Intro. Lange habe ich überlegt. Kann das ein Bericht werden? Oder doch nur eine Auflis­tung von Geschäf­ten und Adres­sen. Lange habe ich geses­sen. Im Frakti­ons­zim­mer im Rathaus und habe alte BuG-Ausga­ben Seite für Seite durch­ge­blät­tert. Ich habe Menschen befragt, Texte und Fotos gesam­melt, alte Verzeich­nis­se und Adress­bü­cher gesich­tet und so ist jetzt tatsäch­lich ein schöner Bericht daraus gewor­den, der zeigt, wie das früher mit dem Einkau­fen der wirklich wichti­gen Sachen so war – mit den Lebens­mit­teln, heute sagen wir Nahrungs­mit­tel, die aber etwas gänzlich anderes sind als Lebensmittel.

Lebens­mit­tel sind Prof. Kollath zufol­ge natür­lich, mecha­nisch verän­dert oder fermen­tiert. Sie sind „leben­de Kost“, die Fermen­te enthalten.

Nahrungs­mit­tel sind erhitz­te, konser­vier­te oder präpa­rier­te „tote Kost“. Fermen­te werden durch diese Prozes­se vernich­tet, was dazu führt, dass das LEBEN verlo­ren geht.

LEBENSMITTEL – natür­lich: Getrei­de, Nüsse, frisches Obst und Gemüse, frische Kräuter, Eier, Mutter­milch, Rohmilch, Quellwasser

LEBENSMITTEL – mecha­nisch verän­dert: frisch gemah­le­nes keimfä­hi­ges Getrei­de, frisch gemah­le­ne Nüsse, kaltge­press­te Öle, Frisch­kost, rohes Fleisch, Rohmilch­pro­duk­te wie z.B. Butter und Sahne, frische Obstsäf­te, Leitungs­was­ser ohne chemi­sche Zusätze

LEBENSMITTEL – fermen­ta­tiv verän­dert mittels Bakte­ri­en, Hefen, Eigen­fer­men­ten: ungekoch­tes und unerhitz­tes Frisch­korn­ge­richt, Gärge­mü­se wie z.B. Sauer­kraut, Gärmilch­pro­duk­te aus Rohmilch wie z.B. Käse oder Joghurt, Alkoho­li­sche Gärge­trän­ke wie z.B. Apfel­most, Wein oder Bier aus biolo­gi­scher Produktion

NAHRUNGSMITTEL – erhitzt: Vollkorn­brot, Vollkorn­ge­bä­cke, Vollkorn­ku­chen, gekoch­tes Obst und Gemüse, gekoch­te Gerich­te wie z.B. Hülsen­früch­te, Kartof­feln aber auch Vollkorn­reis und Vollkorn­nu­deln, gebra­te­nes oder gekoch­tes Fleisch / Fisch, erhitz­te / pasteu­ri­sier­te Milch und Milch­pro­duk­te, Tee, frische Gemüsebrühe

NAHRUNGSMITTEL – konser­viert: Dauer­back­wa­ren, Frucht­kon­ser­ven, Gemüse­kon­ser­ven, Trocken­früch­te, Babynah­rung, Tierkon­ser­ven, H‑Milch, Obst und Gemüse­säf­te aus Konzen­trat NAHRUNGSMITTEL – präpa­riert: Alle Fabrik­zu­cker­ar­ten und Produk­te daraus, Auszugs­mehl und Auszugs­mehl­pro­duk­te (z.B. Weißbrot, weiße Nudeln, weißer Reis), raffi­nier­te Öle und Marga­ri­ne, Aroma­stof­fe, Tierprä­pa­ra­te, Säuglings­nah­rung, Milch­pul­ver, künst­li­che Geträn­ke wie z.B. Cola, Limona­den oder Alcopops.

Struk­tur. Zuerst lassen wir Hermann Metz zu Wort kommen. Dann kommt eine Liste aller Geschäf­te, die ich beim Recher­chie­ren gefun­den habe, gefolgt von einigen Sonder-Themen sowie einer Sammlung von Begriffs­er­klä­run­gen und Luitgard berich­tet aus Zeiten der Selbst­ver­sor­gung. Das letzte Wort haben dann wieder der Hermann und die Luitgard. Das Ganze mit vielen alten Bildern durch­setzt und in vier Teile geglie­dert. Und jetzt viel Spaß beim Lesen und Erinnern. Der Karl Seitz wird jetzt auch zufrie­den sein, der mich vor ein paar Monaten ansprach, ich solle doch zu dem Thema etwas schrei­ben und ich antwor­ten konnte, dass ich dazu bereits schon am Schrei­ben sei. Daher gilt: Immer her mit Ideen für ein neues altes Thema.

Alt-Oberko­chen im Jahr 1949 – jetzt mit dem Metz-Heisle. Im Dreißen­tal wurde während des III. Reichs viel gebaut. Die kleinen alle ähnlich ausse­hen­den Häuser hießen “Hitler-Häuser” (Archiv Müller)

Hermann Metz aus Breisach, ein ehema­li­ger „Bua vom Dreiß­ad­aal“, schick­te mir 2020 seine Erinne­run­gen zum Thema und nannte sie 1948 Einkau­fen im Dorf — Bäradreck und Brause­bulvr vom Kiosk“:

„Wo und wie haben die Oberko­che­ner Ende der 1940er Jahre sich ihre Lebens­mit­tel für das tägli­che Leben beschafft? Einige wissen es noch, aber die ganz Jungen werden, wenn sie das Folgen­de lesen, sich die Gepflo­gen­hei­ten ihrer Altvor­de­ren nicht richtig vorstel­len können. Am Ende des II. Weltkrie­ges gab es Läden, oft auch »Koloni­al­wa­ren­ge­schäf­te« genannt, für fast alle Lebens­mit­tel. Aber in den meist sehr kleinen Läden kauften die Bürger auf andere Weise ein und verar­bei­te­ten das Einge­kauf­te anders als wir es heute kennen. Ich möchte zuerst auf das Lebens­um­feld der Käufer einge­hen. Fast niemand besaß ein Auto oder einen Kühlschrank. In ihren Küchen standen holzbe­feu­er­te Herde. Sie gingen zu Fuß mit einer Einkaufs­ta­sche ins Dorf. Nur wenige fuhren mit dem Fahrrad. Die Älteren hatten ziemlich zu schnau­fen, bis sie ihren Einkauf vom Dorf unten in die Dreißen­tal­stra­ße oder gar in die noch höhere gelege­ne Lerchen­stra­ße getra­gen hatten. Für den Trans­port größe­rer Mengen verschaff­te ihnen das in jedem Haushalt vorhan­de­ne „Loedrwäga­le“ eine Erleich­te­rung. Wo befan­den sich damals die »Kauflä­den«?

Alt-Oberko­chen 20er/30er Jahre – da stand auch das Metz-Heisle im Dreißen­tal noch nicht (Archiv Müller)

Das Gebiet oberhalb vom Dreißen­tal, die Lenzhal­de und der Bereich Bühl / Guten­bach: Alles das war unbebau­tes Gebiet. Oberko­chen hatte nach dem Krieg rund 2 000 Einwoh­ner. Es wäre noch anzumer­ken: Die Straßen, beson­ders die steilen, endeten oft als Wiesen­we­ge im Ungewis­sen. Doch wer im Sommer ohne Schuhe unter­wegs war, freute sich über den weichen, barfuß­freund­li­chen Unter­grund. Essen war wichtig, aber man brauch­te für das Leben außer­halb der Küchen­ti­sche auch Dienst­leis­ter und Handwer­ker für hundert andere Sachen. Man holte sie aber nur in der höchs­ten Not und machte, wenn irgend­wie möglich, alles eigen­hän­dig. In meinen Kinder­ta­gen gab es, sofern mir alle einge­fal­len sind (alpha­be­tisch):

  • Bahnhof der Reichs­bahn mit Güterschuppen
  • Fahrrad­händ­ler
  • Flasch­ner
  • Friseu­re
  • Gärtne­rei­en
  • Geschäft für Haushalts- und Eisenwaren
  • Gipser
  • Glaser
  • Hebam­me
  • Holzdre­her
  • Kranken­schwes­ter
  • Maurer
  • Ofenset­zer
  • Post
  • Sattler
  • Schmie­de
  • Schnei­der
  • Schreib­wa­ren­ge­schäft
  • Schrei­ner
  • Schuh­ma­cher
  • Textil­wa­ren
  • Wäsche­rei­en
  • Wagne­rei­en
  • Zimme­rei­en
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Der alte Gesamt­kom­plex Schee­rer­müh­le (Archiv Müller)

Der Schee­rer- und der Kreuz-Müller als Mehl-Origi­nal-Liefe­ran­ten waren ein Zwischen­ding zwischen Handwerks­be­trieb und Lebens­mit­tel­la­den. Über allen Dienst­leis­tern stand natür­lich das Rathaus mit dem Bürger­meis­ter und seiner Verwal­tung. Großer Chef dort war der 1948 zum Bürger­meis­ter gewähl­te Gustav Bosch. Er verrich­te­te seine Aufga­ben für das Dorf und die späte­re Stadt so gut, dass er mit dem Bundes­ver­dienst­kreuz ausge­zeich­net wurde. Natür­lich misch­ten auch die Bauern mit. Bei ihnen erhielt man Weizen, Eier, Milch, Kartof­feln, Obst, Mooschd usw. Sie waren auch wichti­ge Trans­port­un­ter­neh­mer für Holz und alles Mögli­che andere, und, mangels einer Kläran­la­ge, auch für die Gülle­ent­sor­gung zustän­dig. Man muss beden­ken, dass Oberko­chen 1948 mit rund achtzig, neunzig landwirt­schaft­li­chen Betrie­ben immer noch ein bedeu­ten­des Bauern­dorf war (Bericht Nr. 235).

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„Coloni­al­wa­ren & Südfrüch­te Emil Kopp“ in der Heiden­hei­mer Straße 44 – heute King Döner & Pizza (Archiv Müller)

Apropos Koloni­al­wa­ren­lä­den: Sie hießen so, weil sie übersee­ische Lebens- und Genuss­mit­tel wie Gewür­ze, Kaffee, Kakao, Mandeln, Zibeben, Tabak, Reis, Tee und Zucker in ihrem Angebot hatten. Spätes­tens nach dem Krieg waren die dafür vorge­se­he­nen Schub­la­den weitge­hend leer, denn der Kriegs­ver­lie­rer Deutsch­land war von der südli­chen Welt abgeschnit­ten. Was heute kleine Kinder im Super­markt ihren Eltern ganz selbst­ver­ständ­lich in den Einkaufs­wa­gen legen, Ananas, Mangos, Papayas, Kiwis, Bananen, Physa­lis, das kannten wir Kinder noch nicht einmal dem Namen nach. 

Auch einen Kiosk (schwä­bisch das Kiosk) gab es. Warum müssen wir ihn erwäh­nen? Weil man bei Wilhel­mi­ne Enepetz, der Besit­ze­rin (Bericht Nr. 653), wichti­ge Dinge kaufen konnte, zum Beispiel „Bäradreck oder Brause­bulvr“ ond au »Schond­heft­la«.

Gasthäu­ser waren immer schon für die Verpfle­gung der Menschen zustän­dig. Nach dem Krieg wurde dieser Service aber nur zurück­hal­tend und vorwie­gend für flüssi­ges Brot bzw. Hopfen­tee in Anspruch genom­men – auf gut Deutsch: Bier. Ich zähle die Wirts­häu­ser hier mit Namen auf. Meinen Rundgang begin­ne ich im Dreißen­tal und fange mit dem Café Gold am Turmweg an – obwohl ein Café ja keine Wirtschaft ist. Es folgen das Rössle, die Grube, das Lamm, der Ochsen, der Pflug, die Krone, der Hirsch, die Schell, der Grüne Baum — immer­hin zehn Gelegen­hei­ten zum Einkehren. 

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Ortsmit­te im Jahr 1949 (Archiv Müller)

Da wir auch an der Kirche St. Peter und Paul vorbei­ka­men, wollen wir noch die damali­gen katho­lisch-kirch­li­chen Zustän­de erwäh­nen. Wir erleb­ten noch Gottes­diens­te, die der Pfarrer in latei­ni­scher Sprache feier­te – dem frommen Volk den Rücken zugewandt und von der Kanzel herab predig­te. Bis zum II. Vatika­ni­schen Konzil, das vieles verän­der­te, dauer­te es noch fünfzehn Jahre. Wer sonntags seinen Frühschop­pen dem Gottes­dienst vorzog, von dem sagte man: Der gat en a Kirch, wo ma mit de Biergleesr zsammaleidat.“ 

Beim Einkau­fen gab es neben­her viel zu sehen und manches zu schwät­zen. Das ungeschrie­be­ne Gesetz laute­te aber: „Am zwelfe muaß kocht sae!“ Da ström­ten die Männer aus den Fabri­ken an den häusli­chen Mittags­kü­chen­tisch. Autos waren vor 1950 in Oberko­chen nicht viele zu entde­cken. Neben den Fußgän­gern beherrsch­ten Kuh‑, Ochsen- und Pferde­fuhr­wer­ke das Leben auf den Straßen. Und doch fuhr schon der eine oder andere auswär­ti­ge Borgward durchs Dorf. WIGO-Chef Wilhelm Grupp ließ sich mit dem Merce­des in den Pflug chauf­fie­ren und zwei, drei VW-Käfer hat es auch gegeben. Vielleicht knatter­te zufäl­lig auch der Hirsch­wirt mit seinem Respekt einflö­ßen­den Lanzbull­dog auf den Acker oder in den Wald. 

Die Volkmars­berg­stra­ße war Ameri­ka­ner-Domäne, wenn sie mit ihren Jeeps und Militär­last­wa­gen zu ihrem Funkpos­ten auf unseren Hausberg hochfuh­ren. Nicht verges­sen darf ich die Benedik­ta Wehrle vom Dreißen­tal; sie chauf­fier­te einen Holzver­ga­ser, eine ganz kurio­se LKW- Konstruk­ti­on. Wie sie als Frau zu diesem Posten kam, weiß ich bis heute noch nicht. 

Mir fällt noch ein: Niemals sah ich in den Straßen vespern­de Menschen, höchs­tens samstags, wenn sie sich zwischen ihren Einkäu­fen eine Thürin­ger Bratwurst leiste­ten. Einem Würst­le­s­es­ser wäre es nie einge­fal­len, etwas übrig Geblie­be­nes auf der Straße liegen zu lassen. Auch Zigaret­ten­kip­pen wurden nicht fortge­wor­fen. Das war das Vorrecht der ameri­ka­ni­schen Soldaten. 

Wie wurde einge­kauft? Wenn man in einen Laden hinein­kam, stand da eine große Theke, dahin­ter die Verkäu­fe­rin. Hinter ihr ein Riesen­holz­schrank mit Schub­la­den, ein kleines Regal mit Flaschen. Was in den Schub­la­den verbor­gen war, sah man nicht. Jedem Einkauf ging ein freund­li­cher Gruß voraus.

„Griaß Gott Frau Häfele“.

„Griaß Gott Frau Nägele. Wia gats ällaweil?“

„So, was häddat­se gära?“

„Haet breicht´e Subbanuuudle“

Die Verkäu­fe­rin zieht die Schub­la­den auf und holt das Gewünsch­te, je nach Konsis­tenz mit den Fingern oder mit einer Schau­fel heraus und füllt es in Papier­tü­ten oder leert es auf eine Zeitungs­sei­te. Jede Ware wog sie auf einer Bizer­ba-Waage, auf deren Skala im Kreis­bo­gen viele farbi­ge Zahlen standen. Ich hatte vor den Verkäu­fern Respekt, weil sie mit dieser Konstruk­ti­on umgehen konnten und hinter­her wussten, welche Zahlen hinter dem gut 30 Zenti­me­ter langen schwin­gen­den Zeiger abzule­sen und dann auf ein Stück Papier zu schrei­ben waren.

„Derfs noo ebbas sae?“

„Ja, faschd hädde no da Essig vrgessa!“

„Gäbat­se Ihr Flasch her.“

Für flüssi­ge Waren wie Essig und Öl brach­ten die Käufer Flaschen mit. Der Verkäu­fer seiner­seits bewahr­te seine Schät­ze in Ton- oder Stein­gut­krü­gen mit Absperr­häh­nen auf.

„Haet hätta mr ao no Sauer­graud“, stachelt die Verkäu­fe­rin ihre Kundin auf. 

„Frao Nägele, dees am Sonndig mit ama Schbägg ond a´ra Haad vol Wachol­drbeer! Ebbas Bessrs gibts iibrhaobt et! Ond gsood solls au sae.“

„Noe, dangge, i han koe Häfale drbei.“

Wahrschein­lich hätte das Häfale auch gar nicht mehr in die Einkaufs­ta­sche gepasst. Der Besuch im Laden zeigt klar: In dieser heute weit zurück­lie­gen­den Zeit war von Selbst­be­die­nung keine Rede.

Was die Preise anging, sagte meine Mutter einmal nach der Währungs­re­form: „Wia doch mit deam nuia Gääld afanga älles duirer wurd! Du kascht mit fenf Mark ens Dorf ganga, bis hoem kommsch, isch dr Gääld­beidl leer.“

Das Einkau­fen in diesen Jahren war fast völlig müllfrei. Kunst­stoff­beu­tel war ein Fremd­wort. In den Häusern gab es aller­dings schon Bakelit, etwas Ameri­ka­ni­sches, aus dem brand­ge­fähr­de­te Teile wie Lampen­fas­sun­gen, Steck­do­sen und Schal­ter herge­stellt wurden. Das Einpack­pa­pier aus den Läden wurde möglichst lang weiter­ver­wen­det und endete als Holzaa­zendm­adre­al em Kicha­herd. Lebens­mit­tel­ge­schäf­te verkauf­ten nicht alles: Brot und Fleisch gab es nur beim Bäcker oder Metzger oder stamm­te aus den eigenen Oberko­che­ner Hühner- und Hasen­stäl­len. Das Gras fir d´Hasa wurde meistens an Wiesen­rän­dern gesichelt, von denen wir Dreißen­tä­ler selten wussten, wem sie gehör­ten. Niemand empfand die Beute als Diebes­gut, denn sie war ja nur ein Hasen­mund­raub. Die Milch, auch Butter, erhielt man im von den Bauern belie­fer­ten Milch­heis­le, bei kleinen Molke­rei­fi­lia­len oder beim Bauern selbst. Was tun, wenn im Sommer die Butter (schwä­bisch der Buddr) schnell ranzig oder die Milch dick zu werden drohte? Da war der häusli­che Keller mit seiner natür­li­chen Erdküh­lung ein Glück, wenn auch kein völlig überzeu­gen­des. Insge­samt war die Lebens­mit­tel­ver­sor­gung aber prekär; den Ausweg sahen viele im Hamstern. Der eigene Garten war in dieser Situa­ti­on als Gemüse­lie­fe­rant überlebenswichtig. 

Nicht zu verges­sen die Stadt Aalen. Was in Oberko­chen nicht zu haben war, erhielt man dort, auch wenn es eine extra Bahnfahrt koste­te. Das Wenige, was ich über meinen Vater noch weiß, berich­tet von so einer Bahnfahrt. Nach länge­rem unlei­di­gem Wetter brauch­te er einen Regen­schirm, der in Oberko­chen nicht aufzu­trei­ben war. Also fuhr er nach Aalen. Zuhau­se zurück fragte meine Mutter: »Ond wo isch dr Schirm?«– »Däär fehrt em Zug nach Ulm!« Weil er später im heißen Nordafri­ka unter dem Wüsten­fuchs Rommel kämpf­te und schwitz­te, konnte er den Regen­schirm nachträg­lich verschmerzen. 

Da Oberko­chen keine Apothe­ke hatte, bot Adolf Uhl (geb. 1882 gest. 1971) aus dem Wiesen­weg eine Dienst­leis­tung der beson­de­ren Art an. Er sammel­te Arztre­zep­te und fuhr damit regel­mä­ßig mit dem Zug nach Aalen, um die dort erhält­li­chen Medika­men­te den Kranken nach Oberko­chen zu bringen. 

Was stand um 1950 auf dem Tisch? Darüber geben uns Luitgard Hügle (Beitrag Nr. 78 und 95) und, ganz ausführ­lich, Wilfried Müller (Beitrag Nr. 652) Auskunft. Wilfried Müllers Speise­vor­schlä­ge stammen zum Teil aber schon aus der begin­nen­den Wohlstands­zeit, wie etwa Schwei­ne­lend­chen mit Champi­gnons in Rahmso­ße. 1948 war so etwas unbekannt. Auch ich erinne­re mich an Alltags­spei­sen wie Brotauf­lauf, Buaba­spitz­la, Braot­kard­off­la, Dampf­nud­la, Flädles­supp, Kuddla, Kardoff­l­sa­lat, Lensa mit Schbätz­la, Milch­supp, Kardoff­l­supp, Schlangan­ger, Oierha­ber, Pfann­a­ku­acha, Griaß­brei mit Zuggr ond Zemt. Man sieht, es war durch­gän­gig fleisch­lo­se Kost. Fleisch – das gabs nur am Sonntag, und dann auch nur vielleicht. Bei ein paar Sachen laufd mr haet no´s Wassr em Maul zsamma. Vielleicht läuft mir die Schbug­ge auch deswe­gen, weil es vor 70, 80 Jahren nicht üblich war, zum Essen etwas zu trinken. Diese Mode kam erst viel später auf. Was Wilfried Müller am Tisch ausrei­chend zu hören bekam »Beim Ässa schwätzt ma et« (Bericht 652), kannten wir im Dreißen­tal fünfzehn Jahre vor seiner Zeit als: »Was auf´m Disch statt, wird gessa!«“.

Nächs­te Woche geht’s weiter mit Einkau­fen. I muaß jetzt zum Sogas, en Biarschen­ka hola ond en dr Sonne a Sulz ond a Schwarz­wurscht kaufa.

Wilfried „Wichai“ Müller – Billie vom Sonnenberg

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