INTRO. Bruno Brand­stet­ter ist mir im Laufe der Jahre ein emsiger Unter­stüt­zer gewor­den, der die Dinge teilt, die er gesam­melt hat und oft für mich beim Huga-Schrei­ner unter­wegs ist. Dafür ein herzli­ches Danke­schön. Und jetzt lassen wir Bruno mit seinen „Wirts­haus­er­in­ne­run­gen“ zu Wort kommen:
Eigent­lich erinne­re ich mich in erster Linie an Wirtschaf­ten aus meiner Jugend­zeit, die heute leider nicht mehr existieren:

• Der „Grüne Baum“
• Das „Rössle“
• Die Bahnhofs­re­stau­ra­ti­on (des isch nix fir a schwä­bi­sche Zong) besser „D‘ Schell“
• Der „Hirsch“
• Die „Grube“

In meiner Junger­wach­se­nen­zeit oder auch Sturm- und Drang­zeit, wie man früher sagte, also in den 50er Jahren des letzten Jahrhun­derts waren vor allem „D‘ Schell, dr „Hiiiiersch“ und „D’ Gruab“ von elemen­ta­rer Bedeu­tung. Niemand sagte Gaststät­ten, sondern das waren einfach „Wirtschaf­ten“.
Damals gab es kaum eine Tanzver­an­stal­tung oder gar eine Party oder sonsti­ge Events, wie sie die heuti­ge Jugend kennt. In der Advents­zeit vor Weihnach­ten und in der Fasten­zeit vor Ostern und an bestimm­ten Tagen des Trauer­mo­nats Novem­ber sowie an einigen kirch­li­chen Feier­ta­gen gab es keine Vergnü­gungs­ver­an­stal­tun­gen – auch keine Hochzei­ten. Dabei waren Hochzei­ten für uns Jugend­li­che die Gelegen­heit, um tanzen zu dürfen. In „D‘ Schell“ und im „Hirsch“ gab es einen Saale für größe­re Veran­stal­tun­gen. In „D‘ Schell“ waren vor allem Hochzei­ten und das Theater­spiel angesagt. Fernse­hen und den ganzen Medien­zir­kus gab es nicht und so haben die örtli­chen Verei­ne über den Winter Theater­stü­cke zur Auffüh­rung gebracht.

Das beein­dru­cken­de Ensem­ble „dr Schell“ – aus einer völlig anderen Zeit, in der das Mit- und Fürein­an­der einen großen Stellen­wert hatte – wir erken­nen Franz Hausmann (dritter von links hinte­re Reihe), Engel­bert Grupp „Goldab­au­er“ inn kurzen Hosen rechts der Dame, A. Schaupp (zweiter von rechts) und ganz rechts der Regis­seur Helmle (Archiv Müller)

ZUR „SCHELL“. Große Theater­stü­cke hatte damals die Kolpings­fa­mi­lie einstu­diert und aufge­führt. Ich erinne­re mich an ereig­nis­rei­che Stücke wie „Die Glocke von St. Micha­el“, „Konrad der letzte Hohen­st­auf­fer“ u.a.m. Kolping hat seine Stücke meistens am 1. und am 6. Januar in „D‘ Schell“ erfolg­reich vor vollem Haus aufge­führt. Natür­lich gab es einen Regis­seur, die Darstel­ler, die Kulis­sen­schie­ber und andere tatkräf­ti­ge Unter­stüt­zer und die wichtigs­te Person überhaupt – den Souffleur! Was wir nicht hatten, waren Beleuch­ter mit Licht­ef­fek­ten und auch keine Sound- und Light­show, wir waren froh, wenn die Schein­wer­fer funktio­nier­ten.
An einem 1. Januar um 19 Uhr kam ein Stück zur Auffüh­rung, dessen Titel ich nicht mehr weiß. Die Kulis­sen wurden unter der Anlei­tung vom Maler­meis­ter und vom Schrei­ner­meis­ter u.a. selbst gezim­mert und bemalt. Requi­si­ten, Bühnen­auf­bau und Ausstat­tung samt Vorhang wurden von den Kolping­mit­glie­dern u.a. aufge­baut. So hatte der Hugaschrei­ner Rudolf Hug zur Auffüh­rung von „Die Glocke von St. Micha­el“ zwei wunder­schö­ne Glocken aus Holz herge­stellt.
Vorne an der Bühne, gleich hinter dem Vorhang, war ein vierecki­ges Loch in den Bühnen­bo­den einge­las­sen. Darun­ter stand eine Sitzge­le­gen­heit in Form eines kleinen schma­len Brettes. Auf dieser „Sitze“ musste der Souffleur während der Auffüh­rung sitzen und leise den Text vorspre­chen. Der Sitz konnte nur über die Bühne bei geschlos­se­nem Vorhang erreicht werden. Vor dem Bühnen­loch stand der Souffleur­kas­ten als Sicht­schutz, damit die in den vorde­ren Reihen sitzen­den Zuschau­er den Souffleur nicht sehen konnten.

Wer das wohl bei einer Auffüh­rung in „dr Schell“ ist? Das Stück heißt „Das Kreuzerli im Tannen­wald“ und die Frau ist das „Waldvö­ge­lein“ zusam­men mit Engel­bert Balle (Archiv Müller)

Es war wieder der 1. Januar bei einer abend­li­chen Kolping-Theater-Auffüh­rung. Der damali­ge Pfarrer Klein hatte die Leitung der Spiel­grup­pe. Der Saal war wie immer brechend voll. Mein Freund und Alters­ge­nos­se Bruno war der Souffleur. Ich selbst war Teil der Kulis­sen­schie­ber­trup­pe, also Mädchen für Alles. Bruno saß in seinem Kasten und die Auffüh­rung lief blendend. Aller­dings sprach Bruno auffal­lend laut, obwohl er diesen Job schon öfters verrich­tet hat. Pfarrer Klein ging mit mir an das Ende des Saals und tatsäch­lich, Bruno war bis hinten deutlich zu hören. Vielleicht war die Silves­ter­nacht doch zu anstren­gend gewesen. Tatsäch­lich saßen da unter aber zwei Perso­nen. Der Bruno und mein Freund Franz. Wäre ja nicht schlimm gewesen, aber Franz rauch­te da unten Zigar­re und blies den Rauch in schönen Ringen nach oben, die durch des Souffleurs Loch auf der Bühne erschie­nen. Man kam sich vor wie auf dem Oberko­che­ner Bahnhof, wenn die Lok ihren Dampf aus dem Kessel blies. Mitun­ter waren wohl Franzens Ringe genau­so inter­es­sant wie das Spiel selbst. Der Akt ging zu Ende, der Vorhang senkte sich, der Pfarrer stürm­te auf die Bühne, wusch den beiden gehörig den Kopf und übernahm deren Job bis zum Ende des Stücks.

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1963 Der „Hirsch“ noch mit „Konsum“ und schon mit „Krok“ (Archiv Müller)

ZUM „HIRSCH“. Das war auch eine sehr wichti­ge Insti­tu­ti­on in unserer älteren Jugend­zeit. Viele Hochzei­ten, Faschings­ver­an­stal­tun­gen oder Tanzkränz­chen wurden hier abgehal­ten. Berühmt berüch­tigt war die „Kischt“ im „Hirsch“. Das war eine nicht beson­ders schöne, aber gemüt­li­che, Sitzecke neben der Theke. Beson­ders bekannt wurde sie durch die „Kisch­ta­wei­ber“ des Gesangs­ver­eins.
Unsere eigene Hochzeit feier­ten wir natür­lich im „Hirsch“ am Kirch­weih­mon­tag anno 1961. Das war damals noch ein arbeits­frei­er Feier­tag. Wenn ich heute die Rechnung vom Hirsch­wirt Heinz Bergner ansehe, muss ich über die Preise schmunzeln:

• 95 Gäste wurden verkös­tigt
• 22 Hochzeits­gäs­te zu Mittag
• 73 Gäste, vor allem Kolping­brü­der, zu Abend
• Alles zusam­men koste­te 372 DM.
• Das Monats­ge­halt betrug netto rund 330 DM
• Aus der Hochzeit-Schenk­lis­te gab es in der Regel 2–3 DM pro Kopf, in Ausnah­men auch mal 10 DM

Die Schenk­schüs­sel war eine Art Teigschüs­sel mit umgekehr­tem Deckel auf dem Braut­tisch. Der Gast legte sein Geldge­schenk auf den Deckel, die Schwie­ger­mut­ter der Braut führte gewis­sen­haft Buch über die Beträ­ge und trug diese in die Schenk­lis­te ein.

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Der „Hirsch“ nach dem Krieg, aber etwas älter als das andere Bild – von Autos noch keine Spur (Archiv Müller)

Die G’schicht vom „Goggo“ muss natür­lich erzählt werden: „Viele Kirchen­be­su­cher, alte, junge und auch wir, gingen nach der Hl. Messe am Wirts­haus „Hirsch“ vorbei. Eines Tages stand doch tatsäch­lich ein „Goggo“, auch Plastik­bom­ber genannt, vor dem Wirts­haus (Dieses Auto wurde von 1955 bis 1969 vom Erfin­der Hans Glas aus Dingol­fing gebaut und auf den Markt gebracht. Ein preis­güns­ti­ger Klein­wa­gen, damals eine Sensa­ti­on mit einem 2‑Zylin­der­Z­weitakt-Mpotor und rund 15 PS, Ende der 60er Jahre koste­te das Auto 3.600 DM. Der Kosena­me eines Enkels des Erfin­ders laute­te „Goggo“ – daher der Name). Einer der anony­men Buben von damals hatte DIE Idee: Komm, wir stellen das „Goggo“ in den Eingang vom „Hirsch“. Unter dem christ­li­chen Geläch­ter der Kirchen­be­su­cher wurde das Auto flugs in den Eingang getra­gen (Leerge­wicht rund 450 kg). Und damit es beson­ders lustig sei, wurde es quer hinein­ge­stellt. Toller Streich, die Jungs waren von sich begeis­tert – aber das dicke Ende folgte nach.
Das „Goggo“ gehör­te einem Kriegs­be­schä­dig­ten und der fand das gar nicht lustig und erstat­te­te Anzei­ge. Polizist Fuchs (vom Sonnen­berg) musste die Ermitt­lun­gen aufneh­men und die örtli­che Polizei verstand ihr Handwerk. Die 8 Täter wurden rasch nament­lich ermit­telt und sie erwar­te­ten eine defti­ge Strafe.
Wie damals nicht selten, schal­te­te sich BM Gustav Bosch bei Lausbu­ben­strei­chen höchst­per­sön­lich ein, um eine leicht­fer­ti­ge Krimi­na­li­sie­rung zu unter­bin­den. Der „Fuchs“ musste die Akte schlie­ßen und die Buben wurden aufs Rathaus bestellt. In einer Reihe aufge­stellt, wie beim Solda­ten-Apell, standen sie da und ließen die Stand­pau­ke vom gut meinen­den, aber deutlich und lautstark erklä­ren­den Bürger­meis­ter über sich ergehen. Sie müssten mit einem Straf­zet­tel und einem hohen Geldbe­trag rechnen. Einge­schüch­tert waren sie nun, ängst­lich und depri­miert – jegli­che Selbst­si­cher­heit verflo­gen. Aber der Gustav war ein Guter und sagte: „Ich als Bürger­meis­ter kann den Straf­be­scheid verhin­dern, aber jeder von Euch muss sozia­le Arbeits­stun­den leisten.“ Der Bruno musste mit seinem Freund Albert Sonder­brief­mar­ken verkau­fen, an die anderen Aufga­ben erinne­re ich mich nicht mehr.“

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Goggo­mo­bil Limou­si­ne mit zu seiner Zeit modischem Zubehör wie Sonnen­blen­de, kleinen Schuten über den Schein­wer­fern und Wackel­da­ckel (sowie Klopa­pier in gehäkel­ter Hülle) auf der Hutab­la­ge (Wikipe­dia)

ZUR „GRUB“. Leider hat diese Wirtschaft, von den Famili­en Mall und Tritt­ler, auf Ende März 2023, ebenfalls ihre Türen geschlos­sen. Nach Ende des II. Weltkriegs wurden die von den Nazis verbo­te­nen Verei­ne und Verbin­dun­gen neu gegrün­det oder wieder­erweckt, so auch die Kolpings­fa­mi­lie. Um im Kolping aufge­nom­men zu werden, musste man Gesel­le oder 18 Jahre alt sein. Meine Schul­ka­me­ra­den und ich waren zunächst Mitglied bei der „katho­li­schen Schwa­ben­ju­gend“. Unsere Vereins­aben­de wurden wöchent­lich eine Zeit lang im alten Schwes­tern­haus, im Bergheim, im alten Schul­haus (Fuchs­bau) und anderen Örtlich­kei­ten abgehal­ten. 1954 hatten wir dann unsere Lehre hinter uns, waren 18 Jahre alt und wurden bei Kolping aufge­nom­men. Der wöchent­li­che Kolping-Abend wurde immer im Neben­zim­mer in der „Grub“ abgehal­ten, so wurde die „Grub“ die Stamm­wirt­schaft von Kolping. Es wurde selbst­re­dend Bier getrun­ken, geschwätzt, Gedan­ken ausge­tauscht, gemein­sam gespielt und Fortbil­dung betrie­ben. Z.B. hielt Kaspar Stark einen Vortrag zum Thema „Knigge – Gutes Beneh­men“ und Bruno Wingert führte uns in Kunst des Fotogra­fie­rens ein.
Zu großem Dank verpflich­tet sind wir den Wirts­leu­ten Franz und Mathil­de Weber, denen keine Arbeit zu viel war, um es uns im Neben­zim­mer angenehm und gemüt­lich zu machen. In der „Grub“ wurde einfach eine herzli­che Gastfreund­schaft gelebt, die von Genera­ti­on zu Genera­ti­on bis zur Schlie­ßung weiter­ge­lebt wurde.
Obwohl wir noch ein reiner Männer­ver­ein waren, kam keine Lange­wei­le auf. Es wurde viel mitein­an­der gespro­chen und reich­lich gesun­gen. Als wir älter waren, durften wir dann auch schon mal am Stamm­tisch der Alten sitzen mit der Maßga­be: „Sitz na und halt dei Maul!“ Da gab es aller­lei inter­es­san­te Infor­ma­tio­nen von ganz früher.
Einst hatten wir beim Mittwoch­s­treff einen „Kappen­abend“ in der Faschings­zeit veran­stal­tet. Alle hatten eine bunte Kopfbe­de­ckung und waren bester Stimmung. Es wurde ein Faschings­prinz ausge­ru­fen, gewählt, bestimmt (was weiß ich). Der Prinz brauch­te einen Thron. Flugs wurde ein Stuhl auf einen Tisch gestellt und der Prinz musste darauf Platz nehmen. Die ganze Meute huldig­te ihm mit dem Reiter­marsch und möglichst lautem Singen. Die Reiter nahmen auf ihren Stühlen Platz, die Lehne nach vorne ausge­rich­tet. Auf Komman­do, mit einem gesun­ge­nen Marsch­lied auf den Lippen, wurde der Stuhl angeho­ben und einen Schritt später wieder auf den Boden knallen zu lassen – im Takt versteht sich. So wurde vom Neben­zim­mer in die Gaststu­be und wieder zurück­ge­rit­ten. Bei einer Männer­run­de von 6,8 oder 10 Reitern gab das auf dem neuen Parkett­bo­den schon einen mächti­gen Krach. Die Wirts­leu­te hat es nicht gestört oder haben sie nur einfach nichts gesagt? Woiß mrs?
Ein ganz beson­de­rer Tag war der Kolpings-Gedenk­tag am 4. Dezem­ber (auch Barbara­tag) in der katho­li­schen Kirche mit anschlie­ßen­dem „Buaba-Kaffee in dr Gruab“. Damals war es noch Vorschrift, bei der Kommu­ni­on nüchtern zu sein (nicht frei von Alkohol, sondern komplett nüchtern wie bei der Blutab­nah­me). Deshalb war nach dem Kirch­gang Frühstück in „dr Gruab“ angesagt – aber nicht so wie heute. Es gab Malzkaf­fee und Hefekranz, auf schwä­bisch oifach Kranzes. Der Kaffee kam von der „Grube“, der Kranzes von der Bäcke­rei Geissin­ger. Aber die Männer­ge­sell­schaft kam beim Kaffee nicht ohne Frauen­hil­fe aus.
ZUM STAMMTISCH. Wir hatten uns inzwi­schen zum Stamm­tisch hochge­ar­bei­tet. Aber immer noch galt es das Maul zu halten und zuzuhö­ren, wenn die alten Männer aus dem Krieg 1914–18 erzähl­ten. Sie erzähl­ten von der Maas und der Memel und vermut­lich auch Geschich­ten, die sie bei der Frau zu Hause nicht erzähl­ten. Inter­es­sant und spannend für die Jungen – aber nichts zum Nacher­le­ben wollen. Gesun­gen wurde auch viel – überwie­gend Solda­ten- und Lumpen­lie­der.
Ein Stamm­tisch ohne Stamm­tischg­schwätz isch koi richti­ger. Deshalb dazu ein paar Stories:
„Der Josef, der eine kleine Landwirt­schaft betrieb, hatte seinen Mistwa­gen vollge­la­den drei Tage vor seinem Haus stehen lassen. Am vierten Tag, in aller Herrgott’s Frühe fuhr er dann mit seinem Wagen in Richtung Wasser­häus­le (Gunder­s­tal). Stunden später ist er mit dem Mistwa­gen, immer noch vollge­la­den, nach Hause zurück­ge­kom­men. Auf die Frage „Ja Josef, fährsch Du dein Mischt wieder hoim?“, soll er gesagt haben, „I han nochdenkt, der muaß auf an andere Acker“. Die Kühe sind dann mit dem Mistwa­gen in seinen Stadel gefah­ren und die Tore wurden verschlos­sen.
Ein anderes Mal hatte Josef seinem Übernach­bar Gold (Schmid­jörg­le) ein Mostfass in dessen Scheu­er gestellt. Er sagte: „Ka I des Fass in dein Stadl onder­stel­la, des hendrt mi, I hols nau wieder.“ Da wurde er infor­miert, dass die Polizei eine Durch­su­chung in seinem Haus machen wollte, um eine Tatwaf­fe und ein Beweis­mit­tel sicher­stel­len wollte. Was immer es zu verber­gen galt und ob es sich auch so zugetra­gen hat? Woiß mr et – s kam halt vom Stamm­tisch.
Beschimp­fun­gen waren an einem schwä­bi­schen Stamm­tisch nicht ungewöhn­lich. „Du bisch doch a Dackl“, so war das nicht belei­di­gend. Wenn man aller­dings ein Halbdackl genannt wurde, das war schon hefti­ger. Wo, außer im Schwä­bi­schen gelingt es durch eine Halbie­rung eine Verdop­pe­lung der Aussa­ge zu errei­chen? Kräfti­ger ging es noch mit „Du hasch a Hira wia a halber Dackl“ oder gar „Du Grasdackl“. Ausdruck­stär­ker ist dann noch dr “Grana­te­da­ckel“ und das Högschte isch dann dr „Kardi­nals­dackl“ – belei­digt war man nicht. Man ging im Guten ausein­an­der – bis zur nächs­ten Sitzung.
Das Bier wurde aus Krügen getrun­ken. Jeder der Stamm­tisch­brü­der hatte einen eigenen priva­ten Bierkrug. Diese standen alle auf einem Bord in der Wirtschaft. Es gab einfa­che Stein­krü­ge mit und ohne Deckel, aber auch reprä­sen­ta­ti­ve und sehr schöne teure­re verzier­te Krüge. Das schöns­te und wertvolls­te waren die Zinnde­ckel auf den Krügen, die durch Abbil­dun­gen von Rehen, Hasen, Hirschen und Ähren verziert waren – oft der Stolz der Besit­zer.
Ein Bonmot war auch immer, dass der Stamm­tisch nur aus drei Säcken bestehen würde: „Sägmehl, Sand und Benzin“ – sprich Zimmer­meis­ter Franz, Mauer­meis­ter Franz und Tankstel­len­be­sit­zer Karl. Stimmt so nicht ganz, es waren schon 8 bis 12 an der Zahl.
Pferde. Ich erinne­re mich noch an einen trauri­gen Anlass. Der Grubwirt war ja bekann­ter­ma­ßen ein Pferde­lieb­ha­ber. Als dann die letzten beiden Pferde aus dem Stall geholt wurden, weil die Landwirt­schaft aufge­ge­ben wurde, gab es reich­lich Tränen bei der „Grub-Wirtin“.
Lomba Liader (Lumpen­lie­der). Zum Abschluss noch ein Wirts­haus­lied, das zu später Stunde lauthals gesun­gen wurde (Wieder­ho­lungs­re­frain in „“):
Billies Anmer­kung: Die letzte Strophe habe ich dann doch abgebro­chen, weil die Leser­schaft heutzu­ta­ge wohl sensi­bler ist als früher. Aber übersetzt wurde es komplett und ins Archiv kommt natür­lich die komplet­te Versi­on. Zu erwäh­nen ist, dass dieses Lied als Text von mir und vom Metza-Hermann aus Breisach am gleichen Tag, ohne vonein­an­der zu wissen, gelesen und bearbei­tet wurde. Da sage noch einer es gäbe keine Telepa­thie mehr. Des Brand­stet­ters Bruno Text-Versi­on habe ich vom Hermann, als meinem Sachver­stän­di­gen für Oberko­che­ner Schwä­bisch, überar­bei­ten lassen und da hat er mir auch gleich die abgeschwäch­te Susa-Strophe anstatt der komplet­ten Uschl-Strophe geschickt.
Dr Henna­staall isch oba leer
„oba leer“
ond onda isch nex dren
„ond onda isch nex dren“
verreckt dr ao koe Hah em Staall
verreckt dr ao koe Henn, juhe,
„verreckt dr au koe Hah em Staall
verreckt dr ao koe Henn“

Dr Birger­moeschtr von Luxaburg
„von Luxaburg“
hat Heahner­au­ga em Gsicht,
„hat Heahner­au­ga em Gsicht“
sae Jonger isch erscht 18 Jaohr ond leidat scho an Gicht, o je
„ond leidet scho an Gicht“

Wann oiner a stoinigs Äcker­le hat
„Äcker­le hat“
ond hat koen scharfa Pfluag
„ond hat koen scharfa Pfluag“
ond hat´r a grausigs Weib drhoem nao hatr z´gratze gnuag, juhe,
„ond hat a grausigs Weib drhoem nao hatr z´gratze gnuag“

Dr Ehle bronzt zom Lädale na,
„Lädale na“
em hemml­hoa Boga,
„em hemml­hoa Boga“
er hebt sich an des Nachbars Haus an einem Messeng­glo­ba
„er hebt sich an des Nachbars Haus an einem Messenggloba“

Mae Mädle isch vom Herts­feld ra
„Herts­feld ra“
und hoeßt mit Nama Susa
„und hoeßt mit Nama Susa“
I guck se wirklich gära a ond ihren allmäch­di­ga Busa
„I guck se wirklich gära a ond ihren allmäch­di­ga Busa“

Mae Mädle isch vom Herts­feld ra
„Herts­feld ra“
und hoeßt mit Nama Uschl
„und hoeßt mit Nama Uschl“
oba hat se wenig Haor
abr……….

Und wie schließt der Bruno seine Berich­te immer ab? Richtig: „So war’s halt!“

Es grüßt der „Billie vom Sonnen­berg“ und denkt an all die Wirtschaf­ten mit ihren Geschichten

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