Jubilä­um. Für meinen 200sten Bericht wollte ich etwas Beson­de­res machen. Und da hat mir „Schrei­ber­le“ Joachim Fischer aus Backnang kräftig gehol­fen, nachdem mein Heimat­ver­ein nicht weiß, wo sich die Bantel’schen Unter­la­gen zu diesem Thema befin­den. Danke – ohne ihn wäre das nicht möglich gewesen.

1906: Gesamt­an­sicht Oberko­chen (Archiv Müller)

Bilder. Die Bilder sind natür­lich nicht von 1830, sondern aus späte­ren Jahren, denn um diese Zeit herum wurde die Fotogra­fie erst entwi­ckelt: Ab etwa 1815 begann der reiche Advokat Joseph Nicépho­re Niépce sich mit der Litho­gra­fie zu beschäf­ti­gen. Mit seinem von ihm selbst als Helio­gra­phie bezeich­ne­ten Verfah­ren gelang ihm 1822 eine Direkt­ko­pie eines Litho­gra­fie-Porträts auf einer asphalt­be­schich­te­ten Zinnplat­te, welche nach Auflö­sen der unbelich­te­ten Asphalt-Partien mit Laven­del­öl graviert wurde und so verviel­fäl­tigt werden konnte. Paral­lel dazu versuch­te er bereits seit 1816 mit der „Camera obscu­ra“ Positiv­bil­der auf verschie­de­nen Materia­li­en herzustellen.

Vorwort von Bürger­meis­ter Peter Traub:

„Die karto­gra­phi­sche Erfas­sung und Vermes­sung Neuwürt­tem­bergs war eine Folge der napoleo­ni­schen Säkula­ri­sa­ti­on (Besei­ti­gung kirch­li­cher Herrschafts­ge­bie­te, wie z.B. der Fürst­props­tei Ellwan­gen), Media­ti­sie­rung (Besei­ti­gung kleiner weltli­cher Herrschaf­ten, wie z.B. der Freien Reichs­städ­te) und des Press­bur­ger Friedens. All diese Gebie­te wurden damals dem König­reich Württem­berg zugeschla­gen, und das neue Württem­berg musste daher neu karto­gra­phiert werden.

Die darauf basie­ren­den Ur-Karten sind in ihrer Bedeu­tung und Wichtig­keit nicht zu unter­schät­zen, denn sie bilde­ten zum einen eine gesicher­te Grund­la­ge für den Schutz des Eigen­tums (heute ein Grund­recht in Artikel 14 unseres Grund­ge­set­zes) und für das gesam­te Eigen­tums­recht. Zum anderen aber, und das ist das Wesent­li­che, ermög­lich­ten sie erstmals eine geord­ne­te bauli­che Entwick­lung der Städte und Gemein­den, die bis dahin eher „organisch“ gewach­sen waren bzw. bebaut wurden. Die Ur-Karten und die darauf beruhen­den Geset­ze, wie z.B. das damali­ge Flucht­li­ni­en­ge­setz, ermög­lich­ten eine städte­bau­li­che Planung und Entwick­lung, die auch Ausdruck der neuen kommu­na­len Selbst­ver­wal­tung war, die ebenfalls Ergeb­nis der politi­schen Entwick­lun­gen im 19.Jahrhundert und der Neuord­nung des europäi­schen Konti­nents durch Napole­on war.

Später entstan­den daraus Orts- und Bebau­ungs­plä­ne, ohne die eine geord­ne­te städte­bau­li­che Entwick­lung heute undenk­bar wäre. Dies galt auch für die im späten 19. Jahrhun­dert einset­zen­de Indus­tria­li­sie­rung in Württem­berg und in ganz Deutsch­land. Letzt­lich beruhen die moder­nen Bebau­ungs­plä­ne noch immer auf den Ur-Karten, die noch heute bei bestimm­ten erschlie­ßungs­bei­trags­recht­li­chen Grenz­fra­gen eine Rolle spielen (Stich­wort: histo­ri­sche Straßen, die erschlie­ßungs­bei­trags­frei sind). Auch die Entwick­lung Oberko­chens zum Indus­trie- und moder­nen Wirtschafts­stand­ort wäre ohne diese Voraus­set­zun­gen so kaum möglich gewesen.

Ich danke Wilfried Müller, dass er dieses Thema zum Gegen­stand des 200. Heimat­be­richts für unser Amtsblatt gemacht hat. Und dass darin ein Stück der Oberko­che­ner Identi­tät liegt, belegt sein nachfol­gen­der Bericht.“

ältes­te Aufnah­me von Oberko­chen; Blick über alte Ziege­lei und Anfän­ge Leitz zum Ort hin (Archiv Müller)

Intro. Für alle, die es nicht wissen, früher gab es kein Baden-Württem­berg und 1830, in dem Jahr, um das es hier gehen soll, gab es drei Länder, die später einmal zu Baden-Württem­berg werden sollten:

Württem­berg, Baden, und Hohen­zol­lern — Staaten im Südwesten

Das Bundes­land Baden-Württem­berg gibt es erst seit dem Jahr 1952. Histo­ri­sche Vorläu­fer waren drei Staaten: Württem­berg, Baden und Hohen­zol­lern (ein preußi­scher Regie­rungs­be­zirk außer­halb „der preußi­schen Kernlande“).

Die Bundes­län­der, die wir heute kennen, gehen auf eine Tradi­ti­on kleine­rer Staaten im deutsch­spra­chi­gen Raum zurück. Bis ins späte 19. Jahrhun­dert hinein gab es kein „Deutsch­land“, zumin­dest nicht als einheit­li­chen Staat. Statt­des­sen existier­te eine Vielzahl an Monar­chien und Fürsten­tü­mern, die politisch unabhän­gig und nur locker verbun­den waren. Das 1871 gegrün­de­te Wilhel­mi­ni­sche Kaiser­reich fasste viele (nicht alle) dieser mittel­eu­ro­päi­schen Staaten zu einem deutschen Natio­nal­staat zusam­men. Die Regie­rung blieb jedoch föderal organi­siert, und viele politi­sche Struk­tu­ren und Entschei­dungs­pro­zes­se verblie­ben in Verant­wor­tung der einzel­nen Bundes­staa­ten. Diese Tradi­ti­on zog sich auch durch die Weima­rer Republik, und das födera­le System der Bundes­re­pu­blik knüpf­te bewusst daran an.

Die Verwal­tung der Länder in der NS-Zeit

Die natio­nal­so­zia­lis­ti­sche Führung zentra­li­sier­te im Zuge der Gleich­schal­tung die ehemals födera­le Verwal­tung. Die Gebie­te Württem­berg, Hohen­zol­lern und Baden, das von 1940 bis 1945 auch das besetz­te Elsass umfass­te, waren seit 1934 unmit­tel­bar der Reichs­re­gie­rung unter­stell­te Verwaltungsbezirke.

Diese drei Länder waren während der NS-Zeit zwar nicht mehr so selbstän­dig wie zuvor. Doch blieben die prakti­sche Umset­zung der Verwal­tung, die Polizei und die Gerich­te – und damit auch die Verfol­gung und Repres­si­on von LSBTTIQ *** – in großen Teilen Aufga­be der Kommu­nen und Länder. So wurde die natio­nal­so­zia­lis­ti­sche Herrschaft trotz der Gleich­schal­tung zu beträcht­li­chen Teilen auf Länder­ebe­ne durchgesetzt.

*** Dieses Abkür­zungs­un­ge­heu­er bedeu­tet „Lesben, Schwu­le, Bisexu­el­le, Trans­se­xu­el­le, Trans­gen­der, Inter­se­xu­el­le und Queers“ und stammt aus diesem Jahrhundert.

Neuord­nung der Länder in der Nachkriegs­zeit und der Bundesrepublik

Nach Ende der NS-Herrschaft glieder­ten die Alliier­ten die südwest­deut­sche Region in die Länder Süd-Baden, Württem­berg-Hohen­zol­lern (beide franzö­si­sche Besat­zungs­zo­ne) und Württem­berg-Baden (US-ameri­ka­ni­sche Besat­zungs­zo­ne). Der Staat Preußen wurde 1947 aufge­löst, womit Hohen­zol­lern den Status als eigen­stän­di­ges Gebiet verlor. Daher bezie­hen sich Verwei­se auf Hohen­zol­lern hier immer nur auf die NS-Zeit, nicht mehr auf die Bundes­re­pu­blik. 1952 wurden Süd-Baden, Württem­berg-Hohen­zol­lern und Württem­berg-Baden auf Grund­la­ge eines Volks­ent­scheids zum Bundes­land Baden-Württem­berg zusam­men­ge­fasst, das bis heute besteht. In der föderal struk­tu­rier­ten Bundes­re­pu­blik Deutsch­land erhiel­ten die einzel­nen Bundes­län­der ihre politi­sche Teilsou­ve­rä­ni­tät zurück.

Kurios: Im Jahre 1970 durften die Badener noch einmal darüber abstim­men, ob sie im fusio­nier­ten Bundes­land bleiben oder wieder selbst­stän­dig werden wollten, nachdem der südba­di­sche „Heimat­bund Baden­er­land“ gegen den Volks­ent­scheid von 1952 vor dem Bundes­ver­fas­sungs­ge­richt geklagt und 1956 sogar recht bekom­men hatte. 14 Jahre später wurde der Weg für einen zweiten Volks­ent­scheid geebnet, doch das Ergeb­nis war ernüch­ternd für die Südba­de­ner. Über 80 Prozent votier­ten für den Verbleib im prospe­rie­ren­den Bundes­land Baden-Württemberg.

Die Welt im Jahr 1830

Gerade erst hatte Papst Pius VIII. (1761−1830) im Vorjahr den Papst­thron bestie­gen, da war es mit ihm auch schon zu Ende. Sein Gesund­heits­zu­stand, der schon bei der Wahl zum Kirchen­ober­haupt sehr schlecht gewesen war, hatte sich nicht gebes­sert. Er starb am 30. Novem­ber 1830. Trotz der kurzen Amtszeit gilt er als einer der moderns­ten Päpste des 19. Jahrhun­derts. Ausge­gli­chen­heit und gute diplo­ma­ti­sche Fähig­kei­ten hatten sein Wirken ausge­zeich­net und zudem noch seine politi­sche Weitsicht, mit der er die Julire­vo­lu­ti­on von 1830 in Frank­reich akzep­tiert hatte. Pius VIII. hatte gegen den Wider­stand der Kurie und der franzö­si­schen Legiti­mis­ten sein Einver­ständ­nis mit der parla­men­ta­ri­schen Regie­rungs­form unter „Bürger­kö­nig“ Louis-Philip I. (1773−1850) gezeigt und ihm zugestan­den, den Ehren­ti­tel „Roi Très Chreti­en“ („Aller­christ­lichs­ter König“) zu führen, der tradi­tio­nell mit den franzö­si­schen Königen verbun­den war. Ein neuer Papst konnte vor Jahres­en­de nicht gewählt werden. Das Konkla­ve dauer­te bis in den Febru­ar 1831 hinein. In Algeri­en begann die Erobe­rung des Landes durch die franzö­si­schen Truppen, die am 14. Juni 1830 lande­ten und unter dem Befehl des Comte de Bourmont (1773−1846) standen. Bourmont richte­te seinen Erobe­rungs­zug zuerst gegen Algier. Die franzö­si­schen Truppen nahmen die Stadt am 5. Juli ein und gingen dann zur weite­ren Erobe­rung des Landes über. Ausge­löst worden war diese Invasi­on durch die Affäre „Der Schlag mit dem Fliegen­we­del“ im Jahr 1827, einem diplo­ma­ti­schen Affront. In Frank­reich selbst war es auch nicht fried­lich. In Paris hatte am 27. Juli die Julire­vo­lu­ti­on begon­nen, in der sich das Bürger­tum gegen die reaktio­nä­re Politik Karl X. (1757−1836) auflehn­te und den Monar­chen stürz­te. Am 9. August 1830 nahm der Herzog von Orléans als Louis-Philip­pe I. (1773−1850) die Königs­kro­ne von Frank­reich an und nannte sich „König der Franzo­sen“. Die franzö­si­sche Julire­vo­lu­ti­on hatte für andere Länder eine Vorbild­funk­ti­on. Ihr folgten Aufstän­de in ganz Europa und damit riesi­ge Flücht­lings­strö­me. Auch in Deutsch­land kam es zu Aufstän­den. In Braun­schweig wurde Herzog Karl II. (1804−1873) vertrie­ben. Der floh am selben Tag aus der Stadt, konnte sich in Braun­schweig bis zu seinem Lebens­en­de nicht mehr etablie­ren, machte sich aber im Exil einen Namen als Amateur-Schach­spie­ler. In Berlin brach im Septem­ber 1830 die Schnei­der-Revolu­ti­on aus. Politisch motivier­te Massen­ver­samm­lun­gen waren an der Tages­ord­nung, die die Forde­rung nach Freiheit und Gleich­heit unter­mau­er­ten und die unter Militär­ein­satz blutig nieder­ge­schla­gen wurden. Die Bevöl­ke­rung, die zuneh­mend politi­siert wurde, war damit auch nicht endgül­tig zur Ruhe gebracht worden. Die Unruhen gärten weiter. Im belgi­schen Brüssel führte ein Aufstand im Oktober dazu, dass sich Belgi­en für unabhän­gig von den Nieder­lan­den erklär­te. Und die Großmäch­te der „Londo­ner Proto­kol­le“ erkann­ten im Dezem­ber die belgi­sche Unabhän­gig­keit an. Sie verlang­ten aller­dings die strik­te Einhal­tung der Neutra­li­tät des Landes. Dem Beispiel der franzö­si­schen Julire­vo­lu­ti­on folgte auch Polen. In dessen Haupt­stadt Warschau begann der polni­sche Novem­ber­auf­stand, der sich gegen die russi­sche Herrschaft richte­te. Die russi­schen Truppen waren derart überrascht von dem Aufbe­geh­ren, dass sie sich umgehend aus Polen zurück­zo­gen. Ein berühm­tes Zeugnis der Julire­vo­lu­ti­on schuf der franzö­si­sche Maler Eugène Delacroix (1798−1863) mit seinem Gemäl­de „Die Freiheit führt das Volk“.

Inter­mez­zo. Wir sehen, dass das doch eine beson­de­re Zeit mit vielen Umbrü­chen war. Und daher ist es auch nicht verwun­der­lich, dass in dieser Zeit die erste karto­gra­fi­sche Vermes­sung stattfand.

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ältes­ter Plan von Oberko­chen; da zusam­men­ge­fügt gibt es einen kleinen Knick (Archiv Müller)

Wie kam es nun zu unserer Ur-Karte von 1830? Als Folge der Umwäl­zun­gen der napoleo­ni­schen Zeit hatte sich das 1806 zum König­reich erhobe­ne Land Württem­berg bis zum Jahr 1810 auf 19.514 km² vergrö­ßert, also gut das Doppel­te der Fläche von 1801. Entspre­chend der Vielzahl frühe­rer Herrschaf­ten gab es in den verschie­de­nen Landes­tei­len in Umfang, Aufbau und Genau­ig­keit höchst unter­schied­li­che Grund­stücks­ver­zeich­nis­se. Diese – zumeist als Güter‑, Lager- oder Steuer­bü­cher bezeich­net – erfüll­ten zwei Zwecke:

  1. Einer­seits dienten sie (als Vorläu­fer des heuti­gen Grund­buchs) dazu, alle mit den Grund­stü­cken verknüpf­ten Rechts­ge­schäf­te (Verkauf, Verpfän­dung, Grund­dienst­bar­kei­ten) einzu­tra­gen und
  2. anderer­seits bilde­ten sie ein wichti­ges Hilfs­mit­tel für die Erhebung der Grund­steu­er. Um die Steuer nicht willkür­lich, sondern nach einem nachvoll­zieh­ba­ren System, beruhend auf Größe, Nutzung und Ertrags­wert der Grund­stü­cke, festset­zen zu können, mussten die Bücher verein­heit­licht und alle Flächen genau vermes­sen werden.
  3. Weite­re Anwen­dun­gen der Vermes­sung hatte man im damals vorwie­gend von der Landwirt­schaft gepräg­ten König­reich noch nicht im Sinn; sie sollten aber bald an Bedeu­tung gewin­nen (Straßen- und Wasser­bau, Eisen­bahn­bau ab 1845).

Württem­ber­gi­sche Landes­ver­mes­sung 1818 — 1840

König Wilhelm I. ordne­te die Landes­ver­mes­sung per Dekret am 25. Mai 1818 an, mit dem Ziel, Württem­berg in ein moder­nes Staats­we­sen umzuge­stal­ten. Haupt­ar­gu­ment für die genaue Vermes­sung, in der

  • Feld für Feld,
  • Haus für Haus und
  • Weg für Weg

erfasst wurde, war insbe­son­de­re die Schaf­fung einer Grund­la­ge für die einheit­li­che Besteue­rung des Grund­ei­gen­tums. Dies war damals die wichtigs­te Geldquel­le, um notwen­di­ge Refor­men finan­zie­ren zu können.

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1830: Tübin­gen Hirsch­gas­se (Wikipe­dia)

Somit fiel in Tübin­gen der Start­schuss für die Vermes­sung des König­reichs Württem­berg und für den Aufbau eines Liegen­schafts­ka­tas­ters. Dabei wurden gemar­kungs­wei­se, zur Ergän­zung der Flurkar­ten, Primär­ka­tas­ter angelegt, die in Buchform tabel­la­risch Infor­ma­tio­nen über alle Gebäu­de, die bebau­ten Parzel­len, Feldgü­ter, Wege und Gewäs­ser führten. Ihren Abschluss fand die Landes­ver­mes­sung am 1. Juli 1840 in Tübin­gen. Insge­samt wurden über 5 Millio­nen Flurstü­cke im Rahmen der Landes­ver­mes­sung erfasst und 15.572 Flurkar­ten sowie 304 Ortsplä­ne in dieser Zeit angefer­tigt. Die Kosten lagen bei 3,8 Mio. Gulden was rund 40% des Jahres­etats des damali­gen König­rei­ches entsprach!

Ostalb­map. Die Flurkar­ten entstan­den (im Origi­nal­maß­stab 1:2.500) durch Kartie­rung der Vermes­sungs­er­geb­nis­se und bilden flächen­de­ckend sämtli­che Liegen­schaf­ten (alle Gebäu­de und Grund­stü­cke) des damali­gen König­reichs Württem­berg ab. Diese werden daher meist als Ur-Karten bezeich­net. In der „ostalb­map“

Ostalb­map — Herzlich willkommen

können die rund 1.300 Flurkar­ten des Ostalb­krei­ses einge­se­hen und mit den heuti­gen Verhält­nis­sen vergli­chen werden. Die Ur-Karten sind bei Heimat­for­schern sehr beliebt und auch für Altlas­ten­er­kun­dun­gen, Ingenieur­gut­ach­ten oder bei denkmal­pfle­ge­ri­schen Fragen werden sie noch heute zu Rate gezogen.

Die KI gibt auf die Frage „Wie war das Leben im Jahr 1830 in Oberko­chen“ wie folgt Auskunft:

„Im Jahr 1830 war das Leben in Oberko­chen stark von der Landwirt­schaft geprägt. Die meisten Menschen lebten von der Landwirt­schaft und kleine­ren Handwerks­be­trie­ben, wie z.B. den Eisen­wer­ken. Das Dorf war recht klein, mit etwa 600 Einwoh­nern, und die Gemein­schaft war eng zusam­men. Die Infra­struk­tur war einfach, und viele Häuser waren aus Holz oder Stein gebaut. Es gab zwei Schulen, eine katho­li­sche und eine evange­li­sche, was die religiö­se Spaltung der Bevöl­ke­rung wider­spie­gel­te. Das tägli­che Leben war hart und von der Natur abhän­gig, aber die natür­li­che Schön­heit der Umgebung und die Wasser­res­sour­cen boten gute Lebensbedingungen.“

(KI weiß fast alles richtig bis auf die Eisen­wer­ke und die religiö­se Orts-Trennung, die damals schon aufge­ho­ben war und doch bestan­den weiter­hin zwei konfes­sio­nel­le Schulen.)

Bevor es los geht. Ich habe es mir im Laufe der Jahrzehn­te angewöhnt, hin und wieder an die Menschen zurück­zu­den­ken, die einst durch die Straßen und Gassen gingen, durch die ich gerade laufe – sei es in Oberko­chen oder in Zürich oder sonst wo auf der Welt. Hier bei uns, betrifft das spezi­ell das alte Oberko­chen: Die Langgass‘, die Kirch­gass‘ d‘ Katza­bach ond s ontere Dreiß­adal sowie dr Brunkel und d‘ Roasch. Also aufge­passt, wir begeg­nen jetzt Menschen, die vor 195 Jahren hier ihre Tage verbrach­ten und ihre Zeit auf unseren Fried­hö­fen auch schon lange hinter sich haben. Und wenn wir sie treffen, sagen wir nicht „Hallo oder glei gar nix“, sondern GRÜß GOTT (wie sich’s gheert) und fragen sie „wie’s mit der Arbeit isch ond wie’s dr Familie geht“.

Fakten: Es gab 130 Häuser und 630 Einwoh­ner, die sich auf rund 20 durch­num­me­rier­ten Ortswe­gen verteil­ten (1620 gab es 600 EW, nach dem 30jährigen Krieg, im Jahr 1648, gab es nur noch 100 EW).

Und wie sah die kleine Welt im Jahr 1830 in Oberko­chen aus?

Der Bürger­meis­ter hieß immer noch Caspar Schee­rer, wie schon zu Zeiten des geteil­ten Dorfes, der aber bald wegen Diffe­ren­zen „mit dem württem­ber­gi­schen Bürokra­tis­mus“ zurück­tre­ten wird

  • Ein Rathaus gab es noch nicht und
  • die Schulen waren nach Konfes­sio­nen getrennt.
  • Die Pfarrer waren Franz Josef Lauth (kath.) und Johann Chris­ti­an Hornber­ger (evang.).
  • An der katho­li­schen Schule (im heuti­gen Edith-Stein-Haus) lehrte Anton Balluff und
  • in der evange­li­schen Schule*** (vermut­lich Ecke Aalener Straße / Bürger­meis­ter-Bosch-Straße) ging es drunter und drüber. Lehrer kamen und gingen und die Besol­dung war knapp.
    *** Erst viele Jahre später finden wir das ev. Schul­haus im heuti­gen Heimatmuseum.
  • Dazu gab es einen Polizei-Diener und
  • über allem wachte das Oberamt Aalen.

Die sog. Ur-Karte aus dem Jahr 1830 zeigt anschau­lich, welche Häuser es damals gab und eine Liste, die mir vom „Schrei­ber­le“ Joachim Fischer aus Backnang zugespielt wurde, macht ersicht­lich, wie die Eigen­tü­mer hießen und was sie von Beruf waren. Die Karte wurde von dem ehema­li­gen (zu früh verstor­be­nen) Oberko­che­ner Eugen Tritt­ler gezeich­net, der später in Unter­schneid­heim wohnte, weil er im dorti­gen Zweig­werk von LEITZ Konstruk­ti­ons­chef war. Die Karte und die Namen basie­ren auf Recher­che-Arbei­ten im Aalener Liegen­schafts­amt, die vom „Schrei­ber­le“ Joachim Fischer aus Backnang engagiert durch­ge­führt wurden.

PS: Es gab und gibt einige Unklar­hei­ten, was den Abgleich der Karten und der Tabel­le betrifft. Diese ließen sich aber nicht ausräu­men – so leben wir damit.

Mit diesen Plänen kann sich jetzt jeder selbst mal auf die Suche machen und schau­en, was da heute für Häuser stehen. Betrach­ten wir es auch als einen Vorschlag zu einem beson­de­ren Spazier­gang durch unsere Gemein­de (daraus könnte der Heimat­ver­ein auch ein neues Such-Spiel für das Ferien­pro­gramm entwickeln):

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Planaus­schnitt 1: Ur-Karte von 1830: Langgaß‘ – heute Heiden­hei­mer Straße (Archiv Müller)

Begin­nen wir mit Plan-Ausschnitt 1, der die Gebäu­de 1 bis 26 sowie 108 bis 126 beinhaltet:

Geb.Nachna­meVorna­meBeruf
1KoppMartinSchuh­ma­cher
1KoppJohan­nes Georg
2WengertJohan­nesMaurer
2KoppAntonHafner
3Wellna­gelMelchi­orAmtsbo­te
4Mühlber­gerMartinTaglöh­ner
005aTraubMartinTaglöh­ner
005bGoldNNSchul­meis­ter
6Brand­stet­terJosefWeber
7Wieden­hö­ferMartinWeber
8HirschJohann GeorgSchuh­ma­cher
8Zösch­mannJoachimBergmann
9ZenkJohann GeorgSchnei­der
10BäuerleJohann Georg
011aBasslerMicha­elSchäfer
011bSchuh­ma­cherMartinGemein­de­rath
12Brunn­hu­berJohann GeorgMaurer
13GoldMicha­elBauer
14GruppJohann (?) MichaelBauer
15HofmannJohann GeorgTaglöh­ner
16Stöck­leJosefHafner
17MaierSigmund JonathanSchult­heiß (1830−1849)
018aGoldMicha­elBauer
018bSpäthMelchi­orBergmann
018bSpäthMatthä­usBergmann
019aHeckerMelchi­orTaglöh­ner
019bBitzJoh. Melchi­orSchul­leh­rer
20Beiswan­gerChris­tophBauer
020aSchererGottlobSöldner
21JoosLudwigSchmied
22Forst­haus
23MerzHeinrichBergmann
023aWidmannJoh. JakobSchuh­ma­cher
24FritzBernhard
24BäuerleJohannFuhrknecht
024aBrunn­hu­ber jr.Sebas­ti­anMaurer
25FischerJohan­nesHafner
26Wieden­hö­ferMatthä­usFlurschütz (Bilzhan­nes)
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Heiden­hei­mer Straße rechte Seite; heuti­ge Hausnum­mern 10 bis 16 (Archiv Müller)

Beispiel im Detail und im Vergleich zu früher, ganz früher und heute die Gebäu­de 24 bis 26
Beschrei­bung zum Bild:
0 – Zaun zum vorge­la­ger­ten Garte des „Storchen­becks“ Widmann in der Heiden­hei­mer Straße 6 (heute Cigdem Kebap Pizza Haus)

1 – (Gebäu­de 026) Das erste Rathaus mit der Fahnen­stan­ge über dem Eingang. Vor dem Haus vermut­lich der Amtsbüt­tel. Hinter dem großen Scheu­nen­tor stand das Fahrzeug der Freiwil­li­gen Feuer­wehr. Rechts daneben hängt der Aushang-Kasten für Bekannt­ma­chun­gen. Im Giebel erkennt man den Ausle­ger, an welchem die Feuer­wehr­schläu­che hochge­zo­gen wurden (Später Oberko­che­ner Bank, heute Aalener Volks­bank Hausnum­mer 10).

2 – (Gebäu­de 025) Haus des „Herrgott­beck“ Johan­nes Niklas Fischer, später „Herrgotts­häf­ner“ Winter / Fischer. Das Gebäu­de wurde am 11. April 1945 durch eine Bombe zerstört, dabei kamen 8 Menschen ums Leben (Heute Hausnum­mer 12)

3 – (Gebäu­de 024 und 024a) In diesem Doppel­haus, das bei o.g. Bomben­an­griff ebenfalls zum größten Teil zerstört wurde, lebten einst zum einen Joseph Brunn­hu­ber und zum anderen der Metzger Johan­nes Betzler (1855−1940). Der Rest stürz­te im Sommer 1945 vollends ein (Heute unbebaut und Zugang zum dahin­ter­lie­gen­den Boarding- oder Gäste­haus; deshalb fehlt die Haus Nr. 14).

4 – Einst stand hier das Rössle, im Jahr 1830, war das Grund­stück nach unbebaut (Heute Kocher­tal-Apothe­ke Haus Nr. 16)).

Geb.Nachna­meVorna­meBeruf
108DeegJosefSchmied
109StaudJosefGassen­wirt
110Gold sen.Micha­elBauer
111BezlerJohan­nesMetzger
112BekJosefKrämer
113WeberJosefSöldner
114Kauff­mannMicha­elSchuh­ma­cher
114aHugJosefSchrei­ner
115aBezlerFranzWagner
115bGruppJosefBauer
116aSchnei­derJohan­nes
116bHäckerJoachimTaglöh­ner
117BezlerJosefBauer
118HäckerUlrichSöldner
119BalleMicha­elBauer
120SchmidJakobBauer
121aMünderJosefBauer
122LinderJosefObermül­ler
122LinderFranz Anton
123VeilJakobBauer
124KolbBalthes
124SchmidHansTaglöh­ner
125Wengho­ferFranz AntonPottasche­sie­der
126Kienin­gerMicha­elÖlmül­ler
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Planaus­schnitt 2: Ur-Karte von 1830: heuti­ge Katzen­bach­stra­ße und Aalener Straße (Archiv Müller)

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Gebäu­de 65: Der ganz alte „Ochsen“, als er noch „Golde­ner Ochsen“ hieß (Archiv Müller)

Es folgt Plan-Ausschnitt 2, der die Gebäu­de 27 bis 75 sowie 81 bis 107 beinhaltet:

Gebäu­deNachna­meVorna­meBeruf
27LinderAntonObermül­ler
28StarzLudwigTaglöh­ner
29SchauppMicha­elBäcker
030aFuchsJohan­nesHirsch-Wirt
030bFuchsJohan­nesHirsch-Wirt
31Schaub (?)JosefBauer
32BalleFranz JakobBauer
33Baumgärt­nerBalt.Küfer
34BarthMelchi­orSöldner
35Balle jun.JakobBauer
36SchübelJohannKüfer
37ScherrSimpertWagner
38HolzJosefWagner
39WeberJosefBauer
40ScherrAdamSchult­heiß + Bauer (bisher unbekannt)
41Schee­rer jr.Georg AdamBauer
42KoppJohann GeorgBergmann
43WirthBalthes
44Grupp jr.JoachimBauer
44GoldSebas­ti­an
45HonoldUlrichBauer
46Mühlber­gerBalthesZimmer­mann
47Wieden­hö­ferMelchi­orWeber
48MerzJohannDreher
49MaierChris­tophSöldner
50HugMicha­elHafner
51Deinin­gerMicha­elTaglöh­ner
52KoppFranzTaglöh­ner
53SapperConradHafner
54GruppMelchi­orBauer
55GruppMelchi­orBauer
56VeilJosefOchsen­bau­er
57SchmidDorothealedig
58BäuerleChris­tophSchmied
59Brand­stet­terFranz Anton
060aBeiswan­gerJakobSchnei­der
060bSchee­rerCasparSchult­heiß (1803−1809 / 1809–1830)
61Zehen­d­scheu­er + Spritzenhaus
062aBezlerJohannWegknecht+Waagknecht
062bDeinin­gerMicha­elMaurer
63FrizJosefMaurer
64SeitzHeinrichKrämer
65SchmidMatthä­usOchsen-Wirt
66MeckChris­tophBauer
67SchmidMicha­elHufschmied
68Grupp jr.JohannBauer
69Grupp jr.JohannBauer
70WinterXaverSchäf­bau­er
71WengertJosef Anton
72Pfarr­haus kath.
73WiedmannMelchi­orWeber
074aWieden­hö­ferJakobWeber
074bWengertFranz AntonMaurer
75BurrJohann GeorgBäcker
81GoldJosefWegknecht
82HefeleJosef
83Brunn­hu­berJosefMaurer
84Zosch­mannJohan­nesBauer
85WiedmannCasparBauer
86Jungin­gerCasparWaldschütz
87KoppSebas­ti­anTaglöh­ner
088aFritzJosefKüfer
088aGruppGeorgBauer
088bFrizJosefKüfer
89FrizFranz AntonSchnei­der
90BössnerJohannSchuh­ma­cher
91MahlerJohan­nesGärtner
92DölkerMatthä­usZimmer­mann
93Armen­haus
94Gefäng­nis
95Stadel­mai­erJosefUnter­mül­ler
96VogtJosefWeber
97FischerSebas­ti­anBauer
98MaierJonatanSchult­heiß (ident wie unter Geb. 17?)
99HugJosefHafner
100aUhlXaverTaglöh­ner
100bBezlerFranzKüfer
101aVeilJosefKarles­bau­er
102Schul­haus kath.
103FuchsJohannHirsch­wirt
104FuchsJohannHirsch­wirt
105Kirche + Pfarr­haus ev.
106GruppJohannBauer
107MüllerJosefMühlknecht
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Von Gebäu­de 104 und 106 einge­rahmt: 1857: Die alte evang. Kirche und das dazuge­hö­ri­ge Pfarr­haus (Archiv Müller)

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vor 1900: Die alte katho­li­sche Kirche St. Peter und Paul (Archiv Müller)

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Planaus­schnitt 3: Ur-Karte von 1830: heuti­ge Katzen­bach­stra­ße und Aalener Straße (Archiv Müller)

Abschlie­ßend folgt Plan-Ausschnitt 3, der die Gebäu­de 76 bis 80 beinhaltet:

Gebäu­deNameVorna­meBeruf
076MüllerJohannBauer
077Schule ev.
078SchauppFranzWegknecht
079Dritt­lerGeorgWeber
080FrizJosef AntonKüfer
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1912: Noch eine ländli­che Dorfmit­te (Archiv Müller)

Verblei­ben noch die rund 20 Ortswe­ge. Früher gab es nur Ortswe­ge und Häuser, die durch­num­me­riert wurden.

  • 01 Langgass‘ (heute Heiden­hei­mer Straße)
  • 02 Kirch­gass‘ (heute Aalener Straße)
  • 03 Katzenbachstraße
  • 04 Feigengasse
  • 05 unterer Teil der Dreißentalstraße
  • 06 Weg zwischen Consi­lio (Golda-Bauer) und Haus Möhrle (früher Napoleon)
  • 07 Hasengässle
  • 08 unbekannt
  • 09 Albert-Bäuerle-Straße
  • 10 Weg zwischen Oberer Mühle und Kocherkanal
  • 11 Weg entlang des Kochers
  • 12 Weg zwischen Optiker und Kaufmann am alten Huga-Schrei­ner vorbei zum Kocher
  • 13 unbekannt
  • 14 heuti­ge Mühlstra­ße zwischen kath. Kirche und Heimat­mu­se­um II (früher Haus Hohentwiel)
  • 15 heuti­ge Mühlstra­ße zwischen Mühlen­scheu­er und Kocherbrücke
  • 16 heuti­ge Mühlstra­ße im Bereich des frühe­ren Armen­hau­ses, heute steht dort das Haus Hubert Glaser
  • 17 heuti­ge Mühlstra­ße vom Haus Bäuerle hoch Richtung Aalener Straße (wo früher die Tankstel­le auf dem heuti­gen leeren Platz stand und heute manch­mal der Göcke­les-Verkäu­fer steht
  • 18 der steils­te Teil der heuti­gen Mühlstra­ße, vorbei am frühe­ren Haus des Oberamts­mann Feil bis zur Arztpra­xis hinauf
  • 19 heuti­ge Mühlstra­ße vor dem Haus Bäuerle
  • 20 entspricht dem heuti­gen Pflug-Gässle (hier wohnte im Gebäu­de 57 einst unser Deutscher Meister im Ski-Langlauf Karl Lense)
  • XX Die heuti­ge Wachol­der­stei­ge zwischen Zimme­rei Brunn­hu­ber und Leitz war früher ebenfalls ein Ortsweg vzw. Vizinal­weg, der zur Schlag­gen­wä­sche am Ölwei­her führte.

So, des Gschäft wär‘ gschafft. Ich denke, dass das ein wichti­ger Bericht ist, und ich würde mich sakrisch freuen, wenn ich demnächst den einen oder die andere mit diesen Plänen durch Oberko­chen herum­ir­ren sehe, um das Geschrie­be­ne vor Ort zu betrach­ten. Viel Spaß dabei.

PS: Wenn ich mir Karten so anschaue, könnte ich mir vorstel­len auf der kommen­den neuen Website des Heimat­ver­eins eine inter­ak­ti­ve Karte zu instal­lie­ren und mit Bildern der Häuser aus späte­ren Jahren aus den Archi­ven „Wilfried Müller“ und „Wilhelm Schön­herr“ zu verlin­ken. Da hat der „Stefan Müller“ bestimmt eine Lösung.

Es grüßt von seinem Rundgang über die alten Ortswe­ge der „Billie vom Sonnenberg“

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