Intro
Ich hatte das Jahr schreib­tech­nisch schon gehakt, alles war geschrie­ben und an das Rathaus bzw. an das Medien­haus Ellwan­gen überge­ben und ich wollte mich „anfer­sich“ mit den Berich­ten für 2025 beschäf­ti­gen, da erreich­te mich eine Mail vom Bürger­meis­ter nach dem Motto „Dätsch mr et….“. Und weil ich einer bin, der einer Bitte zum Schrei­ben schwer wider­ste­hen kann, hatte ich mir mit der Zusage Zusatz­ar­beit einge­han­delt, um den Bericht dieses Jahr noch unter­zu­brin­gen: Überle­gen, Materi­al sammeln, in alten Amtsblät­tern recher­chie­ren, struk­tu­rie­ren, Fotos suchen, Menschen kontak­tie­ren und das Ganze über zwei Länder hinweg in Form bringen – „han‘s grad no noabroacht“, damit es am 27. Dezem­ber erschei­nen konnte.

Vorge­schich­te
Die „Heide“, also „d Hoid“, war bis ins Jahr 1900 eine gemein­de­ei­ge­ne Schaf­wei­de, bevor sie zu einem Fichten­wald aufge­fors­tet wurde

1949 Die kommen­de BoomTown (noch ein Dorf) nimmt Fahrt auf (Archiv Müller)

Situa­ti­on nach dem Krieg
Oberko­chen erleb­te nach dem Zweiten Weltkrieg einen Wirtschafts­boom wie er sogar in Baden-Württem­berg einzig­ar­tig war. Durch die örtli­chen bedeu­ten­den Maschi­nen- und Werkzeug­her­stel­ler wie Bäuerle, Gold, KWO, Leitz, Oppold, Schmid und Wigo sowie durch die Ansied­lung von Carl Zeiss im Jahr 1946 hatte der Ort eine geball­te Wirtschafts­kraft, die im Laufe der Jahrzehn­te auch dafür sorgte, dass die Stadt oft, aber nicht immer, eine guten, sehr guten oder gar einen außer­ge­wöhn­li­chen Haushalt für die Umset­zung von Planungs­wün­schen zur Verfü­gung hatte.

Es herrsch­te teilwei­se Wohnungs­not, und noch bis 1960 gab es die sogenann­te „Wohnraum-bewirt­schaf­tung“, also die staat­li­che Zwangs­ver­wal­tung von priva­tem Wohnraum. Es war also sehr schwie­rig, eine Wohnung zu finden. In der Regel war dies nur verhei­ra­te­ten Paaren vergönnt.

Die Wohnsi­tua­ti­on wurde zwar deutlich verbes­sert, als das Gebiet Brunnen­hal­de, Guten­bach / Bühl und die Berei­che Jenaer Straße und Schub­art­weg bautech­nisch umgesetzt waren, aber es musste mehr getan werden.

Zählte Oberko­chen kurz vor dem Krieg noch ca. 2.000 Einwoh­ner, so waren es 1951 mehr als doppelt, 1955 mehr als dreimal und 1961 mehr als viermal so viele.

Bautä­tig­kei­ten zwischen 1948 und 1964
Bis 1963: 1.763 Wohnun­gen davon 345 frei finan­ziert und 1.418 Sozial­woh­nun­gen
1964: 59 Wohnun­gen davon 26 frei finan­zier­te und 19 Sozial­woh­nun­gen
1964 Planung: 83 Wohnun­gen geplant und 64 Wohnun­gen vorbe­rei­tet sowie 31 geplan­te Wohnun­gen im Gebiet Tierstein-Ost und 292 im Wolfertstal

1958 Die neue Zeiss-Siedlung. Ende der 50er Jahre wurde gebaut, was das Zeug hielt. Heute nicht mehr vorstell­bar (Archiv Müller)

Überle­gun­gen, Entschei­dun­gen und Planun­gen
Bereits Ende der 1950er Jahre wurde deutlich, dass die Ausdeh­nungs­mög­lich­kei­ten im Tal nur margi­nal möglich sind (wie heute auch) ” BM Gustav Bosch verkauf­te dem Gemein­de­rat die einzi­ge Lösung „Ortser­wei­te­rung“:

Die Alter­na­ti­ven laute­ten „Rodstein oder Heide“ als natür­li­che Plateaus am Albtrauf. Grund­la­ge dieser Überle­gun­gen bilde­te eine städte­bau­li­che „Zukunfts­vi­si­on“ aus dem Jahr 1962 des bekann­ten Städte­pla­ners und Archi­tek­ten Prof. Ludwig Schwei­zer, der später auch plane­risch für den Neubau des Rathau­ses verant­wort­lich zeich­ne­te. Durch die Nähe zum Haupt­ort erhielt die „Heide“ den Zuschlag, weil es auch von Vorteil war, dass sich die Flächen im Eigen­tum der Stadt befan­den. Auch wurden gerin­ge­re Kosten beim Straßen­bau veran­schlagt. Offizi­el­ler Start­schuss für die Erschlie­ßung des Wohnge­biets Heide war am 11. Dezem­ber 1964 durch den Beschluss des Gemein­de­rats, nach einer 90-minüti­gen Rede des Bürger­meis­ters, „die im Eigen­tum der Gemein­de stehen­de Fläche mit der Gewand­be­zeich­nung »Heide« für den Wohnungs­bau zu erschlie­ßen.“ Am Ende der Rede zählte er 4 Vortei­le auf

• Gelän­de ist Eigen­tum der Gemein­de
• Erschlie­ßung billi­ger als der Rodstein
• Heide liegt niedri­ger 675 Meter als der Rodstein 710 Meter
• Heide hat die engere Anbin­dung an die Stadt

Hinwei­se an eine Anbin­dung des Härts­fel­des bei der Rodstein­lö­sung wurden abgetan. In Aussicht gestellt wurde ein Kombi-Turm (Wasser- und Aussichts­turm mit integrier­ter Sternwarte).

Diesen Beschluss fasste der humanis­ti­sche Feingeist Bürger­meis­ter Gustav Bosch in ebenso hehre wie pathe­ti­sche Worte (wie es seine Art war): „In dem künfti­gen Ortsteil »Heide» sollen freie Menschen und Bürger, frei von der Angst vor der Wohnungs­kün­di­gung, leben, sollen sich die Famili­en entfal­ten können zur Freude ihrer Mitbür­ger, zur größe­ren Ehre des Schöp­fers und der Gemein­de Oberkochen.“

Es wurde noch angemerkt, dass die tägli­che körper­li­che Ausein­an­der­set­zung mit einer Bewäl­ti­gung eines Höhen­un­ter­schie­des vom 200 Metern aus medizi­ni­scher Sicht sehr dienlich sei.

Die ursprüng­li­chen Pläne sahen vor, auf circa 42 Hektar einen Siedlungs­kör­per in verdich­te­ter Bauwei­se für 5.500 Einwoh­ner zu schaf­fen. Im Jahr 1983, so die Schät­zun­gen der damali­gen Verwal­tung, würde Oberko­chen zwischen 12.000 und 13.000 Einwoh­ner haben.

Und jetzt eine Headline aus dem Jahr 1964,
die mich bei der Recher­che mehr als belus­tigt hat:
„Auf der Heide werden über 5.000 Menschen wohnen und 1986 rechne­te man mit 15.000 Einwoh­nern in der Gemein­de“. Da waren wohl sehr optimis­ti­sche nahezu eupho­risch gestimm­te Rechner ohne Drei-Satz-Kennt­nis­se und ohne Geogra­fi­schen Überblick sowie ohne Kennt­nis­se der Besitz­ver­hält­nis­se der benötig­ten Grund­stü­cke am Werk. Vielleicht wurde ja auch eine Art moder­ne Käfig­hal­tung (eher nicht) geplant oder 10 bis 20 Hochhäu­ser (vermut­lich so). 2020 wohnten auf der Heide gerade mal 1.570 Menschen und die gesam­te Stadt hatte im Jahr 2023 gerade mal 8.080 Einwohner.

Gustav Bosch und sein Projekt
Das brach­te ihn an seine Grenzen, vermut­lich auch gesund­heit­lich, denn der Druck wurde zuneh­mend größer, weil die allge­mei­ne Wirtschafts­la­ge nicht zur Umset­zung dieses Projek­tes passte.
Das Projekt „Heide“ war für ihn ein gewal­ti­ger Kraft­akt, und seine Frau, Helene Bosch, sagte viele Jahre später einmal: „Die »Heide« hat meinen Mann schier umgebracht.“ Tatsäch­lich ist Vieles, das nach außen hin einfach erscheint, zeit‑, nerven- und kräfte­rau­ben­de Arbeit, die an die Substanz – auch eines gestan­de­nen Bürger­meis­ters – gehen kann.
Die Pläne für ein sogenann­tes „Demons­tra­ti­ons­vor­ha­ben” und der Förde­rung mit öffent­li­chen Mitteln schei­ter­ten am Bundes­mi­nis­te­ri­um. Hinter­grund war die nahen­de Wirtschafts­kri­se und der damit verbun­de­ne Druck auf den öffent­li­chen Haushalt. 1968 mutier­te die Wirtschafts­kri­se zur Rezes­si­on. Das Innen­mi­nis­te­ri­um in Stutt­gart stell­te fest: “Solche Schlaf­stät­ten werden nicht geför­dert.” Wegen der „Satel­li­ten­la­ge” und der ungüns­ti­gen Verkehrs­an­bin­dung wurde sogar in Stutt­gart von einer „Fehlpla­nung” gespro­chen. Und als dann noch ein paar Fastnacht­ler die Heide durch die Bütt zogen, bestell­te Gustav Bosch diesel­ben aufs Rathaus und stell­te sie saumä­ßig in den Senkel – die Zeiten und das Thema waren halt dünnhäu­tig. Bosch ließ nicht locker, ein städte­bau­li­cher Ideen­wett­be­werb sollte die Reali­sie­rung auf kleinem Niveau bringen. 1970 beschloss der Gemein­de­rat, den Wohnungs­bau­kon­zern „Neue Heimat” mit der inneren Erschlie­ßung zu beauf­tra­gen. Im selben Jahr wurde die Zufahrts­stra­ße zur Heide mit einer Länge von rund drei Kilome­ter fertig­ge­stellt. Danach errich­te­ten die ersten Bauher­ren ihre Heime. Aber vieles von dem, was ursprüng­lich angedacht war, konnte nicht verwirk­licht werden.

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1972 Die neue Straße am Heide­kopf (Archiv Rathaus)

Die Straße der 1.000 Wohnun­gen koste­te einst über 2,5 Millio­nen DM
Mit dem Bau der Straße wurde Mitte Juni 1969 begon­nen. Dazu BM Gustav Bosch Origi­nal­ton: Der Beschuss wurde zu Pfings­ten im Geiste eine alten Pfingst­ge­bets „Den Anfang segne, der Fortschritt beglei­te das Gelin­gen vollende“.
Im Oktober 1970 konnte die Verbin­dungs­stra­ße vom Tal hoch zur Heide erstmals befah­ren werden. I gleichen Jahr konnte es ich der Bürger­meis­ter nicht verknei­fen folgen­den Text zu veröf­fent­li­chen:
„…manch­mal hört man erstaun­li­cher­wei­se von fast abschät­zi­gen Bemer­kun­gen über die zahlreich geplan­ten Sozialwohnungen…aber bitte, keine Sorgen! Die angestreb­ten Wohnun­gen können nicht vornehm genug sein für die benach­bar­ten Eigen­hei­mer.“
Ende Juli 1971 wurde der Bebau­ungs­plan für den ersten Bauab­schnitt auf der Heide geneh­migt. Die ersten Bewoh­ner zogen am 14. Febru­ar 1974 (Gebhart Ehinger) ein. 1985 lebten bereits 1.000 Menschen im Wohnge­biet „Heide“.

Und wenn wir 1975 ins Adress­buch schau­en,
stell­ten wir fest, dass inzwi­schen rund 45 Famili­en dort wohnten:
Damals noch unbewohnt:

• Euler­stra­ße
• Galilei­stra­ße
• Gaußweg
• Jupiter­weg
• Merkur­weg
• Neptun­weg
• Saturn­weg

Bereits bewohnt:
Fraun­ho­fer­stra­ße (7): Gold Bernhard und Brunhil­de / Annema­rie, Georg und Ralf Streh­le / Gudrun und Manfred Fischer / Miche­le und Ursula Smerill / Heinrich und Ursula Solte­rer / Gert-Holger und Melanie Fiedler / Günther und Pauli­ne Franzke

Kepler­stra­ße (7): Karl-Dieter und Ingeborg Pechtl / Gudrun und Paul Hug / Karlheinz und Marian­ne Vogel, Chris­ta und Chris­ti­an Meyer, Manfred und Ursula Pilz, Hedwig und Hubert Starz (siehe Foto), Renate und Siegfried Wegiel

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1975 Das Reihen­haus Kepler­stra­ße (überlas­sen von Werner Starz)

Koper­ni­kus­stras­se (21): Gebhard Ehinger und Brunhil­de Schmidt, Elfrie­de, Heinz und Klaus Rehe, Dorothee und Johann Czivisz, Harro Weiß, Birgit und Harald Hof, Alfred und Martha Ciava­rel­la, Elke und Harald Neuer, Anna und Josef Asen sowie Elisa­beth und Franz Tinschert, Erinka, Otto und Ralph Kulak, Gisela und Klaus Herzog, Elisa­beth und Harro Weiss, Dagmar und Werner Kosischa, Sieglin­de Briel­mai­er und Sieglin­de Russ, Arthur und Soleigh Klimm, Gernot und Ilse Stillen­burg, Erich und Hilde­gard Rothen­bur­ger, Annelie­se und Rolf Wessel­mann, Günther und Marga­re­the Bauer, Gerhard und Ingeborg Karl, Marian­ne und Otto Knödler, Gerda, Helmut und Siegfried Zehender

Hochhaus (9): Ingrid und Otto Gaarz, Chris­ta und Hans Geis, Frieda und Helmut Höllein, Leonard Stefan­ski, Brunhil­de und Wilfried Stern­berg, Ruth Streu, Henryk und Margot Szyman­ski, Berta und Manfred Winkler

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1975 Muster­woh­nung im Hochhaus (Archiv Rathaus)

Am Samstag, 29. Novem­ber 1969 wurde ein städte­bau­li­cher Wettbe­werb „Heide“ ausge­schrie­ben. Preise:

• 1. Preis: 18.000 DM Archi­tek­ten­grup­pe aus Stutt­gart
• 2. Preis: 14.000 DM Archi­tek­ten aus Fellbach und Sindel­fin­gen
• 3. Preis: 8.000 DM Archi­tek­ten aus Esslingen

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1970 So hätte die Heide auch ausse­hen können. 2ter Preis­trä­ger der Ausschrei­bung (Archiv Rathaus)

Die ersten Bewoh­ner auf der Heide
Am 1.7.1974 zogen folgen­de Famili­en in der Koper­ni­kus­stra­ße ein: Alfred und Martha Ciava­rel­la als Dritte in der Nummer 19, Anna und Josef Asen zusam­men mit Franz Tinschert im Haus 32 sowie Elke und Dr. Harald Neuer in der 21. Der erste „Heidia­ner“, auch „Bürger­meis­ter von der Heide“ genannt, war Gebhart Ehinger aus dem Haus mit der Nummer 7.

Erinne­run­gen von Martha Ciava­rel­la aus der Koper­ni­kus­stras­se 19
Mein Besuch bei ihr war ein wunder­ba­rer Nachmit­tag. Solche Erzäh­le­rin­nen wünsche ich mir mehr für meine Arbeit – einfach herzfri­schend, freund­lich, offen­her­zig und oifach nett! Sie erzähl­te mir von den schwe­ren Zeiten, als einer der ersten „Urein­woh­ner“ von der Heide.
„Man wohnte wohl in der ersten Zeit wie in „Wacken“ – d.h. ohne Gummi­stie­fel ging gar nichts. Die Außen­an­la­gen waren nicht fertig und noch keine Gehplat­ten verlegt – Martha wäre anfangs am liebs­ten wieder gegan­gen. Heute will sie von ihrer „Heide“ nicht mehr weg – es sei einfach schön, ruhig, natur­nah und ihre tägli­chen Runden kann sie da oben super bewältigen.

Es wurde einge­zo­gen und die Haustech­nik funktio­nier­te noch nicht richtig. Die Heizung lief nicht wie gewünscht, das warme Wasser kam kalt im Wohnbe­reich an – kurz gesagt – einfach toll. Die Handwer­ker gaben sich die Klinke in die Hand, bis alles lief. Dann mussten sie auch noch mit Neugie­ri­gen aus der Unter-Stadt oder sonst woher zurecht­kom­men. Die ungebe­te­nen Besucher liefen bis in den Garten hinein und drück­ten ihre Gesich­ter an den Schei­ben platt, um die Innen­räu­me zu besich­ti­gen – Man kam sich vor wie in einem Muster­haus, das zur Besich­ti­gung freige­ge­ben war. Später rückte einmal Bürger­meis­ter Bosch mit dem komplet­ten Gemein­de­rat an, weil vor dem Wohnzim­mer­aus­blick noch ein Haus hinein­ge­stellt werden sollte – die Baugru­be war schon ausge­ho­ben – das konnte und durfte doch nicht sein. Es wurde eine Lösung gefun­den. Das Baugrund­stück wurde dreige­teilt: Oi Stick­le für die Ciava­rel­las, ois für Neuers und s dritte für Findel­klees – jetzt passte das.
In diesem Haus war ihr Mann Alfred in seinem Element, er konnte alles, traute sich ebenso viel zu und was er noch nicht konnte, lernte er – wirklich ein Tausend­sas­sa und das alles neben­her, denn schaf­fen musste er beim Bosch in Giengen ja auch noch. Einen „Schlag“ im Wald kaufen und Holzma­chen, das war was für ihn. Mit 80 Jahren hat er das noch mit Unter­stüt­zung gemacht. Alfred, ein „Schaf­fer vor dem Herrn“, da konnten sogar die Schwa­ben noch was lernen ????. Alfred verstarb völlig unerwar­tet während einer Reise in Itali­en im Jahr 2014 im Alter von 83 Jahren.“

Kinder auf der „Heide“
Es war eine ideale Gegend für Kinder, um natur­nah aufzu­wach­sen. Von Frühling bis Herbst ging es hinaus, um „Lager“ im Wald zu bauen und kreativ draußen zu spielen. Die Eltern mussten sich keine Sorgen machen und abends kamen sie wieder heim (ähnlich wie das bei uns in den 50ern war). Im Winter wurde geschlit­telt: Auf der Heide-Straße oder gar auf dem abschüs­si­gen Fußweg – das Rathaus musste jährlich im Amtsblatt darauf hinwei­sen, dass dieses winter­li­che Vergnü­gen nicht erlaubt war!

Beson­der­hei­ten auf der Heide

Himbeer-Wunder­land. So könnte man das Gebiet nennen, in dem einst Himbee­ren im Überfluss wuchsen – jeder pflück­te, sammel­te und trug sie nachhau­se, um die Köstlich­keit zu genießen.

Tennis­platz. Dr. Frank Gebert, frühe­rer Zahnarzt mit Praxis in der Frühling­s­tra­ße, wollte einen priva­ten Tennis­platz bauen lassen – aber keine Chance auf Reali­sie­rung. So ebbes gatt oifach et!

Das Hochhaus – 12 Geschos­se, 48 Wohnein­hei­ten, norma­le Eigen­tums­woh­nun­gen, Mietkauf­ei­gen­tums­woh­nun­gen und 14 Mietwoh­nun­gen. 1974 wurde am ersten Wohnhoch­haus unserer Stadt Richt­fest gefei­ert. Bauherr war das Siedlungs­werk der Diöze­se Rotten­burg. Der Richt­schmaus fand im „Pflug“ statt. Direk­tor Dempf führte aus, dass Oberko­chen eine der wichtigs­ten Wohnungs­stand­or­te der Diöze­se sei, habe man doch inzwi­schen 330 Wohnun­gen bereitgestellt.

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1974 Richt­fest am Hochhaus – es blieb dann doch bei einem (Archiv Rathaus)

Die ersten Bauli­chen Vorschrif­ten. Sind aus heuti­ger Sicht schwer nachzu­voll­zie­hen: Flach­dach und Strom­hei­zun­gen.
Natür­lich machte man sich auch Gedan­ken darüber, wie denn der späte­re „Siedlungs­kör­per“ auf der „Heide“ ausse­hen und wie er versorgt werden sollte. So entschied man sich zum Beispiel schon relativ früh dafür, die „Heide“ nicht über Triumph­stadt an die Gasver­sor­gung der Stadt Aalen anzuschlie­ßen, sondern ausschließ­lich an das Strom­netz der damali­gen Überland­wer­ke Jagst AG – UJAG. Auch die Behei­zung der Gebäu­de sollte mit Strom erfol­gen, weil erwar­tet wurde, dass die Strom­kos­ten in abseh­ba­rer Zeit deutlich sinken würden. Zudem war man der Ansicht, dass wärme­däm­men­de Maßnah­men an Gebäu­den die Baukos­ten nur unnötig verteu­ern würden. Energie­kos­ten spiel­ten also kaum eine Rolle, und vom energie­ef­fi­zi­en­ten Bauen war man noch Welten entfernt. Energie war damals billig (4 Pf. Für 1 KW Nacht­strom), und Energie­kos­ten spiel­ten beim Bau von Gebäu­den kaum eine Rolle. Man sah das als zukunfts­wei­send an – wer das heute noch hat, kann es womög­lich gar nicht mehr bezahlen.

Die ersten „Pionie­re“ errich­te­ten ihre Eigen­hei­me mit Flach­dach, weil Sattel­dä­cher als nicht mehr zeitge­mäß galten und einer verdich­te­ten Bauwei­se entge­gen­stan­den. Aus dem städte­bau­li­chen Ideen­wett­be­werb ging als erster Preis der Bebau­ungs­ent­wurf der Archi­tek­ten­grup­pe Fried­rich-Otto Blumers, Karl-Hans Keinath und Lambert Scherer aus Stutt­gart hervor. Er verkör­per­te zugleich die Vorstel­lun­gen des Preis­ge­richts: „Eine Stadt aus Beton und Stein, mitten im Grünen; großzü­gi­ge öffent­li­che Flächen; fließen­der Übergang von Straßen­raum und Erholungs­flä­che; verdich­te­te intime Wohnbe­rei­che; moder­ne Baufor­men … keine Stadt in der Stadt, sondern Unter­stadt und Oberstadt = Oberkochen.“

1975 Änderung des Bebau­ungs­pla­nes. Entlang der Galilei­stra­ße wurde die Planung mehre­rer 4- bis 5‑geschossige Bauten gestri­chen und statt­des­sen Einfa­mi­li­en­häu­ser geplant. Auch das obliga­to­ri­sche Flach­dach war nun kein Dogma mehr.

Den Kinder­gar­ten gibt es seit 1987. Wenn man bedenkt, dass von 1974 bis 1986 auch schon die 3–6jährigen mit dem Bus ins Tal mussten, um einen „Kindi“ besuchen zu dürfen, kann man das gar nicht hoch genug einschät­zen. Überhaupt ist die Kinder­be­treu­ung in Oberko­chen sicher etwas, um das uns vielen Gemein­den benei­den. Wie hieß es beim 30jährigen Jubilä­um: „Der Kinder­gar­ten Heide war und ist für viele junge Famili­en eine unver­zicht­ba­re Einrich­tung, er ist Mittel­punkt des Wohnge­biets und ein Ort der Begeg­nung, vor allem für zugezo­ge­ne Famili­en bietet die Einrich­tung beste Gelegen­heit für erste Kontak­te zu anderen Familien“.

Der Minigolf­platz
Am 11. Juli 1987 wurde der neue Minigolf­platz auf der Heide mit einem Jeder­mann-Turnier einge­weiht. Im Juni 1987 begann der 2. Bauab­schnitt des neuen Minigolf­plat­zes auf der Heide. Zu den neu verleg­ten Minigolf­bah­nen baute der harte Kern der 70 Mitglie­der des Golfclubs eine Golfhüt­te bzw. Vereins­heim, die sich heute noch sehen lassen kann. Am 14. Mai 1988 wurde die Minigolf­an­la­ge mit seiner Vereins­gast­stät­te offizi­ell eingeweiht.

Arbore­tum
Unter der Ägide des frühe­ren Bürger­meis­ters Harald Gentsch wurde auf der Heide ein Arbore­tum gepflanzt und der Öffent­lich­keit zugän­gig gemacht. Der Gemein­de­rat beschloss im Jahr 1979, nördlich der Galilei­stra­ße auf einem Gelän­de­grund­stück von ca. 6.000—10.000 Quadrat­me­tern eine parkar­ti­ge Bepflan­zung mit selte­nen Baumar­ten vorzu­neh­men. Mehr Details dazu im kommen­den Bericht 817 (Januar 2025).

Der erste Bäcker
auf der „Heide“ war Adolf Dicken­herr, der 1967 in der Blumen­stra­ße eröff­net hatte und im Jahr 1987 eine Filia­le in der Oberstadt eröffnete.

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1987 Filia­le der Bäcke­rei Dicken­herr hat eröff­net vlnr.: Frau Bihr, Frau Vollmer, Herr Dicken­herr, BM Gentsch und der Filial­be­treu­er SPAR

Der Heide­la­den
2015. Es war der dritte Anlauf für eine Lebens­mit­tel-Nahver­sor­gung im Wohnge­biet Heide. Die Eheleu­te Angeli­ka und Siegmund Methner wollten den Heide-Laden reakti­vie­ren und dort ein Laden­ge­schäft zur Nahver­sor­gung mit Lebens­mit­teln einrich­ten. Geplant war die Einrich­tung eines sogenann­ten „Eckpunk­tes”. Vielfach wurde in den letzten Jahren bei den „Heidia­nern“ der Wunsch nach einem Nahver­sor­ger mit Back- und Frisch­wa­ren artiku­liert. Der Gemein­de­rat lehnte aus finan­zi­el­len Gründen ab.
2016. Der Heide­la­den wurde als genos­sen­schaft­li­ches Projekt von 248 Genos­sen­In­nen neu eröff­net.
Bis heute kämpft das Projekt aller­dings ums Überle­ben. Wenn er einen Zulauf hätte wie zu Corona-Zeiten, bräuch­te man sich keine Sorgen zu machen.

Das Feuer­wehr­fest – beliebt bei „Alt und Jung“
Bei Alt – weil es Thürin­ger, Roscht­brät­le und Bier gibt
Bei Jung – weil man oft mit dem Feuer­wehr­au­to fahren darf
Der Anfang dieses jährli­chen Festes geht auf das Jahr 1971 zurück. Bürger­meis­ter Gustav Bosch hatte den damali­gen Komman­dan­ten Peter Englert gebeten, ein Garten­fest zu veran­stal­ten, um der Bevöl­ke­rung zu zeigen, wie schön es doch auf der Heide ist. Und weil die Oberko­che­ner Flori­ans-Jünger 1972 den Kreis­feu­er­wehr­tag ausrich­ten durften, war der Weg frei fürs erste Waldfest, aus dem ein belieb­ter Dauer­bren­ner gewor­den ist.

Die Kolping­s­hüt­te
Am 17. Mai 1981 wurde die Kolping­hüt­te dann einge­weiht. Viele fleißi­ge Hände waren auch für die Erwei­te­rung der Kolping­hüt­te nötig. Heute ist die schmu­cke Hütte das Herzstück des Vereins­le­bens und zudem auch ein nicht mehr wegzu­den­ken­der Bestand­teil der katho­li­schen Kirchen­ge­mein­de Sankt Peter und Paul. Bereits 1978 hatte eine außer­or­dent­li­che Mitglie­der­ver­samm­lung den Beschluss zum Bau einer Hütte gefasst. 92 Prozent der Anwesen­den hatten sich nach lebhaf­ter Diskus­si­on für den Bau entschie­den. Und wie es bei Kolping an der Tages­ord­nung ist, packten viele an, um den Traum vom eigenen Domizil zu verwirklichen.

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Die „Heide“ von oben im ausge­bau­ten Zustand (Leihga­be Zinnbauer)

Proble­me auf der Heide

• Eines davon wird vermut­lich immer der Öffent­li­che Nahver­kehr sein. Es ist zwar in letzter Zeit durch ein Projekt des Landkrei­ses deutlich besser gewor­den, beson­ders montags bis freitags gibt es einen 30-Minuten-Zyklus, aber das Wochen­en­de bleibt es weiter­hin proble­ma­tisch. Und wie lange der Landkreis die Finan­zie­rung leisten mag, ist auch noch eine Frage. Inzwi­schen gibt es einen Rufbus, der die Lage auch verbes­sert hat. Einst habe ich auf dem „Mitfah­rer­bänk­le“ einen Selbst­ver­such unter­nom­men. Wenn ich nicht nach einer Stunde abgebro­chen hätte, würde ich heute noch dort sitzen, wohl als „eine Art Ötzi“.
• Die Lebens­mit­tel­ver­sor­gung ist zwar ein engagier­tes Projekt, aber doch ein Sorgen­kind. Der Heide­la­den, ein genos­sen­schaft­li­ches Projekt, mal läuft er besser und mal schlech­ter. So ein Projekt kann nur bestehen, wenn die Bewoh­ner es auch unter­stüt­zen. Denn auch hier gilt die alte Weisheit: Was weg ist, kommt nicht wieder. Und was nicht ordent­lich unter­stützt wird, das verküm­mert – das weiß jeder, der sich mit dem Gärtnern beschäf­tigt. Von nix kommt halt bekannt­lich auch nix.
• Mobil­funk­ab­de­ckung. Wie einem Schwä­Po-Bericht aus dem Jahr 2023 zu entneh­men ist, ist die Lage auf der Heide nicht akzep­ta­bel und wird der heuti­gen Zeit und ihren digita­len Anfor­de­run­gen nicht gerecht.
• Räumli­che Erwei­te­rung: Das Thema kocht immer mal wieder hoch und eine Lösung ist nur schwer vorstell­bar. Die „Freien Bürger“ waren es, die in den letzten Jahren immer mal wieder dieses Thema auf den Tisch gebracht haben. Wenn man die Heide­stra­ße hochfährt, beginnt das Gebiet just gegen­über dem Hochhaus beim Grüncon­tai­ner. Das Gelän­de, rund 20 Ha groß, ist ziemlich flach und wäre präde­sti­niert fürs Bauen. Aber es ist eben Gemar­kung Aalen und im Besitz der Realge­nos­sen­schaft Unter­ko­chen und damit ist die Sache wohl perdu – außer neue handeln­de Perso­nen finden in der fernen und näheren Zukunft einen Konsens.

Unrea­lis­ti­sche Möglich­kei­ten oder verge­be­ne strate­gi­sche Chancen
Es gab früher ein paar Möglich­kei­ten, die dazu geführt hätten, dass Oberko­chen ganz anders aussä­he als wir es heute kennen. Beide waren rückwärts betrach­tet aller­dings kaum vorstell­bar, denn da hätten zu viele Entschei­der über unzumut­ba­re Stöck­chen sprin­gen müssen oder Visio­nen haben müssen, und Menschen mit Visio­nen sollen ja laut dem verstor­be­nen Alt-Bundes­kanz­ler Helmut Schmidt einen Arzt aufsu­chen. Die Gedan­ken­spie­le­rei ist trotz­dem spannend:

1. Varian­te: Oberko­chen und Unter­ko­chen wären zusam­men­ge­gan­gen
2. Varian­te: Statt der „Heide“ wäre das Gebiet „Hinter dem Rodstein“ bebaut worden. Dann wären wohl Oberko­chen und Ebnat, mögli­cher­wei­se noch andere Orte des Härts­fel­des mit Oberko­chen zusam­men­ge­gan­gen und wir hätten eine völlig andere verkehrs­tech­ni­sche Art bekom­men, ums aufs Härts­feld zu gelangen.

Fazit
S isch wie’s isch – „D‘ Hoid“ gehört zu Oberko­chen, auch wenn sich die Menschen aus dem Tal dort nicht ohne Grund aufhal­ten. Dazu ist es schlicht­weg zu weit weg und zum Spazie­ren­ge­hen gehen wir Bewoh­ner aus dem Tal ins Wolfert­s­tal, ins Tiefen­tal, zum Kocher­ur­sprung oder auf den Volks­mars­berg. Die Menschen, die dort wohnen genie­ßen ihren natur­na­hen Stadtteil.

Für mich, der ich kein Freund des Flächen­ver­brau­ches für den Bau von weite­ren Einfa­mi­li­en­häu­sern bin, ist die „Heide“ ein Sinnbild des damali­gen Zeitgeis­tes bei der Wohnungs­pla­nung. Froh bin ich aller­dings auch, dass es nicht mehr Hochhäu­ser gewor­den sind. Oberko­chen ist räumlich begrenzt und braucht in der Zukunft neue kreati­ve Ideen des Wohnungs­baus oder man hält am schwä­bi­schen Häusle fest und opfert die letzten Refugi­en für den schwä­bi­schen Traum. Aus meiner Sicht muss heute mindes­tens 3‑stöckig gebaut werden. Ein Traum ist aus meiner Sicht aller­dings ausge­träumt – Oberko­chen wird keine 10.000 und schon gar keine 15.000 Einwoh­ner errei­chen – und das ist dann auch gut so.

Abschlie­ßend bleibt noch zu klären, ob es sich bei den Bewoh­nern um „Heiden, Heidia­ner oder gar om Hoidner“ handelt? ????

Ein großes Danke­schön für die Mitar­beit zu Text und Bild sowie für die netten Gesprä­che an Martha Ciaver­al­la, Werner Starz und Tanja Zinnbauer.

Es grüßt von drunten im Tal nauf auf d Hoid

„Billie vom Sonnen­berg“ – also von der Unter­stadt in die Oberstadt

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