Da es heute vor allem jünge­ren Lesern schwer fällt, die Fraktur­schrift zu lesen, haben wir unten­ste­hen­den Text in Antiqua übertragen:

Oberko­chen, 19. Febr. (Todes­fall)
Im hohen Alter von 86 Jahren verschied heute morgen der ältes­te Mann der hiesi­gen Gemein­de und der letzte der frühe­ren württem­ber­gi­schen Wundärz­te und Geburts­hel­fer, Karl Rukga­ber. Seit 1914 wohnte er hier bei seinem Schwie­ger­soh­ne, Fabri­kant August Oppold. Im Orte der »alte Doktor« oder »Oppolds­dok­tor« genannt, war er ein Mann von altem Schrot und Korn. Bis in die letzten Jahre übte er noch etwas Praxis aus und konnte den sonntäg­li­chen Gottes­dienst besuchen. In seinen urwüch­si­gen Lebens­ge­wohn­hei­ten, der unzer­trenn­li­chen Tabaks­pfei­fe in den nervi­gen Händen, war er in seiner hohen Gestalt ein treuer Sohn der Natur, ein Origi­nal. Ein Freund der Kaltwas­ser­ku­ren und Pflan­zen­heil­kun­de, war er auch Liebha­ber der Blumen­zucht und des Garten­baus. Geboren zu Rotten­burg im Januar 1840, besuch­te er daselbst die Latein­schu­le, war in der Lehre bei Wundarzt Kiefer­le daselbst von 1853 bis 1857, dann ein Jahr in Aalen und in Ulm. Bei der Mobil­ma­chung im Jahre 1859 ging er als Rekrut zum 5. Infan­te­rie-Regiment, wurde Unter­arzt­zög­ling und im Frühjahr 1862 zum Unter­arzt 2. Klasse beför­dert. Nach Verset­zung zum 8. Infan­te­rie-Regiment avancier­te er zum Unter­arzt 1. Klasse und kam 1865 zum 2. Jäger­ba­tail­lon, mit dem er den Ausmarsch 1866 mitmachte.

1867 wieder zum 5. Infan­te­rie-Regiment komman­diert, wurde er ein Jahr darauf der Sanitäts­ab­tei­lung zugeteilt. Unter dem Ausmarsch 1870/71 war er Spital-Unter­arzt im Prome­na­den- und Baracken­spi­tal Ulm. Nachher nahm er den Abschied, um in Tübin­gen Geburts­hil­fe zu erler­nen. Die Prüfung als Wundarzt hatte er 1870 gemacht und die als Geburts­hel­fer im Frühjahr 1872. Von jetzt an war er als Wundarzt praktisch tätig in Altheim (OA Oberamt) Horb, und von 1882 an in Alpirs­bach. Er erzähl­te gerne, wie er von hier aus viel ins benach­bar­te badische Gebiet geholt wurde und auf den entle­ge­nen Schwarz­wald­or­ten und einsa­men Bauern­hö­fen bei jeder Jahres­zeit und Witte­rung seine Patien­ten besuch­te. Bald nach seiner Ankunft sei das Tisch­lein gedeckt worden und bei Schwarz­wäl­der Rauch­fleisch und würzi­gem Kinzig­tä­ler habe er sich bald erholt. In der Schen­ken­zel­ler, Schil­dach­er und St. Roman­er Gegend war er häufi­ger Gast. Im Jahr 1887 kam er nach Hüttis­heim, OA Laupheim, und prakti­zier­te dort bis 1914. Seine Frau Rosa, gebore­ne Augsbur­ger, starb dort und seine zweite Tochter verhei­ra­te­te sich nach Wolfegg. Viele werden den lieben kerni­gen Alten, der in rauher Schale einen guten Kern barg, in Rat und Tat sehr vermissen.

* * *

Auf den Seiten 416 bis 418 wird im Oberko­che­ner Heimat­buch über die Geschich­te des Oberko­che­ner Ärzte­we­sens berich­tet. Wieder­ein­mal hat sich gezeigt, daß die Veröf­fent­li­chung von bisher Bekann­tem auf die Spuren von bisher Unbekann­tem führt. Herr Joachim Figura übergab dem Heimat­ver­ein den heute wieder­ver­öf­fent­lich­ten Zeitungs­be­richt aus dem Jahr 1926. In einem der nächs­ten heimat­kund­li­chen Berich­te werden wir Geschich­ten und Anekdo­ten abdru­cken, die sich um diesen inter­es­san­ten Mann in Erinne­rung gehal­ten haben. Wir sind sehr daran inter­es­siert, von Oberko­che­ner Bürgern, die sich noch an den alten »Oppolds­dok­tor« entsin­nen, Selbst-Erleb­tes zu erfah­ren, — wie es damals war. Bitte rufen Sie uns an (Tel. 7377) oder schrei­ben Sie Ihre Erinne­rung in ein paar Zeilen oder einem kleinen Bericht nieder. Mögli­cher­wei­se wissen Sie eine Begeben­heit, die eben nur Sie wissen. Nicht nur wir, sondern viele inter­es­sier­te Bürger freuen sich auf Nachrich­ten »von damals«.

Oberkochen

Dietrich Bantel

Weitere Berichte aus dieser Kategorie

Weitere Berichte