Herr Ludwin Oppold, dessen Frau Charlot­te Oppold, Tochter Gertrau­de Oppold und Frau Paula Fey, geb. Oppold, haben anläß­lich eines richti­gen Erzähl­a­bends, wie sie in Zeiten, in denen es weder Rundfunk noch Fernse­hen gab, üblich waren, alte Geschich­ten zusam­men­ge­tra­gen, die von Karl Ruckgaber (1840 — 1926, Wundarzt in Oberko­chen von 1914 — 1926) handeln.

Man muß sich verge­gen­wär­ti­gen, daß Karl Ruckgaber, als er nach Oberko­chen kam, mit 74 Jahren ein schon recht betag­ter alter Herr gewesen ist, der es nicht mehr nötig gehabt hätte, viel umzutrei­ben. Genau das Sich-Betäti­gen jedoch benötig­te er, um sich fit zu halten.

Er kannte alle Wege rings um Oberko­chen, und von seinen ausge­dehn­ten Wande­run­gen brach­te er immer etwas mit nach Hause, meist Pflan­zen und Heilkräu­ter, die er zur Herstel­lung seiner selbst gefer­tig­ten Tränk­lein und Salben benötigte.

Aber auch sonst sammel­te er, was die Natur an Verwert­ba­rem anbot, — Beeren, Brunnen­kres­se, und, sehr unober­koch­isch: Schnecken.

Mittags ging er regel­mä­ßig in den »Hirsch« zum »Dappa.« (ein Karten­spiel). Dabei waren der Holza­gärt­ner, der Marxa­gärt­ner, »on noo so a baar aalte Maa«.

Geraucht hat er wie ein Schlot, und zwar eine lange Tabaks­pfei­fe, die er schon morgens vor dem Aufste­hen ansteck­te. Gewohnt hat er im Oppold’schen Wohnhaus, dem im Jahre 1903 erbau­ten Backstein­ge­bäu­de neben der Fabrik, das heute noch in der Heiden­hei­mer Straße steht. (Foto 1).

Oberkochen

Er war ein einge­schwo­re­ner Kneip­pia­ner. Das ging so weit, daß er, wenn es nachts regne­te oder gar gewit­ter­te, im Bademan­tel hinaus in den Garten ging und dann fuzzel­nackt durch Wiesen und Büsche husch­te. Wenn es blitz­te, hat ihn der eine oder andere für Bruch­tei­le von Sekun­den gesehen, so daß es bald hieß: »Beim Oppold dussa gat a Goischt om«.

Natür­lich war er immer, wenn man ihn um Hilfe bat, zur Stelle. Verlangt hat er nie etwas. Die Bauern gaben ihm halt Eier, Mehl oder einen Brocken Fleisch.

Gehol­fen hat er querdurch: — so zog er zum Beispiel auch Zähne, wenn es sein mußte. Da wurde nicht viel gefackelt. Außer der Zange gab es nur ein Glas Wasser und eine Schüs­sel. Einge­schlä­fert wurde nicht. Dafür mußte alles mithel­fen, Arme und Beine festhal­ten, Kopf festhal­ten, und so. Das ging hauruck — und der Patient hatte keine Chance zuzuschla­gen, wenn es weh tat.

Einmal kam eine Mutter mit einem 4 bis 5 Jahre alten Kind, das sich verbrannt hatte. Der Oppolds­dok­tor ließ alle Eier beibrin­gen, derer man habhaft werden konnte. Mit den Eierhäut­chen bedeck­te er die Wunden, die darun­ter schnell und gut verheilten.

Den jungen Ludwin Oppold nahm der alte Doktor oft mit auf den Berg (gemeint ist der Volkmars­berg). Der Ludwin mußte den Rucksack des Großva­ters tragen, in dem »a klois Haile« (Haute = Häckchen) drin war. Man sammel­te aller­lei Kräuter, und von einer distel­ähn­li­chen Pflan­ze wurden die Wurzeln ausge­gra­ben. Zuhau­se wurden diese gewaschen, fein geschnit­ten und auf dem Fenster­sims getrock­net. Tabak war Mangel­wa­re, und eben diese Wurzeln gaben einen Tabak von ganz beson­de­rer Würze. Der »alte Oppold« (August Oppold, der die Firma im Jahre 1896 gegrün­det hatte, — er brach­te immer sein »Grüch­le« von der Schmie­de mit in die Wohnung, — und seine Frau Ottilie war gar nicht begeis­tert, daß der Doktor ihre Wohnung jetzt zusätz­lich auch noch mit seinem Knaster verstank. »Da ganza Dag muaß mr den Gschtank von dr Schmie­de schme­cka, on jetzt schtenkt’s dao hiaba ao no.« Über diese gerin­ge Einschät­zung seines so sehr gelieb­ten und mühsam präpa­rier­ten »Tabaks« war der alte Doktor fast beleidigt.

In einigen beson­ders markan­ten Lausbu­ben­ge­schich­ten benötig­te man des Doktors Hilfe. Einmal waren dabei der Oppolds Josef (lebt heut über 80-jährig in Ulm), einer namens Geiger, und der Seba (Sebas­ti­an Fischer — Gubi), und Ludwin Oppold (Jahrgang 1908, — »ein happi­ger Jahrgang war das«). Im 1. Weltkrieg hatten die Solda­ten einmal ihre Bagage­wa­gen beim Linden­brun­nen abgestellt. Entwe­der hockten die Solda­ten im »Ochsen« oder waren sie mit Mädchen unter­wegs, — jeden­falls waren die Wagen unbeauf­sich­tigt, sodaß sich die 4 Buben unbemerkt ein paar Kartu­schen Muniti­on aus einem der Wagen »beschaf­fen« konnten. Das Pulver streu­ten sie vor dem »Ochsen« aus, um »a Feuerle« zu machen. Daß man vorsich­tig sein mußte, wußten die vier schon, — dennoch wurde etwas überei­lig gezün­det. Es gab eine Saustich­flam­me, und alle Viere verbrann­ten sich im Gesicht und an den Händen. In ihrer großen Not schli­chen sie »hälen­ga« zum Oppolds­dok­tor. Der hat erstein­mal donder­schläch­tig geschimpft; dann hat er als erste Hilfe Mehl auf die Wunden gestreut und die vier zum Schmied-Doktor nach Unter­ko­chen geschickt. Die Viere schäm­ten sich mit ihren weißen Gesich­tern so arg, daß sie nicht durch den Ort, sondern dem Bahngleis entlang ziemlich klein­laut nach Unter­ko­chen zogen, wo sie der Schmied-Doktor weiterverarztete.

Vom Pulver und dem Schie­ßen handelt auch die nächs­te Geschich­te: In einer Zeitung wurden von einer Firma in der heuti­gen DDR (Zella-Mehlis/Thü­rin­gen) Luftge­weh­re für Jugend­li­che angebo­ten. Diese waren wenig interessant.

Inter­es­sant dagegen war es, ein in dieser Zeitung ebenfalls angebo­te­nes »Terze­rol« zu beschaf­fen, — eine kleine Pisto­le, die aber nur an Erwach­se­ne abgege­ben wurde. Kurz entschlos­sen bestell­te man sie auf den Namen des Firmen­in­ha­bers und Vaters August Oppold, und auch gleich die Muniti­on samt Papp-Zielschei­ben dazu. Das Paket wurde abgepaßt. Nach Betriebs­schluß befes­tig­te man eine Zielschei­be innen an der Fabrik­tür. (Foto 2)

Oberkochen

(Auch auf dem Foto auf Seite 146 im Heimat­buch ist diese Tür zu sehen).

Dann baller­te man drauf los. Aller­dings hatte man nicht berück­sich­tigt, daß die Muniti­on durch­schla­gen und die Tür beschä­di­gen würde. Das ergab eine herbe Abrei­bung väter­li­cher­seits, und das Verbot, mit Kugeln zu ballern. Also stell­te man auf Schrot um und ging ins Freie.… Beim »Neidrucka« der Schrot­la­dung in den Pisto­len­lauf gab es auf einmal einen Knall, — und der Seba hatte einen durch­sieb­ten Hosen­bo­den, unter welchem es stark schmerz­te. Wieder wurde »hälen­ga« der Doktor aufge­sucht. »I glaub, die hen me gschossa, — des brennt so«, sagte der Seba. Und der alte Oppolds­dok­tor sagte: »Nao duascht amaol zerscht dei Hosa raa — bisch selbr schuld« — puhlte dann die Schrot­kü­gel­chen Stück für Stück aus dem Aller­wer­tes­ten, machte einen Umschlag und schick­te den Unglück­li­chen nach Hause ins Bett. Sitzen konnte der Seba nicht, — also legte er sich brav ins Bett. Auf die Frage der Mutter, weshalb er am hellich­ten Tage ins Bett nei stracke, nachdem er des Morgens doch noch putzmun­ter gewesen sei, sagte der Seba, es sei ihm halt gar net gut, und er habe sich einfach hinle­gen müssen… Andern­tags war der Schmerz dann soweit abgeklun­gen, daß er wieder aufste­hen konnte.

Ausge­plau­dert hat er nie etwas, der alte Doktor.

Dietrich Bantel

Ludwin Oppold ist, wie im Bericht erwähnt, ein Sohn des Firmen­grün­ders August Oppold, der bei der Firma Bäuerle gelernt und seinen Meister gemacht hatte. August Oppolds Vater war der Hufschmied Micha­el Oppold (1.9.1844 — 26.10.1923). Seine Schmie­de befand sich in dem kleinen Gebäu­de Heiden­hei­mer Straße 7, Ecke Heiden­hei­mer und Bahnhof­stra­ße, das heute noch besteht, (vormals Reise­bü­ro Schoen). Das kleine Haus ist von den Nachkriegs­klöt­zen der Firma Bäuerle umzin­gelt worden und wird demnächst einem Neubau der Firma »elektra« weichen müssen. In diesem Gebäu­de gründe­te August Oppold seine erste Werkstatt und begann das Ferti­gen von Handboh­rern. Im Jahre 1904 bereits verleg­te er die Werkstatt an den Stand­ort der heuti­gen Firma Oppold Ecke Heiden­hei­mer und Leitz­stra­ße. (Näheres im Heimatbuch).

Dietrich Bantel

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