Vor 1953
(Grundlage der Liste sind folgende Unterlagen:
- Das Adressverzeichnis von 1925
- Das Adressverzeichnis von 1937
- Das Adressverzeichnis von 1949/50
- Das Büchle „Alt-Oberkochen“ von Christhard Schrenk
Anmerkung: die Jahreszahl sagt nur darüber aus, dass ich in dem betreffenden Jahr etwas im Amtsblatt darüber gefunden habe, nicht dass da etwas begonnen hat)

Der „Konsum“ im alten Hirschgebäude (Archiv Müller)
- Christhard berichtet aus alten Zeiten:
„Manche Frauen führten, um nebenher etwas Geld zu verdienen, in ihren Wohnhäusern, einen kleinen Einkaufsladen sog. Gemischtwarenhandlungen. Es gab etwa 20 solcher „Lädla“, die man sich, von Ausnahmen abgesehen, noch kleiner als die „Tante-Emma-Läden“ vorstellen muss. In der Regel verfügten sie nicht über besondere Schaufenster. Der Verkaufsraum war klein und die Waren lagen in einigen wenigen Regalen (mit Ausnahmen wie schon vorher erwähnt). Aber alle hatten eine Waage mit vielen kleinen Gewichten, die zum Abwägen gebraucht wurden. Zu kaufen gab es fast alles, was man damals brauchte:
- Mehl
- Grieß
- Bonbons
- Knöpfe
- Wagenschmiere
- Schuhwichse
- Zucker
- Essig
- Käse
- Kaffee
- Erdöl (so wurde das Petroleum bezeichnet)
- u.v.a.m.
Da die Waren nicht abgepackt, sondern lose dargeboten wurden, musste alles herausgewogen bzw. abgefüllt werden. Wenn die Kinder kamen, um für den Vater zum Vesper für 6 Pfennige Backsteinkäse zu kaufen, wurde eben ein entsprechendes Stück abgeschnitten.

Der Kolonialwarenladen vom „obere Hug“ in der heutigen Aalener Straße 20 (Archiv Müller)
- Ein Tante-Emma-Laden beim Oberen Hug in der Aalener Straße 20 (siehe auch Spezerei Michael Hug)
Das Lädle befand sich in der damaligen Kirchstraße 143, gegenüber des heutigen „Schillerhauses“. Nachstehend ein paar Infos zu den Emaille-Schildern:
„Die Suppen (von) MAGGI nützen jedem Haushalt“. Die Schweizer Firma, die aus dem Mühlenbetrieb ihres Besitzer Julius Maggi hervorgegangen ist, gibt es seit 1872. Seit 1947 ist Maggi eine Marke der Nestlé AG. Bekannt für Instantsuppen, Brühwürfel, Flüssigwürze, Fertigsaucen und Fertiggerichten.
„Die Schuh polier mit KAVALIER“. Das ist die gehobene Schuhwichse – made in Aalen:
Die Anfänge der Aalener Wichsefabrikation gehen in die 1860er-Jahre zurück. Die Firmen Krauß-Glinz und die Gebrüder Seydelmann werden mit der “Aalener Fettglanzwichse” bald weltberühmt. Diese beiden gründen 1882 zusammen mit der Ulmer Firma Eiberle & Wolfenter die “Actiengesellschaft Union, vereinigte Zündholz- und Wichsefabriken”. Die Firma blüht, auch an anderen Standorten in Deutschland und Europa. So übernimmt Union 1897 eine moderne Fabrik mit 200 Arbeitern in Habelschwerdt (Schlesien) und die Wichse- und Lederfettfabrik von Friedrich Holzbaur in Aalen. Schon bald, 1903, kommt der Linzer Betrieb einer Wiener Aktiengesellschaft mit 350 Beschäftigten hinzu. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts erhält die Schuhcreme den Namen “Kavalier”.
„Ohne „GENTNER’S BREMSENSCHUTZÖL…“. Noch nicht für Autos, sondern für hölzerne Leiterwagen…
„ …AMERIKANISCHEM PETROLEUM“ – . Das Unternehmen wurde als Deutsch-Amerikanische Petroleum Gesellschaft (DAPG) am 25. Februar 1890 in Bremen als gemeinsames Unternehmen von den deutschen Kaufleuten Franz Ernst Schütte, Carl Schütte und Wilhelm Anton Riedemann sowie dem US-Amerikaner John D. Rockefeller von Standard Oil gegründet, um das Petroleumgeschäft der Standard Oil in Deutschland zu betreiben.
Aus alten Berichten im Amtsblatt BuG geht hervor, dass Johannes Elmer, bereits 1906 nahe der Kreuzwiesen (später Wäscherei Lebzelter) den ersten Strom erzeugte und nach Oberkochen lieferte. Georg Nagel vom „Hirsch“ gehörte zu den ersten, die in Oberkochen Strom von Elmer kauften. Trotzdem kam wohl zu der Zeit niemand ohne Petroleum aus.
-
- „BÜFFELHAUT… ALTBEWÄHRT…“. Leider ist der Firmenname über dem Wort „BÜFFELHAUT“, der mit „SCH…“ beginnt, nicht näher zu bestimmen. Büffelhaut wurde seinerzeit für die Herstellung von Kleidung, Schuhen, Handschuhen und anderen Lederwaren verwendet. Aufgrund ihrer Robustheit und Haltbarkeit war Büffelleder besonders beliebt für Arbeitskleidung und Accessoires
- Konsum in der Aalener Straße 2 im EG des Wirtshauses „Hirsch“
- Emil Kopp Colonialwaren in der Heidenheimer Straße 44
- Marie Kopp Gemischtwarenhandlung in der Heidenheimer Straße 44
- Bäckerei Brammen in der Heidenheimer Straße 56
- Lebensmittelgeschäft Thekla Fischer im Turmweg 12
- Karl Gaissmaier Lebensmittelhandel und Kleinhandel mit Branntwein in der Heidenheimer Straße 7. Die Fa. Gaissmaier bestand seit 1874 und hatte in BaWü im Jahr 1959 gut 130 Filialen. Das war schon was.
- Bäckerei und Kolonialwaren Willibald Geißinger in der Aalener Straße 23
- Heinrich Grupp „Gruppenheiner“ Kolonialwarengeschäft in der Dreißentalstraße 39
- Bäckerei Wannenwetsch im „Kies“
- Bäckerei Widmann in der Heidenheimer Straße 5. Bekannt als „Storchenbeck“
- Einka in der Heidenheimer Straße 24
- Konditorei Hermann Speth, aber auch als Spezerei (wo genau ließ sich nicht ermitteln)
- Metzgerei Alois Betz in der Heidenheimer Straße 31
- Metzgerei Johannes Betzler alt in der Heidenheimer Straße 31
- Metzgerei Johannes Betzler jung in der Heidenheimer Straße 31
- Spezereihandlung Sebastian Fischer in der Aalener Straße 10
- Spezereihandlung Willibald Geißinger in der Aalener Straße 23
- Spezereihandlung Gold (wo genau ließ sich nicht ermitteln)
- Spezereihandlung Karl Hägele in der Heidenheimer Straße 13
- Spezereihandlung Michael Hug in der Aalener Straße 20
- Spezereihandlung Emil Kopp in der Heidenheimer Straße 44
- Lina Lindner Herstellung Verkauf von Speiseeis Im Katzenbach 49
- Martha Paff Einzelhandelsgeschäft in der Heidenheimer Straße 56
- Metzgerei Karl Reber in der Heidenheimer Straße 2
- Metzgerei Hans Schlipf in der Aalener Straße 25
- Spezereihandlung Fleury in der Dreißentalstraße 6
- Spezereihandlung Kerzinger (wo genau ließ sich nicht ermitteln)
- Metzgerei Köder in der Sperberstraße 10
- Metzgerei Vogel in der Dreißentalstraße 6
- Metzgerei Jacobi in der Dreißentalstraße 6

Lebensmittelgeschäft „Karl Gaissmaier“ in der damaligen Schillerstraße NN — heute Praxis Dr. Karl Elmer (Archiv Müller)
1953
(Grundlage der Liste sind folgende Unterlagen:
- alle Amtsblattausgaben ab 1953
- sowie alle vorliegenden Einwohnermeldebücher)
- sowie eigene Recherchen
Anmerkung: die Jahreszahl sagt nur darüber aus, dass ich in dem betreffenden Jahr etwas im Amtsblatt darüber gefunden habe, nicht dass da etwas begonnen hat)

Der erste Ort, an dem sich „Gubi“ aufstellte – bei Zita Fischer in der Aalener Straße 10. Das Haus wurde auch in alten Zeiten „Hohentwiel „genannt – heute Heimatmuseum II (Archiv Müller)

Ein grandioses Bild – das Haus 13 in dem Jose und Lydia Sogas ihre ersten Schritte in Oberkochen (Archiv Müller)
- Gubi-Fischer (Sebastian, Spitzname SeBa) „Das Geschäft der Hausfrau“ in der Aalener Straße 10. Das war das erste Geschäft, dass eine „Frei-Haus-Lieferung“ anbot. Eine Sommermischung Himbeeren (Saure Bonbons) war für 8 Pfennige für 100 gr. zu haben.
- Bäckerei Brammen im Kies in der Heidenheimer Straße 56
- Lebensmittel-Sogas in der Heidenheimer Straße 15
Und prompt hieß es: „Jetzt wird schon das Obst und Gemüse auf die Straße gestellt!“
- Konditorei und Lebensmittel Fleury in der Lerchenstraße 5 und in der Dreißentalstraße 6
- Otto Kopp in der Heidenheimer Straße 44. „Die kluge Hausfrau kauft beim Edeka-Kaufmann“ lautete sein Slogan und bot Besonderes an: Lebensmittel, Feinkost, Weine, Liköre, Obst, Gemüse, Fische und alles mi 3% Rabatt.
- Lebensmittel Farys in der Sonnenbergstraße 24. Dazu gab es eine sog. kleine Anfrage: „Können Verkaufsstände für Obst und Gemüse, unbeschadet jeglicher Vorschriften vor den Häusern aufgestellt werden?“ Auch finden wir eine Anzeige mit dem Text: „Ehrliches, fleißiges Mädel bis zu 18 Jahren wird für Geschäft und Haushalt gesucht“.
- Julie Mahler und Irene Schoch in der Dreißentalstraße 23 (Eröffnung 2. Oktober)
- Emil Kopp (Doster & Sohn) in der Heidenheimer Straße 44 (Übernahme durch Otto Kopp zum 1. März)
- Metzgerei Alois Betz („Zur Sonne“) in der Sperberstraße 19
- Thekla Fischer im Turmweg 12
- Metzgerei Karl Friedle („Zum Grünen Baum“) in der Heidenheimer Straße 31
- Karl Gaissmaier (Zweigstelle) in der Heidenheimer Straße 7
- Elisabeth Goldmann (Zigaretten und Süßigkeiten) am Ölweiher 26
- Kolonialwaren Heinrich Grupp „Gruppaheiner“ in der Dreißentalstraße 31
- Johanna Held in der Heidenheimer Straße 36
- Bäckerei Willibald Geissinger (Inh. Emil Hug) in der Aalener Straße 23
- Margarethe Meroth in der Dreißentalstraße 55
- Martha Paff in der Heidenheimer Straße 56 und in der Brunnenhaldestraße 18
- Metzgerei Karl Reber in der Heidenheimer Straße 2 und im Finkenweg 9
- Metzgerei Hans Schlipf in der Aalener Straße 25/I
- Bäckerei Karl Widmann „Storchenbeck“ in der Heidenheimer Straße 6 (Das alte Gebäude wurde 1949 abgerissen)
1954
- Konditorei und Lebensmittel Fleury in der Lerchenstraße 5 am 20. November, renoviert und vergrößert, wieder eröffnet („Allsicht-Betrieb“ was immer das hieß. Das man alles sehen konnte, was zum Verkauf war?) und wurde damit ein „SPAR“-Geschäft. Wenn er selbst gemachtes Eis zu verkaufen hatte, hing immer eine rote Fahne am Haus.
- Bäckerei Richard Fichtner in der Frühlingstraße 17

Die Bäckerei „Fichtner“ in der Dreißentalstraße – heute „Gnaier“ (Archiv Müller)

Die Konditorei „Fleury“ in der Lerchenstraße 5 (Archiv Müller)
1955
- Zweiter „Konsum“-Laden in der Dreißentalstraße 26 (Eröffnung am 11. November)
- Anton Meroth, Neueröffnung am 12. November in der Dreißentalstraße 55 mit Frischmilchverkaufsstelle
- Ummeldung ab 7. Januar: Julie Mahler und Irene Schoch in der Dreißentalstraße 23 (jetzt unter eigenem Namen, früher Karl Frey Ellwangen Filiale 19). Freitags stand zeitweise ein Grill vor dem Haus, denn da gab es Geld und die Zeissianer nahmen gerne eine Thüringer Rostbratwurst im Vorbeigehen mit. Oberbräter war Hans Hillmer, der auch für den Zimmermann am Samstag in der Heidenheimer Straße briet.
- Geschäftsübergabe am 1. April der Bäckerei: von Heinrich Brammen an Josef Gsell (dessen Produkte auch über Heinrich Grupp, Karl Pfaff, Else Goldmann und Ewald Farys erhältlich sind
- Am 2. Mai eröffnete Karl Reber seinen neu erstellten Metzgerei-Laden in der Heidenheimer Straße 2
- Geissinger feiert sein 100jähriges Bestehen (1855 bis 1955) in der Aalener Straße 23
- Die Bäckerei Widmann „Storchenbeck“ in der Heidenheimer Straße 6 feiert am 15. November ihr 50jähriges Jubiläum 1905 bis 1955). Der Gründer Karl Widmann stammt aus einer alten Aalener Bäckerfamilie.
- Metzgerei Werner Jacobi in der Dreißentalstraße 6
- GUBI-Fischer bot Waffeln mit feinsten Zutaten aus eigener Herstellung an: „u.a. Fruchtwaffeln mit Zitronen- oder Orangengeschmack – 200 gr. für 64 Pfennige. Und frische Seefische gabs da auch schon“
1956
- Übergabe Meroth am 2. März an Anton Grieser (Einka) in der Dreißentalstraße 55
- GUBI-Fischer bot nun auch frische Seefische an. Jeder hat versucht sich vom Konkurrenten abzuheben – ein toller Wettbewerb, der auf Dauer gegen die aufkommenden Supermärkte nicht zu gewinnen war.
1957
- Feinkost Werner Pfeiffer in der Aalener Straße 10 verkauft u.a. zartes Reh- und Hasenfleisch und Original Thüringer Wurstwaren von Fleischermeister Schauerhammer aus Pößneck.
1958
- Wiedereröffnung nach Umbau am 7. November 1958: Metzgerei Alfred Zimmermann „Zum Grünen Baum“ in der Heidenheimer Straße 31 (Beste Thüringer Rostbratwürste ever – darüber darf gestritten werden „Zimmermann, Lerch oder „Bär“ Gold)
- Eröffnung von GUBI am 1. Dezember im Uhl’schen Haus in der Heidenheimer Straße 20. Franz Uhl durfte oder musste zu diesem Anlass als Zweitklässler ein Gedicht aufsagen, das seine Mutter bei Lehrer Leo Klotzbücher in Auftrag gegeben hatte.
Die offizielle Firmierung lautete: „Proeller Wwe. u. Geschw. GUBI-Lebensmittel“. 1971 wurde noch einmal erweitert. 1987 übernahm Tengelmann den GUBI und 1990 erfolgte der Umzug in die Röchlingstraße erfolgte. Der Name blieb noch längere Zeit erhalten. Rosa Schurr geb. Baumgärtner vom Katzenbach wurde zu einem Oberkochener Original der “neuen” Filiale. Sie war äußerst beliebt und jeder wollte von ihr bedient werden. Selbstverständlich wurde sie an den neuen Standort in die Röchlingstraße übernommen (neues Gebäude “Roseweber”). Die Tochter Andrea sahen wir dann auch noch ab und zu an der Kasse im EDEKA.
1959
- Reformhaus Ruth Schütze in der Dreißentalstraße 26
- Am 17. April eröffnet Jose Sogas ein EDEKA-Geschäft in der Dreißentalstraße 56/1 (Lerchenstraße). Er nennt es „Freiwahlgeschäft“, soll vielleicht SB-Selbstbedienungsladen bedeuten und hat jetzt zwei Standorte
- In diesem Jahr wird Karl Gaissmaier in der Heidenheimer Straße 23 gelistet.
- Am 11. September eröffnete Gaissmaier seine 132te Filiale in der Schillerstraße 14
- Lebensmittelhaus Zita Fischer „A & O Hartmann Emil GmbH“ in der Aalener Straße 10
- Der Supermarkt Anton Grieser befindet sich in der Walter-Bauersfeld-Straße 49. Dazu eine kleine Geschichte:
Die gute Seele und der Chef kannte jeden mit Namen, war immer freundlich und hilfsbereit – und, wenn er besonders gut drauf war, verzählte er einem hin und wieder das neueste Witzle – oder er riss selbst einen. Einmal kam ein Kunde in den Laden und sagte zu ihm: „I hätt gern drei Oier“. Der Chef antwortete wie aus der Pistole geschossen: „I au“.
- Hugo Müller hatte eine Weinverkaufsstelle im Hasengässle 5
- Josef Trittler in der Aalener Straße 43 mit einer Weinhandlung.
- Interessant. Im Verzeichnis wird im Hasengässle 6 die altbekannte Bäckerei wie folgt gelistet: „Erbengemeinschaft Wannenwetsch, Bäckerei – Paul Grupp“

Wichtige Herren auf dem Weg ins Rathaus – dahinter erkennen wir den „Grießer“ in der Walter-Bauersfeld-Straße (Archiv Müller)
Kurz vor Toresschluss flatterte noch Post aus Poggibonsi herein. Luitgard erzählt aus alten Zeiten, als das alte Geld nichts mehr wert war und das neue Geld noch nicht da war, zum Thema „Selbstversorgung“. Es waren harte Zeiten, harte Winter und es musste ums Überleben gekämpft werden (1945 bis 1948):
„Wir haben daheim noch echte Kernseife“ sagte Gertrud, meine Freundin. Sowas hatten wir nicht mehr, aber wir haben in diesen ersten Nachkriegsjahren nicht wirklich Hunger gelitten. Wenig bekam man zwar mit den zugeteilten Lebensmittelmarken, aber da von meinen Großeltern noch ein paar Äcker da waren, bekamen wir Milch von den Bauern, die diese bewirtschafteten. Jede Woche wurde ich am Mittwochabend in den „Ochsen“ geschickt, eine leere Maggiflasche in meiner Einkaufstasche. Damals kaufte man alles, auch Maggi offen im Laden, da wurden die kleinen Maggifläschchen aus der großen Flasche aufgefüllt – und so eine große viereckige Flasche bekam ich mit, um sie mit Milch füllen zu lassen. Der „Ochsen“ war Gastwirtschaft und Landwirtschaft zugleich. Ich ging in die Küche und stand an der Tür, bis mir jemand die Milch gab. Oft eine Stunde und länger musste ich warten, schon deshalb ging ich gar nicht gerne hin. Aber langweilig war es nicht. Da war Anna, die am Herd stand und in großen Kacheln kochte. Immer wieder nahm sie einen Löffel und probierte ihre Gerichte. Dann kam die Bäuerin heim. Die hatte offene Füße und setzte sich in eine Ecke, um ihre Füße neu zu verbinden. Der Bauer kam und holte sich seinen Stiefelzieher hinter dem Schrank hervor und zog damit seine klumpigen Arbeitsstiefel aus. Dann kam der Kellner aus der Gaststube, eine Serviette über dem Arm und fragte nach dem bestellten Gulasch. Als er diesen bekam, nahm er seine Serviette vom Arm und wedelte damit über dem Teller. „Scheiß Flieschen, sitzen den ganzen Tag beim Nachbarn auf der Miste, aber kaum gibt’s was zu essen, sind sie da“.
Ganz anders war’s bei der Hägele-Bäuerin. Dahin wurde ich am Samstagmorgen geschickt. Es war zwar ein weiter Weg zum letzten Haus am Ortsende und ich war ja erst 6 oder 7 Jahre alt, aber ich ging dort gerne hin. Frau Hägele war sehr nett. Sie ging mit mir über den Hof, der war, wenn’s geregnet hatte, also meistens, ganz schlammig. Wir gingen zu den Ställen und sie zeigte mir die Hühner und ganz kleine Küken oder auch neu geborene Kätzchen. Manchmal schenkte sie mir ein Ei. Dann gingen wir zurück ins Haus und sie gab mir die Milch, die ich dann zufrieden und glücklich heimbrachte.
Besonders im Sommer waren wir gut dran, denn wir hatten hinter dem Haus einen Garten mit Salat und Gemüse. Und Beeren gab es und Rhabarber, den aßen wir als Kompott zum Brei oder zu Pfannkuchen, wenn Mama genügend Fett hatte, um welche zu backen. Man kann sich heute gar nicht mehr vorstellen, wie die Eltern kämpfen mussten, um die Familie satt zu bekommen.
Aber auf dem Land ging das schon noch. In der schlimmsten Zeit gingen viele Frauen zum Hamstern aufs Härtsfeld. Zu Fuß mit einem Rucksack oder mit dem Fahrrad. Natürlich war es gut, wenn sie etwas zum Tauschen dabeihatten. Kleider zum Anziehen bekam man mit etwas Mühe schon hin. Mancher alte Kittel wurde gewaschen und gewendet, um daraus was fürs Kind zu schneidern. Ganz problematisch war es jedoch, Schuhe zu kommen. Durch einen Tausch gelang es meinem Vater, 2 Paar Schäfte für Kinderstiefel zu bekommen. Nun musste ein Schuster gefunden werden, der die Sohlen beisteuerte und wirklich Kinderstiefel daraus machte. In Schnaitheim war ein Schuster bereit, und wir fuhren mit dem Fahrrad hin. Ich bekam schöne braune Stiefel in Größe 28, mein kleinerer Bruder lebte „auf großem Fuß“ und bekam Größe 32. Was der Schuster dafür bekam, das weiß ich nicht – es muss wohl Ende 1946 gewesen sein, auf jeden Fall vor der Währungsreform, denn mit Geld konnte man nichts kaufen.
Der Schuhmacher war sowieso ganz wichtig. Damit die Sohlen lange hielten, wurden sie genagelt oder bekamen ein Eisele unter die Schuhspitze und am Ende des Absatzes. Geh’ zum Holza-Schuster, sagte man mir. Zu dem ging ich ganz gerne. Er wohnte oben und schusterte unten in einem schmalen Haus in der Grambolgaß. Es war dunkel drinnen, nur dort wo der Schuster auf seinem Schemel saß, wurde es hinter seinem Kopf heller. Da war ein kleines Fenster, durch das man in sein Gärtle sah, in dem alles wild durcheinander wuchs. Er hatte einen dicken speckigen Lederschurz an, der bis zum Boden ging, und seine Brille hing ihm ganz vorne auf der Nase. Vor sich einen stählernen Fuß, auf den er den zu reparierenden Schuh zog und daneben seinen Schustertisch. Links die bereits reparierten und rechts Haufen mit „ungemachten“ Schuhen. Doch was lag da nicht alles auf dem Tisch, der einen Rand hatte, damit nichts runterfallen konnte. Hämmer in allen Formen und Größen, Ahle und Zangen, Holznägel und Stahlnägel, ein Blechgefäß, geschlossen bis auf einen Pfropf in der Mitte, der angezündet werden konnte, gefährlich aussehende Messer gab es und Spachtel, Eisele und Absatzflecke in verschiedenen Größen und Formen – und wenn der Schuster gut aufgelegt war, dann begann er zu erzählen. Er wäre viel lieber Pfarrer geworden, dann hätte er den Leuten aber die Meinung gesagt. Da stand er sogar auf und proklamierte laut. Ich hätte ihm damals schon gewünscht, dass er Pfarrer hätte werden dürfen.
Man behalf sich in vielem. Klopapier wurde aus Zeitungen geschnitten. Zeitungen waren auch nützlich, um sie für Einlegesohlen zuzuschneiden. Gesammelt wurde alles:
- Spitzwegerich und Hagebutten waren gut für Tee
- Himbeeren und Heidelbeeren fürs Gsälz
- aus Schlehen wurde Sirup gemacht und
- aus Tannenlymphen eine Art Honig. Aber das war eigentlich verboten, denn die Tännchen wuchsen dann ja nicht weiter.
Um den Winter gut zu überstehen, musste geheizt werden. Für das nötige Holz ersteigerte Papa einen Schlag und einige Festmeter Holz im Wald. Dann zog die ganze Familie in den Wald, um Reisig zu bündeln und Äste zu zersägen und aufzuhäufen. Das Holz ließen wir von einem Bauern abholen, der es hinter dem Haus ablud. Dann kam der Holz-Säger. Er hatte eine fahrbare Bandsäge, kam auf Bestellung und sägte die langen Teile in „Möggel“. Diese mussten dann auf dem Holzblock gespalten werden. Das war viel Arbeit, die mein Vater mit seiner knappen Freizeit – auch am Samstag war er im „Gschäft“ und abends bis spät – nicht allein bewältigten konnte.
Dem Helfer, der dann kam, mussten wir Kinder zur Hand gehen (Handlanger halt). Danach aber kam das Aufwendigste, nämlich das gespaltene Holz auf die Bühne, den Dachboden, zu bringen. Unten luden wir die „Scheitle“ in die Körbe und hängten sie an das Seil, das oben am Bühnenfenster einer bediente. Aber auch auf dem Balkon musste jemand stehen, um den Korb gut über das Geländer zu befördern. Und auf der Bühne mussten natürlich die Körbe geleert und zu ordentlichen „Beigen“ geschichtet werden.
Wie froh waren wir, wenn wir das Holz trocken unters Dach gebracht hatten. Korb für Korb wurde es im Winter dann wieder herunter geholt zum Heizen.
Auf einmal hieß es: jetzt kommt die Währungs-Reform. Dann kann man wieder alles kaufen!
Endlich wieder ein Kotelett essen und einen ganz „schmotzigen“ Grumbierasalat mache ich dann dazu, sagte eine Tante. 200 DM Kopfgeld bekam unsere Familie. Zum Leidwesen meiner Mutter kaufte mein Vater, der sonst ja so sparsam war, gleich ein Radio, um Nachrichten zu hören. Was los war, interessierte ihn immer sehr. Hörte er ein Flugzeug, dann riss er schnell das Fenster auf und schaute nach oben. Von dem neuen Geld bekamen auch wir was, z.B. 5 Pfennige, das war ein grüner Schein, oder 10 Pfennige, das war ein blauer Schein. Münzen gab es erst viel später.“
Jetzt nemmetr uir Eikaufsnetz und holet was d Frau braucht ond et meh.
Wilfried „Wichai“ Müller – Billie vom Sonnenberg