Haben wir dazuge­lernt?
Wer hätte als Anwoh­ner oder Passant der Dreißen­tal­stra­ße nicht schon gestöhnt, wenn wieder einmal ein eiliger Autofah­rer den Fuß nicht vom Gaspe­dal nehmen konnte, wenn ein Auto rücksichts­los den Weg kreuz­te oder der Gehweg einfach zugeparkt war? Aber nicht nur Verkehr auf vier Rädern kann beläs­ti­gen, auch manche Zweibei­ner stören durch (vor allem nächt­li­ches) Lärmen. Solche Proble­me sind schon früher aufge­tre­ten, wie der von Erich Günther verfaß­te und in BuG 1956 (Seite 156) ausge­spro­che­ne »Stoßseuf­zer« zeigt, der anschlie­ßend zum Besten gegeben wird:

»Stoßseuf­zer«

Was war’s in unsrem Dreißen­tal
Halt früher noch so schön,
Heut ist das Leben dort ’ne Qual
Durch das Motorgedröhn.

Die Warnungs­ta­feln stehe schon lang,
Ach tät’ die Polizei,
Den Rasern machen tüchtig bang,
Dann wär’s gar bald vorbei.

Denn wenn man heut ist noch nicht klug,
Wenn rücksichts­los man fährt,
Wie wär’s mit Führer­schein-Entzug?
Das Mittel doch belehrt.

Das Singen, Gröhlen gar bei Nacht.
Die Ruhe uns tut stören,
Was muß man in der Samstag-Nacht
Von draußen alles hören!

Der Kußweg ist zum Küssen da
Und nicht zum Fahr’n per Rad!
Denn käm per Rad gar der Papa,
Wer stünde da noch grad?

Drum liebe Leut, ich sprach’ in Not,
Für meine Nachbarn alle,
Halt’ ein doch endlich das Gebot,
Eh Ihr sitzt in der Falle.

Der vom Verfas­ser angespro­che­ne »Kußweg«, das »Kußweg­le«, ist im Stadt­plan zwar hinter der Dreißen­tal­hal­le als »Jahnstra­ße« dem Turnva­ter Jahn gewid­met und im Stadt­plan ausge­wie­sen, jedoch nicht als Straße ausge­baut und somit noch als kleines Stück »Altober­ko­chen« erhal­ten. Aller­dings ging durch Beleuch­tung, Asphal­tie­rung und Öffnung zur Frühlings­stra­ße hin der roman­ti­sche Reiz für Liebes­paa­re weitge­hend verlo­ren. Früher mußten diese auf dem schma­len Wegchen sehr eng zusam­men­rü­cken: Auch für schüch­ter­ne Vereh­rer Anreiz genug, um die damals wohl noch etwas höhere »Kuß-Hemmschwel­le« leich­ter überwin­den zu können.

Als Ergän­zung ist abgebil­det eine Aufnah­me von Robert Wolff, die die mittle­re Dreißen­tal­stra­ße im Bereich Carl-Zeiss-Straße/Früh­ling­s­tra­ße zeigt. Im Vorder­grund steht noch die alte Trafo­sta­ti­on, und die Überland­lei­tung auf der Trasse der Landes­was­ser­ver­sor­gung ist gut erkenn­bar. Die Häuser der Frühling­s­tra­ße stehen teilwei­se erst im Rohbau. Im Hinter­grund hebt sich die größe­re Trafo­sta­ti­on der UJAG an der Katzen­bach­stra­ße deutlich ab; die Lenzhal­de ist nur zur Hälfte bebaut. Rechts am Bildrand begin­nen die Rohbau­ten der Reihen­häu­ser an der Lenzhalde.

Das Foto stammt vermut­lich aus dem Jahr 1961; blätter­lo­se Bäume, leich­te Schnee­be­de­ckung auf den Dächern der nicht­be­heiz­ten Rohbau­ten und am oberen Tierstein­hang deuten auf November/Dezember hin. Für genaue­re Angaben sind wir dankbar!

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