Intro. Oberkochen hatte und hat einige Schreinermeister und Zimmermeister mit ihren Schreinereien und Zimmereien, aber es hatte auch einen „Papst“ – den „Treppenbauer-Papst“ schlechthin. Eine Koryphäe auf seinem Gebiet – und das europaweit. Geboren am Fronleichnamstag, den 11. Juni 1925 in Oberkochen und gestorben am 10. März 2022 in Oberkochen. Sein Grab, das er mit seiner Frau Marieanne (*1925 † 2007) teilt, einer Tochter des Arztes Dr. Alfred Lubenau aus Königsbronn, finden wir auf dem Katholischen Friedhof – nicht weit von seiner einstigen Firma und seinem Wohnhaus im Kapellenweg 26. In diesen nahezu 97 Jahren gestaltete er ein Leben, das umfangreicher nicht sein konnte. Als Nachkommen von Marieanne und Willibald kennen wir seine drei Töchter Monika, Barbara und Christine. Dazu kommen drei Enkel und ein Urenkel.

Als noch 4 Bäume den Eingang zum Kath. Friedhof zierten (Archiv Müller)
Wie sagte er einst bei der ersten Vorstellung als Kandidat zur Gemeinderatswahl:
„Ich habe meine Freude an allem Schönen und Edlen“.
Das könnte durchaus seine Lebenslinie gewesen sein. Er begann am 11. November 1956 und beendete die Tätigkeit als Gemeinderat am 5. Juni 1989 nach knapp 33 Jahren. Und als er gerührt die Dankesrede zu seinem Abschied im Sitzungssaal hörte, kommentierte er wie folgt:
„Die Pflicht, die Arbeit und das stete Suchen nach dem Schönen waren im Grunde immer meine 3 Leitlinien.“
Wie sagte Bürgermeister Gentsch über ihn als Gemeinderat:
„Er war ein kantiger Mitstreiter, der nicht immer ganz bequem zu handhaben gewesen sei……seine Denkanstöße sowie seine Expertise als Architekt waren unbezahlbar…..er war kein Ja-Sager und kein bequemer Mitläufer, sondern ein Vordenker…..“
Ich erinnere mich daran, dass er bei zwei größeren Projekten seine ganze Kraft und Überzeugung, zusammen mit anderen, einbrachte. Zum einen bei der Umgestaltung des Kapellenwegs zu einer Durchgangsstraße, was ihm verständlicherweise gar nicht gefiel und zum anderen der Verhinderung eines weiteren Autobahnanschlusses über Oberkochener Gemarkung.
Ein paar Worte zum Vater, der ebenfalls Willibald hieß. Dieser stammte aus Rammingen bei Ulm und wurde am 05.07.1896 geboren. Drei Jahre musste er im I. Weltkrieg Dienst tun und wurde bei Verdun verwundet. 1918 wurde er mit einem Arbeitskommando zur Firma Gebr. Leitz nach Oberkochen geschickt und trat kurz danach in die Zimmerei Brunnhuber ein. 1919 heirate er Eugenie Elmer. Im Jahr 1921 gründete er die Zimmerei Mannes, die ihren Anfang im Haus Nr. 3 in der Mühlstraße hatte. 1923 legte er seine Meisterprüfung ab. Auch der II. Weltkrieg verlangte ihm nochmals Dienstzeiten in den Jahren 1939 und 1944 ab. Anfangs beschäftigte er 2 bis 3 Mitarbeiter, Ende der 30er Jahre bereits 8 bis 10 Gesellen. Und so blieb es nicht aus, dass umgebaut und erweitert werden musste. Der II. Weltkrieg hatte auch hier seine Auswirkungen – 6 seiner 8 Gesellen kamen nicht wieder zurück. Nach dem Krieg ging es dann richtig aufwärts und es musste umgezogen werden – der Kapellenweg 28 wurde das neue Domizil der aufstrebenden Firma. Im Vereinsleben war er sehr aktiv (im Gewerbe- und Handelsverein, im Turnverein, im Gesangverein, im Schwäbischen Albverein und im Musikverein). Von 1951 bis 1956 war er als Gemeinderat tätig. Den Lebensabend verbrachte er bei seinen Töchtern Maria und Resl in Schweinfurt, wo er im Jahr 1978 verstarb.

Willibald Mannes sen. und Eugenie Mannes aus der Mühlstraße 10 (Archiv Müller)

Willibald Mannes – ein Stilist von Gottes Gnaden (Archiv Müller)
Biografie des Willibald Mannes jun. aus dem Brunkel
1931 – 1938 Volksschule
1938 – 1940 Zimmererlehre mit 13 Jahren !!!
1941 – 1946 Arbeitsdienst, Soldatenzeit, amerikanische Gefangenschaft in Nordfrankreich
1946 Rückkehr, Zimmergeselle im väterlichen Betrieb
1948 Meisterprüfung bei der Handwerkskammer Ulm mit 23 Jahren !!!
1948 Sonderzeugnis zur Befähigung als Lehrer an der Gewerbeschule Aalen
1950 Aushändigung des Meisterbriefes
1959 alleiniger Inhaber der Firma Mannes
1966 Eintragung in die Architektenliste der Architektenkammer Baden-Württemberg
1966 – 2006 eigenständiges Architekturbüro

Eines seiner Bücher über seine Treppen-Welt (Archiv Müller)
Die Treppe hatte es ihm angetan und besonders die „gewendelte“. Ihr widmete er sein berufliches Leben und zeigte durch sie sein Können und seine Passion. Nicht ohne Grund hat eines seiner erfolgreichen Bücher aus dem Jahr 1994 genau diesen Titel.
Mannes-Treppenbau-Freundeskreise. Vier dieser Gruppierungen hat er gegründet und seit 1980 jährliche Treffen mit Firmeninhabern organisiert. Dort wurde auch der liebevolle Spitzname „Stiegen-Papst“ kreiert.
Ausstellungen. 1984 begann er in Oberkochen Ausstellungen mit dem Namen „Die Treppe als Kunstwerk“ durchzuführen, die in Südtirol, der Schweiz und Österreich ihre Fortsetzung nahmen und in eine Dauerausstellung in seiner Werkstatt von 2003 bis 2013 mündeten.
Autorentätigkeit. Insgesamt verfasste er rund 130 Beiträge in Fachzeitschriften und veröffentlichte 11 Fachbücher über die Treppe und Dachkonstruktionen, die tlw. ins Englische, Französische, Spanische und ins Tschechische übersetzt wurden. In diesem Zusammenhang verweise ich auf den Bericht 775 über Oberkochener Autoren.

Der Autor inmitten seiner Bücherwelt (Archiv Müller)
Lehrtätigkeit – Durchführung von Fachkursen:
- Durchführung von Fachlehrgängen über Holztreppenbau in vielen Städten Baden-Württembergs
- Spezialkurse für Treppenbau in eigener Durchführung in Oberkochen, Entwicklung und Vertrieb vonSpezialwerkzeugen für den rationellen Treppenbau
- Aufbau und Durchführung von Lehrgängen für Restauratoren
- weit über 100 Vorträge, teilweise mit Dia- und Videovorführungen in Schulen, Firmen und Verbänden im deutschsprachigen Europa
- fachbezogene Lehrgänge und Vorträge in Österreich und Südtirol
- Nach Aufgabe der Produktion von Treppen im Jahr 1987 begann er mit der Durchführung von ein- oder zweiwöchigen Lehrgängen über handwerklichen Treppenbau in der eigenen Werkstatt (Teilnehmer aus dem deutsch-sprachigen Europa)-
Wer solche Spuren hinterlässt, wurde natürlich auch entsprechend geehrt:
- Bundesverdienstkreuz am Bande
- Ehrenmedaille des Gemeindetages Baden-Württemberg
- Bürgermedaille der Stadt Oberkochen für 25-jährige Gemeinderatszugehörigkeit
- Goldene Ehrennadel des deutschen Zimmerer- und Holzbaugewerkes
- Ehrenurkunde 26 Jahre Fachbeisitzer im Meisterprüfungsausschuss für das Zimmererhandwerk derHandwerkskammer Ulm a/D.
- Ehrenurkunde 25 Jahre Normenausschuss Treppen
- Ehrenmitglied und Ehrenurkunde im Bundesverband Treppen- und Geländerbau e.V., München
Auch künstlerisch war er tätig. Ob als Architekt, der z.B. 2004 von Freitag bis Sonntag 14-stündige Kurse für „Freihandzeichnen für Schreiner“ für 80 € anbot oder als Künstler, der Motive aus Oberkochen sowie anderen Orten und auch Stillleben malte. Ich habe das Glück, dass mir meine Schulfreundin Bärbel Mannes einige Werke von ihm schenkte.

Willibalds Zeichenkünste fanden auch ihren Weg in Seminare für Schreiner (Archiv Müller)
Fazit: Wenn man sich das alles anschaut, was in seinem Leben einen Platz einnahm, komme ich nur zu dem Schluss:
„Der Mann hat geliebt, was er angefasst hat und wenn die Tage nicht ausgereicht haben, muss er die Nächte zum Tag gemacht haben – anders wäre das wohl nicht gegangen.“
Da habe ich noch einen Bericht eines unbekannten Autors mit dem Titel „Vollendete Stufen“ anlässlich seines 80sten Geburtstages gefunden (mit leichten Anpassungen und Auslassungen):
….. Wer den Weg des am 11. Juni 1925 in Oberkochen geborenen Willibald Mannes über die Jahrzehnte hinweg verfolgt hat, kann mit einigem Recht annehmen, dass Thaddäus Troll (dessen Großmutter einst auch in unserer Gemeinde lebte) bei der Charakterisierung eines typischen Schwaben einen Mann wie den international anerkannten „Treppenpapst“ Mannes als gedankliches Modell vor sich gehabt hat. Denn von Anfang an hat dieser, ungeachtet aller Schwierigkeiten, seine fachlichen Ziele stets unbeirrt und konsequent verfolgt…. nach seiner Entlassung aus der Wehrmacht gelang es ihm nur mit größter Mühe, seinen Vater Willibald davon zu überzeugen, dass der Treppenbau eine Riesenchance sein würde…..1959 übernahm er den väterlichen Betrieb in nunmehr eigener Verantwortung.
In einem Alter, in dem heutige junge Menschen oft noch nicht wissen, was sie tun wollen, stand dieser junge Mann bereits als Lehrer in der Gewerbeschule Aalen, in Ulm, Stuttgart und Karlsruhe vor oft gestandenen Männern, um sie in die Kunst der Baukonstruktion und des Treppenbaus einzuführen. Zwischen 1949 und 2003 hat er in über 170 Lehrgängen rund 4.500 Teilnehmer in seine Art des Treppenbaus eingeführt – sei es in Oberkochen, in Deutschland, Österreich und in der Schweiz….. Auch veranstaltete er Lehrgänge für Restauratoren, deren Anmeldungen weit über das Umsetzbare an Teilnehmern hinausgingen.
Sorgen bereitete ihm der industrielle Treppenbau, der auf dem Weg war, die handwerkliche Treppenbaukunst zu verdrängen. Daraus bezog er seinen Élan, um möglichst viele Handwerker dafür zu begeistern….. auch die zuständigen Fachverbände ermahnte er, sich notwendigen Strukturänderungen nicht zu verschließen…..
Seine Stärken waren:
- sein beharrlicher Fleiß
- seine Fähigkeit sich in unlösbare Probleme zu verbeißen
- sein Drang zum Sinnieren und Tüfteln
- und das Achten auf höchste Qualität
Bis 1987 hat er in seiner hiesigen Werkstatt selbst Treppen hergestellt. Nicht selten musste er Aufträge z.B. aus den Vereinigten Staaten mangels Kapazitäten ablehnen.
Bei der Ehrung eines langjährigen Mitarbeiters stellte er bei seiner Jubiläumsrede fest:
„Unsere Treppen stehen in allen Teilen Europas zwischen Nancy und Passau sowie zwischen Genfer See und Dänemark. Unsere Werkstatt ist nun zum Hörsaal geworden und unser Maschinenraum zum praktischen Vorführraum.“
(und auch in Billies Elternhaus im Sonnenberg 34 steht eine solche).
Auch als Architekt war er seit 1966 unterwegs. Wir finden seine Spuren noch heute in damals tlw. kühnen Entwürfen für Privathäuser und auch Vereinsheime zeigen seine Handschrift. Zwischen 1978 und 1981 war er für die schwierigen und gelungenen Renovierungsarbeiten der katholischen Kirche St. Peter und Paul verantwortlich.
1968 durfte er die Eröffnungsrede zum neuen Rathaus am Eugen-Bolz-Platz halten und begann mit den Worten
„Es baut der Mensch sein Haus, dann formt das Haus den Menschen“.
Wie wahr.

Als Seminarleiter führte er in die Kunst der handwerklichen Treppenkunst ein (Archiv BM Online)
Nach seinem Tod im Jahr 2022 konnte man überall Nachrufe auf ihn finden. Sei es von der Stadt Oberkochen, der SchwäPo, der Schwäbischen Zeitung und den Freien Bürgern und in anderen Medien. Und so beende ich den Bericht über sein Wirken während eines ungewöhnlich langen Lebens mit den Worten eines Treppenbauers aus der „BM Online“.
„Am 10. März 2022 ist ein erfülltes und gesegnetes Leben zu Ende gegangen. Viel mehr kann menschliches Wirken und Streben nicht hervorbringen. Willibald Mannes war weit mehr als ein „Handwerker“ im üblichen Sinn. Er war erfolgreicher Unternehmer, Buchautor, Künstler, Illustrator, Architekt, Maler, Lehrer, Ausbilder, Kommunikator, engagierter Kommunalpolitiker, Vordenker, Berater und Visionär.
In seiner Selbstwahrnehmung war er aber immer in erster Linie Handwerker. Den Architektentitel hielt er diskret und bescheiden im Hintergrund. Jede Art des Prahlens war ihm fremd. Seine Autorität stand auf dem unerschütterlichen Fundament von Kompetenz, ernsthaftem Ringen, Beharrlichkeit, Gewissenhaftigkeit, Ehrlichkeit, Empathie, der Bereitschaft zu fördern und zu fordern, auf Kollegialität, auf einem unerschöpflichen Ideenreichtum und auf einem geschulten technischen und ästhetischen Grundverständnis. Bildung und Herzensbildung machten jede Begegnung mit ihm zur Bereicherung.
Er folgte nicht den Trends, sondern er schuf sie selbst. Als blutjunger Zimmermeister verwehrte er sich standhaft der allgemeinen Tendenz jener Jahre unter dem Eindruck der Kriegszerstörungen, dem feuerfesten Werkstoff Beton den Vorzug vor dem geliebten Holz zu geben. Seelenlose Massenarchitektur war ihm ein Gräuel.
Seinen wertvollen Wissens- und Erfahrungsschatz wollte er nicht für sich selbst behalten. In unzähligen Veröffentlichungen und Büchern schenkte er der jungen Treppenbauer-Generation eine wichtige Grundlage. Darüber hinaus waren die Treppenbaukurse in seiner Werkstatt in Oberkochen über Jahre hinaus ausgebucht. Unvergessen bei den Kursteilnehmern sind seine genialen Vorrichtungen, mit denen er auf Standardmaschinen, auch ohne die heutige CNC-Technologie, jede nur erdenkliche Form herzustellen wusste.
Schließlich war er auch Impulsgeber für die vielen Mannes-Freundeskreise, die bis heute auch nach fast 40 Jahren noch bestehen. Viele von uns hatten das Glück, mit seiner Ermunterung, seiner Zuversicht, seiner Daseinsfreude und seinem Vertrauen in die handwerkliche Arbeit die ersten Schritte in die eigene Berufslaufbahn zu starten. Sein Vorbild war geradezu lebensprägend. Dafür bedanken wir uns bei Dir – lieber Willibald – von ganzem Herzen! Im Namen aller Freundeskreise gez. Johannes Wunsch“.
Nachtrag. Als alter Leitz’ler will ich in diesem Zusammenhang erwähnen, dass es da durchaus Verbindungen gab. Sei es über die „Mannes-Sets“ (Bohrer-Zusammenstellungen für Treppenbauer), die er beim damaligen Emil-Leitz-Chef Albert Holz bestellte (die Holz-Kästchen dazu lieferte der Gruppa-Schreiner vom Schreinergässle) oder über Veranstaltungen im Leitz’schen „Lignorama“ in Riedau (Oberösterreich).
Dazu noch ein paar Worte aus Oberösterreich (Forum Geschichte) aus dem Jahr 2006. Die Treppe ist eine der ältesten menschlichen Erfindungen. Eigentlich ist die Idee sehr einfach. Und doch ist schon die älteste erhaltene Holzstiege Europas, die im Jahr 2004 im Hallstätter Salzberg entdeckt wurde und auf ein Alter von genau 3349 Jahren datiert werden konnte, von einer erstaunlichen technischen Raffinesse.
Treppenbaukunst „auf höchster Stufe“ wurde im Jahr 2006 im „Lignorama“, diesem höchst aktiven, von der Firma Leitz betriebenen Museum des Holzes in Riedau, im Rahmen einer Ausstellung gezeigt. Zu sehen gab es Jugendstiltreppen und Barockstiegen, Treppengeländer und Treppeninstallationen, berühmte Treppen und einfache Stiegen und vor allem die Holztreppen von Willibald Mannes, der als der „Treppenpapst“ der Moderne galt.
Der vielfältigen Symbolik der Treppe hat schon Sigmund Freud in der Traumdeutung erstaunliche Aufmerksamkeit gewidmet, vom am Geländer Hinabrutschen bis zum rhythmischen Steigen der Stufen. Der sexuelle Bezug von „Steiger“ und „Nachsteigen“ wird in die Bewegung des Stiegensteigens übersetzt, wobei Freud wohl mehr an die Dumpfheit und Dunkelheit der Kellerstiegen und Hinterhäuser gedacht hat als an die Prunkstiegen der Paläste.
Die Treppe ist das Symbol der Macht. Sie hat Stufen und kennzeichnet Positionen: Von oben herab wird der Gast begrüßt und empfangen, von unten muss er sich nähern und erkennt gleich Machtfülle, Rang und Wohlstand seines Gastgebers. Treppen waren ideal geeignet, Hierarchien zu verdeutlichen und Rangunterschiede zum Ausdruck zu bringen. Das wusste das Barock am besten, das die berühmtesten Stiegenhäuser geschaffen hat, in Klöstern und Schlössern, ob in Würzburg, St. Florian oder Göttweig, die im Extremfall, wenn dem Bauherrn das Geld ausgegangen war, auch formvollendet im Nichts enden konnten. Ehrfurchtsvoll nähert man sich den Zentren der Macht, des Wissens und der Kunst, ob auf der Philosophenstiege der Wiener Universität, der Prunkstiege der Wiener Staatsoper oder im Oberösterreichischen Landesmuseum, das eigentlich nur aus einem riesigen Stiegenhaus besteht. Und selbst der breite Stiegenaufgang zum neuen Landesdienstleistungszentrum ist geeignet, Respekt vor der dahinter beheimateten Bürokratenmacht zu schaffen.
Moderne Architekten schenken den Treppen und Stiegenhäusern ja nur mehr selten Aufmerksamkeit. Man ist auch nicht mehr so hierarchisch orientiert. Mit dem Aufzug ist die Treppe zur Fluchtstiege verkommen. Da ist man froh, wenn man in einer schönen Ausstellung an die Ästhetik und Bedeutung der Treppen erinnert wird (Forum OÖ Geschichte).
Auch Dietrich Bantel schrieb den sehr persönlichen Bericht 641 anlässlich des 90sten Geburtstages von Willibald Mannes.

vlnr.: Willibald Mannes, Dietrich und Suse Bantel, Bärbel Mannes und Monika Mannes-Kapp (Archiv Müller)
Ergänzung zu Bericht 829 von Richard Burger:
Recherche ist die eine Seite meiner Berichte, Ergänzungen sind die andere. Nicht selten kommt es vor, dass mich nach einem Bericht E‑Mails mit Inhalten erreichen, die den veröffentlichten Bericht sinnvoll ergänzen. Spitzenreiter sind da Wolfgang Ritter aus Dinkelsbühl und Luitgard Hügle aus Poggibonsi. Über Pfingsten hat sich Richard Burger gemeldet und mir die Geschichte seiner eigenen „Mannes-Treppe“ zugeschickt, die ich jetzt sozusagen als Intermezzo zwischen Bericht 829 und 830 zur Veröffentlichung bringe:
„Wie wir zu einer Mannes-Treppe kamen“
„1984 war es, als sich meine Frau Lilo und ich mit dem Gedanken trugen, in Oberkochen auf der Heide ein Haus zu bauen. Im Alter von Mitte, Ende 20 stolperten wir in und durch das Projekt und von einer Verlegenheit in die andere, nach dem Motto „keine Ahnung von gar nichts“ und davon reichlich.
Wenn ich mir überlege, wie heutzutage, meist durchdacht und geplant, ein Hausbau angegangen wird, wie waren wir doch naiv und unwissend und es grenzt immer noch an ein Wunder, dass es überhaupt funktioniert hat.
Der Architekt schlug uns damals ein halbrundes Treppenhaus vor, gerade mal gut zwei auf zwei Meter. Wir fanden das toll, nicht ahnend, was damit auf uns zukommen würde. Das erkannten wir, als es darum ging, eine Treppe über zwei Stockwerke in dieses halbrunde Loch zu passen. An den Reaktionen der Handwerker merkten wir erst, was wir uns da eingebrockt hatten. Bei elf Herstellern in der näheren und weiteren Umgebung wurden wir vorstellig, die Vorschläge reichten von Wendeltreppen über Stahlkonstruktionen zu Holztreppen, manche mit Wangen, manche ohne Wangen – alle nicht überzeugend. Von den Preisen, die weit über unsere Vorstellung gingen, ganz zu schweigen. „Warum haben Sie auch ein so kleines, halbrundes Treppenhaus?“ Ja, warum?
Meine Tante Christina Bischoff, die damals bei Willibald Mannes arbeitete, meinte, wir sollten doch mal bei ihm nachfragen. Wir? Beim „Treppenpapst“? Unmöglich. Ich kannte einige seiner Treppen: Absolute Kunstwerke! Eine davon als künstlerisches Element im Foyer der Fachhochschule in Esslingen, wo ich mein Seminar in der Lehrerausbildung absolvierte. Die Preise mussten astronomisch sein und weit jenseits des Budgets eines Studienassessors.
Schließlich wurde doch ein Termin ausgemacht. Ohne große Erwartungen und ziemlich nervös begaben wir uns in die „heiligen Hallen“ im Kapellenweg. Heutzutage lacht man vielleicht darüber, damals war das aber so und zum Lachen war uns absolut nicht. Schließlich gab uns der Treppenpapst eine Privataudienz.

Skizze zur Mannes-Treppe im Haus der Burgers (Archiv Burger)
Er sah sich den Plan mit dem halbrunden Treppenhaus an, meinte, das sei gar kein Problem, er stelle sich das so und so vor: Er nahm ein Blatt Papier, zeichnete das ovale Auge des Handlaufs drauf, die Stufen, erklärte kurz wie die Statik sei. Er hatte mit einem Blick die Situation erfasst und eine Lösung gefunden, auf die kein anderer Anbieter gekommen war. Wir waren völlig geplättet, denn genau so, wie er sie mit den ersten Bleistiftstrichen skizziert hatte, wurde die Treppe schließlich verwirklicht. Dadurch, dass meine Tante die Zeichnungen machte und dass ein anderer Onkel die Staketen drechselte, wurde sie sogar so günstig, dass auch wir sie uns leisten konnten. Weitaus günstiger als viele der anderen Angebote. Und das vom Treppenpapst!
So kam es, dass wir, „normale Leute“ eben, tatsächlich in den Besitz eines Kunstwerkes vom Treppenpapst kamen. Ich weiß heute noch nicht, wie die Statik funktioniert, denn bei der Montage wurde der Handlauf mit Stangen und Seilen frei in das Treppenhaus gehängt und daran mittels der Staketen jeder einzelne Tritt montiert. Die Tritte halten den Handlauf und der Handlauf die Tritte. So ähnlich oder andersrum.
In der folgenden Zeit kamen immer wieder ganze Busse mit angehenden Treppenbauern zu unserem Haus gefahren, zum Teil aus der Schweiz, denen Willibald Mannes zeigte, wie man eine luftige, leichte Treppe in ein kleines, halbrundes Treppenhaus einfügen kann. Er hatte Gefallen gefunden, auch mal „so etwas Kleines“ zu machen und stellte das den Kursteilnehmern vor.
Seit fast 40 Jahren sind wir somit Besitzer einer Treppe des Treppenpapstes Mannes und wir erfreuen uns täglich dran und sind stolz drauf. Auch wenn ich immer noch nicht verstehe, wie sie eigentlich hält.“

Die Mannestreppe für Normalos als Herausforderung in einem schmalen Treppenhaus (Archiv Burger)
Billie: Auch in meinem Elternhaus am Sonnenberg befindet sich eine Mannes-Treppe aus dem Jahr 1950, die nun seit 75 Jahren ihren Dienst verrichtet und bis heute gut aussieht und nicht wie eine ausgelatschte Treppe eines Berliner Mietshauses. Mannes hat eben Treppen für alle gemacht, für kleines Geld und für großes Geld, Alltagstreppen und Hingucker-Treppen und Treppen für die Ewigkeit.
Wilfried „Billie Wichai“ Müller – Billie vom Sonnenberg