen an den wichti­gen Verkehr angeschlos­sen ist, so kann die junge Stadt dennoch glück­lich sein, nach wie vor an einem wichti­gen Schie­nen­strang zu liegen, der sich auch trotz der vielfäl­ti­gen Bestre­bun­gen zur »Ausdün­nung« und zum »Rückzug aus der Fläche« auch in der Zukunft halten und behaup­ten wird. Die wichtigs­te Stütze hierfür bildet in erster Linie die krisen­fes­te Wirtschaft dieses Raumes in der ostwürt­tem­ber­gi­schen Region.

Dietrich Bantel, Manfred Höfla­cher, PA Aalen, Kurt Seidel