Intro. Oberko­chen hatte und hat einige Schrei­ner­meis­ter und Zimmer­meis­ter mit ihren Schrei­ne­rei­en und Zimme­rei­en, aber es hatte auch einen „Papst“ – den „Treppen­bau­er-Papst“ schlecht­hin. Eine Koryphäe auf seinem Gebiet – und das europa­weit. Geboren am Fronleich­nams­tag, den 11. Juni 1925 in Oberko­chen und gestor­ben am 10. März 2022 in Oberko­chen. Sein Grab, das er mit seiner Frau Marie­an­ne (*1925 † 2007) teilt, einer Tochter des Arztes Dr. Alfred Luben­au aus Königs­bronn, finden wir auf dem Katho­li­schen Fried­hof – nicht weit von seiner einsti­gen Firma und seinem Wohnhaus im Kapel­len­weg 26. In diesen nahezu 97 Jahren gestal­te­te er ein Leben, das umfang­rei­cher nicht sein konnte. Als Nachkom­men von Marie­an­ne und Willi­bald kennen wir seine drei Töchter Monika, Barba­ra und Chris­ti­ne. Dazu kommen drei Enkel und ein Urenkel.

Als noch 4 Bäume den Eingang zum Kath. Fried­hof zierten (Archiv Müller)

Wie sagte er einst bei der ersten Vorstel­lung als Kandi­dat zur Gemeinderatswahl:

„Ich habe meine Freude an allem Schönen und Edlen“.

Das könnte durch­aus seine Lebens­li­nie gewesen sein. Er begann am 11. Novem­ber 1956 und beende­te die Tätig­keit als Gemein­de­rat am 5. Juni 1989 nach knapp 33 Jahren. Und als er gerührt die Dankes­re­de zu seinem Abschied im Sitzungs­saal hörte, kommen­tier­te er wie folgt:

„Die Pflicht, die Arbeit und das stete Suchen nach dem Schönen waren im Grunde immer meine 3 Leitlinien.“

Wie sagte Bürger­meis­ter Gentsch über ihn als Gemeinderat:

„Er war ein kanti­ger Mitstrei­ter, der nicht immer ganz bequem zu handha­ben gewesen sei……seine Denkan­stö­ße sowie seine Exper­ti­se als Archi­tekt waren unbezahlbar…..er war kein Ja-Sager und kein beque­mer Mitläu­fer, sondern ein Vordenker…..“

Ich erinne­re mich daran, dass er bei zwei größe­ren Projek­ten seine ganze Kraft und Überzeu­gung, zusam­men mit anderen, einbrach­te. Zum einen bei der Umgestal­tung des Kapel­len­wegs zu einer Durch­gangs­stra­ße, was ihm verständ­li­cher­wei­se gar nicht gefiel und zum anderen der Verhin­de­rung eines weite­ren Autobahn­an­schlus­ses über Oberko­che­ner Gemarkung.

Ein paar Worte zum Vater, der ebenfalls Willi­bald hieß. Dieser stamm­te aus Rammin­gen bei Ulm und wurde am 05.07.1896 geboren. Drei Jahre musste er im I. Weltkrieg Dienst tun und wurde bei Verdun verwun­det. 1918 wurde er mit einem Arbeits­kom­man­do zur Firma Gebr. Leitz nach Oberko­chen geschickt und trat kurz danach in die Zimme­rei Brunn­hu­ber ein. 1919 heira­te er Eugenie Elmer. Im Jahr 1921 gründe­te er die Zimme­rei Mannes, die ihren Anfang im Haus Nr. 3 in der Mühlstra­ße hatte. 1923 legte er seine Meister­prü­fung ab. Auch der II. Weltkrieg verlang­te ihm nochmals Dienst­zei­ten in den Jahren 1939 und 1944 ab. Anfangs beschäf­tig­te er 2 bis 3 Mitar­bei­ter, Ende der 30er Jahre bereits 8 bis 10 Gesel­len. Und so blieb es nicht aus, dass umgebaut und erwei­tert werden musste. Der II. Weltkrieg hatte auch hier seine Auswir­kun­gen – 6 seiner 8 Gesel­len kamen nicht wieder zurück. Nach dem Krieg ging es dann richtig aufwärts und es musste umgezo­gen werden – der Kapel­len­weg 28 wurde das neue Domizil der aufstre­ben­den Firma. Im Vereins­le­ben war er sehr aktiv (im Gewer­be- und Handels­ver­ein, im Turnver­ein, im Gesang­ver­ein, im Schwä­bi­schen Albver­ein und im Musik­ver­ein). Von 1951 bis 1956 war er als Gemein­de­rat tätig. Den Lebens­abend verbrach­te er bei seinen Töchtern Maria und Resl in Schwein­furt, wo er im Jahr 1978 verstarb.

Willi­bald Mannes sen. und Eugenie Mannes aus der Mühlstra­ße 10 (Archiv Müller)

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Willi­bald Mannes – ein Stilist von Gottes Gnaden (Archiv Müller)

Biogra­fie des Willi­bald Mannes jun. aus dem Brunkel

1931 – 1938 Volks­schu­le
1938 – 1940 Zimmer­er­leh­re mit 13 Jahren !!!
1941 – 1946 Arbeits­dienst, Solda­ten­zeit, ameri­ka­ni­sche Gefan­gen­schaft in Nordfrank­reich
1946 Rückkehr, Zimmer­ge­sel­le im väter­li­chen Betrieb
1948 Meister­prü­fung bei der Handwerks­kam­mer Ulm mit 23 Jahren !!!
1948 Sonder­zeug­nis zur Befähi­gung als Lehrer an der Gewer­be­schu­le Aalen
1950 Aushän­di­gung des Meister­brie­fes
1959 allei­ni­ger Inhaber der Firma Mannes
1966 Eintra­gung in die Archi­tek­ten­lis­te der Archi­tek­ten­kam­mer Baden-Württem­berg
1966 – 2006 eigen­stän­di­ges Architekturbüro

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Eines seiner Bücher über seine Treppen-Welt (Archiv Müller)

Die Treppe hatte es ihm angetan und beson­ders die „gewen­del­te“. Ihr widme­te er sein beruf­li­ches Leben und zeigte durch sie sein Können und seine Passi­on. Nicht ohne Grund hat eines seiner erfolg­rei­chen Bücher aus dem Jahr 1994 genau diesen Titel.

Mannes-Treppen­bau-Freun­des­krei­se. Vier dieser Gruppie­run­gen hat er gegrün­det und seit 1980 jährli­che Treffen mit Firmen­in­ha­bern organi­siert. Dort wurde auch der liebe­vol­le Spitz­na­me „Stiegen-Papst“ kreiert.

Ausstel­lun­gen. 1984 begann er in Oberko­chen Ausstel­lun­gen mit dem Namen „Die Treppe als Kunst­werk“ durch­zu­füh­ren, die in Südti­rol, der Schweiz und Öster­reich ihre Fortset­zung nahmen und in eine Dauer­aus­stel­lung in seiner Werkstatt von 2003 bis 2013 mündeten.

Autoren­tä­tig­keit. Insge­samt verfass­te er rund 130 Beiträ­ge in Fachzeit­schrif­ten und veröf­fent­lich­te 11 Fachbü­cher über die Treppe und Dachkon­struk­tio­nen, die tlw. ins Engli­sche, Franzö­si­sche, Spani­sche und ins Tsche­chi­sche übersetzt wurden. In diesem Zusam­men­hang verwei­se ich auf den Bericht 775 über Oberko­che­ner Autoren.

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Der Autor inmit­ten seiner Bücher­welt (Archiv Müller)

Lehrtä­tig­keit – Durch­füh­rung von Fachkursen:

  • Durch­füh­rung von Fachlehr­gän­gen über Holztrep­pen­bau in vielen Städten Baden-Württembergs
  • Spezi­al­kur­se für Treppen­bau in eigener Durch­füh­rung in Oberko­chen, Entwick­lung und Vertrieb vonSpe­zi­al­werk­zeu­gen für den ratio­nel­len Treppenbau
  • Aufbau und Durch­füh­rung von Lehrgän­gen für Restauratoren
  • weit über 100 Vorträ­ge, teilwei­se mit Dia- und Video­vor­füh­run­gen in Schulen, Firmen und Verbän­den im deutsch­spra­chi­gen Europa
  • fachbe­zo­ge­ne Lehrgän­ge und Vorträ­ge in Öster­reich und Südtirol
  • Nach Aufga­be der Produk­ti­on von Treppen im Jahr 1987 begann er mit der Durch­füh­rung von ein- oder zweiwö­chi­gen Lehrgän­gen über handwerk­li­chen Treppen­bau in der eigenen Werkstatt (Teilneh­mer aus dem deutsch-sprachi­gen Europa)-

Wer solche Spuren hinter­lässt, wurde natür­lich auch entspre­chend geehrt:

  • Bundes­ver­dienst­kreuz am Bande
  • Ehren­me­dail­le des Gemein­de­ta­ges Baden-Württemberg
  • Bürger­me­dail­le der Stadt Oberko­chen für 25-jähri­ge Gemeinderatszugehörigkeit
  • Golde­ne Ehren­na­del des deutschen Zimme­rer- und Holzbaugewerkes
  • Ehren­ur­kun­de 26 Jahre Fachbei­sit­zer im Meister­prü­fungs­aus­schuss für das Zimme­rer­hand­werk derHand­werks­kam­mer Ulm a/D.
  • Ehren­ur­kun­de 25 Jahre Normen­aus­schuss Treppen
  • Ehren­mit­glied und Ehren­ur­kun­de im Bundes­ver­band Treppen- und Gelän­der­bau e.V., München

Auch künst­le­risch war er tätig. Ob als Archi­tekt, der z.B. 2004 von Freitag bis Sonntag 14-stündi­ge Kurse für „Freihand­zeich­nen für Schrei­ner“ für 80 € anbot oder als Künst­ler, der Motive aus Oberko­chen sowie anderen Orten und auch Still­le­ben malte. Ich habe das Glück, dass mir meine Schul­freun­din Bärbel Mannes einige Werke von ihm schenkte.

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Willi­balds Zeichen­küns­te fanden auch ihren Weg in Semina­re für Schrei­ner (Archiv Müller)

Fazit: Wenn man sich das alles anschaut, was in seinem Leben einen Platz einnahm, komme ich nur zu dem Schluss:

„Der Mann hat geliebt, was er angefasst hat und wenn die Tage nicht ausge­reicht haben, muss er die Nächte zum Tag gemacht haben – anders wäre das wohl nicht gegangen.“

Da habe ich noch einen Bericht eines unbekann­ten Autors mit dem Titel „Vollende­te Stufen“ anläss­lich seines 80sten Geburts­ta­ges gefun­den (mit leich­ten Anpas­sun­gen und Auslassungen):

….. Wer den Weg des am 11. Juni 1925 in Oberko­chen gebore­nen Willi­bald Mannes über die Jahrzehn­te hinweg verfolgt hat, kann mit einigem Recht anneh­men, dass Thaddä­us Troll (dessen Großmutter einst auch in unserer Gemein­de lebte) bei der Charak­te­ri­sie­rung eines typischen Schwa­ben einen Mann wie den inter­na­tio­nal anerkann­ten „Treppen­papst“ Mannes als gedank­li­ches Modell vor sich gehabt hat. Denn von Anfang an hat dieser, ungeach­tet aller Schwie­rig­kei­ten, seine fachli­chen Ziele stets unbeirrt und konse­quent verfolgt…. nach seiner Entlas­sung aus der Wehrmacht gelang es ihm nur mit größter Mühe, seinen Vater Willi­bald davon zu überzeu­gen, dass der Treppen­bau eine Riesen­chan­ce sein würde…..1959 übernahm er den väter­li­chen Betrieb in nunmehr eigener Verant­wor­tung.
In einem Alter, in dem heuti­ge junge Menschen oft noch nicht wissen, was sie tun wollen, stand dieser junge Mann bereits als Lehrer in der Gewer­be­schu­le Aalen, in Ulm, Stutt­gart und Karls­ru­he vor oft gestan­de­nen Männern, um sie in die Kunst der Baukon­struk­ti­on und des Treppen­baus einzu­füh­ren. Zwischen 1949 und 2003 hat er in über 170 Lehrgän­gen rund 4.500 Teilneh­mer in seine Art des Treppen­baus einge­führt – sei es in Oberko­chen, in Deutsch­land, Öster­reich und in der Schweiz….. Auch veran­stal­te­te er Lehrgän­ge für Restau­ra­to­ren, deren Anmel­dun­gen weit über das Umsetz­ba­re an Teilneh­mern hinaus­gin­gen.
Sorgen berei­te­te ihm der indus­tri­el­le Treppen­bau, der auf dem Weg war, die handwerk­li­che Treppen­bau­kunst zu verdrän­gen. Daraus bezog er seinen Élan, um möglichst viele Handwer­ker dafür zu begeis­tern….. auch die zustän­di­gen Fachver­bän­de ermahn­te er, sich notwen­di­gen Struk­tur­än­de­run­gen nicht zu verschließen…..

Seine Stärken waren:

  • sein beharr­li­cher Fleiß
  • seine Fähig­keit sich in unlös­ba­re Proble­me zu verbeißen
  • sein Drang zum Sinnie­ren und Tüfteln
  • und das Achten auf höchs­te Qualität

Bis 1987 hat er in seiner hiesi­gen Werkstatt selbst Treppen herge­stellt. Nicht selten musste er Aufträ­ge z.B. aus den Verei­nig­ten Staaten mangels Kapazi­tä­ten ablehnen.

Bei der Ehrung eines langjäh­ri­gen Mitar­bei­ters stell­te er bei seiner Jubilä­ums­re­de fest:

„Unsere Treppen stehen in allen Teilen Europas zwischen Nancy und Passau sowie zwischen Genfer See und Dänemark. Unsere Werkstatt ist nun zum Hörsaal gewor­den und unser Maschi­nen­raum zum prakti­schen Vorführraum.“

(und auch in Billies Eltern­haus im Sonnen­berg 34 steht eine solche).

Auch als Archi­tekt war er seit 1966 unter­wegs. Wir finden seine Spuren noch heute in damals tlw. kühnen Entwür­fen für Privat­häu­ser und auch Vereins­hei­me zeigen seine Handschrift. Zwischen 1978 und 1981 war er für die schwie­ri­gen und gelun­ge­nen Renovie­rungs­ar­bei­ten der katho­li­schen Kirche St. Peter und Paul verantwortlich.

1968 durfte er die Eröff­nungs­re­de zum neuen Rathaus am Eugen-Bolz-Platz halten und begann mit den Worten

„Es baut der Mensch sein Haus, dann formt das Haus den Menschen“.

Wie wahr.

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Als Seminar­lei­ter führte er in die Kunst der handwerk­li­chen Treppen­kunst ein (Archiv BM Online)

Nach seinem Tod im Jahr 2022 konnte man überall Nachru­fe auf ihn finden. Sei es von der Stadt Oberko­chen, der Schwä­Po, der Schwä­bi­schen Zeitung und den Freien Bürgern und in anderen Medien. Und so beende ich den Bericht über sein Wirken während eines ungewöhn­lich langen Lebens mit den Worten eines Treppen­bau­ers aus der „BM Online“.

„Am 10. März 2022 ist ein erfüll­tes und geseg­ne­tes Leben zu Ende gegan­gen. Viel mehr kann mensch­li­ches Wirken und Streben nicht hervor­brin­gen. Willi­bald Mannes war weit mehr als ein „Handwer­ker“ im üblichen Sinn. Er war erfolg­rei­cher Unter­neh­mer, Buchau­tor, Künst­ler, Illus­tra­tor, Archi­tekt, Maler, Lehrer, Ausbil­der, Kommu­ni­ka­tor, engagier­ter Kommu­nal­po­li­ti­ker, Vorden­ker, Berater und Visionär.

In seiner Selbst­wahr­neh­mung war er aber immer in erster Linie Handwer­ker. Den Archi­tek­ten­ti­tel hielt er diskret und beschei­den im Hinter­grund. Jede Art des Prahlens war ihm fremd. Seine Autori­tät stand auf dem unerschüt­ter­li­chen Funda­ment von Kompe­tenz, ernst­haf­tem Ringen, Beharr­lich­keit, Gewis­sen­haf­tig­keit, Ehrlich­keit, Empathie, der Bereit­schaft zu fördern und zu fordern, auf Kolle­gia­li­tät, auf einem unerschöpf­li­chen Ideen­reich­tum und auf einem geschul­ten techni­schen und ästhe­ti­schen Grund­ver­ständ­nis. Bildung und Herzens­bil­dung machten jede Begeg­nung mit ihm zur Bereicherung.

Er folgte nicht den Trends, sondern er schuf sie selbst. Als blutjun­ger Zimmer­meis­ter verwehr­te er sich stand­haft der allge­mei­nen Tendenz jener Jahre unter dem Eindruck der Kriegs­zer­stö­run­gen, dem feuer­fes­ten Werkstoff Beton den Vorzug vor dem gelieb­ten Holz zu geben. Seelen­lo­se Massen­ar­chi­tek­tur war ihm ein Gräuel.

Seinen wertvol­len Wissens- und Erfah­rungs­schatz wollte er nicht für sich selbst behal­ten. In unzäh­li­gen Veröf­fent­li­chun­gen und Büchern schenk­te er der jungen Treppen­bau­er-Genera­ti­on eine wichti­ge Grund­la­ge. Darüber hinaus waren die Treppen­bau­kur­se in seiner Werkstatt in Oberko­chen über Jahre hinaus ausge­bucht. Unver­ges­sen bei den Kursteil­neh­mern sind seine genia­len Vorrich­tun­gen, mit denen er auf Standard­ma­schi­nen, auch ohne die heuti­ge CNC-Techno­lo­gie, jede nur erdenk­li­che Form herzu­stel­len wusste.

Schließ­lich war er auch Impuls­ge­ber für die vielen Mannes-Freun­des­krei­se, die bis heute auch nach fast 40 Jahren noch bestehen. Viele von uns hatten das Glück, mit seiner Ermun­te­rung, seiner Zuver­sicht, seiner Daseins­freu­de und seinem Vertrau­en in die handwerk­li­che Arbeit die ersten Schrit­te in die eigene Berufs­lauf­bahn zu starten. Sein Vorbild war gerade­zu lebens­prä­gend. Dafür bedan­ken wir uns bei Dir – lieber Willi­bald – von ganzem Herzen! Im Namen aller Freun­des­krei­se gez. Johan­nes Wunsch“.

Nachtrag. Als alter Leitz’ler will ich in diesem Zusam­men­hang erwäh­nen, dass es da durch­aus Verbin­dun­gen gab. Sei es über die „Mannes-Sets“ (Bohrer-Zusam­men­stel­lun­gen für Treppen­bau­er), die er beim damali­gen Emil-Leitz-Chef Albert Holz bestell­te (die Holz-Kästchen dazu liefer­te der Gruppa-Schrei­ner vom Schrei­ner­gäss­le) oder über Veran­stal­tun­gen im Leitz’schen „Ligno­ra­ma“ in Riedau (Oberös­ter­reich).

Dazu noch ein paar Worte aus Oberös­ter­reich (Forum Geschich­te) aus dem Jahr 2006. Die Treppe ist eine der ältes­ten mensch­li­chen Erfin­dun­gen. Eigent­lich ist die Idee sehr einfach. Und doch ist schon die ältes­te erhal­te­ne Holzstie­ge Europas, die im Jahr 2004 im Hallstät­ter Salzberg entdeckt wurde und auf ein Alter von genau 3349 Jahren datiert werden konnte, von einer erstaun­li­chen techni­schen Raffinesse.

Treppen­bau­kunst „auf höchs­ter Stufe“ wurde im Jahr 2006 im „Ligno­ra­ma“, diesem höchst aktiven, von der Firma Leitz betrie­be­nen Museum des Holzes in Riedau, im Rahmen einer Ausstel­lung gezeigt. Zu sehen gab es Jugend­stil­trep­pen und Barock­stie­gen, Treppen­ge­län­der und Treppen­in­stal­la­tio­nen, berühm­te Treppen und einfa­che Stiegen und vor allem die Holztrep­pen von Willi­bald Mannes, der als der „Treppen­papst“ der Moder­ne galt.

Der vielfäl­ti­gen Symbo­lik der Treppe hat schon Sigmund Freud in der Traum­deu­tung erstaun­li­che Aufmerk­sam­keit gewid­met, vom am Gelän­der Hinab­rut­schen bis zum rhyth­mi­schen Steigen der Stufen. Der sexuel­le Bezug von „Steiger“ und „Nachstei­gen“ wird in die Bewegung des Stiegen­stei­gens übersetzt, wobei Freud wohl mehr an die Dumpf­heit und Dunkel­heit der Keller­stie­gen und Hinter­häu­ser gedacht hat als an die Prunk­stie­gen der Paläste.

Die Treppe ist das Symbol der Macht. Sie hat Stufen und kennzeich­net Positio­nen: Von oben herab wird der Gast begrüßt und empfan­gen, von unten muss er sich nähern und erkennt gleich Macht­fül­le, Rang und Wohlstand seines Gastge­bers. Treppen waren ideal geeig­net, Hierar­chien zu verdeut­li­chen und Rangun­ter­schie­de zum Ausdruck zu bringen. Das wusste das Barock am besten, das die berühm­tes­ten Stiegen­häu­ser geschaf­fen hat, in Klöstern und Schlös­sern, ob in Würzburg, St. Flori­an oder Göttweig, die im Extrem­fall, wenn dem Bauherrn das Geld ausge­gan­gen war, auch formvoll­endet im Nichts enden konnten. Ehrfurchts­voll nähert man sich den Zentren der Macht, des Wissens und der Kunst, ob auf der Philo­so­phen­stie­ge der Wiener Univer­si­tät, der Prunk­stie­ge der Wiener Staats­oper oder im Oberös­ter­rei­chi­schen Landes­mu­se­um, das eigent­lich nur aus einem riesi­gen Stiegen­haus besteht. Und selbst der breite Stiegen­auf­gang zum neuen Landes­dienst­leis­tungs­zen­trum ist geeig­net, Respekt vor der dahin­ter behei­ma­te­ten Bürokra­ten­macht zu schaffen.

Moder­ne Archi­tek­ten schen­ken den Treppen und Stiegen­häu­sern ja nur mehr selten Aufmerk­sam­keit. Man ist auch nicht mehr so hierar­chisch orien­tiert. Mit dem Aufzug ist die Treppe zur Flucht­s­tie­ge verkom­men. Da ist man froh, wenn man in einer schönen Ausstel­lung an die Ästhe­tik und Bedeu­tung der Treppen erinnert wird (Forum OÖ Geschichte).

Auch Dietrich Bantel schrieb den sehr persön­li­chen Bericht 641 anläss­lich des 90sten Geburts­ta­ges von Willi­bald Mannes.

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vlnr.: Willi­bald Mannes, Dietrich und Suse Bantel, Bärbel Mannes und Monika Mannes-Kapp (Archiv Müller)

Ergän­zung zu Bericht 829 von Richard Burger:

Recher­che ist die eine Seite meiner Berich­te, Ergän­zun­gen sind die andere. Nicht selten kommt es vor, dass mich nach einem Bericht E‑Mails mit Inhal­ten errei­chen, die den veröf­fent­lich­ten Bericht sinnvoll ergän­zen. Spitzen­rei­ter sind da Wolfgang Ritter aus Dinkels­bühl und Luitgard Hügle aus Poggi­bon­si. Über Pfings­ten hat sich Richard Burger gemel­det und mir die Geschich­te seiner eigenen „Mannes-Treppe“ zugeschickt, die ich jetzt sozusa­gen als Inter­mez­zo zwischen Bericht 829 und 830 zur Veröf­fent­li­chung bringe:

„Wie wir zu einer Mannes-Treppe kamen“

„1984 war es, als sich meine Frau Lilo und ich mit dem Gedan­ken trugen, in Oberko­chen auf der Heide ein Haus zu bauen. Im Alter von Mitte, Ende 20 stolper­ten wir in und durch das Projekt und von einer Verle­gen­heit in die andere, nach dem Motto „keine Ahnung von gar nichts“ und davon reichlich.

Wenn ich mir überle­ge, wie heutzu­ta­ge, meist durch­dacht und geplant, ein Hausbau angegan­gen wird, wie waren wir doch naiv und unwis­send und es grenzt immer noch an ein Wunder, dass es überhaupt funktio­niert hat.

Der Archi­tekt schlug uns damals ein halbrun­des Treppen­haus vor, gerade mal gut zwei auf zwei Meter. Wir fanden das toll, nicht ahnend, was damit auf uns zukom­men würde. Das erkann­ten wir, als es darum ging, eine Treppe über zwei Stock­wer­ke in dieses halbrun­de Loch zu passen. An den Reaktio­nen der Handwer­ker merkten wir erst, was wir uns da einge­brockt hatten. Bei elf Herstel­lern in der näheren und weite­ren Umgebung wurden wir vorstel­lig, die Vorschlä­ge reich­ten von Wendel­trep­pen über Stahl­kon­struk­tio­nen zu Holztrep­pen, manche mit Wangen, manche ohne Wangen – alle nicht überzeu­gend. Von den Preisen, die weit über unsere Vorstel­lung gingen, ganz zu schwei­gen. „Warum haben Sie auch ein so kleines, halbrun­des Treppen­haus?“ Ja, warum?

Meine Tante Chris­ti­na Bisch­off, die damals bei Willi­bald Mannes arbei­te­te, meinte, wir sollten doch mal bei ihm nachfra­gen. Wir? Beim „Treppen­papst“? Unmög­lich. Ich kannte einige seiner Treppen: Absolu­te Kunst­wer­ke! Eine davon als künst­le­ri­sches Element im Foyer der Fachhoch­schu­le in Esslin­gen, wo ich mein Seminar in der Lehrer­aus­bil­dung absol­vier­te. Die Preise mussten astro­no­misch sein und weit jenseits des Budgets eines Studienassessors.

Schließ­lich wurde doch ein Termin ausge­macht. Ohne große Erwar­tun­gen und ziemlich nervös begaben wir uns in die „heili­gen Hallen“ im Kapel­len­weg. Heutzu­ta­ge lacht man vielleicht darüber, damals war das aber so und zum Lachen war uns absolut nicht. Schließ­lich gab uns der Treppen­papst eine Privataudienz.

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Skizze zur Mannes-Treppe im Haus der Burgers (Archiv Burger)

Er sah sich den Plan mit dem halbrun­den Treppen­haus an, meinte, das sei gar kein Problem, er stelle sich das so und so vor: Er nahm ein Blatt Papier, zeich­ne­te das ovale Auge des Handlaufs drauf, die Stufen, erklär­te kurz wie die Statik sei. Er hatte mit einem Blick die Situa­ti­on erfasst und eine Lösung gefun­den, auf die kein anderer Anbie­ter gekom­men war. Wir waren völlig geplät­tet, denn genau so, wie er sie mit den ersten Bleistift­stri­chen skizziert hatte, wurde die Treppe schließ­lich verwirk­licht. Dadurch, dass meine Tante die Zeich­nun­gen machte und dass ein anderer Onkel die Stake­ten drech­sel­te, wurde sie sogar so günstig, dass auch wir sie uns leisten konnten. Weitaus günsti­ger als viele der anderen Angebo­te. Und das vom Treppenpapst!

So kam es, dass wir, „norma­le Leute“ eben, tatsäch­lich in den Besitz eines Kunst­wer­kes vom Treppen­papst kamen. Ich weiß heute noch nicht, wie die Statik funktio­niert, denn bei der Monta­ge wurde der Handlauf mit Stangen und Seilen frei in das Treppen­haus gehängt und daran mittels der Stake­ten jeder einzel­ne Tritt montiert. Die Tritte halten den Handlauf und der Handlauf die Tritte. So ähnlich oder andersrum.

In der folgen­den Zeit kamen immer wieder ganze Busse mit angehen­den Treppen­bau­ern zu unserem Haus gefah­ren, zum Teil aus der Schweiz, denen Willi­bald Mannes zeigte, wie man eine lufti­ge, leich­te Treppe in ein kleines, halbrun­des Treppen­haus einfü­gen kann. Er hatte Gefal­len gefun­den, auch mal „so etwas Kleines“ zu machen und stell­te das den Kursteil­neh­mern vor.

Seit fast 40 Jahren sind wir somit Besit­zer einer Treppe des Treppen­paps­tes Mannes und wir erfreu­en uns täglich dran und sind stolz drauf. Auch wenn ich immer noch nicht verste­he, wie sie eigent­lich hält.“

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Die Mannes­trep­pe für Norma­los als Heraus­for­de­rung in einem schma­len Treppen­haus (Archiv Burger)

Billie: Auch in meinem Eltern­haus am Sonnen­berg befin­det sich eine Mannes-Treppe aus dem Jahr 1950, die nun seit 75 Jahren ihren Dienst verrich­tet und bis heute gut aussieht und nicht wie eine ausge­latsch­te Treppe eines Berli­ner Miets­hau­ses. Mannes hat eben Treppen für alle gemacht, für kleines Geld und für großes Geld, Alltags­trep­pen und Hingu­cker-Treppen und Treppen für die Ewigkeit.

Wilfried „Billie Wichai“ Müller – Billie vom Sonnenberg

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