Vitri­ne im unteren Foyer des Rathauses

Oberkochen
Oberkochen

Im Amtsblatt »Bürger und Gemein­de« wurde mehrfach von den Oberko­che­ner »Häfnern« berich­tet. Auch im Heimat­buch befin­det sich eine ausführ­li­che Abhand­lung zum Hafner­hand­werk (S. 120 — S. 128).

Seit einiger Zeit befin­det sich im unteren Rathaus­foy­er eine Vitri­ne des Heimat­ver­eins, in welcher Altober­ko­che­ner kerami­sches Geschirr und Häfen ausge­stellt sind. (Leider wurde eine der großen Vitri­nen­schei­ben bei einer Hochzeits­ver­an­stal­tung von einem Sektkor­ken zerschos­sen, sodaß wir die Ausstel­lungs­stü­cke im Augen­blick nicht beschrif­ten können.)

Herr Kurt Elmer, Ausschuß­mit­glied des Heimat­ver­eins und letzter prakti­zie­ren­der Oberko­che­ner Häfner, war so freund­lich, die aus Privat­be­sitz stammen­den Gefäße fachmän­nisch zu beschrei­ben und einzuordnen.

Im folgen­den werden die ausge­stell­ten Gefäße vorge­stellt.
h = Höhe, o = Gefäß­durch­mes­ser oben, u = Boden­durch­mes­ser (Angaben in cm)

1) bauchi­ger Milch­ha­fen mit Griff (Henkel) und Ausguß (h 14).
Auf dunklem Grund senkrecht engobier­te Strei­fen. Beidsei­tig glasiert. Die Bezeich­nung »Hafen« ist der überge­ord­ne­te Begriff für vieler­lei Gefäße. (Milch­ha­fen, Kaffee­ha­fen, Kraut­ha­fen). Von diesem Begriff leitet sich auch die Berufs­be­zeich­nung »Häfner« ab. (Töpfer). Das Hafner­hand­werk ist in Oberko­chen etwa ab 1700 nachzu­wei­sen. Um 1840 waren am Ort bis zu 30 Häfner tätig. Der Hafner­weg erinnert an das bei Ausbruch des 2. Weltkriegs bereis fast völlig ausge­stor­be­ne Altober­ko­che­ner Handwerk.

2) Kaffee­ha­fen mit Deckel. Man beton­te das Wort Kaffee franzö­sisch auf der 2. Silbe. Das Gefäß verengt sich nach oben zu konisch und weitet sich am Rand auf. An der Engstel­le mit 3 Rillen geschmückt und mit einem Blumen­mo­tiv bemalt. (h 16) Man bezeich­ne­te dieses Gefäß auch als »Elsäßer Hafen«.

3) Sauer­milch­scher­ben. (1 Liter). Das Gefäß wurde aus Bruch­stü­cken, die im letzten Jahr im Ölwei­her gefun­den wurden, zusam­men­ge­setzt. (h 8,5 — o 20 — u 11,5) Außen ungla­siert, halbwei­ßer, hellbren­nen­der Ton, innen mit honig­far­be­ner Glasur.

In solche »Scher­ben« wurde die Milch »frisch von der Kuh weg« geschüt­tet. Mit »einge­brock­ten« Schwarz­brot­stü­cken vermischt wurde sie in den Keller gestellt, solan­ge, bis sich eine schim­mel­ähn­li­che Schicht über der Sahne gebil­det hatte. Vor dem Essen wurde alles kräftig durchgerührt.

Das Bruch­stück 21) stammt von einem ähnli­chen Sauermilchscherben.

4) Milch­ha­fen, beidsei­tig glasiert. Das Kringel­mus­ter wurde mit heller Engobe aufgestempelt.

5) Gugel­hupf-Form. (h 11, o 22, u 12) Nach dem Drehen wurde die Rohform über eine negativ gearbei­te­te Gipsform gepresst. Die Gugel­hupf-Form ist nicht von hier.

6) Auflauf­form (h 9, o 24, u 20), Werkstatt Elmer um 1948/49
Für Gries- und Reisauf­lauf, Ofenschlup­fer usw. Außen mit senkrech­ten Rippen, die konkav vertieft sind, verziert. Weißer Ton mit Transparentglasur.

Herr Elmer erinner­te sich, daß der Ton für dieses Gefäß aus der Pfalz kam. Durch »Bezie­hun­gen« war es in der unmit­tel­ba­ren Nachkriegs­zeit gelun­gen, einen ganzen Eisen­bahn­wag­gon voll Ton für 250 Mark von dorther zu organi­sie­ren, — Ton für ca. 10 Jahre!

7) Kraut­ha­fen. (Kasse­rol­le, — eines der vielen ausster­ben­den Lehnwör­ter aus dem Franzö­si­schen (casse­ro­le)). Wenn die Oberko­che­ner einen Kraut­ha­fen bestell­ten, sagten sie »an Kasse­rol sott i hao«. Inter­es­sant dabei ist natür­lich auch die Umfunk­tio­nie­rung des Begriffs: Eine »casse­ro­le« ist ursprüng­lich ein Fleischschmorhafen.

Das Gefäß ist von gebro­chen konischer Form. Der untere, ungla­sier­te Teil des Hafens (nicht einge­bun­den — siehe 11) befand sich im Herdfeu­er. Mit dem umlau­fen­den Ring saß es auf dem entspre­chen­den Herdring auf. Der obere größe­re Teil ist glasiert. 2 Griffe. Der Hafen ist ungebraucht.

8) »Bräter« (Braten­ka­chel, — eigent­lich eine »casse­ro­le«, — aber so sagte man nicht). Längs­oval (h 10, o 30/18), Werkstatt Elmer um 1946, kurz nach dem Krieg. Deckel mit Knopf. Feuer­fes­ter, hellbren­nen­der Ton vom Zahnberg. 2 verbun­de­ne Ohrengriffe.

Mit Tonzu­sät­zen verdünn­te Bleigla­sur. Alle Viertel­jah­re kam einer vom Gesund­heits­amt und nahm ein paar bleigla­sier­te Gefäße mit, um zu prüfen, ob die gifti­ge Glasur entspre­chend den Vorschrif­ten verdünnt ist.

9) Enten­ka­chel. Längs­oval. (h 11,5 — o 32/21) Werkstatt »Napole­on«. Ton wie bei 8. Innen weiß engobiert und farblos glasiert. 2 durch­bro­che­ne Ohrenhenkel.

10) Ganska­chel. Längs­oval. (h 14, o 40/27). Ausguß. Gegen­über 1 Griff zum Kippen der Kachel. Farbi­ge Glasur mit Rauch­spu­ren vom Ofen, die beim Brennen entstanden.

11) einge­bun­de­ner Kraut­ha­fen (siehe 7) Werkstatt Elmer. (h 18, o 30, u 21) Einsetz­ring 7 cm von unten. Außen braune, innen farblo­se Glasur, 2 Henkel.

Mit Blech einge­bun­den. Große Kraut­ha­fen wurden mit Blech einge­bun­den, um den im Feuer befind­li­chen Gefäß­teil zu schüt­zen, vor allem beim Nachschüren.

Dieser »Kasse­rol« ist ein sogenann­ter »Zweeaner«, — ein »Zweier«. Gemeint ist damit die »Größe 2«. Wenn jemand zum alten Elmer kam, und einen »Zwoier« bestell­te, pfleg­te dieser zu verbes­sern: »Wa wit Du, an »Zwoier«, — moinsch Du an »Zweeaner«?«

Kurt Elmer fertigt diesen Urober­ko­che­ner Kraut­ha­fen auch heute noch für Dekora­ti­ons­zwe­cke. Er beherrscht auch noch die Kunst des Einbin­dens mit Blech.

12) Kraut­ha­fen (Größe 3).
Die Größen­num­mern bedeu­ten, daß entspre­chend der Zahl beim Brennen so viele Häfen auf einen »Wurf« gehen, — das heißt, daß die höheren Nummern die kleine­ren Gefäße sind und umgekehrt. Herr Elmer hat den Begriff »Wurf« im Heimat­buch auf Seite 128 ausführ­lich erklärt.

13) Ein myste­riö­ses kraut­ha­fen­ähn­li­ches Gefäß das im letzten Jahr aus dem Ölwei­her gebor­gen wurde. Außen ungla­siert. Zweck unbekannt. Es handelt sich um eine in diesem Jahrhun­dert nicht mehr herge­stell­te Gefäß­form. Es unter­schei­det sich von den Kraut­hä­fen u.a. dadurch, daß es einfach und nicht gebro­chen konisch ist, und vor allem dadurch, daß der Teil, der im Feuer hängt, sehr viel größer ist als bei den späte­ren Kraut­hä­fen. Außer­dem ist es außen durch­weg ungla­siert. Des weite­ren unter­schei­det es sich in der Henkel­form; dieser schwingt über den Gefäß­rand hinaus nach oben aus, und der Ansatz einer Schnau­ze ist erkennbar.

Im Foto nicht sicht­bar befin­det sich hinter Gefäß 13) ein sogenann­ter »Rutschar«, — ein kleine­res Allzweck­ge­fäß, das auf der Herdplat­te, ohne daß es in Ringe einge­setzt wurde, hin- und herge­scho­ben werden konnte, dahin, wo es gerade Platz hatte.

14) Kraut­ha­fen, im Ölwei­her gefun­de­ne zusam­men­ge­setz­te Bruch­stü­cke. Dieser Kraut­ha­fen wurde nicht auf dem Herd benutzt. Aus 2 in der Seiten­wand knapp über dem Boden nach dem Brennen gebohr­ten Löchern läßt sich schlie­ßen, daß der Hafen für einen indivi­du­el­len Zweck umfunk­tio­niert wurde. Er diente höchst­wahr­schein­lich zur Herstel­lung von Butter­milch. Die feste­re Butter­milch schwimmt bei länge­rem Stehen­las­sen auf dem säuer­li­chen wertlo­sen Wasser, das durch die beiden Löcher, indem man sie entstöp­sel­te, ausge­gos­sen werden konnte, ohne daß man die darüber befind­li­che Butter­milch mit dem Wasser beim Kippen erneut durch­ein­an­der brach­te. In dem Maße, wie das Wasser durch die beiden Bohrun­gen abfloß, setzte sich die feste­re Butter-Milch ab, bis sich nur noch die wertvol­le verfes­tig­te Butter­milch in dem Hafen befand.

15) Scher­ben vom Ölweiher.

16) Kaffee­schüs­sel (Bruch­stück aus dem Ölwei­her). Eine riesi­ge Tasse, in die »einge­brockt« wurde. Zur Größen­an­ga­be: Wenn die Oberko­che­ner eine Kaffee­schüs­sel bestell­ten, hieß es: A halbr Litr sott halt neiganga.

17) Scher­ben vom Ölweiher

18) Bruch­stück eines großen Krugs aus dem Ölwei­her. Dieser Krug weist die gleichen Strei­fen­mus­ter im Einschnü­rungs­be­reich auf, wie wir sie auf 2 auf der Bilz gefun­de­nen Gefäßen nachwei­sen konnten. Herr Elmer ist mit uns der Meinung, daß die so bemal­ten Gefäße aus ein und dersel­ben Oberko­che­ner Werkstät­te stammen. Sie zeich­nen sich durch eine auffal­len­de Dünnwan­dig­keit auf. Sofern es sich um Milch­be­häl­ter handelt, sind die älteren Gefäße außen grund­sätz­lich unglasiert.

Hinter dem großen Bruch­stück des Krugs befin­det sich, im Foto nicht sicht­bar, eine Pudding­form aus der Elmer’schen Werkstatt. (h 8,5 — o 19 — u 12).
Weißer Ton vom Zahnberg. Farblo­se Glasur.

19) Bruch­stück eines Gefäßes mit einer für Oberko­chen sehr typischen Glasur. In die noch nasse frisch auf das Gefäß aufge­brach­te weiße Engobe wurde mit einem Reisig­be­sen grüne Engobe aufge­spritzt. Die entste­hen­den Sprit­zer behiel­ten teilwei­se die Sprit­zer­form, teilwei­se verlie­fen die Sprit­zer aber auch mit der darun­ter befind­li­chen hellen Engobe.

20) Das im letzten Jahr aus dem Ölwei­her gebor­ge­ne kerami­sche Sieb mit der Jahres­zahl 1888 wurde in »Bürger und Gemein­de« vom 14.10.88, HVO-Bericht 38, ausführ­lich beschrieben.

Im Heimat­mu­se­um wird das Oberko­che­ner Hafner­hand­werk umfas­send darge­stellt werden. Erwäh­nens­wert ist auch, daß der verstor­be­ne Töpfer­meis­ter Johan­nes Elmer im Jahre 1963 Schülern beim Bau eines Brenn­ofens behilf­lich gewesen ist. Ein weite­rer Brenn­ofen nach dem Elmer’schen Muster entstand, nachdem der erste mutwil­lig zerstört worden war, im Rahmen eines Schul­pro­jek­tes. Dieser Ofen wird zur Zeit überar­bei­tet und wieder in Betrieb genommen.

Dietrich Bantel

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