Oberko­che­ner Schüler von Grabung begeistert

Längst ist die verlas­se­ne Siedlung vom Wald überwuchert

(mr). »Sie sind bei der Arbeit nicht mehr zu bremsen, wenn es um den Geist des Bilzhan­nes und die Ausgra­bung seiner Behau­sung im Wald im Süden von Oberko­chen geht« — so begeis­tert schil­dert Gymna­si­al­pro­fes­sor Dietrich Bantel die Einsatz­freu­de eines Dutzends Buben und Mädchen, die ihm in der ersten Ferien­wo­che gehol­fen haben, einer der sagen­haf­ten Gestal­ten aus der Ortsge­schich­te nachzu­spü­ren. Im »Bilz« genann­ten Wald des Tiefen­tals haben die Schüler verschie­de­ner Oberko­che­ner Schulen unter Leitung des archäo­lo­gie­be­geis­ter­ten Kunst­er­zie­hers vom Gymna­si­um Oberko­chen die längst vom Fichten­wald überwu­cher­ten Grund­mau­ern der sagen­um­wo­be­nen Behau­sung freige­legt. Gestern Abend war Schluß der vom Landes­denk­mal­amt geneh­mig­ten ersten Grabungs­kam­pa­gne. Ganz sicher wird es spätes­tens nächs­tes Jahr in den Sommer­fe­ri­en weiter­ge­hen. Erste Scher­ben­fun­de und ein eiser­nes Uhren­ge­wicht lassen hoffen.

Oberkochen

Die jungen Hobby­aus­grä­ber, die sich im Rahmen der Ferien­ak­ti­on der Stadt Oberko­chen zusam­men­ge­fun­den haben, wußten schon im voraus, daß sie draußen im Wald, in den Grund­mau­ern der Bilz, keine Schät­ze heben konnten. Die einsti­gen Bewoh­ner der kleinen, vermut­lich aus zwei, drei Häusern bestehen­den Siedlung, die bereits um 1835 endgül­tig verlas­sen wurde, waren alles andere als reich. Sie mußten von dem leben, was dem Wald und den paar gerode­ten Flächen in der Umgebung in harter Arbeit abzurin­gen war. Spärlich war wohl die Einrich­tung der beiden bis jetzt nachge­wie­se­nen Stein­häu­ser. Da überrasch­te es schon, daß die gefun­de­nen Scher­ben von Gebrauchs­ge­schirr und vermut­lich von verzier­ten Ofenka­cheln anspre­chen­de Dekors tragen. Und die Herzen der Hobby­ar­chä­lo­lo­gen schlu­gen noch viel höher, als Susi Bantel, die Frau des »Chefs«, ein gut erhal­te­nes und offen­sicht­lich aus jener Zeit stammen­des Uhren­ge­wicht zwischen Steinen und Wurzeln hervorzog.

Oberkochen

Wer war der Bilzhannes?

… wer waren die Bewoh­ner der Bilz? Die kleine Siedlung im Wald, gut eine Fußstun­de von Oberko­chen entfernt, wurde dem derzei­ti­gen Stand der Oberko­che­ner Heimat­ge­schich­te zufol­ge etwa um 1690 herum angelegt. Die Bewoh­ner waren nach dem Dreißig­jäh­ri­gen Krieg aus dem Salzbur­gi­schen oder aus Tirol einge­wan­dert; sie hatten mehre­re Genera­tio­nen lang im Bilzwald gewohnt. Die Kirchen­bü­cher der katho­li­schen Pfarrei weisen eine ganze Reihe von Gebur­ten und Sterbe­fäl­len in der Bilz nach.

Vermut­lich der letzte Bilz-Bewoh­ner war der Bilzhan­nes, der in den letzten Lebens­jah­ren ein Einsied­ler­da­sein geführt haben soll und um 1830 herum gestor­ben sein muß. Man weiß nicht einmal genau, ob er in Wirklich­keit Josef Wengho­fer oder Johan­nes Maier hieß. Man stellt ihn sich als gefürch­te­ten Waldhü­ter vor, als ein Origi­nal von einem Waldmenschen.

In Schrei­bers Buch »Die Ostalb erzählt« finden wir die Geschich­te vom zerris­se­nen Ofen des Bilzhan­nes. Im Winter 1810/11, so weiß die Geschich­te, sei König Fried­rich zusam­men mit dem württem­ber­gi­schen Herzog Paul zu einer großen Treib­jagd auf den Albuch gekom­men. Als sich die hohen Gäste im armse­li­gen Häusle des Bilzhan­nes vor der ärgsten Kälte schüt­zen wollten, muß das Feuer in der Stube so geraucht haben, daß der König kurzer­hand den ganzen Ofen umwarf. Weil der Bilzhan­nes gar so traurig drein­schau­te, gab ihm der König ein paar Silber­stü­cke und veran­laß­te, daß noch am selben Tag ein neuer Ofen aus dem König­li­chen Hütten­werk Königs­bronn ins Bilzhaus herauf­trans­por­tiert wurde.

Vom Bilzhan­nes, dessen Name den Oberko­che­nern auch heute noch geläu­fig ist, wurden früher manche Schau­er­ge­schich­ten erzählt. Wenn die Kinder beim Beeren­sam­meln im Wald nicht fleißig genug waren, warnte so manche Mutter: »Wenn ihr nicht schnell macht, damit wir heimkom­men, dann erscheint der Bilzhan­nes!« Solche Andro­hung soll in den seltens­ten Fällen ihre Wirkung verfehlt haben!

Gemein­schafts­er­leb­nis

Sicher war für die Buben und Mädchen bei der Ausgra­bung im Bilzwald das schöns­te ein unver­geß­li­ches Gernein­schafts­er­leb­nis. Ein bißchen wird auch der Nerven­kit­zel beim Umgang mit dem Geist vom Bilzhan­nes mitge­wirkt haben. Daß dieses in die Zukunft hinein­wir­ken­de Unter­neh­men der Oberko­che­ner Ferien­ak­ti­on der Stadt ein so schöner Erfolg wurde, ist neben dem Grabungs­lei­ter Dietrich Bantel vor allem auch dem erkrank­ten Forst­di­rek­tor Karl Schurr, in beson­de­rer Weise aber auch dem heimat­his­to­risch sehr inter­es­sier­ten Oberförs­ter Hermann Eberhardt zu danken. Das Forst­amt hat die Aktion großzü­gig unter­stützt, indem es drei Waldar­bei­ter abstell­te, die zum Grabungs­be­ginn den Wald rodeten. Beson­ders nützlich war der Waldar­bei­ter­wa­gen des Forst­am­tes, in dem man sich in den Pausen zum Spiel und bei Regen zum Unter­schlupf traf. Beson­ders beliebt am Ausgra­bungs­platz war jedes­mal auch »Bär« Martin Gold, der zweite Vorsit­zen­de des Heimat­ver­eins Oberko­chen, der immer wieder für kräfti­ge Mahlzei­ten und willkom­me­ne Erfri­schun­gen sorgte.

Dietrich Bantel erhofft sich vom Landes­denk­mal­amt in Bälde einen wissen­schaft­li­chen Zwischen­be­richt über die Grabung. Von den ersten Erfol­gen dieser Woche gereizt, will er auf jeden Fall weiter­ma­chen. Und als der Bericht­erstat­ter der Aalener Volks­zei­tung die Gruppe Schüler fragte, ob sie nächs­tes Jahr wieder eine Ferien­wo­che für den Bilzhan­nes opfern würden, sagte eines der Mädchen voll Begeis­te­rung spontan: »Warum nicht gleich nächs­te Woche?«

Abdruck des in der Aalener Volks­zei­tung am 15.7.1989 erschie­ne­nen Berichts mit freund­li­cher Geneh­mi­gung der Redak­ti­on der Aalener Volkszeitung.

Besuch von höchs­ter Instanz beim Bilz-Hannes

Am Montag, 31.7.89, statte­te Frau Dr. Susan­ne Arnold, die für den Bilz-Hannes zustän­di­ge Instanz des Landes­denk­mal­am­tes Stutt­gart, dem Bilzhaus einen Besuch ab. Nach dem König, der von Stutt­gart kommend, das Bilzhaus im Winter 1810/11 besuch­te — das war die berühm­te Geschich­te mit dem umgewor­fe­nen Qualm­ofen — (Heimat­buch Seite 437/38) — war dies beim Bilzhaus mit Sicher­heit der rangmä­ßig zweit­höchs­te geziel­te Besuch aus Stutt­gart. Wie berich­tet, wurde das Haus in einer gemein­schaft­li­chen Aktion des Heimat­ver­eins und des Staat­li­chen Forst­amts im Rahmen des Ferien­pro­gramms der Stadt Oberko­chen von Oberko­che­ner Jugend­li­chen teilwei­se freige­legt, und zwar mit Zustim­mung des Landes­denk­mal­am­tes. Frau Dr. Arnold stell­te zunachst fest, daß die »Ausgrä­ber« sich an die seitens des LDA gestell­ten Rahmen­be­din­gun­gen für diese Aktion gehal­ten haben und billig­te den anwesen­den Vertre­tern von Stadt (Stadt­bau­meis­ter Biehmelt), Staat­li­chem Forst­amt (Herr Gammer­din­ger für Herrn Schurr und Herrn Schnei­der) und des Heimat­ver­eins (die Herren Gold/Bär und Bantel) zu, die begon­ne­ne Arbeit weiter­zu­füh­ren mit der Maßga­be, daß in den Wällen eventu­ell vorhan­de­ne Mauer­res­te entlang dem teilwei­se freige­leg­ten Fußbo­den gesucht werden dürfen, sowie nicht außer­halb des Gebäu­des gegra­ben wird. Für dieses Entge­gen­kom­men des LDA sind wir sehr dankbar. Wir hoffen, daß wir dem Bilzhaus in abseh­ba­rer Zeit noch näher auf den Leib gerückt sein werden. Frau Dr. Arnold bestä­tig­te, daß die größe­ren kerami­schen Bruch­stü­cke, die von uns im ersten Arbeits­ein­satz gebor­gen wurden, tatsäch­lich von einem Kachel­ofen stammen. Darüber­hin­aus bestä­tig­te sie, daß einige der gefun­de­nen kerami­schen Gefäß­scher­ben spätmit­tel­al­ter­lich sind, was zumin­dest soviel bedeu­tet, daß im Bilzhaus, das wohl um 1690 errich­tet wurde, ältere Gefäße verwen­det worden sind. Im übrigen dürfen wir an dieser Stelle Presse­be­rich­te demen­tie­ren, denen zufol­ge draußen in der Bilz »20 — 25 Häuser« gestan­den haben. Laut den Ermitt­lun­gen, die Kuno Gold angestellt hat, haben zwischen 1700 und 1730 bis zu 8 Famili­en gleich­zei­tig in der Bilz gewohnt. Es kann sich demzu­fol­ge um 20 bis 25 Perso­nen, nicht aber um diese Zahl von Häusern gehan­delt haben.

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Dietrich Bantel

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