Vor genau 110 Jahren erschien in der Kocherzeitung ein Bericht über den alten Brauch des »Anklopfens« in Oberkochen während der Weihnachtstage, den Herr Schrenk für unsere Serie ausgegraben und aufbereitet hat.
Die Abbildung stammt aus der Postkartensammlung von Herrn Dr. Frank Köster (Erpfingen). Die Karte ist um die Jahrhundertwende im Verlag Albert Forner, Oberkochen, erschienen und gedruckt; das Motiv wurde seinerzeit in schwarz/weiß und in bunt über das lithographische Verfahren hergestellt.
Dietrich Bantel

»Anklopfen« — ein alter Brauch zur Weihnachtszeit
(-nk) Im Oberkochener Heimatbuch werden ab Seite 447 u.f. von Karl Günter und Alfons Mager alte Oberkochener Bräuche beschrieben. Dabei sind auch die sogenannten »Klopftage« angesprochen. Dies waren zunächst drei dem Weihnachtsfest vorausgehende Donnerstage, später nur der Donnerstag vor Weihnachten. Ursprung des Brauchs war wohl der heidnische Gedanke, durch an die Fenster geworfene Erbsen ungebetene Geister zu vertreiben. Als Dank für diesen Dienst erbaten sich die Anklopfer kleine Gaben (Apfel, Nüsse und dgl.). Der Brauch geriet aber im Lauf der Jahre etwas in Verruf, da er mehr oder weniger in Bettelei ausartete.
Ein Artikel, der am 26. Dezember 1879 in der Kocherzeitung erschienen ist, berichtet darüber, beschreibt aber auch, wie man damals versuchte, dem Übel abzuhelfen:
»Oberkochen, 26. Dez. (1879). Das Anklopfen, früher vielleicht eine den Armen zur äußeren Christfreude bestimmte Sitte, hat jedenfalls eine Gestalt erreicht, die nicht weniger als festlich genannt zu werden verdient. Das ist .… in der Stadt nicht anders als man’s auf dem Lande findet. In hiesigem Ort ist nun heuer ein über Erwarten gut gelungener Versuch gemacht worden, dem Unfug unter gleichzeitiger Wahrung ja Hebung des ursprünglichen Sinnes zu steuern, und es dürfte wohl für weitere Kreise von Interesse sein und zur Aufmunterung dienen, wenn wir’s der Öffentlichkeit übergeben. Anfangs dieses Monats wurden freiwillige Beiträge zusammengebracht, aus deren Ertrag die Bedürftigen, bes. auch die sog. verschämten Hausarmen, mit einer Unterstützungsgabe, weiterhin aber auch noch sämtliche Kinder mit einer kleinen Christfreude bedacht werden konnten; zugleich wurde .… bekanntgemacht, daß die Polizeiorgane … bei Abweisung der fremden, wie hiesigen älteren und jungen »Anklopfer«, von denen … in ihrer Thätigkeit unterstützt werden, welche einen Beitrag zu obigem Zweck gegeben haben. Es kamen 130 bis 140 Mark zusammen. Hievon wurden 35 Portionen Mehl, je 25 Pfund, angeschafft.« Jedem Bedürftigen, der »sich des »Anklopfens« enthalten hatte,« wurde »am Tage nach der »Anklopfet« eine schriftliche Anweisung« auf eine dieser Portionen ausgehändigt. Den Kindern aber wurde theils in der kathol. Schule, theils in der evang. Kirche (hier dann mit einem auch von der Gemeinde stark besuchten liturgischen Abendgottesdienst am Christfest verbunden) unter dem strahlenden Christbaum theils nahrhaftes, theils leichteres Weihnachtsbackwerk und dergl. bescheert, so daß dieselben mit vielen Freuden heimkehrten, und diese Art weihevoller Christfreude selbst schöner fanden als die Unsitte der früheren Jahre. Und da in der ganzen Gemeinde die Überzeugung sich auch den Zweifelnden aufgedrungen hat, daß bei dem wohltuenden Erfolge, bei der am berüchtigten Tage herrschenden Ruhe und Ordnung im Ort und der Ungestörtheit des Schulbesuchs das Ergebniß der Beiträge ein andermal noch günstiger und die Gaben sich noch reichlicher gestalten werden, so dient Gegenwärtiges vielleicht da und dort zu einem Anstoß, einen ähnlichen Versuch zu machen zur Verbesserung und Veredlung einer ausgearteten Sitte.«
Der alte Brauch scheint trotz des gut gemeinten Rettungsversuchs in Vergessenheit geraten zu sein, bzw. hat ihm der Nikolaustag (wie von L. Hügle im Bericht Nr. 48 geschildert), den Rang abgelaufen. Gibt es unter unseren Lesern jemand, der noch eigene Erinnerungen an das »Anklopfen« hat, oder kann jemand über Erzählungen von Eltern bzw. Großeltern berichten?