Fragen zu Bild 9:
Aus welchem Anlaß und während welcher Zeit verkehr­te diese Lokomo­ti­ve auf Oberko­che­ner Gemarkung?

Oberkochen

Lösung zu Bild 9:
Zwischen 1914 und 1917 beim Bau des Oster­buch­stol­lens der Württem­ber­gi­schen Landes­was­ser­ver­sor­gung (LW)

Bau der Landeswasserversorgung

Oberkochen

Sowohl dem Zweck­ver­band LW Stutt­gart als auch Herrn Fickert von der LW (Aufhau­sen) bin ich zu herzlichs­tem Dank verpflich­tet. Sie haben durch bereit­wil­li­ge Auskunft die ausführ­li­che Beant­wor­tung einer Reihe von weite­ren Fragen, die im Zusam­men­hang mit dem Bau der LW im Raume stehen, möglich gemacht.

Herr Fickert ist seit 1949 bei der LW beschäf­tigt. Sein Schwie­ger­va­ter, ein Herr Wagner, war seiner Zeit bei der Baulei­tung der LW einge­setzt und auch mit zustän­dig für den Bau des Oster­buch­stol­lens. So hatte Herr Fickert, verwandt auch mit dem kürzlich in Oberko­chen verstor­be­nen Herrn Josef Wagner, einen direk­ten heißen Draht in die Zeit des Ersten Weltkriegs. Er konnte Auskunft in allen bautech­ni­schen Fragen geben. Weite­re Auskunft erhielt ich über die LW Stutt­gart und aus dem 1987 erschie­ne­nen Werk »75 Jahre LW«.

Durch ein Gesetz vom 8.7.1912 waren die Mittel für den Bau der LW bereit­ge­stellt worden. Der Staats­tech­ni­ker für das öffent­li­che Wasser­ver­sor­gungs­we­sen, Baurat Oskar Groß (Planzeich­nung von 1914 LW-Buch Repro Seite 37 oben) hatte den Gedan­ken entwi­ckelt, das Landes­was­ser aus seiner Fassung in der Donau­nie­de­rung (Lange­nau) von Nieders­tot­zin­gen aus auf einen auf der Schwä­bi­schen Alb hochge­le­ge­nen Behäl­ter­stol­len zu pumpen, von wo aus es in »Eigen­leis­tung« vermit­telst des natür­li­chen Gefäl­les die Landes­haupt­stadt und alle dazwi­schen gelege­nen Orte errei­chen konnte. Der Bau war für die Jahre 1912 — 1915 vorge­se­hen, was sich durch Umpla­nun­gen und Kriegs­ein­flüs­se bis 1917 hinaus­zog. Dieser höchs­te Ort (540 m über NN) lag und liegt zu einem Teil just auf unserer Gemar­kung. Es handelt sich bei dem geplan­ten Stollen­werk um den Osterbuchstollen.

Dieser sogenann­te Schei­tel­be­häl­ter­stol­len hat das unglaub­li­che Fassungs­ver­mö­gen von 12.000 cbm Wasser. Man muß sich den 1875 m langen Stollen tunnel­för­mig gewölbt vorstel­len, ca. 3. Meter breit und ca. 2.50 Meter hoch. In der Mitte ist er durch eine senkrech­te Wand in 2 unabhän­gig vorein­an­der funktio­nie­ren­de Teilbe­häl­ter abgeteilt, die vollstän­dig ausbe­to­niert und mit einem Glatt­strich verse­hen sind.

Vor dem Stollen­ein­gang befin­det sich ein sogenann­tes Kupplungs­werk, in welches das aus 3 Leitun­gen (Querschnitt 900 mm) ankom­men­de Wasser auf die beiden Kammern verteilt wird. Jede dieser Kammern ist allein in der Lage, die notwen­di­ge Gesamt­was­ser­men­ge aufzu­neh­men, sodaß wechsel­wei­se eine der beiden Kammern leer sein und gerei­nigt werden kann. Vom sogenann­ten »Wasser­häus­le« im Gunder­s­tal (rechte Abzwei­gung vom Wolfert­s­tal beim Wetter­kreuz) kann man den begeh­ba­ren Stollen betrach­ten, und, wer dazu berech­tigt ist, begehen.

Die Landes­was­ser­lei­tung wurde 1918 in Betrieb genom­men, d.h, auch Oberko­chen war mit dem Jahr 1918 an die LW angeschlossen.

Zu unserem Bild:
Die ungeheu­ren Gesteins­mas­sen, die beim Bau des Schei­tel­stol­len­be­häl­ters (Oster­buch­stol­len) anfie­len, wurden mit Loren, die von »unserer« Klein-Lokomo­ti­ve gezogen wurden (stehend links im Führer­haus Herr Deinhard) aus dem Berg trans­por­tiert und mitten in der Talaue des sich dort teilen­den Tals (Wolfertstal/Gunderstal) aufge­häuft, wo sie bis heute liegen, — genau genom­men eine barba­ri­sche Umwelt­zer­stö­rung beacht­li­chen Ausma­ßes. Der Aushub­berg heißt seit dieser Zeit »der Stollen«.

Zum Bau der LW und des Stollens waren Oberko­che­ner Bürger, aber auch viele Italie­ner einge­setzt, quasi als Gastar­bei­ter der Vorzeit. Sie lebten vorüber­ge­hend in Oberko­chen. Einge­setzt waren aber auch, — viele Oberko­che­ner befan­den sich später im Krieg, — franzö­si­sche und russi­sche Kriegs­ge­fan­ge­ne, die in Baracken wohnten und bewacht wurden.

Noch immer nicht einwand­frei gelöst ist die Frage nach dem Wetter­kreuz, einem Lothrin­gi­schen Kreuz (Doppel­kreuz) im Wolfert­s­tal. Der Zweck­ver­band LW Stutt­gart teilte mir hierzu mit:

»In der Abrech­nung über den Bau der 1. Haupt­lei­tung, die den Bau des Oster­buch­stol­lens umfaß­te, haben wir eine Nieder­schrift gefun­den, wonach beim Bau damals franzö­si­sche Kriegs­ge­fan­ge­ne einge­setzt waren. Vermut­lich war im Wolfert­s­tal das Gefan­ge­nen­la­ger unter­ge­bracht, weil dort eine Quelle zur Verfü­gung stand. Die Errich­tung des Lothrin­gi­schen Kreuzes könnte, wie Sie richtig vermu­ten, auf einen durch die Unter­la­gen jedoch nicht nachweis­ba­ren Todes­fall zurück­zu­füh­ren sein. Angeb­lich soll ein Gefan­ge­ner von einem Aufse­her erschla­gen worden sein.«

Die Oberko­che­ner Versi­on dieses bis jetzt nicht verbürg­ten Gesche­hens läuft nicht auf Todschlag, sondern auf einen Unfall hinaus. Nachzu­wei­sen wäre ein solcher, sowie ein Todschlag, über die Sterbe­re­gis­ter der betrof­fe­nen Gemein­den. 3 kommen in Frage: Oberko­chen, weil das Kreuz auf Oberko­che­ner Gemar­kung errich­tet wurde, woraus sich schlie­ßen läßt, daß sich die mündlich überlie­fer­te Geschich­te auch auf unserer Gemar­kung abgespielt hat. Aalen, weil, laut LW-Unter­la­gen der Sitz der Baulei­tung für den Bauab­schnitt, zu dem der Oster­buch­stol­len gehört, Aalen war, und ein eventu­el­ler Todes­fall nach dorthin gemel­det wurde. Essin­gen, weil der Auslauf des Stollens auf Essin­ger Gemar­kung liegt (Dauer­wang). Die Standes­äm­ter der mögli­chen Orte haben freund­li­cher­wei­se die Sterbe­re­gis­ter der Jahre 1914 bis 1918 auf franzö­si­sche Namen hin durch­ge­kämmt, — mit negati­vem Erfolg. Das heißt, daß vorerst kein Beweis angetre­ten werden kann, weder für Unfall noch für Todschlag. Das Doppel­kreuz, im Volks­mund Wetter­kreuz genannt, wird auch weiter­hin geheim­nis­um­wit­tert sein.

Doppel­kreuz
Ein doppel­tes Kreuz im Winter­wind, —
die Quellen ruhen im Schnee.
Ein zweifa­ches Kreuz?
Du frägst: was soll die Idee?
Dann schläfst Du weiter und stellst Dich blind.

(Im Amtsblatt vom 14.9.1973 »Gedenk- und Feldkreu­ze in Oberko­chen« ist zu dem Kreuz ledig­lich vermerkt: »Wetter­kreuz in der Ortshal­de, nach dem Krieg erneuert«).

In den 30er Jahren wurde von der LW eine weite­re Leitung aus Stahl gelegt, ebenfalls 900 mm im Querschnitt. Der Bau wurde durch Kriegs­er­eig­nis­se unter­bro­chen und nach dem II. Weltkrieg fortgesetzt.

Eine 3. Leitung, die auch Oberko­che­ner Gemar­kung durch­läuft, wurde in den frühen 60er-Jahren gebaut. Diese Leitung hat einen Querschnitt von 1100 mm.
An dieser Stelle sei erwähnt, daß Oberko­chen ledig­lich ca. die Hälfte seines Wasser­be­darfs aus der LW deckt, — der Rest kommt aus einer eigenen Quell­fas­sung im Wolfertstal.

Erwähnt sei auch noch, daß das städti­sche Haus Nr. 30 in der Aalener Straße, auf das man aus der Bürger­meis­ter-Bosch-Straße kommend, senkrecht zukommt, das ehema­li­ge Stati­ons­haus der LW in Oberko­chen ist (Giebel mit Krüppel­walm­dach zur Straße). Der eingangs erwähn­te Herr Wagner war dort lange Jahre als Wasser­meis­ter seßhaft, — gefolgt von Herrn Stadel­mai­er. Seit 27 Jahren wird der Oster­buch­stol­len von Aufhau­sen aus betreut. (Heute von Herrn Strobel)

Veröf­fent­li­chung der LW-Karte mit freund­li­cher Geneh­mi­gung der LW (9.3.1988/Kraushaar)

Dietrich Bantel

Fragen zu Bild 10:
Wann ist diese Aufnah­me entstan­den?
Wie nannte man damals die auf unserem Foto abgelich­te­te Straße?
Wie heißt diese Straße heute?

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