Sitzung am 19. Febru­ar 1891
Dem Taglöh­ner Karl Greul sollen für die auf der „Haide“ aufbe­rei­te­ten 1.640 Wellen pro 100 Stück 3 Mark bezahlt werden. Gleich­zei­tig wurde bestimmt, dass die 400 bis 500 besse­ren Wellen in den Verkauf gebracht werden sollen. Die restli­chen werden an die Ortsar­men verteilt.
Das gemein­de­ei­ge­ne Fisch­was­ser des Kochers soll auf weite­re 6 Jahre verpach­tet werden. Es wurde das Ausschel­len und eine öffent­li­che Ausschrei­bung in der Kocher­zei­tung beschlos­sen. Dem Pächter ist der Ersatz der Inserats­kos­ten anzube­din­gen (auf Deutsch „Sache des Pächters“).
Das weite­re Vorge­hen im Streit mit dem Farren­hal­ter Kolb wurde bespro­chen.
Der neue Farren­hal­ter Schee­rer beantrag­te, das Wasser von der Gemein­de­lei­tung in den Stall leiten zu dürfen. Dem wurde statt­ge­ge­ben, solan­ge er Farren­hal­ter sei. Ein Grund­satz­be­schluss sieht im Grunde vor, dass Wasser aus Gemein­de­lei­tun­gen nicht in Privat­häu­ser abgelei­tet werden darf.
Die Realge­nos­sen­schaft beabsich­tig­te im Langert einen Holzab­fuhr­weg zu bauen, wozu sie einen kleinen Platz Gemein­ei­gen­tums benötig­te. Da der Platz „eine Oede von gerin­gem Werth“ sei, wurde dem statt­ge­ge­ben.
Sitzung am 20. Febru­ar 1891
Man stell­te fest, dass die Amtszeit des Schul­klas­sen­rech­ners Jakob Bäuerle schon seit 3 Jahren abgelau­fen war! Eine Neuwahl bisher „aus Verse­hen“ nicht vorge­nom­men wurde. Bäuerle (Hafner und Fabri­kant) habe das Amt still­schwei­gend weiter­ge­führt und wurde nun offizi­ell „als noch im Amt bestä­tigt“. Ende 1891 verstarb er jedoch und sein Nachfol­ger wurde der Schuh­ma­cher­meis­ter Chris­ti­an Kopp.
Sitzung am 28. Febru­ar 1891
Ein Famili­en­va­ter bittet um Ausstel­lung eines Famili­en­zeug­nis­ses, mit dessen Hilfe er ein Gnaden­ge­such für seinen Sohn bitten will, der zu einer Zucht­haus- und Gefäng­nis­stra­fe verur­teilt worden war. Der Gemein­de­rat befür­wor­te­te eine mögli­che König­li­che Gnade, da die Familie sonst einen guten Leumund hatte.
Eine Auswan­de­rung stand an. Eugen Betzler, hiesi­ger Metzgers­knecht, und dessen Ehefrau beabsich­ti­gen zwecks Aufsu­chens eines besse­ren Auskom­mens nach Nord-Ameri­ka in den dorti­gen Staat Irland *** auszu­wan­dern.
*** Einen solchen US-Bundes­staat hat es nie gegeben! Der US-Bundes­staat mit dem höchs­ten Anteil an Einwoh­nern irischer Abstam­mung ist New Hampshire, wo etwa 20,2% der Bevöl­ke­rung irische Wurzeln haben. Andere Bundes­staa­ten mit bedeu­ten­den irischen Bevöl­ke­rungs­grup­pen sind Massa­chu­setts (19,29%), Rhode Island (17,05%) und Vermont (16,13%).
Aus diesem Grund baten sie um Entlas­sung aus der württem­ber­gi­schen Staats­an­ge­hö­rig­keit und dem hiesi­gen Gemein­de­ver­band.
Der Gemein­de­rat beschloss folgen­des zu bezeugen:

• Dass Eugen Betzler am 2. März 1867 zu Oberko­chen geboren ist und seit dem 22. Novem­ber 1890 mit Barba­ra geb. Mall, geboren am 3. Januar 1872, zu Heufel­den Oberamt Ehingen, verehe­licht ist. Kinder aus der Ehe sind keine vorhan­den.
• Dass Betzler und seine Ehefrau die Württ. Staats­an­ge­hö­rig­keit und das hiesi­ge Gemein­de­bür­ger­recht auf Grund Abstam­mung bezw. Verhei­ra­thung besit­zen
• Dass beide der katho­li­schen Confes­si­on angehö­ren
• Dass Eugen Betzler seine Militär­pflicht durch 3‑jährige Dienst­zeit und 1 Jahr als Kapitu­lant *** Genüge geleis­tet hat und nunmehr zur Reser­ve beurlaubt ist*** Ein Kapitu­lant war ein Soldat, der sich freiwil­lig verpflich­te­te, über die gesetz­li­che Dienst­zeit hinaus in der Armee zu dienen. Dies galt beson­ders in der preußi­schen bzw. deutschen kaiser­li­chen Armee bis 1918. Nach Ablauf der regulä­ren Dienst­zeit (zwei bis drei Jahre) konnte ein Soldat seine freiwil­li­ge Weiter­ver­pflich­tung (Kapitu­la­ti­on) erklä­ren. Die Dienst­zeit musste mindes­tens auf vier Jahre verlän­gert werden, oft sogar bis zu zwölf Jahre.
• Dass Betzler und seine Ehefrau in keiner Unter­su­chung befan­gen sind und hierorts kein Hinder­nis bekannt ist, welches den Austritt des Betzler und seiner Ehefrau aus dem Württ. Staat und hiesi­gen Gemein­de­ver­band im Wege stünde.
• Dass Betzler und seine Ehefrau ein in Kleidungs­stü­cken bestehen­des Vermö­gen und Reise­geld von 400 Mark expertieren.

Vor 1900: Die katho­li­sche Kirche St. Peter und Paul mit dem alten Turm (Archiv Müller)

Sitzung am 7. März 1891
Farren­hal­ter Kolb war schon wieder auf der Tages­ord­nung! Bezüg­lich des Wegebaus im Langert wurde beschlos­sen einen Augen­schein „in corpo­re“ (ein latei­ni­scher Ausdruck, der “im Körper” oder “körper­lich” bedeu­tet. Er wird oft verwen­det, um auszu­drü­cken, dass etwas in seiner Gesamt­heit oder als Ganzes betrach­tet wird) vorzu­neh­men, um dann weiter zu entschei­den.
Sitzung am 4. Mai 1891
Auf Antrag des Schult­hei­ßen wurde beschlos­sen auf der „Haide“ in diesem Jahr eine Fläche von 3 ha einzu­sä­en. Dazu sollen beim Samen­händ­ler Geigle in Nagold 24 Kilo Samen bezogen werden.
Sitzung am 1. Juni 1891
Nach der Jahres­rech­nung 1888/1889 wurde ein Grund­stock­ab­man­gel (Schul­den! Oberko­chen hatte Schul­den!) in Höhe von 680 Mark 18 Pfenni­ge *** festge­stellt. 200 Mark seien inzwi­schen wieder gedeckt. Durch Straßen­bau und andere öffent­li­che Ausga­ben seien die Etatsät­ze weit !!! überschrit­ten worden. Es wurde daher die Bitte an die Kreis­re­gie­rung gestellt, den Grund­stock erst 1891/1892 vollstän­dig ergän­zen zu dürfen.
*** Die Mark wurde 1871 einge­führt. Die damali­ge Schuld entspricht heute 5.304 €.

Die alte Heiden­hei­mer Straße (re: Gässle zur „Grube“, altes Rathaus (heute VR Bank) usw. (Archiv Müller)

Sitzung am 13. Juni 1891
Der bishe­ri­ge Ortsweg­knecht Xaver Schmid wurde am 31. März wegen hohen Alters und Dienst­un­fä­hig­keit entlas­sen. Der seither provi­so­risch bestell­te Johann Deinin­ger, Taglöh­ner und Nacht­wäch­ter von hier, wurde auf Wohlver­hal­ten defini­tiv zum Wegknecht bestellt (stets wider­ruf­lich). Der Ortsvor­ste­her wird den neuen Wegknecht verpflich­ten und einwei­sen. Der Schult­heiß wird eine Dienst­in­struk­ti­on ausar­bei­ten und dem Gmeind­rath vorle­gen, an die sich der Wegknecht strikt zu halten hat. Das bishe­ri­ge Besol­dungs­ver­hält­nis wird beibe­hal­ten und der Neue kam ab 1. Mai „in den Genuss“ des Gehalts.
Die „Sache“ Farren­hal­ter Kolb wird durch einen Vergleich abgeschlos­sen.
Sitzung am 20. Juni 1891
Die von Hugo Laißle einge­reich­ten Pläne zur Änderung des Wasser­werks seiner Fabrik wurden ohne Einwen­dun­gen zur Kennt­nis genom­men. Die Einsprü­che von Schee­rer, Minder und Scheer dazu wurden einer „sachver­stän­di­gen Beurt­hei­lung“ überlas­sen.
Schult­heiß Betzler beansprucht die Gebüh­ren aus der Güter­buch­füh­rung fürs sich. Der Gemein­de­rat stimm­te unter den obwal­ten­den Umstän­den zu.
Sitzung am 24. Juni 1891
Es wurde ein länge­res Proto­koll über eine weibli­che Person erstellt, die aus polizei­li­chen Gründen über das König­li­che Medizi­nal­col­le­gi­um, Abthei­lung für die Staats­kran­ken­an­stal­ten, in eine Irren-Anstalt einge­lie­fert werden soll (scheint früher öfters vorge­kom­men zu sein).
Sitzung am 20. Juli 1891
Schult­heiß Betzler stell­te den Antrag auf Gehalts­er­hö­hung, da es ihm unmög­lich sei, mit der gerin­gen Besol­dung von 800 Mark *** seine Familie anstän­dig zu ernäh­ren. Der Gemein­de­rat bewil­lig­te ihm eine Erhöhung um 100 Mark auf nunmehr 900 Mark. Als Ratsschrei­ber erhielt er weite­re 300 Mark.
*** Im Jahr 1891 verdien­te ein Arbeit­neh­mer im Deutschen Kaiser­reich durch­schnitt­lich 700 Reichs­mark im Jahr.
Sitzung am 3. Septem­ber 1891
Dem Kunst­müh­len­be­sit­zer Josef Müller wurde auf seine Bitte hin bestä­tigt, dass er nach diessei­ti­ger Kennt­nis seiner Verhält­nis­se ein in Aktien bestehen­des Vermö­gen von ca. 30.000 Mark besitzt. Ferner bat er um ein Leumunds­zeug­nis, das er zur Erlan­gung einer Conces­si­on zur Führung eines Wirtschafts­an­we­sens benötig­te, das er in Gmünd erwor­ben hatte.
Dem Essin­ger Ziegler Mößner wurde viel Vertrau­en entge­gen­ge­bracht. Ihm wurde die Abfuhr von Kalkstei­nen vom Volkmars­berg unter der Bedin­gung gestat­tet, dass er nach der Abfuhr der örtli­chen Behör­de Anzei­ge macht und pro Wagen Steine 2 Mark an die Gemein­de bezahlt.

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Ortsan­sicht mit Blick über die Firma Leitz hinweg (Archiv Müller

In den weite­ren Sitzun­gen im Septem­ber und Oktober 1891
Wurden folgen­de Punkte behan­delt, die den Bürgern damals unter den Nägeln brannten:

• Im vorigen Winter war es mit dem Eis auf dem Kies eine wahre Calami­tät (missli­che Lage). Da das Wasser der Brunnen nicht gesteu­ert abfloss, wird beschlos­sen, dieses unter­ir­disch anzufüh­ren und da veran­las­sen, dass die entspre­chen­de Anzahl an Cement­röh­ren angekauft werden
• Die mangel­haf­te Straßen­be­leuch­tung des Orts wird zur Sprache gebracht und beschlos­sen 2 (!!!) neue Straßen­la­ter­nen mit Zubehör anzuschaf­fen
• Die Etter­staats­stra­ße (Ortshaupt­stra­ße) soll mit Klein­ge­schläg vom Stein­bruch an der Ebnater Steige, die übrigen Straßen dagegen mit den gewöhn­li­chen Steinen wie früher ausge­baut werden.
• Die Bewoh­ner der Jäger­gas­se (heute Jäger­gäss­le) wünschen die Herstel­lung einer Brunnen­lei­tung, da sie das Wasser zu weit vom nächs­ten Brunnen in der Langgas­se (heute Heiden­hei­mer Straße) holen müssen, was insbe­son­de­re zur Winter­zeit sehr beschwer­lich sei. Der Ortsvor­ste­her weist nach, dass die Haupt­ver­brau­cher die Bewoh­ner des König­li­chen Forst­re­vier­hau­ses und die des Forst­wä­cher­hau­ses sind. Es wurde beschlos­sen einer Ausfüh­rung erst näher zu treten, wenn die Staats­fi­nanz­ver­wal­tung mit einem entspre­chen­den Zuschuss entgegenkommt.

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Blick in die Heiden­hei­mer Straße hinab re: Wirts­haus „Ochsen“, li: Wirts­haus „Hirsch“ und die alte ev. Kirche mit altem Turm (Archiv Müller)

Zu den seiner­zei­ti­gen Finan­zen ist zu sagen,
dass es damals recht eng herge­gan­gen ist. Schult­heiß Betzler trug das letzt­jäh­ri­ge Visita­ti­ons­pro­to­koll zu den Feuer­lösch­ge­rä­ten erneut vor. Gegen­über dem König­li­chen Oberamt vermel­de­te man gehor­samst, welche Punkte erledigt sind wie z.B. die Ausstat­tung der Zugfüh­rer und der Sprit­zen­mann­schaft mit Helmen. Die gesam­te Mannschaft damit auszu­stat­ten, würde einen bedeu­ten­den Aufwand mit sich bringen, weshalb das Oberamt Aalen gebeten wird, die hiesi­ge Gemein­de von diesem Aufwand zu verscho­nen. Auch von einer Anschaf­fung weite­rer Tonnen bitte man gütigst absehen zu wollen. Auch die Anschaf­fung einer Saugsprit­ze bitte man gütigst noch im Anstand zu belas­sen.
Wörtlich heißt es: „Die vorhan­de­ne Fahrsprit­ze ist ausge­zeich­net und genügt den Anfor­de­run­gen vollstän­dig. Wasser ist hier in genügen­der Menge vorhan­den und überall leicht zu beschaf­fen. Es liegen für die Gemein­de weit dringen­de­rer Ansprü­che vor, welche mit erheb­li­chen Kosten verbun­den sind. Man gestat­te sich daher, wieder­holt an das Königl. Oberamt Bitten zu stellen, weite­re angemes­se­ne Frist güthigst erthei­len zu wollen.“
Sitzung am 22. Dezem­ber 1891
Die neu – bzw. wieder­ge­wähl­ten Gemein­de­rats­mit­glie­der Geißin­ger, Leitz, Gold und Hug werden beeidigt bzw. auf ihren früher abgeleg­ten Eid hinge­wie­sen.
Hugo Laißle war wohl ein Mann der Tat nach dem Motto „Wer zu viel fragt, kommt nicht weiter“. Er erklär­te, dass er der Meinung sei, dass das von ihm überbau­te Gelän­de am Ortsweg 9 sein Eigent­hum sei. Das Meßpro­to­koll sprach aber etwas anderes. Also wurde jetzt nachträg­lich der Beschluss gefasst, dass Laißle 15 Mark für den fragli­chen Platz zu bezah­len habe. Der Ratsschrei­ber, sprich der Ortsvor­ste­her, wurde angewie­sen den Vertrags­ab­schluss durchzuführen.

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Blick vom Waldes­rand hinab aufs Dreißen­tal (Archiv Müller)

Abschlie­ßend bleibt zu sagen
dass in dieser Zeit schon weitbli­cken­de Privat­un­ter­neh­mer mit Engage­ment und Taten­drang in unserer Gemein­de agier­ten. Nicht nur die allseits bekann­ten Fabri­kan­ten, sondern auch die Gründungs­mit­glie­der der Oberko­che­ner Darle­hens­kas­se, aus der schließ­lich die Oberko­che­ner Bank hervor­ging.
PS
Aus dieser Zeit (1890 und 1891) gibt es 147 Seiten Proto­koll, die Dietrich Bantel einst durch­ge­ar­bei­tet hat und nunmehr in diesem Bericht einge­flos­sen sind.
Jetzt beamen wir uns wieder zurück in die Jetzt­zeit, in der das Schul­den­ma­chen nicht so erschwert ist wie seiner­zeit und die Aalener auch nicht mehr über uns wachen ????.

Wilfried „Wichai“ Müller – Billie vom Sonnenberg

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